^§19. Amts- und Änzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 84. Iahrgasg.
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Montag, den 25. Zanuar 1909
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Tagesnenigkette».
* Calw 25. Jan. Gestern nachmittag hielt vr. Reihlen au« Stuttgart im George« näumtsaale zu Gunsten der deutschen Kolonie in Messina und ihrer zer« störtenSchule einen öffentlichen Vortrag über
Kejserriuueruugen aus dem Erdbebeugebiet von Caladrien md ZiMe«.
In prächtiger, bilderreicher Sprache und mit vorzüglichem Erzöhlertalent führte der Redner die Zuhörer im Geiste in die zerstörte Gegend und erweckte mit seinen lehrreichen, interessanten Ausführungen gespannteste Aufmerksamkeit. Reicher Beifall folgte dem Vortrag des gewandten Redners. Rektor vr. Weizsäcker gab den Gefühlen de» Dankes durch besonders anerkennende Worte noch trefflichen Ausdruck. An freiwilligen Bei« trägen gingen 20 ^ ein. Der Redner selbst verzichtete zu Gunsten der deutschen Schule in Messtna auf ein Honorar. — Da da« Thema gegenwärtig ein allgemeines Interesse beansprucht, so wird er unfern Lesern angenehm sein, wenn wir den ms gütigst zur Verfügung gestellten Vortrag im Wortlaut htemit veröffentlichen:
„Es ist mir sonst stet« ein großes Vergnügen wenn ich von einer schönen Reise erzählen darf. Diesmal aber erschwert es mir die traurige Ver» anlaffung. Ueber die herrlichen Gegend«n von Calabrien und Sizilien, von denen ich berichten soll, ist ja da» Unglück schwer hereingebrochen. Wenn ich trotzdem versuchen werde, Ihnen alle« so zu schildern, wie ich es gesehen habe, nämlich voll Leben und Sonnenschein, so tue ich e«. weil ich fest überzeugt bin. daß auch aus den Ruinen an der Straße von Messtna neues Leben erblühen wird. Daß eine über Nacht in Schutt und Trümmer verwandelte, alte, betriebsame Stadt sich wieder zur früheren Bedeutung heraufarbeiten kann, dafür ist ja ein leuchtende« Beispiel die
Geschickte ihrer Stadt in der zu sprechen mir eine hohe Ehre ist.
Wenn man von Neapel nach Sizilien fährt, benützt der Durchschnittsreisende das DampssLiff, oder, wer ausnahmsweise mit der Bahn fährt, durchrast die Strecke bi» zur Ueberfahrtrstation nach Messtna, dar heute viel genannte Reggio di Calabria bei Nacht, weil die Bahn bei Tage nur von einem Zug, einem wirklichen Bummelzug, befahren wird. De« halb ist auch die Gegend südlich von Pästum ab eine der wenigst betretenen und wenigst bekannten Europa«, obgleich sie für meinen Geschmack zu den schönsten und j-derfalls zu den interessantesten Teilen unserer Weltteil« gehört. Wer im bereisten Italien vergeblich ge. sucht hat, was uns vor 50 Jahren Gregorooiu», Stieler. Woldemar Kaden und andere beschrieben und vorgeschärmt haben, der besah'e dis Küßen, bahn von Pästum bi« an den Felsen der Scilla und verweile auch nur einen Tag in einem der alten felsthronenden Städtchen und er schaut und erlebt, war j re zur Zeit unserer Väter in Mtttel- italien noch vorgefunden haben — den Zauber einer unentweihten großen Natur und die im Lauf der Jahrhunderte wieder in die einfachsten Verhältnisse zurückgesunkenen Nachkommen eine« alten Kulturvolk? Wenn man von Neapel kommt, fährt man an 2 Meeresbuchten vorbei, die den vielbesungenen Golfen von Amalfi und Salerno nichts nachgeben; außerdem ist die Strecke sehr interessant durch ihre Kunstbauten. Auf der einen Sette hat man fast stet» da« Meer, aus der anderen immer den Rücken des Appennin. Nach einer Fahrt von 160 Kilo«, nimmt da« Gebirge plötzlich einen anderen Charakter an. Statt der malerischen, scharfkantigen Umrisse, die wir seit Nnkona gewohnt waren, treten weichere» mehr abgerundete Formen auf: Wir find plötzlich au« dem Npenninenkalk in« Urgebirg übergetreten, da« sich gleichzeitig durch etwa« größeren Wasser» reicht»« und entsprechend üppigere Vegetation
zu erkennen gibt. Man braucht kein Geologe zu sein, um beim bloßen Durchfahren auf der Bahn den unvermittelten Uebergang zu bemerken. Rach, dem wir längst auf dem Gebiet de« einstigen Königreichs beider Sizilien, mit seinem seltsamen bedeutungsvollen Namen, stehen,Melangen wir. mit dem Uebertritt in« Urgebirge auck^geologisch betrachtet auf fiMschen Boden, de« Apennin, das Rückgrat Italiens zieht sich nach Osten, nach Apulien, um schließlich im Meeres, busen von Tarent zu versinken, während die llr. Gebirgskette, auf deren Saum wir jetzt dahinfahren, sich — nur durch den schmalen Msererarm bei Messtna unterbrochen — als Rückgrat Sizilien« durch dessen ganze Nordküste fortsetzt.
Der innere Zusammenhang der beiden von der Laune der Geschichte nochmals zusammen, geschweißten Sizilien erweist sich auch dadurch, daß sie, wie auch jetzt wieder, meist gleichzeitig vom Erdbeben heimgesucht werden. Ist doch dieser calabrisch.stziltsche Urgebirgshorst eine der berüch. tigsten Erdbebengegenden Europas. Wo man geht und steht wird man auf dis Erdbeben hin. gewiesen. Ich Habs an einem heißen September« tag im Jahr 1903 als einziger Fahrgast de« Am ficktrwagen« den größten Tetlder Strecke zurück, gelegt; morgen» hatten mich die Tempel Pästum« an einen früheren Tag hohen Genusses erinnert, dann kam die Zeit, wo „der große Pan schläft", wo auf den Stationen nur halb im Schlaf die braunen calabrischen Weiber mit den riesigen Krügen ihre» dunklen Rotwein» winken und die saun ähnlichen Hirtenbuben in ihren Ziegenfellhosen kaum die Augen aufmachen, um den Zug, das Ereignis des Lage«, zu begrüßen. Endlich aber wurden die Schatten länger und da» waldentblößte Gebirg zeigte in der Abendbeleuchtung jene tiefen Schatten neben grellsten Lichtern» die einst da« Entzücken aller Maler und aller KMstltebhaber waren. Schon hatte die ambrostsche Nacht längst dem wunderbaren Schauspiel ein Ende gemacht,
Weicht von beiden?
Novelle von Adolf Stern.
(Fortsetzung.
Klara Addsnhoven wollte ihm offenbar roch etwa« erwidern, aber schon betraten Frau v. Erpel und Frau v. Herbert die Stufen unter ihr und die Stimme de« General« tönte von fernher: »Nun die Luft rein ist, soll uns der Doktor die Herrlichkeit hier gründlich zeigen und erläutern!"
Friedrich Gerland fühlte, daß er sein leidenschaftliche» Verlangen, mit sich allein zu sein, überwinden müsse und zwang fich zu einer leichten Verbeugung und den Worten: „Ich flehe, wie ich in Rom versprach, den Herrschaften völlig zu Diensten." Er wandte stch zum Sakctstan und stellte ihm eine Belohnung dafür in Aussicht, daß er die kleine deutsche Gesellschaft fich selbst überlasse, wozu der Kirchendiener um so mehr bereit war, als er sein Augenmerk auf die Fortschaffung der prachtvollen Teppiche, der hochstämmigen Palmen und Blattpflanzen richten mußte, die bei der vornehmen Trauung den Altarplatz geziert batten. Und tben wollte der Gelehrte seine Landsleute einladen, dis Schwelle der Kirche zu überschreiten, als er plötzlich die Stimme eines etwa dreizehnjährigen starken Burschen in der Tracht der Campagnolen fragen hörte:
»Ist Fedsrigo Gerland hier — ein Deutscher — ein Signor Pro. fessore?"
Dabei hob der bräunliche Bursche einen Brief ziemlich großen Format«, über dessen sandbestreute Aufschrift die Mittagssonne wunderlich flimmerte. Betroffen hörte Doktor Gerland fich dergestalt angerufen, trat
aber sofort zu dem unerwarteten Boten hin und sagte. „Mein Name ist Gerland — Federigo Gerland. Wer gab Dir den Brief für mich?" »Der Maler von der Vigne Brerchini," entgegnete der Bursche. „Ich sollte den Herrn bei Lre Fontane oder auf dem Wege hierher finden!" Der Gelehrte vernahm die Auskunft nicht minder erstaunt, er begriff nicht, daß man ihn hier gesucht und gesunden habe, doch besann er fich zur rechten Zeit, daß er ja gestern bei Taddeo dem Eseltreiber von seinem Ausflug nach der Abtei zu den drei Brunnen gesprochen und nach einem Maultier gefragt habe. Er nahm den Brief, öffnete ihn rasch und indem er über die Zeilen hinblickte, ging ein Zug der Spannung und ein Strahl freudiger Ueberraschung flüchtig über sein Gesicht. Frank Holters meldete ihm in dem Briefs kurz, daß er bei seinen Streifereien in der Campigna, keine Stunde hinter Tre Fontane, in einem mittelalterlichen Turm der Savell das beistehend abgebildete wohlerhaltene Wappen aufgefunden habe, von dem er glaube, daß es Doktor Gerland interessieren werde. Der Brief, schreibe! fügte eine Auskurft über den Weg von der Abtei zu dem besagten Turme hinzu und schloß mit der Bemerkung, daß er es dem Gelehrten überlassen müsse, den Boten zu belohnen.
Doktor Gerland reichte dem Burschen ein Silberstück, da« dieser mit frohem Schreck in Empfang rahm» um stch in der folgenden Minute noch einen Saldo als Zugabe zu erbitten. Der Gelehrte hatte in dem von Frank Holters aufgefundenen und flüchtig kopierten Wappen sofort da«., jsnige Kaiser Heinrichs der Siebenten erkannt und war bereit» entschlossen oen Ruinenturm, in dem fich dasselbe befinden sollte, noch diesen Nach, mittag aufzusuchen, sobald er fich von der Gesellschaft getrennt haben würde. Er wandte fich zu den seiner harrenden Landsleute zurück, bat um Snt>