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Amts- und Anjeigeblalt für den Oberamlsbezirk Lalw. 84 ZchM^
Donnerstag, den 7. Januar 1909.
Sezugspr. t. d. Stadt -/^Lhrl. m. Lräzerl. Mk. t.2S. Vostb«zu-j»pr s.d.OrtS-u.NachLarortivert. >/^LHrl. Wk. 1.20, I« Kerns«rk-->, Mk. 1.30. vkst«2g. in Württ.M Vs,.. in y-,«rn u. «eiq« Vis
Amtliche Bekartntmachrmgerr
Bekanntmachung der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, betreffend die Abhaltung eines Molkereilehrkurfes in Gerabronn.
Mit Genehmigung de« K. Ministerium« de» Innern wird an der Molksreischule in Gerabronn ein sechrrägtger Unterrichtekure für Frauen und Mädchen abgehalten werden, in welchem die Teilnehmerinnen eine theoretisch praktische Anleitung zur Gewinnung von Milch und zur Verwertung derselben mittelst der für die Haushaltung urid den Handbetrieb der Molkerei vorrehmlich in Betracht kommenden Anfahren erhalten sollen.
Der Unterricht in diesem Kur« ist unentgeltlich, dagegen find die Teilnehmerinnen an demselben verpflichtet, die vorkommenden Arbeiten nach Anweisung dcr den Kurs leitenden Molkerei- sachverständigen zu verrichten; auch haben sie für Wohnung und Kost während ihres Aufenthalt« in Gerabronn selbst zu sorgen.
Bedingungen der Zulassung sind: zurück- gelegtes sechzehnte« Lebensjahr, Besitz der für da» Verständnis der Untsrrich« notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse sowie guter Leumund.
Der Beginn des Kurses ist auf Montag, den 15. Februar 1909 festgesetzt. Da jedoch zu einem Kur« nur sechs Teilnehmerinnen zu- gelassen werden können, so behält sich dis Zentralstelle vor, je nach Bedürfnis im Lauf der folgenden Wochen noch weitere Kurse zu veranstalten und die sich Anmeldenden nach ihrem Ermessen in die einzelnen Kurse einzuweisen.
Gesuche um Zulassung zu dem Kurs find mit einem schullhetßenamtltchen Zeugnis über die
Erfüllung der obengenannt«'. Bedingungen spätesten« bis zum 1. Februar 1909 an das „Sekretariat der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft in Stuttgart" einzureichen.
Stuttgart» 28. Dezember 1908.
I. V.: Bai er.
Stuttgart 5. Ja». Seit einigen Tagen treibt hier ein Schwindler in der Weise sein Unwesen, daß er angeblich für die bei der Erd- bebenkatastroph! in J.alien Verunglückten Beiträge sammelt. Der Mann, der eins Liste in einem blauen Umschlag bei sich führte, hat ein gewandter, sicheres Auftreten. — Gestern vormittag blieb das Pferd einer Milchhändlerr in der Eßlingerstraße an einem Fuß im Straßen- bahngeleise hängen, so daß der Fuß verdreht wurde und das Pferd mit dem Tierrettungswagsn nach der tierärztlichen Hochschule gebracht werden mußte — In einem Abort des Hauptbahnhofer brachte sich gestern abend 7'/, Uhr ein lediger 25 Jahre alter Schreiner in selbstmörderischer Absicht mit einem Revolver drei Schüsse in die linke Brustseite bei. Er wurde schwer verletzt in« Katartnenhospital gebracht.
Stuttgart 5. Jan. Gestern überbrachten in Rottenburg die Geistlichen des Lrndkapitel« Rottenburg dem Bischof Dr. v. Keppler ihre Neujahrsglückwünsche. Auf die Ansprache des Dekans Saudenmaier, der dem Bedauern über die Angriffe gegen den Bischof Ausdruck gab, erwiderte der Bischof in längerer Ansprache. Wie da« „D. Volkrbl." berichtet, bemerkte er dabei zur Schulfrage: da« Bischöfliche Ordinariat habe
sich genötigt gesehen, öffentlich dazu Stellung zu nehmen, wahrlich nicht von Herrschsucht und Machtgelüsten getrieben, sondern lediglich, um eine große, ernste und heilige Pflicht zu erfüllen, eine Pflicht, deren Verabsäumung e« vor der Nachwelt nicht hätte v.rantworten können, deren Erfüllung es dem Amte, den Eltern, den Kindern und den Lehrern, dem Vaterland und der Kirche schuldig gewesen sei. De« Einverständnisse» des Klerus habe er zum voraus sicher sein können. Man möge dar große Anliegen im Gebet vor Gott weitervertrsten. Nur wenn man in allweg seine Pflicht getan, habe man da« Recht, alle« weitere Gott anheim- zugeben und mit Mut und Vertrauen in die dunkle Zukunft hineinzuschreiten.
Zuffenhausen 5. Jan. Bei einem Wortwechsel in einer Wirtschaft hat ein hiesiger verheirateter Mann einem Tanzlehrer mit einem Bierglas das rechte Auge au«geschlagen, sodaß es durch eine Operation entfernt werden mußte. Auch das links Auge ist in Gefahr.
Geislingen 5. Jan. In dem benachbarten Dorfe Eybach sind dem Nachtwächter und dem Poltzetdiener kürzlich Revolver angeschafft worden. Diese Maßregel wird wegen ihrer Gefährlichkeit überall bekrittelt mit dem Hinweis auf den Fall der Münchener Studenten Moschel, der seiner Zeit von einem Polizisten erschossen wurde und darauf, daß Eybach und Umgebung hinsichtlich seiner Bewohner und der dorthin kommenden Touristen als ungefährlich gilt. Selbst in Eybach ist die große Mehrzahl der ruhig denkenden Einwohner mit dieser Maßnahme nicht einverstanden, nur die Mitglieder der Gemeindekollegten, auf deren Treiben die
Welche von beiden?
Novelle von Adolf Stern.
(Fortsetzung.
Doktor Gerlanb begab sich in den dämmrigen Hof hinan«, über dem in köstlicher Reinheit noch ein Stück blaßgrünen Abendhimmelr glänzte, und schritt zwischen der Schwelle zum erleuchteten Spessesaal und dem Becken des Arminen« hin und her. Auch hier fand er sich nicht allein und ward alrbald wider Willen Ohcenzeuge einer Wortwechsels, der zwischen zwei weiblichen Gästen des Hauser stattfand und von unhörbarem G>flüsier zu immer lauteren, erregten Worten überging. An der rechten Sette de« Hofe«, ihm gegenüber,- gingen eine ältere Dame in bunter, ein wenig auffallender Frühlingskleidung und ein noch sehr junges Mädchen im licht- grauen Reisekleide auf und ab. Da sie ihr Gesicht ihrer Begleiterin zuge- wandt hielt, so konnte Friedrich Gerland nur bei einer gelegentlichen Wendung gewiß werden, daß das reiche, blonde Haar des Mädchen» ein Gesicht von reiner Schönheit der Züge und jugendlicher Frische der Farben umschmiege. Ein paar Mal, wo der Auf- und Abwandelnde sich ein paar Schritte näher wagte, blitzten ihn unter dichten langen Wimpern hervor die leuchtendsten, blauen Augen an, in die er seit langem geschaut hatte. Trotz der Dämmerung sah er, daß dis rosig angehauchten Wangen der jungen Dame sich mehr als einmal mit dunkler Glut färbten, wen» die ältere Begleiterin in scheltendem Tone sprach. Eben hörte Gerland deutlich sagen:
„Du bist ein unreifes Kind, Erika, Dir sind Ohr und Auge und Seele nur halb erschlossen. Du verstehst dar meiste von dem nicht, was Da hier siehst und hörst Ich verzeihe Dir, aber möchte nicht, dcß man meiner Nichte ein unempfänglicher Gemüt und kleinstädtische Oberflächlichkeit Mraute. Nimm Dich darum bei Tische mit Sprechen in acht, damit Deine unreifen Urteile kein Aergerni» geben!"
„Wenn ich zu unreif bin für die Herrlichkeit hier, warum haben Sie mich nicht zu Hause gelaffen, Ta >te Hedwig? Ich sähe weit lieber in unserem grümin, schimmernden Rhein die Frühlingssonne untergehen, als in dem schmutzig gelben Tiber", entgegnete da« junge Mädchen und Gerland sah wieder ihre Wangen flammen. „Sie wissen gar wohl, wie gern ich in Boppard wäre!"
„Du bist wirklich nicht kindisch genug, Erika, um nicht zu wissen, warum wir in diesem Frühjahr nicht in unserem Landhau« sein können," versetzte Tante Hedwig. „Du solltest Gott und Deinem Vater danken, daß er Dich mit mir nach Italien reifen ließ und sich und Dir die Verlegenheit sparte, dem Herrn v. Römer einen Korb zu geben."
„Ich bin ja dankbar!' klang die Erwiderung, und die zitternde Stimme des schönen Mädchen» verriet, daß ihr Unmut demnächst in Weinen übergehen könne. „Aber es wäre vielleicht doch besser gewesen, der Vater hätte Herrn v. Römer sogleich gesagt, daß ich zu jung zu einer Heirat sei und daß ich ihn nicht mag. auch wenn ich älter wäre, und hätte mich daheim behalten. Ich kann doch nicht au« Dankbarkeit hier alle« golden finden, was ich sehe und vielleicht nicht verstehe."
„Du kannst aber so bescheiden sein, den Rat und da» Urteil und die Einsicht erfahrenerer Leute, al« Du bist, Erika, zur Richtschnur zu nehmen und nicht» zu äußern, von dem ich Dir sage, daß e« töricht sei."
Friedrich Gerland, dessen Teilnahme an der Unterredung mit jeder Mir ute gewachsen war, sah wohl daß da» junge Mädchen auch auf diese Mahnung noch antwortete. Aber da er seinen Gang durch den Hof fortgesetzt hatte und jetzt am weitesten von der Dame entfernt war, zu gleicher Zeit die Ttschglocke ein zweiter Mal ertönte, so hörte er nicht mehr, was dte Gescholtene erwiderte. Ein Gefühl der Verwunderung, wie rasch er hier aus seiner gleichmäßigen Vereinzelung aufgestört worden sei und am Schicksal anderer teilzunehmnn genötigt ward, überkam ihn. Er sagte sich, daß er besser getan haben würde, eine abgelegene, ganz einsame Piivat-