so
arbeiten mit den Arbeitern nichts hätten wissen «ollen. Sehr wertvoll sei seinen Freunden, daß die Heimarbeiter mit in die Arbeit«kümmern ein» bezogen werden sollen. Redner möchte weiter durch eine Erklärung de« Staatssekretär« die Befürchtung der Handlungsgehilfen zerstreut wissen, daß diesen überhaupt eins besondere Vertretung vorenthalten werden soll. Abg. Kulerski (Pole) bemerkt: Wenn seine Freunde die Vorlage begrüßten, so geschehe es, weil sie zeige, daß es sozialpolitisch überhaupt vorwärts gkhe. Er ver. stehe nicht recht, weshalb man den Arbeitern nicht überhaupt reine Arbeiter kümmern geben wolle. Von der Zusammera»beit der Arbeiter und Unternehmer in den Arbeitikammern verspreche er sich sehr wenig. Es dürfte dar vielleicht nur zur Verdunkelung der Anfichten und Wünsche der Arbeiter führen. Abg. Poti hoff (frs. Vg.) begrüßt die Vorlage um so mehr, da sie gegen den ersten Entwurf manche Verbesserungen enthalte. Die Frage der Arbeiterkammern stehe hier gar nicht zur Diskussion. Eine einseitige Interessen. Vertretung könne auch gar nicht staatlich organisiert werden. Gesorgt müsse nur in den Arbeitikammern dafür werden, daß sie wirklich paritätisch bleiben und nicht die Arbeiter durch die Unternehmer unterdrückt werden. Wenn die Arbeite kümmern wirklich Bedeutung gewinnen sollten, so müßten fie als Schiedsgericht bet Streik« konstituiert werden. Da« aktive Wahlrecht müsse an da« Mündigkeit« alter, dar passive an da« 25. Leben«jahr geknüpft werden. Da beabsichtigt sei, für technische Personen besondere Einrichtungen zu treffen, so nehme er an, daß in diese auch die Angestellten von Rechtsanwälten einbezogen werden. Für dicjmigen Personen, für die in diesem Gesetz nicht gesorgt werde, wüßten übrigens andere Einrichtungen geschaffen werden. Direktor im Reichsamt der Innern, Caspar, erwidert dem Vorredner: lieber die für Werkmeister und Handlungrgehilfen geplante Einricktung schon j«tzt Vorschläge zu verlangen, würde zu weit gehen. Es sei doch wohl zuvor nötig, fich über die vorliegende Organisation zu verständigen. Abg. Gierbert«(Ztr) Ist überzeugt, dcß die Arbeitskammern außerordentlich Visserung schaffen werden, damit der Arbeit«krieg nicht in Permanenz erklärt werde. Abg Severing (Soz) vertritt die Fordenmg der Sozialdemokratie nach Arbeiterkommern. Für Arbeilskammern sei die Sozialdemokratie nur zu haben, wenn diesen exekutive Gewalt mir verwaltungstechnische Auf. gaben zugewiesen würden. Damit schließt die Diskussion. Die Vorlage geht an eine Kommission von 28 Mitgliedern. Das Haus vertagt sich. Der Präsident macht roch Mitteilung von dem Ableben de« Abg. Rügenberg (Ztr. Montag 1 Uhr Justizetat.
Berltn 16. Jon. Oberstaatsanwalt Preuß hat da» Studium der umfangreichen Akten der Moltke-Harden-Prozesse« dieser Tage be
endet. Die neue Verhandlung dürfte voraussichtlich Ende Februar stattsinden. Da der Prozeß gegen Harden nicht ohne die Vernehmung de« Fürsten Eulenburg geführt werden kann, so wird vor dem Dermin eine ärztliche Unter- suchung des Fürsten ausgenommen werden. Diesem soll er jetzt ziemlich gut gehen. Wenn der Fürst die Anstrengungen einer Reise nach Berlin nicht vertragen kann, soll er kommissarisch ans Schloß Liebenberg vernommen werden.
Berlin 16. Jan. Das Befinden de« erkrankten Grafen Hompesch wie« heute Mittag eine leichte Besserung auf. Immerhin ist der Zustand der Kranken noch sehr ernst, wenn auch die Aerzte noch nicht alle Hoffnung aufgegcben haben.
Berlin 16. Jan. Im Berliner Magistrat, der heute eine außerordentliche Sitzung abhielt, wurde Wildenbruch's ehrend gedacht und im Anschluß daran an die Witwe ein Telegramm gesardt, in welchem der Magistrat sein Beileid zu dem schweren Verlust aurspricht. Die Trauer- fsier findet morgen 3 Uhr im Ster behause statt. Wahrscheinlich wird Kirchenrat Spinner au« Weimar, ein intimer Freund dis Entschlafenen, die Feier leiten. Die Uebe,führring der Leiche nach Weimar findet am Dienstag vormittag 9 Uhr statt.
Bre«lau16. Jan. Der Lohn de« hiesigen Kaufmanns Müller, welcher ein Verhältnis mit einer an einem Liegnitzer Theater engagierten Breslauerin unterhielt, überraschte diese in ihrer Liegnitzer Wohnung mit einem Offizier, den Müller durch drei Schüsse verwundete. Müller wurde hier verhaftet.
Breslau 16. Jan. Nach amtlichen Mit. teilungen find im Dezember in Schlesien 12 Personen an Genickstarre erkrankt und 9 gestorben. Im ganzen Königreich Preußen erkrankten im Dezember 66 Personen an Genickstarre und 29 starben.
Lübeck 16. Jan. Die hiesige Strafkammer verurteilte den hiesigen sozialdemokratischen Redakteur Stelling wegen Beleidigung der Unteroffiziere und Offiziere der Preußischen Heere«. Kontingents zu einem Monat Gefängnis. Der Angeklagte hatte einen „Vorwärts"-Artikel über Soldatenmißhandlungen, betitelt „Schinderknechte", abgedrvckt Die gleiche Anklage schwebt gegen mehrere Redakteure in verschiedenen Städten Deutschland».
Pari« 17. Jan. Der „Matin" veröffentlicht eine sensationelle Selbstanklage der Frau Steinheil. Da« Blatt schreibt: Wir erhielten den Besuch einer Persönlichkeit, die von F-au Steinheil neue Zugeständnisse erhalten hat. Frau Steinbeil Habs dem Gewäh «mann erzählt, daß fie selber die Schuldige sei, ihren Mitschuldigen aber habe sie nicht nennen wollen.
Es sei aber weder der Kammerdiener Remy noch Wolf, sondern er handle sich um eine sehr hoh« Persönlichkeit. Da« Blatt gibt dann die Einzelheiten über die Ausführung des Mordes wieder, der schon seit längerer Zeit vorbereitet war. Frau Steinheil allein habe die Schuld und hatte seit 2 Jahren den Mord vor. Sie selbst sag!« dem BettkfftNLAi folgendes: Ich wollte frei werden, bedurfte ober hierzu ein cs Mithelfers. Dieser Mithelfer stellte fich schließlich ein und die Ausführung des Mordes fand statt- Der Tod meines Gatten allein hätte zu meiner sofortigen Beschuldigung geführt. Infolgedessen mußte die Mutter auch getötet werden, damit ich auf diese Weise ohne Verdacht blieb, da Niemand cs gewägt hätte, mich als Mörderin meiner Mutter zu beschuldigen. Am Vorabend de« Mordes habe ich meinem Gatten und meiner Mutter ein Einschläferur grmittel gegeben. Nachdem Beide eingeschlafen, begab sich der Mitschuldige in mein Schlafzimmer, wo wir bis 3 Uhr morgens di« Einzelheiten über die Ausführung de« Mordes berieten. Ich selber legte meinem Gatten den Strick um den Hals und zog mit aller Gewalt zu. Hieraus tot ich dar selbe mit meiner Mutter, denn ich bin es gewesen, welche Alles gewollt und auch ausgeführt hat. Mein Mitschuldiger beteiligte fich nur daran, den Einbruch zu fingieren. Ich hielt die Uhr an und stürzte da« Tintenfaß um. Die ganze Sache vollzog fich, ohne daß ein Laut aurgestoßen wurde und in 10 Minuten war die Tat geschehen. Mein Komplize band mich fest und verließ das Haus bei« Morgengrauen. Nachdem diese Erzählung beendet war, schien Frau Steinheil von einer schweren Last befreit zu sein. Sie ließ de» Gewährsmann schwören, daß er nicht« von dem, was fie eben erzählt» weiter sagen würde. Der Schwur wurde gehalten und erst gebrochen an. gesicht« dcr Unschuldigen, welche durch ein weitere« Schweigen beschuldigt werden körnten. Den Namen des Gewährsmannes verschweigt das Blatt. Der „Marin" schließt mit den Worten: „Wir haben unsere Pflicht getan, nunmehr ist die Reihe an der Justiz."
Graz 16. Jan. In Wie« bei Egsr wurden vorgestern dis Bewohner durch ein starke» rmtertrdischc« Rollen erschreckt.
Wien 16. Jan. Zwischen Kaiser Franz Josef und König Peter von Serbien find Neujahrs-Telegramme gewechselt worden. König Peter hat am katholischen Nei jahrrtags an Kaiser Franz Josef ein Glückwunsch-Telegramm gerichtet und Kaiser Franz Josef hat am orthodoxen Neujahr «tage König Peter ein Glückwunsch-Telegramm geschickt. König Peter hat also die Initiative in dieser Angelegenheit ergriffen und man glaubt, daß in dieser Höflichkeit der Souveräne der erste Schritt zur friedlichen Beilegung der Streitfragen liege.
Welche vo« beiden?
Novelle von Adolf Stern.
(Fortsetzung.
„Es bleibt immer ein Glück, daß er fich nickt um Dich bekümmert. Du wärst au« Trotz imstande, Dir den eckigen unschö. en Mann ins Schöne zu malen," entgegnete die Tante phlegmatisch „Seit wir in Italien find, bist Du der lebendige Widerspruch; er vergeht kein Tag, an dem Du Dich nicht gegen mich an stehn st. Dein Vater wird erstaunen, wie wenig Er- freuliche« Du in Rom gefunden hast und wie wenig erfreut Du selbst heimkommst."
Bei dieser strafenden Rede hielt Erika fich nicht mehr, ein Schauer von Tränen brach hervor und schluchzend rief fie: „Warum bin ich hier — warum haben Sie mich mitgenommen» Tante Hedwig! Ich gehöre nicht hierher, ich paffe nicht in die Stadt, nicht in das Hau«, in dem wir wohnen, nicht zu den Menschen, mit denen wir leben müssen! Niemand nimmt Anteil an wir, niemand fragt, wie mir zu Mute ist, auch Sie nicht, Tante Hedwig, sonst würden Sie wich mehr schonen!"
Frau v. Herbert saß dem für fie völlig unverständlichen Schmerzens- ausbrvch der jungen Nichte gegenüber ratlos und hielt es für das Beste, da« Gespräch, das so schmerzlich ausklonp, obzubrechen. Sie erinnerte fich plötzlich, daß fie mit dem General v E pel und seiner Gattin verabredet hatte, noch vor Abend die Kirche San Proffede zu besuchen und dcß es höchste Zeit sei, dorthin zu fahren Aber Fräulein Erika, die die hervorquellenden Tränen eben erst getrocknet hatte, flüsterte: „Bitte lassen Sie mich lieber nach Hau» Tante. Die ewigen Kirchen ermüden mich und machen mich, wie Sie sagen, trotzig — ich verstehe eben viel zu wenig
von dem, was schön in ihnen sein mag. Ich möchte allein sein und werde bis zum Mittagessen auf unserem Zimmer bleiben."
Frau v. Herbert nahm schon die Miene an» auch hierüber zu schelten, fand aber, nach einem prüfenden Blick auf das junge Mädchen, für besser, diesmal nachzugeben. Sie befahl dem Kutscher, durch die Via di San Bastlio zurückzufahren, und ließ Erika während dieser Fahrt still vor fich hinträumen. Es dauerte auch in der Tat nur wenige Minuten, daß da» junge Mädchen ihr frischblühende« und unbefangene» Aussehen zurückerhielt. Ebenso rasch erreichte der Wagen die Piazza Barberina, von wo es nur wenige Schritte bis zum Haustor der Schwestern vom Kreuz waren. Erika ward mit der Weisung entlassen, sofort da« Zimmer aufzusuchm und daselbst die Rückkehr der Tante still zu erwarten. Sie hegte den besten Vorsatz, dieser Weisung genau zu folgen, und es war nicht ihre Schuld, wenn fie zunächst und nachdem der Wagen mit Tante Hedwig wettergerollt war, weder ihr Zimmer, noch auch nur den Aufgang dazu erreichte.
Denn sobald fie geschellt hatte und die. Jnnenpforte fich öffnete, trat die Schwester Pförtnerin der jungen Dame entgegen und meldete ihr, daß Signora Frarceica, die Frau de» kranken Maler« im Häuschen gegenüber, vor wenigen Minuten gekommen sei und Fräulein Addenhoven oder Fräulein v. Herbert zu sprechen verlangt habe: „Es muß etwa» Dringende« und nicht« Gutes sein, die arme Frau sah bedrückt, ja beinahe bestürzt au«. Da keine von den Damen im Hau« war, wollte sie etwa« warten und ist j'tzt in die Kapelle gegangen, um zu beten. Ich will ihr sogleich wissen lassen, daß dar Fräulein zurückgekommeu sei!"
Erika v. Herbert vernahm diese Meldung nicht ohne Besorgnis» erwiderte aber sofort, daß sie selbst nach der Kapelle gehen, Frau Cecca abrufen und nach ihrem Begehr fragen werde. Die Müdigkeit, dis da»