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und andererseit« auf die in Bulgarien herrschende Urberzeugung, daß ein Krieg ungleich höhere Opfer kosten würde, als eine friedliche Auseinander­setzung. Urber den Stand der beiderseitigen Borschläge verlautet, daß Bulgarien nun geneigt wäre, 100 Will. Franc« zu zahlen und daß die Türket fich mit 150 Mtll. begnügen würde. Eng­land bewüht fich, Bulgarien zur Zahlung von 120 Mtll. zu veranlassen, klebrigen« hat die Türkei ihren Wunsch nach Abtretung einiger strittiger mazedonischer Grenzdörfer nunmehr auf. gestellt.

Wien 27. Jan. Die Note der bulgarischen Regierung an die Mächte ist heute dem Kabinett überreicht worden. Sie führt zunächst die Gründe an, welche Bulgarien zur Mobilisierung der 8. Division veranlaßten und nennt al« ersten Grund die Besorgnis, daß die Türkei bulgarisches Gebiet besetzen körnte. Es heißt dann weiter, daß die bulgarische Regierung den sehnlichen Wunsch hege, mit der Türkei zu einer Verständigung zu gelangen. Bulgarien Habs nie an einen Krieg gedacht und seine militärischen Maßregeln ent­sprächen nur der Vorsicht. Ts lehne aber jede aggressive Tendenz ob. Dieser Inhalt der Note bestärkt die in Wiener Bolschafterkreisen herrschende Überzeugung, daß die türkisch bulgarischen Be- Atzungen keinen bedrohlichen Charakter haben. Biel ernster wird neuesten« dar österreichisch-serbische Berhältnis aufgesaßt. Die Fortsetzung der serbischen Rüstungen wird über kurz oder lang Oesterreich auch zu entscheidenden Schritten nötigen.

Belgrad 27. Jan. Trotzdem die Polizei strengste Geheimhaltung bewahrt, bestätigt es sich, daß vorgestern auf den Minister des Aeußsrn in seiner Wohnung von zwei unbekannten, elegant gekleideten Herren ein Attentatrversuch unternommen wurde, welcher nur durch da« energische Auftreten der Dienerschaft vereitelt wurde.

Belgrad 27. Jan. Der Kronprinz empfing gestern die Redakteure zweier oppositioneller Blätter und erklärte ihnen, daß er täglich Droh- Kiese erhalte de» Inhalts, man werde mit Hilfe der radikal,n Tkuptschina-Mehrheit ihn der Thron- erber verlustig erklären und seinen Bruder Ale. -ander als Thronfolger proklamieren. Der Kronprinz erklärte weiter, schriftliche Beweise über Machenschaften seiner Bruder« Alexander mit Berschwörer.Osfizieren in Händen zu haben.

London. König Eduard ließ durch eiuen Herrn seiner Umgebung der deutschen Bot- schüft seine Glückwünsche zum Geburtstag de» deutschen Kaisers übermitteln. Der Botschafter wurde nach Schloß Windsor eingeladen. Zu Kaiser Wilhelms Geburtstag schreibt

Daily Graphic": Da« englische Volk ist von dem Wunsch beseelt, fich mit feinen Vettern jen- seit» de» Kanal« in aufrichtigen Glückwünschen zu vereinige». Selbst ohne seine besonderen An­sprüche auf da« Entgegenkommen England» würde der Kaiser nicht vergeben« an dis Sym­pathien der Engländer appellieren. Der Kaiser ist da« Urbild eines Manne« von seltenem Charakter, von hervor- ragender Bildung und von ungewöhn- lichem Fleiß, wie von Verständnis für da« öffentliche Leben. Im privaten und öffentlichen Leben ist der Kaiser ein Vorbild für sein Volk. Ec schont fich im Dienst seine» Lande« nicht. Sein Streben nach der Größe Deutsckland« hat seinem Vaterland eine Flotte geschaffen, der selbst die Herrin der Meere ihre Anerkennung zollt, indem sie ihr Un- behagen zeigt. Er ist ein Staatsmann von weitem Blick und hohen Idealen. Die Engländer ge- denken heute mit besonderer Freude der Tatsache, daß der Kaiser stets ein zuverlässiger Freund England« gewesen ist.

London 27. Jan. Die gestrige Sitzung de« Ministerrat« ist durch zwei Sensationen unter­brochen worden. Daseinemal wurde den Ministern gemeldet, daß 3000 Arbeitslose auf Downing Street marschierten. Die Demonstranten wurden aber am Trafalgar Square gestellt und von der Polizei zerstreut. Nachdem dieser Zwischenfall erledigt war, fand sich in Downing Street eine große Menge von Zivil-Musikern ein, die gegen das Spielen der Militär-Musiker zu privaten Veranstaltungen Einspruch erhoben und dem Ministerium, dos fich geweigert hatte, sie zu empfangen, den Totenmarsch au« Daul aufspielte. Die Polizei machte auch diesem Auftritt bald ein Ende.

Mailand 27. Jan. Der hochangesehene hiesige Notar Polgiani ist unter Hinterlassung eines Defizits von//»Millionen Lire in da» Aus­land geflüchtet. Heute Morgen ist die Waggon-Fabrik Miani L Gilvestri zum größten Teile niedergsb rannt. Der Schaden beträgt zirka eine '/- Million Lire.

Rom 27. Jan. Die gesamte Hilfsaktion Deutschland« für die durch die Katastrophe in Tüdiialie n Geschädigten beträgt 4^ M>ll.Ltre.

Messina 27. Jan. Heute früh 8 Uhr erfolgte wiederum eine starke 3 Sekunden an­haltende Erderschütterung, der ein unter­irdische» Rollen vorangegangen war.

Vermischtes.

Sieben Handwerk« burschen erstickt. In der Nacht zum 18. de. find in Peine bei

Braunschwetg in der öffentlichen Herberge, die mit der vom Kcei« Peine unterhaltenen Ver- pflegungrstation verbunden ist, sieben durchreisende Handwerk«burschen infolge Ausströmer» von Gasen au« dem Ofen um» Leben gekommen. Am Abend vorher waren in der Herberge bei der polizeilichen Kontrolle und Untersuchung der Reisenden acht junge Leute im Alter von 1825 Jahren, bei denen man Ungeziefer festgestellt halte, aurgesondert und in derBienenkammer* während der Nacht untergebracht worden. E» ist die« ein besonderer Raum mit Stein fußboden, in dem zur Erwärmung ein eiserner Ofen ausgestellt wird, der vorschrifts­mäßig abends heraurgenommen werden soll, wa» aber versehentlich unterlassen wurde und wodurch die sieben jungen Leute ihren Tod fanden.

Eine Vogelscheuche als Bahn. Wächter. Einem die Strecke der ungarisch en Staatsbahnen bereisenden Revistonsbeamten kam, wie ungarische Blätter melden, beim Passieren eine« Nachtzuge» die regungelor vor einem Wächter- Hause stehende Gestalt des Bahnwächter« verdächtig vor. Der Beamte ließ den Zug kraft seiner dienst­lichen Vollmacht halten und fand, daß der Bahn- Wächter seine Uniform einem Holzgerüst nach Art einer Vogelscheuche umgehängt und der Puppe auch die brennende Signallaterne angehängt hatte, während er selbst im warmen Zimmer in tiefem Schlafe lag. Der Beamte wurde sofort au« dem Dienste entlass en._

Gemeinnütziges.

Uebsr ein neues Verfahren, Kar­toffeln bis in den Juli aufzubewahren, ohne daß sie keimen, bringt der praktische Ratgeber eine Mitteilung: Dos Verfahren besteht im wesent­lichen darin, daß die Karloff.lu auf eine Unter­lage von Koks geschichtet werden. De. Schiller- Braunschweig, der die Sache veröffentlicht, ist der Ansicht, daß die bessere Durchlüftung durch den Koks diese Konservierung allein nicht herbeisührt. Er glaubt vielNihr. daß der Grund in einer, wenn auch sehr langsamen Oxydation des Kok« zu finden ist. Koks ist stets etwas schwefelhaltig, und es ist durchaus möglich und angängig, daß die geringen Spuren von Kohlen, und Schwefel oxyd, welche bei der Oxydation entstehen, sich der Luft beimischen und durch die Kartoffeln hindurch- streichen, ausreichen, dar Wiedererwachen der Lebsnstätigkeit bedeutend zurückzuhalten. Die genaue Beschreibung de» Verfahrens erhält jeder unserer Leser auf Wunsch vom Geschäft«amt de« praktischen Ratgebers in Frankfurt a. O. umsonst und portofrei zuaesandt.

BorauSsichtliche Witterung:

Meist heiter, Nachts mäßiger Frost.

des Vormittag;au« fluge» auseinandergegargen, um in den eigenen Gemächern etwas zu rasten, und fich erst beim Mittag? ssen wiederzusehen. Klara Aldenhoven hatte indes ihr Zimmer noch nicht betreten, al- ihr eins der dienenden Schwestern einen Brief übergcb, der von einem eigenen Boten überbracht und als dringend bezeichnet worden sei. Das Schreiben, da« die Dame noch auf der Schwelle öffnete und mit dem sie dann zum Fenster ging, war auf starkem Papier, mit den päpstlichen Schlüsseln als Zeichen geschrieben, so daß sie es im ersten Augenblick für eine Mitteilung in ihren eigensten Angelegenheiten hielt. Doch sowie sie über einige Zeilen hlnweggelesen hatte, erblaßte sie, ihr Gesicht nahm den Ausdruck ernster Bestürzung an, sie las zu Ende und la» noch einmvl und eilte alsbald au» ihrem Zimmer hinweg und zu der Oberin de« Hause« hinüber, indem sie zu gleicher Zeit dis dienende Schwester ersuckte, die deutschen Herrschaften, die mit in San Paolo gewesen seien, ins Sprechzimmer zu bitten, da sie eine schlimme Nachricht über Doktor Gerland erhalten habe.

Ehe noch eine Viertelstunde verstoffen war, vernahmen Frau v. Herbert und ihre Nichte Erika, General v. Erpel und seine Gemahlin au« dem Nnheilrbriefe, dcß Dollar Friedrich Gerland in der Campagra gefangen und an einen sichern Ort in Verwahrung gebracht worden sei, an dem ihn niemand lebend finden werde. Wenn seine Freunde in Rom nicht binnen drei Tagen, vom Sonnenuntergang de« heutigen an gerechnet, die Summe von zehntausend Lire in Gold al» Lösegeld für ihn in einem kleinen genau bezeichneten Gemäuer zwischen San Tiricca und Torrs di Vclle hinter, legten, würde der dentsche Gelehrte da« L>cht de« Tages nicht Wiedersehen. Er sei in den Händen freier Leute, die sehr wohl wüßten, daß es leicht sei, für ihren Gefangenen die mäßige, ja geringfügige Summe auszubringen, die ober nicht mit fich spielen ließen und den deutschen Herrn, falls da» Lösegeld au«bleibe, rech drei Tagen, beim Versuch cber, Carabinieri oder Kriminalbeamte nach dem Vermißten auszusenden, auf der Stelle töten würden! Während der alte Gyieral zum dritten und vierten Mal das bedrohliche Schriftstück la« und die Bemerkung zum Besten gab, dasselbe scheine auf oltrr Aklenpapier au« der päpstlichen Zeit geschrieben und

vielleicht könne schon die« auf die Spur helfen, nahm Frau v. Herbert plötzlich wahr, daß ihre junge Nichte plötzlich bleich, mit beinahe weißen Lippen und schweren Tränen in den Augen neben ihr stehe. Klara Adden- hovcN drückte das einer Ohnmacht nahe Mädchen soeben in die Kiffen der kleinen Chaiselongue, die in dem engen Zimmer stand und sagte dann mit bebender Stimme, sie glaube kaum, daß nach allem, war sie von diesen traurigen Fällen gehört habe, nicht« anderes zu tun sei. als Sorge für die Beschaffung der geforderten Summe zu tragen; Doktor Gerland sei zum Glück vermögend genug, dieselbe sofort erstatten zu können, inzwischen aber würden seine Landsleute ihre Hilfsquellen und auch ihren Kredit anstrengen müssen.

Das sei auch der Rat der Oberin de» Hause«, die ihrerseits schon tausend Lire zur Verfügung gestellt habe. General Erpel widersprach beinahe heftig, meinte, es sei vor allen Dingen > ötig, die deutsche Botschaft zu verständigen und er erbot fich, sofort zum Palazzo Caffarellt zu fahren. Frau v. Herbert aber, die mit ihrem Kommen nur dem ersten Antrieb der Neugier gefolgt war und sich aus diesem sentimental teilnehmenden Kreise weit hinweg wünschte, schalt jetzt vernehmlich ihre Nichte:

Was soll man denken, Erika, daß Du an dem Mißgeschick de« Doktor Gerland, das ihm höchsten« ein Stück Geld kosten wird, so unschicklichen, unweiblichkn Anteil nimmst? Es tut ja uns allen leid, daß dem Doktor das widerfahren ist, aber er steht un« doch viel zu fern, um fich so erregt zu zeigen. Er ist weder Dein Verwandter, noch Dein Verlobter, noch auch nur ein näherer Bekannter Deiner Familie. Es ist seine eigene Torheit, .die ihn ins Unglück geführt hat, wer läuft denn in bis verrufene Campagra auf gut Glück allein hinein? Wäre er hübsch mit un« zurück- gekommen, so säße er so sicher al« wir unter diesem Dach! Aber ich will die Beratung der Herrschcften nicht stören, die dem Herrn vielleicht näher stehen, komm auf unser Zimmer, Snka. Da« find Dinge, dis einem jungen Mädchen nicht« angehen/

(Fortsetzung folgt.)