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sonst geht der Brief über England oder Frankreich und kostet Strafporto. Auf diesem Wege kosten die ersten 20 x wie bisher 20 -g, jede wetteren 20 x 10 Der neue Satz von 10 H für 20 x auf dem direkten Wege gilt aber erst vom 1. Januar an.
Vom Oberamtsbezirk Bracken- heim 24. Dez. Der „Blätterwald" nimmt ur. Da« Amtsblatt „Der Zabcrboke" erscheint schon längere Zeit auch als „Kirbachtalbote", der „Leintalkote" al« „Güglirger Zeitung". Seit einigen Tagen hat nun der Verleger der letzteren Taget bl älter einen neuen dritten Kopf geschaffen: „Neueste Nachrichten vom mittleren und unteren Zabergäu". Neben diesen fünf Bezirksblättern wird namentlich die Heilbronner „Neckarzeitung" viel gelesen, ebenso die „Süddeutsche Tagerzeitung", letztere von den Bauern. Auch das sozialdemo- kratische „Neckarecho" hat einen ansehnlichen Stamm von Abonnenten. Ueber Bildungimittel kann man somit im Brackenheimer Bezirk nicht klagen.
Tübingen 24. Dez. (Strafkammer.) Anläßlich der Vornahme von Reparaturen an dem Dache de» Fabrikgebäude« der mechanischen Bunt- Weberei in Mösstngen brach ein Teil de» Dachet ein und stürzte in den Spulsaal hinab. Von den abgeflürzten Schuttmaffen und Sparren wurden mehrere Arbeiterinnen getroffen und zum Teil ganz erheblich verletzt. Diese Verletzungen au» Fahrlässigkeit verursacht zu haben, war der Teilhaber und Vertreter der Firma, Sigbert Bern- Heim, Fabrikant in Stuttgart, beschuldigt. Er gab den Auftrag zu den Reparaturen. Da» Fabrikdach hatte einen 6 om hohen Kierbelag. Von den Arbeitern wurde der Kies, der von dem freizulegenden Teile de« Dache« weggeräumt werden mußte, auf die übrigen Dachteile aufgehäuft. Diesen aber war die Last zu schwer. Der Angeklagte zog jedes Verschulden in Abrede und führte mehrere technische Fehler auf, die seinerzeit beim Kabrikbau teils unter Umgehung der Vorschriften in der Konzessionsurkunde gemacht worden seien und von welchen er keine Ahnung gehabt habe. Daß Fehler in der Dachkonstruktion Vorlagen, wurde bewiesen. Der Angeklagte wurde freigesprochen.
— In Tübingen findet am 6. Januar die jährliche Tagung de« Gau Schwaben im deutsch.nationalen Handlungsgehilfen. Verband, Sitz Hamburg, statt Der Gau umfaßt Württemberg und Hohenzollern und zählt annähernd 5000 Mitglieder. Die Tagung gibt einen Ueberblick über die Tätigkeit der Gaue«
wähernd de» Jahre» 1908. Sie wird in Anbetracht der großen Ausdehnung der Bewegung und der Bedeutung der einzelnen zur Beratung stehen, ven Gegenstände voraussichtlich starken Besuch au« den Kreisen der im Verbands organisierten Gehilfen aufzuweisen haben.
Aldingen OA. Gpaichingen 24. Dez. Ein in der Rose hier vorübergehend beschäftigter Monteur au» Stuttgart versuchte sich — vermutlich au» Liebeskummer — mit einem Revolver zu erschießen. Der Schuß traf ihn aber in den Magen. Er mußte sich nach Tübingen in die Klinik begeben. ,
Friedrichshofen 24. Dez. Die au« Berlin erwartete Luftschifferabtsilung wird in diesem Jahr nicht mehr hier eintreffen. Die Gründe der Verzögerung sind unbekannt. — Oberingenieur Dürr hat vom Fürst v. Fürstenberg eine mit Diamanten besetzte goldene Uhr al» Weihnachtsgeschenk erhallen.
Pforzheim 24. Dez. Am nächsten Dienstag wird der Prokurist der hiesigen Diskonto- bank Filiale, Max Groß, einst eine angesehene Persönlichkeit der Stadt, vor der Karlsruher Strafkammer wegen Untreue und Unterschlagung sich zu verantworten haben. Er handelt sich im ganzen um gegen 100000 Auch Private und Geistliche find geschädigt.
Ludwigshafen 24. Dez. In dem Hause Meinigstraße 14 wo der Milchhändler Lorenz Bernhard wohnt, fiel es den Bewohnern des Hause« auf. daß sich von der Familie niemand sehen ließ. Man schickte zur Polizei, die die Wohnung öffnen ließ. Hier bot sich ein entsetzliches Bild. Der Mann, die Frau und 2 Kinder» ein Mädchen von 5 und ein Knabe von 3 Jahren lagen vergiftet in den Betten. Dis Ursache der Tat ist in einer Unterschlagung zu suchen, die sich der Mann hat zu Schulden kommen lassen.
München 24. Dez. Gestern Abend v»9 Uhr wurde auf dem Havptbahnhofs vor der Abfahrt de» Ulmer Schnellzuges ein schwerer Postdiebstahl verübt. Ein Bureaudiener hatte auf einem Wagen die Postbeutel zum Zuge gebracht und den Transport einen Augenblick verlassen, indem er mit der Beaufsichtigung einen Post-Aurhelfer beauftragte. Alsbald erschien ein Mann, mit einer neuen Dienstmütze und einem neuen Dienstrock bekleidet, der unter verschiedenen Erklärungen einen Postbeutel mit einem Wertinhalt von 50—70000 mitnahm. Polizeiliche Ermittlungen sind bereit» eingeleitet.
In der zwölften Stunde.
Silvester »Humoreske von August« Werner.
War da« ein Nest! Nicht einmal ein Skat aufzutreiben I Jeder seiner Bekannten entschuldigte sich damit, daß er den SilvesterAbend in der Familie zubringen möchte. Auch seine Haushälterin und sein Diener baten um Familien Urlaub. Schließlich würde ihm nicht» anderes übrig bleiben, al» auch einer der Familieneinladungen zu folgen, die auf seinem Schreibtisch logen. Er konnte doch nicht in gänzlicher Einsamkeit in seinem Hause fitzen. Was half ihm die trauliche Wohnlichkeit seiner Räume, wenn e« so still darin war, wie in einem verwunschenen Märchenschloßl — Da« kommt davon, würde Franz Berber sagen und sich mit behaglichem Lächeln den Vollkart streichen. Franz Berber, der ihn so gern in jungen Jahren al» Schwager gesehen hätte, der selbst Gatte und Vater einer zahlreichen Familie war, sich dabei höchst wohl fühlte und jeden bemitleidete oder bespöttelte, der el« Junggeselle durch« Leben ging und die Gründung eine» Familtenglück« verschmäht hatte.
Davon aber war Peter Steffen» weit entfernt, sein Junggesellentum zu bereuen. Was er bereute, war, daß er nicht längst seine Fabrik mitsamt der Villa und allem Drum und Dran verkauft hatte. Aber daran war der alte Martinfsen schuld, sein treuer Werkführer, der die ganze Geschichte so prächtig geleitet hotte, daß seine, de» Herrn Anwesenheit kaum nötig gewesen. Martinfsen, dessen Herz an der Sache hing, hatte sich mit Händen und Füßen gegen den Verkauf gesträubt. Und nun tat ihm der alte Martinfsen da« an — und ging. Ging für immer. Rasch und ohne Aufheben«, wie er olle« zu tun pflegte, schied er au» diesem Leben.
„Der kann sanft schlafen," sagte Franz Berber, „hat ein nvtzvolle« Dasein hinter sich. Nach getaner Arbeit ist gut ruh'n." — Alberne Bemerkung I — „Für dich aber ist'» gut. E» wird Zeit, daß du nun selbst wa» tust im Leben." — „Na, erlaube 'mal —" Viel mehr konnte er allerding« nicht sagen» denn für den Wert seiner Reisen und seiner damit verbundenen Sammlungen von Altertümern und sonstigen Kunst- gegenständen hatte Berber wenig Verständnis. „Aue totem Kram mache
München 24. Dez. Eine der „C. E." von hier zugegangene Mitteilung besagt, daß sich dar Befinden des geisteskranken König« Otto I von Bayern in letzter Zeit verschlimmert habe. Hauptsächlich sei es zunehmende Herzschwäche, welche dem erkrankten König zu schaffen mache. Der sonst in sich gekehrte und stille König leide mehr denn je an Wahnvorstellungen, denen jedesmal ein sichtlicher Verfall der körperlichen Kräfte folge. Da auch dis Nahrungsaufnahme in den letzten Tagen sehr zu wünschen übrig lasse, be- fürchte man da« Schlimmste. Ein Bulletin über da« Befinden des Erkrankten soll einstweilen nicht veröffentlicht werden.
München 24. Dcz. Ein schwerer Bau- Unfall hat sich in der bayrischen Brauschule Weihenstephan ereignet Tort stürzte bei einem Umbau ein Giebel-Aufsatz herab, durchschlug da« Gerüst und riß zwei Arbeiter mit in die Tiefe. Einem wurde das Rückgrat gebrochen, dem andern ein Fuß abgeschlagen und da» Gesicht gespalten. Beide starben bald darauf.
Hamburg 24.Dez. Durch Rauchgase, die einem defekten Ofen entströmten, find hier in der Zimmerstraße eine Anzahl Personen vergiftet worden. Ein Handlungrgehilfs ist bereits gestorben, eine Wirtschafterin, deren Mutter und Freundin liegen bewußtlos darnieder.
Paris 27. Dez. Bei seinem vorgestrigen Spaziergang wurde Präsident Falliöres von einem Kellner plötzlich angegriffen. Der Kellner hatte den Präsidenten bei der Gurgel gefaßt urd versuchte ihn am Barte zu zerren. Der Angreifer wurde von dem Begleiter de« Präsidenten, Herrn Ramondou, überwältigt und schließlich verhaftet. Nach einer anderen Version stürzten der Präsident mit seinem Begleiter während des Ringen« zu Boden. Der Angreifer, der Mitglied des* royalistischen Verbandes ist, erklärte, daß er nicht bewaffnet gewesen sei. Er habe den Präsidenten nur beim Bart nehmen wollen. Der Angreifer nennt sich Pterer Mathi» und ist 31 Jahre alt.
Au» Part» wird zu dem Attentat noch geschrieben: Der feige Angriff gegen den Präsidenten der Republik am Morgen de» Christfestes am Etoile, der den Namen „Attentat" kaum verdient, hat selbstverständlich allgemeine Entrüstung hervorgerufen. Ueber den Hergang selbst ist den telegraphischen Berichten kaum etwa» hinzuzufügen. Herr Falliörer wurde, al« er ahnungslos in behaglichster Stimmung über da» seit langen Lagen zum ersten Male klare Wetter von seinem gewöhnlichen Morgenspaziergange au«
er sich nichts — er sei fürs Lebendige." — Und dann sing er sofort an, von seinen Kindern zu erzählen, von seinen Buben, die da» Hau« mit kraftvollem Leben erfüllten, und seinem ältesten Lieblingstöchterchen Erna, die sich wahrscheinlich noch vor Jahresschluß mit dem Forstasststenten Paul Rehfeld verloben würde. Diesen freudigen Ereignissen sollte er heute abend jedenfalls mit beiwohnen. Denn wa» blieb ihm übrig, al« der Silvestereinladung Berber« zu folgen? Er war sein ältester Freund, den er schließlich nicht beleidigen durste, zumal der Skat, mit dem er sich zu entschuldigen gedachte, nicht zustande kam.
Sr habe auch eine Ueberraschung für ihn, hatte er mit vielsagendem Lächeln bemerkt. Das war ihm sehr unbehaglich; denn er ahnte etwa». Ueberhaupt, Ueberraschungen, liebte er nicht. Er hatte genug an der, welche ihm der gute Martinfsen bereitet. Notgedrungen mußte er sich nun der verwaisten Posten« annehmen, bi» eine andere Kraft gewonnen oder ein Verkauf abgeschlossen war. Davon riet ihm übrigens Berber mächtig ab. Hm! — Berber — mit seiner Ueberraschung! — Peter Steffen« pfiff leise vor sich hin und dachte an Berlin, an seinen Klub, an Skat und Austern, an Kabarett« und den neuesten Schlagern. Da fuhr er beinahe erschreckt zusammen.
Mächtige Klänge durchzitterten die Lust. Dis nahen Kirchenglocken riefen zum Gottesdienst. Er trat an« Fenster. Da zogen sie vorüber, dis guten Kleinstädter, mit ernster Würde, und folgten dem Rufe. Brave Familienväter und Mütter und sittsame Kinder. Dazwischen viel Bauern im Sonntagsstaat au« der Umgegend. Schließlich — e« war doch eine Zerstreuung. Sr fand sich plötzlich dabei, eilfertig in seinen Ueberztehsr mit dem kostbaren Pelzkragen zu fahren, wa» aber nicht ohne ein leise» Stöhnen abging, denn da« Rheuma fing an sich sachte einzustellen. Wie dieser Berber e« anfing, bei seiner großen Tätigkeit und seinem geräuschvollen Familiendasetn so frisch und gesund au«zusehen! Keine Nerven zu haben bei sech, Kindern! Ihm selbst hatte vor Kindern immer gegraut. Gedankenvoll setzte er seinen Zylinder auf da« etwa» gelichtete Haupthaar, zog seinen Schnurrbart in zwei elegante Spitzen au« und verließ sein stilles Hau», um sich den Kirchgängern anzuschließen.
(Fortsetzung folgt.)