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Pflicht ansehen, sich vom Dienst für die Kirche nicht ganz loSzuschäleu. Hildenbrand (Soz.) da­gegen bestritt, daß eS eine moralische Ausgabe deS Lehrers sei, der Aufseher im Gottesdienst zu sein und der Kirche als Antreiber zu dienen. Ohne wesentliche Erörterungen gelangte dann zum Schluß auch noch Art. 11 zur Annahme, der die Fort­bildung der Lehrer betrifft und dem Oberschulrat zur Aufgabe macht, die hiezu geeigneten Ein­richtungen zu treffen, insbesondere durch Veran­staltung von Fortbildungskursen und Konferenzen, sowie durch Gründung und Unterhaltung von Lese- gesellschaften. Die Kosten der letzteren find abgesehen von den vom Staat zu gewährenden Beihilfen durch die Lehrer zu bestreiten. Morgen wird Art. 3 betr. die fakultative Simultanschule beraten werden. Zu diesem Artikel find heute einige Anträge der Volks­partet ringebracht worden, die die Errichtung ge­meinsamer Schulen zum Ersatz unauSgebauter Kon­fessionsschule» sowie die Ermächtigung der Erziehungs­berechtigten beireffen im Falle deS Bestehens einer unvollständig auSgebauten Konfessionsschule ihre Sinder die Schule der KonfesfionSmehrheit besuchen zu lassen, und ferner bestimmen, daß, wenn die Zahl der Angehörigen einer Konfession dauernd unter die Zahl von 60 Familien heruntersinkt, die Gemeinde nicht mehr verpflichtet ist, die eigene Volks­schule der betreffenden Konfession aus örtlichen Mitteln zu unterhalten.

Stuttgart 13. Jan. Ta» Justizministerium hat über die Formen de« schriftlichen Geschäfts­verkehrs der Behörden Verfügungen erlassen, die für öffentliche Ausschreiben, namentlich in Straf, fachen vorschreiben, den Inhalt schon im Interesse einer Verminderung der Etnrückungrkosten auf da« unbedingt Notwendige zu beschrän­ken und sich dabei eine« besonder» kurzen und leicht faßlichen Stil« zu bedienen. Von der Ver­wendung nur eine« halben Bogen« soll häufiger Gebrauch gemacht werden. Eine weitere An- Wendung dieser Bestimmung in weiterem Umfang wird nicht blo« au« Sparsamkeitsrückstchten, sondern auch im Interesse eine« langsameren Anwachsen« der Registraturbkstände empfohlen. Auch erscheint e« dem Ministerium, nachdem durch weitgehende Einführung von Schreibmaschinen bei den Justiz­behörden die gleichzeitige Herstellung mehrerer Abschriften eine« Aktenstück» ermöglicht ist, zur Verminderung der Schreibarbeit und im Interesse der Beschleunigung alt zweckmäßig, den Erlcffen die erforderliche Zahl von Abdrücken überall da beizusügen, wo Verfügungen ihrem ganzen Inhalt nach von der empfangenden Behörde an eine oder mehrere Unter behörden oder an Privatpersonen zu eröffnen find.

Bopfingen 10. Jan. Vergangene Woche hat Forstaiststent Vogler in den fürstlich Oettingen Wallersteinischen Wäldern bei Valdern ein Wildschwein im Gewicht von ca. 135 Pfd. erlegt.

Chemnitz 13. Jan. Wie dem Chem­nitzer Lagblatt mitgeteilt wird, hat der Luft­

schiffer Paul Ziegel in Chemnitz sine Er­findung gemacht, die e« ermöglicht, mit dem Freiballon durch eine an der Gondel angebrachte Vorrichtung selbst bei starkem Winde ohne Hilfe von Personen zu landen, so daß eine Schleiffahrt auf dem Boden vermieden wird. Dadurch werde auch die bei der Landung bither benutzte Reiß- leine überflüssig.

Berlin 13. Jan. (Reichstag.) Auf der Tagesordnung stehen zurächst Rechnungrsachen. Bei der ersten Beratung der Vorlage betr. die Kontrolle de« Reichthauihall« führt Abg. Mugdan (frs. Vp) au«, e« sei j-tzt endlich an der Zeit, einen eigenen Reichsrechnungshof zu schaffen. Auch fehle es an einem Gesttz über die Rechnung«, Kontrolle. Abg. Görcke (natl.) schließt sich dem an und bringt für die zweite Lesung eine Reso­lution ein auf Vorlegung eine» Gesetzentwurfes über die Verwaltung der Einnahmen und Aus­gaben de« Reichs, sowie betreffend die Einrichtung und die Befugnisse de« Rechnungshofes des deutschen Reiches. Ohne weitere Debatte wird die Vorlage erledigt und die Resolution angenommen. Es folgt die erste Beratung der Heber ficht über die Reichrourgaben und Einnahmen pro 1907. Abg. Görcke (natl.) geht auf die mannigfachen Etat- Ueberschreitungen und deren nicht immer aus­reichende Begründung näher ein. Auffallend sei namentlich die stete Wiederkehr von Etat«.lieber- schreliungen bei bestimmten Eiais Positionen. Abg. Erzberger (Zenkr.) erklärt, der Abschluß pro 1907 sei leider sehr lecht, zum Teil wegen der Etats Ueberschreitungen. Generell sei auffallend dis Höhe der Aufwendungen für die Unterhaltung von Dienstwohnungen und Gebäuden. Ein Comptabilitätrgesltz sei nachgerade unaufschiebbar. Staairsek' etär BethmannHollweg erwidert, die Etat-Ueberschreitung bei der Renovierung seiner Dienstwohnung sei ihm selbst sehr unangenehm. Die Wohnung sei aber 20 Jahre lang nicht rennoviert worden, daher die hohen Kosten. Abg. No»ke (Soz) bemerkt, daß man bei unserer trostlosen Finanzlage jede Mark erst ein paar mal umdrehen müsse, ehe man fie aurgibt. Die Staat« sekretäre machten dar Budgetrecht de« Reichstages ja gerat» zu illusorisch. Sie geben so viel aus, wie ihnen gerade paffe. Das dürfe man sich nicht länger bieten lassen. Die K-iegr- Verwaltung bereite planmäßig Etat Ueberschreit« ungen vor, da« bewiesen die Rernontepreise. Generalmajor von Lochow: Die Militär-Ver­waltung ist bestrebt, sich an die Voranschläge zu halten. Freilich ist es nicht immer möglich, die Ausgaben so zu gestalten, daß sie auf den Pfennig mit dem AnsLlage übereinstimwen. Die Vorlage geht an die Rechnung» kommtsston. Bei den Übersichten über Einnahmen und Ausgaben für Kiau Tschou pro 1907 und für die afrikanischen Schutzgebiete sowie NeuGuinea, Samoa usw pro 1906 rügt Abg Erzberger (Ztr) wiederum die mehr oder weniger beträchtlichen Etat-Ueber-

schreitungen. Staatssekretär Dernburg macht gegenüber einer Blättermeldung über dis Miß- Handlung Kameruner Häuptlinge durch Schutz- truppen darauf aufmerksam, daß es in Kamerun keine weiße Schutztruppe gibt. Die betreffenden schwarzen Leute seien schwer bestraft worden. Abg. Norke (Soz ) bemängelt ebenso wie Erz­berger dis Etat-Ueberschreitungen Abg. Arning (natl.). Die Etat-Ueberschreiturgen in den Schutz- gebieten find wesentlich milder zu beurteilen, die im Mutterlands. Staatssekretär Dernburg tritt einzelnen Bemängelungen de« Abg. Notke über die Rechnungrlegung für Ostafrika und Süd- westafrika entgegen. Nach unerheblicher Debatte geht die Vorlage an die Rechnung-kommisfion. E« folgt die erste Beratung der Novelle zum Wechselstempelsteuergksktz. Abg. Dove (frs. Vg ) erklärt, meine Freunde begrüßen die Vorlage, die bezweckt, einige Härten des bestehenden Ge­setzes zu beseitigen. Damit schließt die erste Be­ratung dieser Vorlage. Es folgt die erste Lesung de« Gesetzentwurfes betreffend die Einwirkung von Armen Unterstützungen auf öffentliche Rechte. Staatisekretär v Bethmann-Hollweg er­läutert den Gesetzentwurf, der der vorjährigen Resolution de« Reichstage« Folge gibt und macht besonder« auf die sozialpolitische Bedeutung auf­merksam. Es soll als grundlegend für die Ent­ziehung des Wahlrechte« und anderer politischer Rechte der Verlust der wirtschaftlichen Selbst­ständigkeit erachtet werden. Akg. Dr. Mayer« Kaufbkuren (Ztr.) wünscht für die Komwisstons- beratung eine Erweiterung der Vorlage auch auf dauernde Unterstützungen, wenn fie geringfügig find und überhaupt auf jede dauernde unverschuldete Unterstützung. Abg. Graf Westarp (kons.) er­klärt das Wohlwollen seiner Freunde, glaubt aber» daß die Vorlage vielleicht doch schon etwas zu weit gehe. Abg. Eberling (natl ) begrüßt die Vorlage, die durch ihre negative Interpretation der zum Verlust öffentlicher Rechte führende« Unterstützungs-Bedürftigkeit die Härten de« be­stehenden Rechte« beseitige. Abg. Kämpf (frs. Vp.) Meine Freunds heißen die Vorlage willkommen. Sie erkennen an, daß fie in einem Punkte sogar über die frühere Andeutung de« Staatisekretär« hiriausgeht, aber in einem Punkte ist die Vorlag« nicht ausreichend, denn die hier gebotene Reform erstreckt sich nur auf reichsgesetzliche Bestimmungen und nicht auch auf landesgefetzlichs. Dem muß die Kommission abhelfen. Hierauf erfolgt Ver­tagung. Morgen 1 Uhr Fortsetzung, dann 2. Lesung der Vorlage betreffend Preirfeststellung der Schlachtviehmärkte.

Berlin 12. Jan. Da die birherigen Verhandlungen in Sachen des deutsch-schweizerischen M ehl> Konfliktes zu keinem Erfolge zu führen scheinen, dürfte die Angelegenheit einem Schieds­gericht unterbreitet werden, das von den beteiligte« beiden Regierungen angsrufen werden wird. Es bestätigt sich, daß von einem Teil schweizerischer

Welche von beiden?

Novelle von Adolf Stern.

(Fortsetzung.

Einen vollen Monat war Friedrich Gerland jetzt in der ewigen Stadt urd hatte sich au« der Hochflut der ersten Eindrücke auf da« Eiland eigener Arbeit und stilleren Genießen» gerettet. Er fand überreich, was er für seine Studien in Rom gesucht hatte» er nahm jeden Lag neue un­vergeßliche Wunder in Auge und Seele auf und hätte alle Ursache gehabt, sich ruhig dem geheimen Glückgefühl zu überlassen, das ihn umfangen und durchfließen wollte. Doch er hotte zu viele Tage und Stunden der Unruhe hinter sich. Was er am Abend seiner Ankunst in Rom befürchtet, war eingetrvffen: der Anteil, den er an den Menschen nahm, nehmen mußte, denen er iw stillen Hause der Schwestern vom Kreuz begegnet war, störte ihm die völlige Hingabe an Arbeit und Genuß. Eben jetzt wieder hatte er auf dem Wege zu den Anlagen gespürt, wie nahe ihm dos Schicksal de« jungen Mädchen« ging, die ihm nicht mehr am Tische seiner Pension gegen, übe»saß, aber die er doch jeden Tag erblickt, gelegentlich gesprochen und bewußt und unbewußt in ihrem Verkehr mit der Tante beobachtet hatte, der sie nach Rom gefolgt war. Er konnte sich nicht verhehlen, daß ihn ein wunderlich weiche« Mitleid beschlich, so oft er im häuslichen Verkehr wahr­nahm, daß sich die ursprüngliche warmherzige und gute Natur Erika» v. Heibert erfolglos gegen die nüchterne Kälte und Verbildung empörte, in der Frau v. Herbert in ihren Jahren gekommen war und sich unerschütterlich sicher fühlte.

Eben wieder hatte der junge Gelehrte Tante und Nichte in ihrem Wagen bei der französischen Akademie begrüßt und sich eines freundlichen

Gegengruße« nur von seilen der jungen Dame erfreut, während Frau v. Herbert sich auf« neue so abweisend kühl gezeigt hatte, daß Friedrich Ger­land die strafenden Worte zu hören meinte, die fie im Davonrollen de« Wagen ihrer Nichts für deren taktlose Zuvorkommenheit gegen den Feind der Familie zuteil werden ließ. Und wenn er sich in diesem Falle mit dem Gemeinplatz beruhigen mochte, daß der Weltlauf eben unerfreulich verworren bleibe und Frau v. Herbert kaum schlimmer sei, als hundert­tausend Mütter und Erzieherinnen, so lagen ihm doch die Gedanken an seine andere Haurgenosstn, an Klara Adder Hoven schwerer und drückender in der Seele.

Er hatte während der Wochen, die seit seiner Ankunft in Rom ver­flossen waren, an jedem Mittag und Sbend neben ihr gesessen, an viele» Tagen stundenlang auf gemeinsamen Wegen mit ihr verkehrt. Er hatte sich, ohne daß viel Worte darüber gefallen waren, mehr und mehr über­zeugen müssen, daß der Entschluß, in Rom zu bleiben und sich einer ent­sagenden und barmherzigen Tätigkeit zu widmen, in der Seele de« ernsten Mädchen« gereift und fast unwiderruflich war. Er wußte, daß Klara Tag um Tag nach Deutschland schrieb und die Einwilligung ihrer Familie zu« entscheidenden Schritte zu erreichen strebte.

Er fühlte ober auch, daß sie, im äußersten Falle, den Schritt, der fie von ihrer seitherigen Wett scheiden sollte, auch ohne die Zustimmung der Ihrigen tun würde. Doktor Gerland empfand da« tiefinnerfle Wider- streben gegen den Vorsatz Klara« und gab ihr seine Gesinnung offen kund. Doch wenn fie ihm mit mildem Lächeln versicherte, daß er in eine Frauen­seele nicht hineinzublicken vermöge und nicht ahnen könne, welcher innere Friede ihr schon au« der Hoffnung auf eine opfervolle Tätigkeit quelle, wagte er doch nicht alle» auizusprechen, was er empfand. Er führte den