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Amts- und Änzergeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

84. Iahrga«-.

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>v Mfz. pro L«ile für Stabt

Freitag, -en 8. Januar 1909.

Se,ug»pr. t. b. Stabt V^ührl. m. LrüLerl. Mk. t.Li. Bostbezu,«pr. s. b.Oit»- u. N-chdarort«oerk. >/^ührl. Mt. 1.30. t,n >«rnoecle,, Wk. 1.80. »«stell». ia Württ. W Pf»., in Bayern u. «eich 13 Pf,

TsseS«e»iskeite«.

Calw 8. Jan. Die hiesigen Telefon­ie i l n e h m e r wurden heute durch eine Zuschrift der K Telegrapheninsp-ktton überrascht, worin ihnen mitgeteilt wird, daß sich vom 1. April d I- ab die Bauschgebühr für den Fern sprech anschluß um 20 erhöht und dieselbe statt 80 100

beträgt. Diese Erhöhung ist darin begründet, daß die Tetlnehmerzahl in Calw (incl. Hirsau) vom 1. Jan. ab mehr als 100 (demnächst 109) beträgt.

Tein ach 7. Jan. In der Heimat des Chrifibaums in unserem schönen Schwarz­wald hält auch diese« Jahr der Stutt­garter Bezirktverein der Württ. Schwarz- wald'Versin» seine Weihnachtsfeier ab. Allgemein ist man hier darüber erfreut, daß unsere Stuttgarter sich wieder Teinach hiezu au«, gewählt habin. Die Feier, zu welcher ells Mit­glieder und Freunde des Württ. Tchwarzwald- Vereinr eingeladen find, findet am 10. Januar nachmittags 4 Uhr im großen Saale des Bad- Hotels statt. Nach den Vorbereitungen des hies. Bezirk« verein« dürfte diese Feier wie im letzten Jahre eine sehr schöne werden und die Touristen von Nah und Fern sehr zahlreich hier zusammen führen.

Wildbad 7. Jan. Unsere schöne Bade­stadt macht seit einigen Jahren recht dankenrwerte und erfolgreiche Anstrengungen, mit den An­forderungen de« Zeitgeistes auf der Höhe zu bleiben. Verschönerungen in den Kuranlagen, neue Straßen, geschmackvolle Neubauten, Schwimmbad, Elektrizitätswerk, Bergbahn, eine im Bau begriffene Rodelbahn und endlich ein Wik tsrsportverein find ln verhältnismäßig kurzer Zeit erschienen und er ist keine Frage- daß alle diese Verbesserungen viel zu dem alljährlich steigenden Fremdenbesuch bei­

tragen. Nur eines hat man bisher hier noch immer schmerzlich vermißt, nämlich ein große«, für öffentliche Veranstaltungen jeder Art geeignetes Vergnügungslokal. Auch darin soll nun Wandel geschaffen weiden durch da» Entgegenkommen der Brauerei Beck in Pforzheim und durch die Initia­tive de« hiesigen Gastwirts Krimmel (z.Alten Linde'). Er find umfassende Vorbereitungen zur Errichtung eines solchen Lokaler getroffen worden. Außer einem geräumigen Saal, der zu Versamm­lungen, Tanzvergnügen, Vereir sfestlichkeiten u.s.w. dienen soll, ist eine größere Bühne mit den nötigen Nebenlokalttäten für Theaterausführungen, Schau­stellungen rc. vorgesehen.

Stuttgart 6. Jan. Die Lande«. Versammlung der süddeutschen Volks ­partei fand heute unter überaus zahlreicher Beteiligung im Konzertsaal derLtederhalls" statt. Professor L. Hoffmann, der die Ver­sammlung begrüßte, machte gleich zu Beginn derselben Mitteilung davon, daß die Führer der Partei am Erscheinen verhindert wurden. Kammer. Präsident Payer leidet an einem fieberhaften Er­kältungszustand. Konrad Haußmann ist an Rheuma- tirmu» erkrankt, Naumann wurde telegraphisch an da« Krankenlager seiner Tochter gerufen und auch Dr. Elsas war durch Unwohlsein genötigt, der Versammlung fern zu bleiben. Nachdem Henning zum Vorsitzenden, Augst jr. und Kercher zu Schriftführern gewählt waren, nahm Henning zu einer kurzen Ansprache da« Wort. Auf da» vergangene Jahr könne die württemb. Volkrpartei mit Genugtuung blicken. Ihre Führer seien immer dafür eingetreten, daß im politischen Leben und Wirken nicht auf Einzelne Rücksicht genommen werde» sondern alle Arbeit getragen sein müsse von dem Gedanken, für das ganze

Volk zu sorgen. Prof. Hummel-Karlsruhe überbrachte die Grüße der badischen Demokraten. Da« vei stoffene Jrhr sei für da» Vaterland und dt; Partei ein recht kritische« gewesen und nie- mand werde wünschen, daß das Vaterland mehrere solcher Jahre erlebe. Erfreulich sei dsbei der Zusammenbruch de« Systems, wie bisher die Regierungsgeschäfte geführt worden find. Er sei Z-it, den Regierenden zazurufen:Mit Schweigen, Neffe, treibe Politik". Line große Genugtuung für die Demokratie sei es gewesen, daß die besten Reden in dieser kritischen Reichstag« Periode, ja überhaupt die besten Reden im letzten Jahrzehnt de« Reichstag«, von den Demokraten Pryer und Haußaiann gehalten worden find. Redner schloß mit dem Wunsche, daß dis nächste Zeit für die Partei einen Fortschritt, für die erkrankten Führer Genesung bedeuten möge. Bei der Erstattung des Parteibericht« hob Professor Hoff mann, nachdem er mit ehrenden Worten der verstorbenen Freunds gedacht hatte, dr« Zustandekommen der freisinnigen Fcaktionsgemeinschaft und des Verein«, gesktze» hervor, da« einen großen politischen Fort- schritt bedeute. Der »Beobachter" könne seit einer Reihe von Jahren sich selbst erhalten, während die Prrteipreffe im Lande größerer Unterstützung seiten« der Parteifreunde bedürfe. Bei der bevorstehenden Aenderung der Reichs- Verfassung durch Schaffung de« Mtnistsrverantwort- lichkettrgesktze« würden die demokratischen Reich«. tag«abgeordneten im Sinne einer freiheitlichen Entwicklung de« deutschen Vaterland« Mitwirken. Landtagsabg. Liesching erörterte darauf die neuen Statuten, deren wesentlichste Aenderung in der neuen Zusammensetzung de» engeren Aus- schliffe« besteht, dessen 24 Mitglieder zur einen Hälfte ihren Wohnsitz in Groß-Stuttgart, zur

Welche von beiden?

Novelle von Adolf Stern.

(Fortsetzung.

Sie denken wahrscheinlich wie ihr Vetter Peter, Fräulein Klara", sagte er.Sie meinen, daß e« mir nicht schaden könne, wenn ich regelrecht bei einer Universität oder bei einem Archiv eingeschirrt wäre und daß sich der Droschkengaul nicht zu unsere« Herrgott« Prradepferd rechnen soll. Aber ich glaube, mein Onkel Florian, der belgische Archioariur, hat mir mit seinem bescheidenen Vermögen auch den wunderlichen Unabhängigkeitrstnn htnterlaffen, der ihn Zeit seiner Leben« vereinsamte. Mir ist nur wohl in dem Gedanken, mich an eine fretgewählte L-benraufgabe hinzugeben. Ich bilde mir natürlich nicht ein, daß die Welt mein Buch über Kaiser Heinrich VII., den Luxemburger, durchaus nötig hätte, aber mir ist'« nötig da« Buch mit aller Liebe zu schreiben und keine Nebenzwecke damit zu verbinden. Und dann auch e« widerstrebt mir, mich in die Reihe derer zu drängen, die sich mit Kopf und Ellenbogen zugleich Platz machen. Wer nicht muß, sollte in diesem Getümmel anderen den Weg nicht vertreten! Sehen Sie doch den Peter an der wäre längst Ordinarius in Münster, wenn man ihm nicht nach heutigem schlechtem Brauch einen schwerreichen Kölner vorge­zogen hätte, der» wie sie sagen, ein Hau« machen kann. Nun, Peter wird trotzdem seinen Weg finden, sie werden ihn über ein kleine« in München brauchen. Ich hörte ein paar wissende Vögel davon pfeifen, al« ich nach Pisa und Rom durchfuhr."

Dabei strahlten die Augen de« Gelehrten im Wtederschein froher Erwartung, so daß seine Nachbarin ihm gerührt da« bleiche ernste Gesicht ganz zuwandte und herzlich sprach:Sie find ein Freund wie Peter keinen zweiten hat» Doktor Gerland l Und cs geht mir heute mit Ihnen wie in alter Zeit in Bonn, ich mußte Ihnen stet« Recht geben, obschon ich e« von vornherein gar nicht wollte und meist widerstrebend tat."

»Ich weiß ich weiß! ich erinnere mich an manchen guten Abend in Godesberg, an dem wir stritten," versetzte Gerland lächelnd. Peter und ich und der herrliche Dekan Woringen und Konrad Woringen, sein Neffe, der zu früh von un« allen geschieden ist."

Der Sprecher hatte den letzten Namen nur zögernd genannt, und Fräulein Klara Addenhoven dabei angesehen, al« scheue er die Berührung einer wunden Stelle.

Aber mit ruhiger Fassung und mit mildem Tone entgegnet« sie:

Sie dürfen von Konrad sprechen soviel Sie wollen, Dokior Gerland. Die trauernde Erinnerung an ihn birgt keinen irdischen Stachel mehr für mich. Wie mich Gotte« Hand geführt hat, kann ich mir selbst nicht mehr vor stellen, daß ich je eine« Manne« Hausfrau geworden wäre. Ich habe längst erkannt, daß die Mühe, ein persönliche« Stück Glück zu erjagen, von allen eitlen Mühen de« Liber.« dis eitelste ist. Es frommt un« mehr, anderen, vielen meine ich, die Bürde ihrer Leiden und ihrer Bedürftigkeit tragen zu helfen, al« an uns zu denken und un« ein Hau« aufzubauen, da» doch keinen Bestand haben kann. Ich weiß, daß Sie ander« denken vielleicht ander« denken müssen, machen Siekeine kampffertige Miene! Wir wollen ftr Rom unseren Streit von Bonn nicht wieder aufnehmen, sondern al« gute Landsleute und alte Freunde im Frieden leben."

Indem er sein volle» Einverständnis mit diesem Vorschlag ausdrückte, hatte der Gelehrte sich seiner Nachbarin so zugewandt, daß er von dm übrigen Lischgenoffen niemand mehr sah und da Frau v. Herbert sich noch immer eifrig mit dem soldatischen Herrn unterhielt, saß da« junge Mädchen nebm der Schwester vom Kreuz, die nur mit den aufwartenden Dienerinnen sprach, längere Zeit völlig allein und unbeachtet. Fräulein Erika war offenbar an diese Verlassenheit der Reise nicht gewöhnt, die strahlenden blauen Augen füllten sich plötzlich mit Tränen, nicht der Wehmut, sondern zorniger Beschämung. Und während e« der jungen Dame rasch gelang, die Tropfen au« den Augen zu wischen, bemetsterte sie doch den Zorn nicht, der in ihr erwacht war, und ihre Augen blitzten zu dem ernsten, stattlichen