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Amts- und ÄnMgeblatt für den Oberamtsbezirk Calw. 83. -ttzr-«-

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Mittwoch, -eu 9. Sezember LS08.

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«mtttche Bekanntmachttttge«.

Die Ortsbehörden

werden beauftragt, ortskundige Fehler der Militär- Pflichtige«, wie geistige Beschränkhrit, epileptische Anfälle u. dergl. stets anläßlich der Musterung bezw. vor der Aushebung zur Kenntnis des Oberamts zu bringen.

Calw, 9. Drzember 1908.

K. Oberamt.

V o e l L e r.

Calw. (Junglibsraler Verein.) Am 8. Dez. hielt der Verein eine Versammlung im Walt Horn, die von Vereinsmitglisdern und Gästen gut besucht war. Der Vorstand begrüßte dis Anwesenden und berichtete über die Landesver- treterversammlung in Eßlingen vom 22. Nov, Von besonderem Interesse waren dis Debatten über Voksschulnovelle und Reichsfinanz« roform. Im Anschluß hieran hielt Herr Hans Schäfer einen sehr lehrreichen und interessanten Vortrag über bas Thema:Dar Gewerbe einst und jetzt Der gewandte Redner vnstand er in kurzen Umrissen ein Bild der mittelalterlichen Gewerbes mit seinen Innungen und Gebräuchen zu zeichnen, um dann die z. Z. geltenden gesetzt lichsn Bestimmungen über das Handwerk, ins­besondere über dar Lehrlingswesen und den Meistertitel näher zu erläutern. Ergänzend hiezu war Hr. Finanzamtmann Dreiß in der Lage, interessante Ausführungen über die Gebräuche z. Z. der Niedergangs der alten Zünfte zu machen.

* Calw 9. Dez Der Verkauf von Christbäumen hat in diesem Jahre seit einigen Wochen begonnen. Ir Privat- und Staatk- waldungen wurden Tausende von Bäumen ge.

hauen, welche zum Versandt nach Stuttgart, Pforzheim und Karlsruhe kommen. Täglich steht man Wagenladungen mit der Eisenbahn und mit Fuhrwerk abgehen.

-j- Cal« 9. Dez. In dem berühmten Kurort Freudenstadt finden auf dem Rathaus sehr erregte Debatten statt. Dem Stadtvorstand, der in erster Linie zum Gedeihen der Stadt bei» getragen und Freudenstadt« Ruf als Kurort be­gründet hat, wird von einer gewissen Seite, die fich in kleinbürgerlichem Geiste gefällt, heftiger Widerstand entgegengesetzt. Der Gsmeinderat ist in Parteien gespalten, die sich heftig befehden, so daß bet den Beratungen Worte fallen, die man nicht für möglich halten sollte und die auf dis Urheber kein günstige« Licht werfen. In der Gemeinderatrfitzung am 3. Drz. kam e» zu stür- mischen Scsnen. Ein Gemeinderat bemängelte die Erhöhung de« Wartgelde« für den Oberamts­tierarzt als Stadttterarzt und änderte auch seine Anficht nicht, als ihm die Notwendigkeit der Er­höhung nachgewiesen wurde. Da rief ein anderer Kollege: Es giebt nicht lauter Privatiers, es giebt auch noch Leute, die etwas schaffen wollen. Der getroffene Kollege erwiderte: Es geht Dich einen Dr... an, was ich schaffe. Sofort scholl es zurück: So ist mir noch keiner gekommen, nach mir darf man fragen, so gut wie nach Dir, Dich kennt man. Die Antwort hierauf lautete: Mir hat auch noch keiner das WortPrivatier" derart entgegen geworfen. Dich kennt man auch schon lange. Als ein anderer Gemeinderat vermitteln will, wird dies mit den Worten zurückgewiesen: Sei nur Du zufrieden, von Dir will ich gar nicht« mehr wissen. Ein Gemeinderat sprach noch über Mißwirtschaft, verlotterte u. s. w. Diese Proben aus den Auseinander st tzungen illustrieren deutlich die schönen Gepflogenheiten einiger Stadt­väter von Freudenstadt.

§ Ostelsheim 7. Dez Endlich ist da» Urteil der K. Strafkammer in Tübingen in der Strafsache gegen unfern Schultheitzmamts- kandidaten Friedr. Gehring durch dar K. Ober- landesgericht bestätigt worden und es ist zu hoffen, daß wir nun der Lösung unserer Ortsvorsteherfrage wieder einen Schritt näher gerückt und daß das chronische Nebel, an dem unsere Gemeinde, dank der Bockbeintgkett eine» Einzelnen, schon seit mehr als einem Jahre leidet, nunmehr in absehbarer Zeit gehellt wird.

Aidlingen OA. Böblingen 5. Dez. In den Hopfen Handel ist neuerdings mehr Leben gekommen. Sowohl in der vorigen als in der laufenden Woche wurden größere Posten abgesetzt. Etwa die Hälfte hievon kauften je ein Bierbrauer au« Stuttgart und au» Gmünd. Die andere Hälfte hat der hies. Agent einer großen inländischen Handelsfirma erworben. Von diesen Käufern wurde immer nur dis grünfarbigsts Ware aus­gesucht und mit 2025 Mk. pr. Ztr. bezahlt. Vorrätig find hier noch ca. 200 Z.r. Die zur Ausrodung bestimmten Hopfenanlagen betragen 20 Prozent der Anbaufläche.

Stuttgart 8. Dez. (Schöffengericht.) Dar schwindelhafte Treiben gewisser Geldinstitute und ihrer Agenten entrollte eine Verhandlung vor dem Schöffengericht. Der hier wohnhafte von Kenty in Galizien gebürtige Kommissionär JohWaydan war wegen Betrug« in 50 Fällen angeklagt. Er ließ in einer Reihe von Zeitungen folgende« Inserat erscheinen: Zu vergeben Darlehen und Hypotheken an jedermann (auch Damen) in jeder Höhe mit und ohne Bürgschaft, ratenweise Rück­zahlung, gesetzliche Zinsen. Den durch diese« günstige Jnierat angelockten Geldsuchern spiegelte er vor, er stehe direkt mit Geldgebern, die flüssiger Geld haben, in Verbindung. Er verschwieg, daß er lediglich als Unteragent die Darlehensgesuche

Roman von Konrad Remling.

(Fortsetzung.)

Noch ehe Ada sich von ihrer Bestürzung frei machen konnte, hatte Kotschagin wieder Platz genommen und fuhr fort:

Aber lassen Sie mich weitersragen, Durchlaucht: Sie haben Ihrem Gatten Treue gelobt und sind gewillt, diesen Schwur zu halten unter jeder Bedingung, Ihr Leben hindurch?"

.Ja."

Ada sagte es furchtsam und trotzig zugleich.

Die würden zu ihm halten, auch wenn er eines Lage« bettel­arm vor Ihnen stände?'

Ada lächelte ein wenig überlegen:

Auch dann. Aber ich denke, das ist nicht zu befürchten. Der Fürst ist reich. . . "

Kotschagin zog die Augenbrauen in dis Höhe:

Haben Li« diese Tatsache von ihm selbst erfahren?"

Da» allerdings nicht Ich bin erst seit acht Tagen seine Frau und war bisher nicht so geschmacklos, eine solche Frage an ihn zu richten. Seine ganze Lebensführung läßt es jedoch vermuten; er ist kein Verschwender, aber er tritt seinem Stande gemäß auf; und man erzählte fich seinerzeit in Berlin, daß er ausgedehnte Besitzungen ln Rußland»e. . .

B.i ihren letzten Worten hatte sich Kotschagin leicht vorgebeugt und unterbrach fie nun mit einem sonderbaren Lächeln:

Durchlaucht ich muß Ihnen einen schönen Wahn rauben. . Was heißt das?"

Diese ausgedehnte» Besitzungen de« Fürsten liegen i« Monde."

Ada starrte den Sprecher verständnislos an:

Aber das ist . . Und sein Titel . .?"

Kommt ihm mit vollem Recht zu."

Ohne Land und Leute . .?'

Fürst Alexander Bentoff besitzt allerdings wenigsten« dem Ramm nach noch rin paar elende, verwahrloste Lehmhütten, in denen dreißig bis vierzig ebenso elende und verwahrloste Bauern Hausen.

Und sein Privatvermögen . . .?'

. . liegt in ihm selber: in feiner schlanken, aristokratischen Figur, in seinem klangvollen Namen und Titel, in seinem tadellosen Auftreten, seiner weltmännischen Sicherheit, vor der sich ihm jede» Hau« öffnet auch da« der Reichsten und Vornehmsten . . . und schließlich in seinem Scharfblick und seinen gesunden, stählernen Nerven, die hoffentlich noch nicht so bald versagen werden . ."

Ada versuchte sich gegen eine solche Möglichkeit zu wehren:

Nein, nein. Dar kann nicht sein! Sie wollen mich auf die Probe stellen. Ich will er nicht glauben. Woher sollte er trotzdem die Mittel nehmen? Wer gibt ihm auch nur einen Pfennig für alle« dar, was Sie soeben erwähnten!"

Sie haben Recht, gnädige Frau. Ich spreche auch nicht vomgeben" ich spreche vomnehmen" . . ."

Unbeirrt hatte Kotschagin da» Wort ausgesprochen und wartete nun die Wirkung ab. Im selben Augenblick hatte Ada begriffen. Empört sprang sie auf und entgegnet«:

Schweigen Tie! Ich kann und will nicht länger mit anhören» daß Sie den Fürsten beschimpfen. Ich weiß nicht, welche Gründe Sie haben, ihn zu verdächtigen und zu beleidigen, ihn einen Schwindler und Betrüger oder was Sie sonst noch damit sagen wollen zu nennen. Meine Geduld ist zu Ende. Ich bitte Sie, mich zu verlassen .