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al» ich bei prächtigstem Sternerischein auf der Station Palmi, 40 Kilo«, vor Reggio ausstieg. Da da« Städtchen ziemlich hoch über der Station liegt, setzte ich mich in den Posteinspänner, in dem ich von Post- und Zeitung«paketen ganz eingebaut wurde, während der Kutscher auf einer großen Kiste sich einen schwankenden Thron herrichtete. Rach etwa 40 Minuten sahen wir im trüben Schimmer de« Stabil or.Oelläni pchrns eine Kirche. „War ist da« für eine Kirche?" I^s. edles» Sei «irseoli (Wunderkirche) lautete die prompte Antwort, „ober sie hat bet dem letzten Erdbeben nicht viel geholfen". Wa« der Mann sonst olle« von dem Erdbeben erzählte, habe ich nur teilweise erraten, ich zweifelte aber nicht daran, die Sache «it allen Detail« am anderen Tag zu erfahren, denn die Wirtin zu Trinoccta, vor deren Hau« wir hielten, sah sehr mitteilsam aus. Diesmal aber hatte ich mich verrechnet. LI« mir, ihrem einzigen Gast, die gute Frau am andern Mittag eben die Maccaroni auf den Tisch setzen wollte, sagte ich anscheinend ganz gelegentlich zu ihr: „Erzählen Sie wir doch auch etwa« von dem letzten Erdbeben", aber ich hätte da« unbedachte Wort gerne wieder zurückgerommen, denn die arme Frau erschrak so, daß ich sie nachher nur zu trösten H«D»
ab habe ich niemanden mehr in der dem Erdbeben gefragt, aber ich
wußte auch wo die handbreiten Sprünge in den Gewölbm aller Kirchen weit und breit herkorrmen.
Hoffentlich ist die gute Patrons die roch vor dem letztin Erdbeben zitterte nicht unter den 700 Opfern ihre« Städtchen. Sie Hot in jeder Beziehung gut für mich gesorgt, zunächst indem sie mir in kürzester Frist ein vorzügliches Lager bereitete zu dem sie vor meinen Augen da« Bettzeug — al« Beweis, daß e» ungebraucht sei — au« dem Kasten holte wie die« in Süditalien Brauch ist. Al« ich den andern Morgen wieder avfwachte, traf mein erster Blick den Rheinfall von Schoffhausen der auf meinem Rouleau prangte: Mehr kann man in Calabrien gewiß nicht ver« langen. Jedenfalls imponiert der Wasserfall in dem wafferarmen Calabrien mindester« ebenso als bei un» der Aetna, dessen oflangestaunre« gutgemeinte« Bild auf einem Rouleau bei meiner Großmutter plötzlich im alten Glanz vor mir aufstteg.
Trotz meiner Müdigkeit und meine« göttlichen Schlafe«, muß ich am andern Morgen früh auf- gestanden sein, denn al«ich mich in dem Regierung« sitz «it seinen 10000 Einwohnern umsah, traf ich in nächster Nähe meine« Gasthause« auf einem kleinen Platz den Ziegenhirten, der eben mit seinem Dudelsack seine Pflegbefohlenen zusammenrief. Ich weiß nicht wa« reizender war, die Inbrunst mit welcher der jugendliche Faun sein Instrument bearbeitete oder die Neugier mit welcher die prächtiMehörnten Tiere in ihren komisch«n Bärten zuhörten und zusahen. Dann sah ich den Stolz von Palmi, seinen Stadtgarten, der, klein
schuldigung und erläuterte dem General, daß er soeben eine Mitteilung über eine kleine Entdeckung erhalten habe, die seine wissenschaftliche Teil- nähme in Anspruch nehme. „Nicht« von Wichtigkeit!" setzte er lächelnd hinzu. Den Namen Frank Holter» nannte er dabei nicht — vielleicht au» Zufall, vielleicht weil er sich de» Gespräch» von vorhin in der ländlichen Weinwirtschaft erinnerte und jetzt wahrscheinlich kein Verlangen mehr hegte, «it Fräulein Addenhoven und Fräulein von Herbert gemeinsam einen Auiflug zur Vigne Breschini zu unternehmen.
In den hohen Säulenxängen der Kirche von San Paolo herrschte im Gegensatz zu dem im Sonnenlicht liegenden Platze die erquicklichste Kühle. Friedrich Gerland, der an der Seite de« General« v. Erpel den andern voraufschritt und sie zu den Punkten führte, von denen sich die majestätische Sävlenstellung der schimmernden Hallen am besten übersehen ließ, verspürte gleichwohl nicht» von dem kühleren Hauch, eine innere Glut besing ihn und schien nach außen zu treten. Er sprach klar und bestimmt wie immer, hatte aber da» Gefühl, mit fremden Zungen zu reden. Der Widerspruch seiner inneren Erregung und de« Zwange« dieser Stunde war zu groß. So viel er e« verwetden konnte, ohne e« den lauernd scharfen Augen der Frau v. Herbert auffällig zu machen, hielt er sich fitzt von den beiden Mädchen fern, sah ober wohl, daß sich Erika wie vorher dicht an Klara schloß und mit einer Art Zärtlickkeit immer wieder in da« Gesicht der älteren Freundin blickte, da« den Ausdruck heiterer Fassung trug. Ein einziges Mal, al« er zufällig neben Klara Adder Hoven zu stehen kam, flüsterte ihm diese zu: „Wenn Sie wir zürnen, kennen Sie sich selbst »icht und wissen nicht, wa» der wahre Drang ihrer Natur ist". Durch Gerland« Sinn fuhr eine Bemerkung: „Meine Frau will sie nicht werden, aber im Wunsche mein Leben zu lenken, verleugnet sich die weibliche Lust
nicht scheiden ohne noch eines kleinen Erlebnisse« zu gedenken. Außer dem Häuschen de« Einsiedler«, war noch eines auf der weiten Höhe in da« ich eintrat, um nach etwa« Trinkbarem zu fanden. Zum Glück war auch eine groß« Amphora mit Wasser vorhanden, welche mir die Tochter de» Hause« ohne weitere« kunstgerecht an den Mund hielt, wie die Rebecca auf dem berühmten Bild dem Elieser. Ich habe Gelegenheit gehabt, die Leute im Schalten des Aetna auch von anderer Seite kennen zu lernen, aber e« wäre undankbar, wenn ich nicht hervorheben würde, wie gastfreundlich mir im südlichsten Italien, auch in Apulien, dis Leute überall da entgegen ge kommen find, wo sie von der Fremdenindustrie noch nicht verdorben find. (Forts, folgt.)
Stuttgart 22. Jan. Die Beisetzung (Verbrennung) der irdischen Neberreste de« Prinzen Ernst von Sachsen-Weimar- Eisenach fand heute vormittag auf dem Prag- friedhof statt. Die Leiche traf um 11 Uhr 35 Min. au« München ein. In demselben Zuge befanden sich der Bruder des Verstorbenen, Prinz Wilhelm von Sachsen.Weimar und eine Offizier rabordnung de« Drogonerregimentr Nr. 25 in Ludwigsburg. Der Wagen mit der Leiche wurde nach dem Güterbahnhof übergeführt, wo die Ausladung vorgenommen wurde. Von da au« setzte sich der Leichen zug nach dem Pragfriedhof in Bewegung. Dem Zug voraus ritt eine Eskadron des Dragonerregiments Nr. 25 mit der Musik, Hierauf folgten eiu kgl. Oberreiter und zwei kgl. Reitknechte, sodann der mit 4 Pferden bespannte kgl. Leichenwagen, rechts und link» die zum Tragen des Sarge« bestimmten Unteroffiziere. Dem Leichenwagen folgten zwei Oistziere, die Orden des verewigten Prinzen auf Kiffen tragend, der König von Württemberg mit dem Groß- Herzog von Sachsen-Weimar und dem Prinzen Wilhelm von Sachsen Weimar. Prinz Albert von Sachsen-Weimar, die Herzögs Al- brecht, Robert und Ulrich, General v. Dürr als Vertreter der Großherzogs von Baden, Flügel, adjutant Rittmeister Heyl als Vertreter de« Herzogs von Sachsen-Meiningen, Flügeladjutant Major Rabe von Papperheim als Vertreter de« Fürsten von Schauwburg Lippe, Prinz Heinrich Reuß, die Offiziers der Dragonsrregiment« Nr. 25, die Generalität, de« weiteren Offiziers abordnungen der beiden preußischen Kavalleriebrigaden und die Osfizierkorpr. In dem Leichenzug befanden sich ferner Ministerpräsident Dr. v. Weizsäcker, Obei bürgermeister v. Gauß und Bürgerausschußobmann Richtsanwalt Dr. Erlanger als Vertreter der Stadt. In der Friedhoskapelle hatten sich inzwischen die Damen de« Kgl. Hauses und der verwandten Familien eingesunken. Am Eingang d«r Friedhoskapelle erwartete Oberhosprediger, Prälat v. Kolb die Leiche, welche auf dem Kata» falk in der Kapelle aufgebahrt wurde. Nunmehr hielt Prälat v. Kolb einen Trauergottesdienst ab und gedachte in seiner Rede der hohen Charakter-
nicht, die Schicksal«göltin des Manne« zu spielen". Doch blieb die« unausgesprochen und e« fiel kein weitere« Wort über die vorangegangene Unter- redung, umso mehr, al« Fräulein v. Herbert sich wieder näherte und Fried, rich Gerland sich fragen mußte, ob sie von seiner Werbung um Klara Addenhoven und von der letzten Entscheidung vor den Pforten von San Paolo wisse. Er fühlte fortgesetzt einen dumpfen Schmerz, an sich selbst vermochte er nicht zu denken, in seinen Augen blieb der Entschluß Klara Addenhoven« ein unseliger, unnatürlicher, und er versuchte umsonst, sich in ihre Seele zu versetzen. Mit einer Art geheimen Erstaunen« nahm er die Sympathie zwischen Klara und Erika wahr, die in dieser Stunde noch zu wachsen schien, während in seinen Augen die Kluft zwischen dem entsagenden Ernst Klara« und der jugendlichen Lebenshoffnung Erika« sich eben jetzt erweitert und vertieft hatte. Au« allem Widerstreit dieser unklaren Empfindungen rang sich zuletzt nur wieder der Wunsch empor, bald mit sich, feinen Stimmungen und Betrachtungen allein zu sein. Mt höflicher Gleichgiltigkeit, die ihm sonst eben nicht eigen war, ließ er Frau ».Herbert und ihre süddeutschen Freundinnen die ballsaalmäßige Pracht der polierten Maruorfußboden« und der goldstrotzenden Decke bewundern. Aber er ward wundersam berührt, gleichsam betroffen, als Fräulein Erika plötzlich zwischendrein sprach: „Mir gefällt die Ueberladung und der bunte Schimmer nicht, sie paßt nicht zu den hohen gewaltigen Säulen und vollend» nicht zu dem ehrwürdigen Alter der Kirche, von dem un« Doktor Gerland erzählt hat." Der Gelehrte erfuhr wieder einmal, daß dies junge Mädchen ein gesunduntrügliches Gefühl in sich trug. Und ob er wollte oder nicht — er sah im gleichen Augenblick aus« neue, wie anmutig schön Erika war, al« sie errötend hinter Klara Addenhoven zurücktrat.
(Fortsetzung folgt.)
und ärmlich wie ganz Palmi, eine Aussicht bot, die geradezu entzückend war, die aber noch bei weitem überbotk» wurde durch die auf dem unfernen Eltosberg.
Ich stieg an seiner Winterfeste hirauf und ich hätte hier, bei etwa 300 w Höhe über dem Meer, glauben können im Schwarzwald, am Abfall gegen die Rheine bene zu sein: derselbe sandige Ackerboden, dieselben Steine, die Vegetation beherrscht von der zahmen Kastanie und Haselnuß, und zur Rechten eine riesige Halde, ganz bedeckt mit Adlerfarren. Ich ging auf jener Halde in der Richtung gegen dos Meer weiter und stand bald an dem Steilabsturz de« Berges gegen da« Meer. Neber 500 w fällt hier der Berg so steil ob, wie wenn er eben erst entzweigeborsten und seine andere Hälfte vom Meer verschlungen worden wäre. Dieser Steilabhang ist ein steinerner Zeuge jener gewaltigen erdbildenden und zerstörenden Mächte, die auch den Einbruch des Gebirge« zwischen Reggio und Messina, die Meerenge von Messina, herbeigtführt haben und die fitzt wieder ihr ewiges Spiel, unbekümmert um uns Menschen, treiben. Der Absturz der Eliarberge« mit seinen mächtigen Filrblöcken sikht umso wilder au«, als nur kleines Buschwerk hie und da die abgerundeten Felsbrocken umgrünt. Bet ms hätte die gütige Mutter Natur längst die ungeheure Wunde unter einem deckenden Waldschleier verborgen.
Oben auf dem Berg haust ein Einfiedler, der mich um einen Beitrag für eine neue Kutte bat, bez. für eine Kutte, denn er war noch in Cv!l, trotzdem er schon seit 2 Monaten eine Art Opferbüchse im Knopfloch trug und obgleich da« bescheidene Heiligtum der Propheten auf dem Berg neben dem seine Hütte stand, als Wallfahrtskirche berühmt ist. Wo ein Elicsberg steht, kann man ohne weiteres sich auf eine schöne Aussicht gefaßt machen, ober der calabrtsche Elias- berg sucht seinesgleichen. Man sieht vor sich, in greifbarer Nähe, den ungeheuren Gipfel des Aetna, hinter ihm diepeloritanischen Bergsder Nordküste Sizilien«, während sich links dar calabrische Hochgebirge aufbaut, alle« aufsteigend ans dem schäumenden Meer und ewporragend in den tiefblauen Himmel. Weit draußen in der See lag der Stromboli, mit einem Rauchwölkchen gekrönt, und die andern liparischen Inseln, die in dem bewegten Meer zu schwimmen schienen. Wenn ich nicht schon vorher die Abficht gehabt hätte, dorthin zu gehen, so hätte ich mich hier dazu entschlossen.
Am Saum des Meere« aber lag Städtchen an Städtchen und mein Einfiedler nannte sie mir mit Namen und sagte dabei ein landesübliche« Wortspiel: kalwi, Rosuriro s Ottos», non 5 uu» Ottos», da« heißt „die Palmenstadt, die Rosenstadt und die Freudenstadt, ist e« nicht eine Freude sie zu sehen!"
Und heute ist diese« Paradies der Natur, diese Stätte der Freude ein Leichen und Trümmerfeld, wo der Hunger, die Verzweiflung und der Wohn sinn umherschleicht. Ich kann von Palmi