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ohne daß ein größerer Schaden entstanden ist. Die Ursache wird in beiden Fällen auf die durch das nebelige Wetter schlüpfrig gewordenen Schienen zurückgeführt, die ein hinreichender Funktionieren der Bremsen verhinderten.

Stuttgart 22. Nov. Vor einigen Tagen weilte der frühere Hofkop.llmetster Dr. Obrtst hier, um mit den hiesigen Mufikerkreisen über die für das nächste Jahr in Stuttgart g-plante Tagung de« Allgemeinen Deutschen Musiker verein«, Beratungen zu pflegen. Die Verhandlungen sind, wie derSchwäb. Merkur" hört, soweit gediehen, daß mit Sicherheit darauf zu rechnen ist, daß Stuttgart als nächster F-stort gewählt wird. Zunächst ist der Monat Juni in Ansstcht genommen.

Tübingen 22. Dez Ein aus der Schweiz gebürtiger Monteur wurde wegen mehrfacher Gelegenheitsdiebstähle verhaftet. Er wußte sich als vollendeter Biedermann aufzuspielen und verkaufte eine gestohlene Bockleiter dem Polizei« Wachtmeister.

Harlachen OA. Gaildorf 20. Dez. Ein hiesiger Ei, wohner entdeckte anläßlich der Reparatur seines Zimmerbodevs unterhalb derselben eine größere Anzahl sehr gut erhaltener Silber­münzen, welche in einem Glargefäß unter­gebracht waren. Die Münzen haben die Größe von 5«, 3« und 1 Markstücken, enthalten die Jahreizahl 1694 und 1703 und tragen in der Mehrzahl das Bildnis Ludwig XIV von Frankreich. Ueber den historischen Wert dieser Münzen werden Erhebungen angestellt.

Mergelstetten 21. D«z L.tzten Freitag ließ Hr. Aug. Zöppritz-Stuttgart durch da« hiesige Schultheißenamt den früheren Arbeitern und Arbeiterinnen, die vor 1871 in der Zöppritz schen Wolldeckenfabrik beschäftigt waren, einen namhaften Geldbetrag ourbezahlen. Das über­raschende Weihnachtsgeschenk hat unter den Empfängern große Freude bereitet.

Tettnang 22. Dez. In einem hiesigen Laden wurde ein Stromer von der Geschäftsfrau spät abends dabei ertappt, wie er einen Anschlag auf die Ladenkaffe verübte. Er packte die Frau und knebelte sie, mußte aber wegen ihres lauten Geschrei« die Flucht ergreifen. Später wurde er in einer hiesigen Wirtschaft ermittelt und fest- genommen.

Friedrichshafen 22. Dez. Die Luft­schiffbau Zeppelin G. m. b. H. hat in letzter Zeit Versuche angestellt, gewisse Teile des Luftschiffe« au« dem Holz einer amerikanischen Fichte, da« trotz seiner Widerstandsfähigkeit äußerst leicht ist, herzustellen. Vor allem sollten die Gondeln und Propeller au« solchem Holz hergestellt werden. Obwohl die Versuchs befriedigend aus­gefallen find, haben sich dis Konstrukteure Zeppelin« doch entschlossen, sowohl da« Gerippe als auch die Gondeln der neuen Luftschiffe2II" und «2III"

wiederum aus Nlluminium heizustkllen. Man geht dabet von der Erwägung aus, daß der ruhige sichere Lauf der Motoren ganz wesentlich abhängt von der Stabilität des Material», in dar er gebettet ist. Bet der bedeutenden Schwere der Motoren von je 400 Kilogramm, die Graf Zeppelin für seine Luftssgler verwendet, hält man die Stabilität jenes Holzes nicht für ausreichend. Aus dem gleichen Grunde hat man schon die in früheren Jahren angestellten Versuche mit Bambus­rohr ebenfalls aufgegeben.

Mannheim 21. Dez. Der Kampf in der Metallindustrie. Gestern fand eine Besprecheng des Oberbürgermeisters mit den Delegierten der Arbeiterschaft statt. Herr Matin hielt eins aurgezeichnete Fricdenerede. Ec v r« breitete sich über die VorgeschiLte der Angelegen, heit, wies eindringlich auf den Ernst der Situation hin und erhob schließlich seine warme zur Ver- söhnrmg mahnende Stimme. Die der Ansprache folgenden Aurführungen verschiedener Redner lesssn leider keinen E.folg im Sinne einer Beilegung der Streikes erkennen. Herr Ober­bürgermeister Martin schloß dis Versammln» g um '/-l 2 Uhr M der Mahnung an die Anwesenden, im Sinne der Gehörten ausklärend bei den übrigen Arbeitern zu wirken und möMst dafür zu sorgen, daß bei einer event. nochmaligen Abstimmung wenigstens niemand ohne zwingende Not sich der Stimmabgabe enthalte.

München 22. Dez Bayern soll beim Eintritt in die Güterwagengemeinschaft etwa 6000 reue Wagen für 20 Millionen Mark anschi-ffsn müssen. Da« nach Ingolstadt verlegte Zsntralwagenvmt wird aufgehoben.

Frankfurt a. M. 22. Dez. Gestern Nachmittag kurz nach 4 Uhr fiel an der Ecks Bergerstraße-Ringelgaffe ein scharfer Schuß. Die Kugel durchschlug einem 15jährigen Jungen die link' Hand und verletzte ihm zwei Finger schwer. Nachforschungen nach dem Schützen blieben erfolg los. Der Kriminalpolizei gelang es heute, 6 Personen zu verhaften, die in den letzten Tagen in der Stadt mehrere schwere Einbrüche verübten. Wie au« Mainz gemeldet wird, wurde beute früh der Theater-Sekretär De, ker, drffen Frau und sein 14jährigcr Sohn in ihrer Wohnung bewußtlos in den Betten aufgefunden. Es wird angenommen, daß Kohlencxydga« aus dem Ofen nacht« strömte und die« die Uisache der Unfalles gewesen ist. E« gelang, alle drei Personen in« Leben zurückzurufeu.

Berlin 22. Dez. Mit Bezugnahme an die Wiener Meldung, wonach da» englische Königepaar seine in Aussicht genommene Reifs nach Berlin aufgegeben habe, schreibt da«Berl. T": Hier ist weder den Rsgiernngsstellen roch den Hofämtern etwas von einer Aenderung in den Reiseplänen de« englischen König«paarcs bekannt

geworden. König Eduard hat am 11. Aug. in Cronberg dem Kaiser angekündigt, daß er zu Anfang der Jahres 1909 mit der Königin nach Berlin zu kommen gebe ke. Seither ist eine Absage diese» angkkündigten Besuches nicht erfolgt.

Berlin 22. Dez Die heutige Unter, suchung de« Präsidenten Castro durch Professor Jtrael hatergebcn, d ß Castro an einer Nieren­ettsrung leidet, die eine Operation nicht rot- wendig macht.

Greif« wald 22. Dez. Heute früh 6°/t Uhr ist durch Explosion ein Teil der städtischen höheren Mädchenschule zerstört wor­den. Der Schuldiener ist bei der Explosion ums Leben gekommen. Der angertchtete Schaden ist sehr groß. In der Nachbarschaft sind an fast allen Höusernzshlreiche Fensterscheiben zertrümmert. Unter den beschädigten Gebäuden befindet sich auch dar Hy ier-ische Institut der Universität und dis Uebungsschule des Lshrerinnen-Seminiars.

London 22,Dez. Das amerikanische Schlachtschiff »Maine" ging gestern von Hamp'on Road mit versiegeltem Befehl in See. Es wird vermutet, daß das Schiff nach Venezuela abdampft.

Gotha 22. Dez In der Eisenbahnwerk« stätts wurde bei der Ausbesserung eine« Wagens 2. Kleff, hinter siner Fensterjalousie Papiergeld in Höhe von 1000 und ein Revolver gefunden.

Verschwinden eines Zeugen in der St ein Heil-Sa che. Alexander Wolf bekanntlich ein wichtiger Zeugs ber der Unter­suchung gegen Frau Steif-Heil, der infolge der Darstellungen der angeksagtsn Frau selbst eine Zeitlang in dem Verdacht stand, den Moler Stein- heil ermo-dst zu haben, hat es vorgezogen, sich den Fragen des Untersuchungsrichters durch die Fluä-t zu entziehen. Dis gesamte Pariser Presse beschäftigt sich mit dem Verschwinden Wolfs. Man sagt er habe sich an Bord eines kleinen Dampfers nach England eingeschifft.

GsrarMÄtlichk Wttterrwtz: .

Meist nebelia und trüb, unter Tags stellenweise vor­übergehend Aufklaren, Temperatur wenig verändert.

«SstteSSierrrt«.

KrMger«nd, 24. Dez. 4 Uhr: Weihnachtsandacht und Beichte im Vereinshaus, Stadtpfarrer Schmid. Christfest, 25, Dez. Vom Turm 104. Predigtlied 105. Kirchenchor: Freut euch, ihr liebe Christen rc. 9^/4 Uhr: Beichte in der Sakristei. 9'/-Uhr: Vorm.- Predigt, Stadtpfarrer Schmid. Abendmahl. 2 Uhr: Nachm.-Predigt VikarR 00 S. DasHpfer ist vor- und nachmittags für die wohltätigen An­stalten des Landes bestimmt.

Stephanus-Ketertgg, 26. Dez. 9*/- Uhr: Predigt, Vikar Roos.

Sonntag «ach de« Christfest, 27. Dez. Vom Turm 114. Predigtlied 113. 9*/- Uhr: Vorm.-Prcdigt, Stadt­pfarrer Schmid. 1 Uhr-- Christenlehre für die Töchter.

Lurmnsters Drachen.

Eine heitere Weihnachtsgeschichte von Alwin Römer.

(Fortsetzung.

Rolf hatte unterdessen das Automobil entdeckt, ein kleines Blechspiel­zeug mit einem Tchlüffelchen zum Aufziehen daran, da« er sogleich eifrig in Bewegung zu setzen versuchte. Knarrend drang der Schall des Schlüssels durch den stillen Frieden der Weihnachtsflube, und surrend fing gleich danach da« kleine Gefährt an, davonzurollen, beschrieb einen großen Bozen und verschwand dann eilig unter dem Sofa.

In dem Moment erschien die Sponnageln in der Tür.

Ach, Du meine Güte! Da haben wir ja glücklich auch so'nDing!"

Ja, aber nur ein kleiner", sagie Mama Lodeneck lächelnd.

Mit kleinem fängt man an", orakelte Frau Sponnogel mißtrauisch.

Von wem es nur sein mag?" tuschelte die Majorin. ,Jch habe keine Idee! Wo hast Du denn da« Briefchen, Spatz?"

Dar Briefchen? erwiederte sie befangen.Ich weiß nicht ich habe es viel stand ja nicht darin, Mutti!"

Unterdessen brachte Rolf ein ziemlich umfangreiches Gebäck au« braunem Teig ongeschlcppt, da« er roch im Paket gesunden hatte.

Sieh' mal, Mutti, einen Honigkuchenmann habe ich auch noch bekommen!" rühmte er.

Mama Lodencck betrachtete ihn lächelnd und warf dann einen viel­sagenden Blick zu ihrem Töchterchen hinüber, da» sich, noch immer etwas verlegen, bemühte, dar Automobilchen wieder zum Vorschein zu bringen.

»Ich glaube, Rolf, der schöne Honigkuchevmann ist gar nicht für Dich!" sagte ste. Aber da fuhr Spatz schon erregt vom Teppich empor.

»Für wen sonst?" rief ste mit zornigen Augen.Gewiß gehört er Dir, Rolf! Aber sag' doch einmal, wie bist Du eigentlich auf den merk­würdigen Wunsch nach einem Automobil gekommen?"

Er sah stolz zu ihr hinunter.

Dem Automobil gehört die Zukunft!" sagte er dann schlagfertig.

Wer sagt denn das?" erkundigte sich Mamachen entsetzt.

Der Chauffeur von Doktor Burmeister!" entfuhr es ihm stolz, aber unvorsichtig. Und eilig kehrte er zu seinem Eichhörnchen zurück, um dar Gespräch über die Quellen seiner Auiowobilweirheit nicht fortsetzen zu müssen. Aber Spätzchen ließ nicht locker. Der Brief des rätselhaften Christkindes, den ihre Kleidertasche barg, hatte tausend Gedanken in ihr wach gerufen. .

Also daher stammt Deine plötzliche Liebe für das Automobil!" sagte sie, ihm folgend.Aber, woher kennst Du denn den Menschen über­haupt? Hatte Dir Mutti nicht verboten"

Ich kenne ihn eben!" unterbrach er sie beinahe trctzig und bastelte errötend an dem Trommelgitterchen der kleinen Käfig«.

Rolf, ich vermute", sagte Spätzchen verweisend, und beugte sich zu ihm herunter, um ihm besser in die Augen sehen zu können. Doch kam sie vorläufig nicht dazu, sich über den Inhalt ihrer Vermutungen näher zu äußern. Denn Rolf hatte im gleichen Augenblick durch eine unbewußte Fingerbewegung einen unerwarteten Buvdcrgknoffcn erhalten, der seiner Schwester in des Wortes verwegenster Bedeutung schlank über den Mund fuhr md zwar mit seiner weichen, buschigen Rute. Dar Eichhörnchen hatte den unvo,sichtig geöffneten Nurschlupf gefunden und sauste nun wie ein sturmgeiriebener, rotes Wölkchen zwischen den Geschwistern fort, im Zimmer umher.

(Schluß folgt.)