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dem Entwurf vorgeschlageue Regelung habe sich in der Praxis bei deu böheren Schulen schon bewährt. Die Aufsicht durch Schulbesuche müsse von einer einzelnen Person auSgesührt werden, die nach Lage der Dinge in den meisten Fällen nur der OrtS- aeistliche sein könne. Dadurch werde auch ein plötzliches Auseinavderreißeu des historischen Zusammenhanges zwischen Kirche und Schule vermieden. Daß die Ortsvorsteher die Schulbesuche vornehmen, werde weder ihnen noch den Lehrern erwünscht sein. Zum Schluß sprach sich der Minister gegen die Anträge Nägele und Heywann aus. Der Abgeordnete Rembold-Aalen (Zentr,) erklärte, daß seine Partei nach der vorauszusehenden Ablehnung ihres prinzipiellen Antrags demjenigen des Bauernbundes, wenn auch ungern, zustimmen werde. Aus dem Volk heraus seien keine Bestrebungen für die Abschaffung der geistlichen OrtSschulaufstcht zu Tage getreten. Es werde lediglich einem Betreiben der radikalen Parteien und eines Teils der Lehrerschaft Rechnung getragen. Der Redner betonte dann nochmals die Notwendigkeit der Ortsschul- aufficht, indem er sich dabei auf Urteile hervorragender Persönlichkeiten berief, und wies den Vorwurf des Mißtrauens gegen die Lehrer zurück. Ein solcher Vorwurf könnte höchstens darin gesehen werden, wenn die Volkspartei, wie seit Jahren, behaupte, unsere Volksschule stehe unter dem Niveau derjenigen in andern deutschen Ländern. Der Berichterstatter Dr. Hieber (D. P.) konstatierte eine Schwenkung des Zentrums durch seine Zustimmung dem Antrag des Bauernbundes und sah darin Aufgaben der prinzipiellen Verwahrungen, die das Zentrum bisher gegenüber der Regierungsvorlage aufgestellt habe. Die Beseitigung der geistlichen Schulaufsicht berühre nicht den christlichen Charakter der Volksschule. Das geistliche Amt vertrage beutzutage nicht mehr den Charakter des Polizeimäßigen. Der Redner stellte schließlich den Antrag: Die Ortsschulausficht wird ausgeübt bei drei und mehrklasfigen Schulen von dem Schulvorstand und, wo mehrere Schulvorstände dem Ortsschulrat angehören, von demjenigen unter ihnen, dem der Mitvorfitz im Ortsschulrat zusteht. Dr. Nüb- ling (B. K.) bekannte sich als Anhänger der geistlichen OrtSschulaufstcht. Das Konsistorium hätte gegenüber den Bestrebungen eines extremen Teils der Lehrerschaft den Kopf nicht in den Sand stecken sollen. Der Abg. Re mb old-Gmünd (Ztr.) bestritt, daß seine Partei eine Schwenkung angenommen habe. Sie suche lediglich zu retten, was noch zu retten sei. Morgen wird die Beratung im Anschluß an eine gemeinschaftliche Sitzung beider Kammern fortgesetzt.
Stuttgart 22. Jan. Dem Postüber- weisung«. und Scheckverkehr find u. a. auch die Staatshouptkasse, dieKameral- ämter und da» Hauptsteueramt Stuttgart. die Hüttenwerke und die Salinen der Staate« angeschlossen worden. Deshalb können olle Zahlungen an diese Stellen künftig auch im Wege de« Postüberwüsung«. und Scheck- verkehr« erfolgen.
Stuttgart 22. Jan. Laut Bekanntmachung der Gereraldirektion werden in den Dienst der Postverwaltung im laufenden
Jahr noch eine beschränkte Anzahl Kandidaten für den niederen Postdienst (Postanwärter) und ebenso Kandidatinnen für den Telegraphen- und Fernsprechdiönst(Postanwärterinnen)rufgenommen. Bewerber und Bewerberinnen haben ihre Gesuche an die Generaldirekrion zu richten. Sie erfahren bei den Postämtern, war fie bei ihren Bewerbungen an Nachweisen zu liefern haben.
Stuttgart 21. Jan. Dis Generaldirektion der Staatseisenbahnen hat den Bau von weiteren zweiachsigen Personenwagen 4. Klaffe in Auftrag gegeben und zwar in Eßlingen 50 Stück, bei den beiden badischen Fabriken Heidelberg und Rastatt je 10 Stück bestellt. — Die neuen Wagen unterscheiden sich von den im vorigen Jahre gelieferten nur dadurch, daß die Huthaken in Wegfall kommen und dafür Gepäcknetze angebracht werden, wa« für dis Retsendan sehr von Vorteil ist. Die Wagen müssen schon im April dieses Jahre» geliefert werden.
Nagold 22. Jan. Bei dem 7. Knaben des Maurer« Schultheiß in Gültlingen hat der König Patenstelle übernommen und den Eltern ein Geschenk von 20 ^ überreichen lassen.
Freudenstadt 22. Jan. Gestern wurde hier in einer gemeinschaftlichen Sitzung der bürgerl. Kollegien die Einrichtung einc« Gaswerk« beschlossen. Die Gesamterstellung einschließlich Bauplatz, Gebäude, Ofen , Apparat-und Gasbehälter- anlage, Stadtrohrnetz mit Zuleitungen ist auf 285000 berechnet Der Preis für Leuchtgas ist auf 20 für Nutz, und Heizgas auf 15 H vorgesehen. Ferner wurde in der Sitzung beschlossen, dem Deutschen Hilfskomitee für die Srdbebengefchädigten in Güditalten 200 zu überweisen.
Geislingen 21. Jan. Ein vor kurzem hier in der evangelischen Stadtkirche von Musik- verständigen veranstaltete« Wohltätigkeits- Konzert zu Gunsten der von vem Erdbebenunglück betroffenen Süditaliener hat einen Reinertrag von »ss 450 ergeben, der dem deutschen Generalkonsul in Genua überwiesen wurde.
Mühlacker 21. Jan. Der 23jährige Kaufmann Stich er von hier, der Sohn de« Zugführers Sticher, wurde heute Nacht auf der Bahnstrecke Jllingen-Mühlacker bei Posten 50 überfahren und tot aufgefunden. Der Tote wurde heute Nacht 2 Uhr mit einem Gepäckwagen hieher gebracht.
Berlin 22. Jan. Zum 50. Geburtstage der Kaisers kommen, wie jetzt feflsteht, sämtliche deutschen Bundesfürsten nach Berlin mit Ausnahme des 88jährigen Prinz- regenten von Bayern, der sich seine« hohen Alter« wegen durch seinen ältesten Sohn, den Prinzen Ludwig vertreten läßt.
Bern 22. Jan. Am Furka-Paß wurden 4 Touristen von einer Lawine verschüttet. Zwei Engländer sowie der Führer wurden als Leichen geborgen.
Marktberichte.
Nagold 22. Jan. Gegenwärtig werden von badischen Händlern in den Waldorlen fette Ochsen aufgekauft und von hier per Bahn in die rheinischen Großstädte versandt. Auf dem Altensteiger Viehmarkt kaufte gestern ein norddeutscher Großgrundbesitzer 42 Paare Einstellochsen zu 700—1000
Niederstetten22.Jan. (Pferdemarkt.) Da» herrliche Wetter hatte zum gestrigen 62. Pferdemarkt eine Menge Kauf und Schaulustige von nah und fern herangelockt. Dem Markt waren von den Pferdehändlern aus Weiksrsheim und Hohebach gegen 40 Stück schöne Arbeitspferde, ferner von Landwirten etwa 30 Fohlen zugeführt. Mittags wurden einige Käufe perfekt.
Voraussichtliche Witterung:
Norden wechselnde Bewölkung, Süden vorübergehendes Aufklaren, wärmer.^
GtarrveSamt «alw.
Geborene.
10. Jan. Klara Lina, T. d. Johann Heinrich Heugle, Schreiners.
10. „ Karl Friedrich, S. d. Karl Gottlob
Gößele, Hilfswärters.
14. „ Luise Babette, T. d Karl Friedrich
Waidelich, Rößleswirts u. Metzgermeisters.
15. „ Otto Friedrich, S. d. Gottlob Friedrich
Buck, Hilfswärters.
16. WilhelmS.d.WilhelmFriedrich Klingel,
Gipsermeisters.
17. „ Frida Mina, T. d. Karl Wagner,
Staiionslaglöhners.
Gestorbene.
16. Jan. Karl Friedrich Heugle, Schuhmacher, 72 Jahr 11 Mon. alt.
21. „ Luise Friedrike geh. Schwizgäbele, Ehe
frau des Karl Gottlob Pflei derer Tuchmachers, 63'/, Jahre alt.
»otte»dt-««e.
S. So««t«s «ach Hpipyauias, 24. Jan. Die für Sonntag Abend angekündigte Predigt muß ausfallen.
Souutag, de« 24. Januar, uachmitt. 4 Uhr,
öffentlich« Vortrag
des Herrn vr. meci. kr«ikl«n aus Stuttgart über
Rristkmukrvvgku avr dem Mbebev-kdiet von Kalabcku uud Sizilien.
Hiezu ladet freundlichst ein
der Georgeuäumsrat.
eine Antwort warten lassen. Sie versprachen mir schweigend, meinen Antrag in Neberlegung zu ziehen und ich habe olle die Wochen daher vergeben« auf eine Mertelstunde gewartet, in der Sie mich Ihre« Vertrauens würdigen sollten!"
Klara Addenhoven blickte dem Freunde, duffen ehrliche Augen fest und bittend auf fie gerichtet waren rnd nm dessen Lippen es dabei von einem verhaltenen und nur eben besiegten Unmut zuckte, voll in« Gesicht. Der Ausdruck de« ihren war roch ernster, als gewöhnlich, sie entgegnele leise und doch nicht ohne einen Nachhall von innerer Festigkeit in ihrer Stimme:
„Sie Hütten meine Antwort längst, mein Freund, wenn Sie besser in mir und ein wenig auch in sich s«Ü>st zu lesen vermocht hätten. Fast konnte ich vor dem männlichen Tretz erschrecken, der sein eigene« söon halb erschlossene» Gefühl unter die Füße treten will, nur um in einer Frage zu siegen, in die sich einmal Stolz und Selbstgefühl und weltlicher Eigensinn der Herren der Schöpfung geheftet hoben. Doch ich will Ihnen nicht da« leiseste Unrecht tun, lieber Doktor! Ich weiß, wie Sie geortet find, weiß, daß wenn ich in dieser Stunde Ja sage und Ihre Frau werden würde, Sie die Kraft hätten, olle« zu überwinden, wa« jetzt in Ihnen selbst dagegen spricht. Sie würden e« bereuen, aber mich niewal« entgehen lassen, daß Sie mir die Hoffnung und da« Verlangen noch einem volleren und besseren Glück geopfert hätten. Und weil ich da« weiß, will ich Ihnen denn auch eingestehen, daß ich wirklich einige Tage lang geschwankt und erwogen habe, ob es nicht besser für wich sei, an Ihrer Sette in die deutsche Heimat zurückzukehren. Doch do« ist nun längst entschieden. Ich muß dem Drange, der mich noch Rom und in da« Hau» der Schwestern geführt hat, nochgeben, denn er ist in den inneren Kämpfen, die mir Ihre Frage erweckt hat, nur gestärkt und befestigt worden. Un d nun lassen Sie
es da« letzte Wort sein, da« wir hierüber wechseln. Ich danke Ihnen noch einmal und bitte Sie, soweit Sie es nach Ihren Uekerzeugungcn vermögen, nur mit freundlich, m Auge auf dem Wege nachzuschauen, den ich fortan ein schlage. Sie selbst aber werden, wenn ich nicht völlig irre, bald, recht bald erkennen, daß ich mich als Ihre wahre Freundin bewährt habe und nicht hindernd zwischen Sie und eine Zukunft getreten bin, die schon in Ihrer Seele dämmert."
Der Gelehrte sah düster vor sich nieder und empfand e» fast als eine Demütigung, daß Klara, wie fie heiter resigniert vor ihm stand, Regungen erriet urd nochsühlte, die er sich eben nur vergeben hatte, well er fie zum letzten Male gefühlt haben wollte. Er hob langsam seine Augen wieder zu denen Kloro» auf und sagte, hastiger als er seither gesprochen hatte, denn die Gesellschaft kam heran: „Ich habe mich Ihrem Entschluß zu fügen, Fräulein» den Sie selbst als den letzten, wohlerwogenen betrachten. Ich kann Ihnen nur wünschen, daß Sie oll den Frieden und wenigsten« einen Teil der Befriedigung finden, die Sie in der geistlichen Eöwcsterschaft, im Opfer Ihre« eigenen Leben« für die Zwecke der Kirche hoffen. Ich danke Ihnen roch besonder», daß Sie mich eben empfinden ließen, Ihre Erkenntnis einer jener Frühlingswollunxen, die vom Reise- leben einmal unzertrennlich scheinen, habe keinen Ei, fluß auf Ihre Entscheidung gehobt. Al« ich Ihnen meine Hand antrvg, war es nicht meine Meinung, daß ich um jeden Preis verheiratet an« Rom heimkehren müsse. An Ihre junge Freundin ernstlich zu denken, verbietet mir neben der Gewißheit, daß ich ihr nicht sein und werden könnte, war solch liebliche« Weltkind von einem Manne fordert, der einfache Umstand, dvß ich nie und nirgend» Gelegenheit haben würde, in ihre Seele hineinzusehen und daß man sich mit fünfunddreißig Johren nicht mehr auf eine unbesiegbare Leidenschaft berufen darf." (Forts, folgt.)