Knabe von Wurmlingen stahl am letzten Sams- tag in der Briehlmühle eine Taschenuhr und verlauste sie an einen hiesigen Uhrmacher. Zur Untersuchung des Sachverhalt« wurde der Dieb vom Landjäger hieher geführt. Nachdem der Bursche wieder auf freien Fuß gesetzt war, stattete er einem hiesigen Kaufmann einen Besuch ab, bei dem er sich außer einer Juppe, angeblich für seinen Vater, noch 2 geben ließ, ohne daß fein Vater hievon Kenntnis hatte. Die Juppe suchte er in der Pfandleihanstalt abzusetzen. Außerdem soll der Unverbesserliche noch weiterer Diebstähle überführt worden sein, wofür er seiner Strafe entgegensieht.
Fridingen OA. Tuttlingen 27. Nov. Da» Wasserfest anläßlich der Uebergabe der Donaukorrektton und des Brückenbaues ist nunmehr gefeiert worden. Früh morgens kündigten Böllerschüsse es an. Nachmittags 1 Uhr fitzte sich vom Rathaus ein Festzug mit Musik und Fahnen in Bewegung und zog unter Teilnahme von Oberbaurat Leibrand, Baurat Mährlen, Baumeister Löb, der Geistlichkeit und der bürgerlichen Kollegien zur neuen Brücke, wo die Schulkinder ein Lied vortrugen, woraus Oberbaurat Leibrand dem Stadtschultheißen H?ni das Werk und die Brücke mit dem Hinweis übwgab, daß alles zur besten Zufriedenheit ausgefallen sei. Herr! dankte, worauf Rrgierungsaffeffor Hoffmeister anstelle des verhinderten Oberawtmams Goitert die Brücke dem Verkehr übergab. An die Feier schloß sich ein Festmahl im Gasthaus zum Löwen. Die Schulkinder erhielten eine Wurst und zwei Wecken. Dar Mahl wurde durch zahlreiche Trink- spräche gewürzt.
Ulm 27. Noo. Die hiesige Ortsgruppe des deutsch-nationalen Handlungsgehilfen- verd and« hat im Hinblick auf die infolge der wirtschaftlichen Krisis immer mehr überhandnehmende Stellenlosigkeit an den Gemeinderat der Stadt Ulm ein Gesuch um Errichtung einer Schreibstube für stellenlose Kaufleute gerichtet. Die Schreibstube soll Stellenlosen die Möglichkeit geben, die ihnen vorübergehend von Firmen, Vereinen, Behörden usw. zugewiesenen Schreibarbeiten arz-rfertigen, um ihnen dadurch einen Verdienst zu schaffen und sie nicht der öffentlichen oder privaten Mildtätigkeit zu überantworten.
Ravensburg 27. Nov. Grstern abend hat hier der 15 Jahre alte Lehrling Georg R ei- facher bet Sattlermeister Frey den lljährigm Sohn seine» Meister» aus Fahrlässigkeit erschossen. Re.sacher und Frey spielten miteinander im Hofe, wobei Frey einen Löwen markierte. Reisacher zog ein Terzerol aus der Tasche und zielte, ohne zu wissen, daß dis Waffe geladen war auf Frey. Plötzlich krachte ein Schuß und die Kugel drang dem jungen Frey durch dis Augenhöhle ins Gehirn und hatte nach kurzer Zeit dessen Tod zur Folge.
Pforzheim 27. Noo. Von Muttorstadt bei Ludwtgshafen melden heute früh Mannheimer Blätter, daß dort der Pforzheims« Kindsmörder verhaftet worden sei. Es sei ein ITMrigsr Bursche namens Friedrich Roth, der Bluispuren an den Kleidern getragen Habs. Nach telephonischer Erkundigung von Pforzheim aus hat sich aber nachträglich heraurgestellt, daß die Älutspuren von einem Einbruch herrührten, den der Bursche in Mutterstadt beging, bei dem ertappt und blutig geschlagen wurde. Ebenso wurde von Hemsbach bei Weinheim gemeldet, daß dort ein verdächtiger Handwerkrbursche festgenommen worden sei. Doch hat sich auch bei diesem die Täterschaft noch nicht bestätigt.
Mannheim 26. Nov. In der Wettbetrugsaffäre ist vorgestern die vierte Verhaftung erfolgt. Diesmal ist es ein Zigarrenhändler, welcher der Teilnahme verdächtig ist. Der Verhaftete ist der Kaufmann G. Engert, i. Fa. Havanna-Haus. Vor einigen Tagen fand ein Lokalaugenschein statt. Siegmann und Geist wurden in Begleitung von Untersuchungsrichter und Staatsanwalt und mehreren Kriminalbeamten auf die Haup post verbracht, wo sie ihre verbrecherischen Manipulationen, wegen denen sie sich in Haft befinden, vormachen mußten. Engert war der Inhaber einrs außer- gewöhnlich lukrativen Wettbureau». An Renn-
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tagen ging es in dem Zigarrenladen wie in einem Bienenkorbs zu. Dis Wettenden wurden im Hinterzimmer abgesertigt. Engert nahm sowohl in- als ausländische Wetten an, und soll einen ganz enormen Umsatz gehabt haben.
München 27. Nov. Der Münchener Journalisten- und Schriftstellerverein nahm gestern Stellung gegen die Jnseraten- stsuer. In einer einstimmig angenommenen Erklärung wurde zum Ausdruck gebracht, daß diese neue Gesetzes Vorlage zu einer erheblichen Einschränkung der Aufwendungen für textliche Ausgestaltung der Blätter führen und weite Kreise in ihren Erwerbsverhältniffen empfindlich schädigen müßte. Der Verein erklärte dann, daß der Ge- setzentwurf die großen Lasten übersieht, welche den Zeitungen durch Ansprüche seitens des Staats, gesetzgebender Körperschaften, wirtschaftlicher Verbände, humanitärer Anstalten durch fortwährende kostenlose Beanspruchung schon auferlerlegt werden.
Berlin 27. Nov. (Reichstag.) Die Beratung der Finanzreform uns der Steuer- Vorlagen wird fortgesetzt. Abg. Müller- Meiningen würde es bedauern, wenn die Nachlaß- steuer ganz fallen würde. Leider sei hier in der Reform ein Fehler gemacht worden. Man hätte einfach die Nachlaßsteuer entsprechend reformieren sollen. Fast überall im Auslände seien die Erbanfälle an Der erdenken und Ehegatten besteuert worden, ohne daß die Finanzlage darunter gelitten habe. Der Schatzsekretär Sydow habe brennende, leidenschaftliche Vaterlandsliebe verlangt. Diese brennende, leidenschaftliche Vaterlandsliebe solle doch der Schatzsekretär von ganz anderen Leuten fordern, von unserem Hochadel. Der Grundgedanke der Besteuerung von Des« cendenten und Ehegatten müsse festgehalten werden. Redner geht dis einzelnen Steuer-Vorlagen und deren Aufnahme bei den Parteien im Reichstage durch. Mit der indirekten Steuerbelastung müßte Hand in Hand eine direkte Reichs-Einkommens- und Vermögenssteuer geschaffen werden. Diese ganzen Vorlagen tragen dazu bei, in Bayern den Partikularirmu« zu fördern. Der Verfasser der Begründung drr Jnseratensteuer habe von dem Wesen ver Presse offenbar keine Ahnung. Er, Redner, lehne es ab, der Regierung ein förmliche« Kontrollrecht über die Presse zu geben. An dis Worte de» Reichskanzlers von der Sparsamkeit können wir nur glauben, wenn er auf dem Gebiete des Militärwesen» Ersparnisse zusagt. Graf Schwerin-Löwltz hat sich gestern gegen unsere angebliche Erpressung« Politik gewandt. Nun, ich glaube, daß ein Volk, dem solche Opfer zugemutet werden, doch wohl auch ein Maß konstitutioneller Rechte verlangen kann. (Sehr wahr) Nur ein parlamentarisches System gibt auch dem verantwortlichen Leiter unserer Politik, auch unserer Finanzpolitik einen amreicheuden Rückhalt. Und wenn meine Freunde eine solche Parallel-Aktion durchführen, so werden sie damit dem Reiche, wie ich glaube den besten Dienst leisten. Abg. Schmidt-Altenburg (Rp) «endet sich mit dem Bemerken, in diesem Punkte von seiner Fraktion abzuweichen, gegen die Zigarren-Bande- rolensteuer. Abg. Mommsen (frs. Vg.) erklärt gegenüber den gestrigen Ausführungen de« Grafen Schwerin Löwitz, der die Drohung gegen die Freifinnigen ausgesprochen habe, w mn sie konstitutionelle Garantieen forderten, so wäre mit ihnen ein Zusammengehen unmöglich. Der Graf habe übersehen, daß nicht nur die hinter den Freisinnigen, sondern die hinter seiner Partei stehende Bevölkerung verlange, regiert zu werden von einer dem Reichstage verantwortlichen Regierung. Das habe sich in den letzten Wochen zur Genüge ge- zeigt. Da mögen die Konservativen jetzt zum Rückzugs blasen, so viel fie wollen, da« nütze ihnen nichts mehr. Die Stellung seiner Freunde zu den einzelnen Steuer-Vorlagen hänge natürlich ganz wesentlich vom Bedarf ab. Der Reichskanzler mahne Jedermann zur Sparsamkeit. Nun, mit der Lage der Reich«finanzen habe das nicht» zu tun. Im Gegenteil, denn wenn die Wohlhabenden sparen, habe das Reich davon nur Schaden. Auch die Kommunen hat der Kanzler zur Sparsamkeit ermahnt, aber Niemand wird behaupten wollen, daß unsere deutschen Städte in den letzten Jahrzehnten unwirtschaftlich gewesen seien. Absolut
unannehmbar find uns Elektrtzitäts- und Jnsoraten- steuer. Die Elektrizitätssteuer soll eine «Gewinnbeteiligung des Reiches" an den hohen Gewinnen der Elektrizitäts-Industrie ein. Das Branntwein- Monopol ist eine Verewigung der Fürsorge-Politik für die Landwirtschaft. Dafür find wir absolut nicht zu haben. Wir stehen auf bem Standpunkt: Nachlaßsteuer und Vermögenssteuer, das ist das Richtige. Verhelfen Sie uns zur Abkehr von dem bisherigen Wirtschafts-System, dann erst kommt eine neue Äera (Beifall links.) Abg. Schweick- Hardt (südd. Vp). Das Branntwein-Monopol ist ein zu scharfer Eingriff in da« freie Erwerbsleben. Die Gas- und Elekrizitätssteuer würden grade Süddeutschland schwer belasten. Direktor im Reichsschatzamt. Kühn, wendet sich gegen die Auffassung, als sei die Spiritus-Zentrale bot Ausarbeitung des Monopol Entwurfes mitwirkend gewesen. Abg. Vogt-Crailsheim (w. Vg.) ist damit einverstanden, daß dis großen Vermögen durch eine direkte Steuer herangezozen werden. In der Weinsteusr'Frage sei die würitembsrgischs Regierung leider umgefallen. Seine Freunde lehnten fie aber ab. Beim Branntwein sei dis Fabrikatsteuer dem Monopol vorzuziehen, zumal vom süddeutschen Standpunkte aus. Nach weiterer unwesentlicher Debatte vertagt dar Haus die Weiterberatung auf morgen 11 Uhr.
Noch eine Neuerung. Der Kaiser hat eine neue Maßnahme getroffen, die man wohl mit den politischen Ereignissen der letzten Zeit in ursächlichen Zusammenhang bringen kann. Der Hosbericht wird künftighin kürzer und knapper gehalten werden als bisher. Er soll nur über diejenigen Handlungen der Monarchen berichten, die einen Teil seiner Herrschertätigkeit bilden oder aus anderen Gründen für die Allgemeinheit von berechtigtem Interesse erscheinen. Sonstige private Beschäftigungen de« Kaisers wird der Hofbericht als Regel nicht erwähnen. Auch die Mitteilungen über dar Tagewerk der übrigen Mitglieder der königlichen Familie (Reisen der Prinzensöhne usw.) sollen eingeschränkt werden. Da« Wichtigste aber ist, daß der offizielle Hofbericht in Zukunft nicht mehr der Oeffentlichkeit übergeben werden wird» bevor er nicht an amtlicher und verantwortlicher Stelle zur Prüfung und Durchsicht vorgelegt worden ist.
Sur pensionsversicherung der privalangesteltten.
Am 21. und 22, November tagte im Reich«, tagsgebäude in Berlin unter Leitung seiner verdienstvollen Vorsitzenden vom Orde der Hauptausschuß für staatliche Penstonrverstcherung der Privatangestellten, um zu der am 11. Juli er. erschienenen 2. Denkschrift der Reichsregierung, welche die Grundlagen und Berechnungen für eine Pensions-Hinterbliebenen-Versicherung gibt, Stellung zu nehmen. Von der Württ. Arbeitszentrale für staatl. Pens. Vers, nahm deren Vorsitzender R. Becker-Stuttgart an den Beratungen teil, denen auch eine Anzahl Reichstagrabgeordnete beiwohnten. Die eingehenden Besprechungen der Denkschrift ergaben volle Anerkennung de» Bestrebens der Regierung, die Pensions-Versicherung bald einzuführen, sowie der beabsichtigten Leistungen. Der in Aussicht genommenen Form der Versicherung — eine Reichranstalt für ganz Deutsch- land — wurde zugestimmt und ebenso die Festsetzung des Beitrittsalters von 16-60 Jahren. Eine rege Debatte ergab die Frage, ob e» sich vom sozialen Standpunkte rechtfertige, auch solche Angestellte in die Versicherung einzuheziehen, deren Gehalt mehr als 5000 Mk. betrage, da diese Personen doch in der Lage seien, für die Zukunft selbst zu sorgen. Mit Rücksicht auf den Wunsch der Regierung aus verstcherungr- technischen G. Linden sämtliche Angestellte der Versicherung zu unterwerfen, wurde ein An- trag auf Festsetzung der Verficherungsgrenze bet 5000 Mk. Gehalt abgelehnt. Dem von der Regierung dargelegten Jnvaliditätsbegriff, nach welchem die Invalidenrente gewährt werden soll, sobald der Versicherte nicht mehr in der Lage ist, die Hälfte von dem zu verdienen, was gleichartige Angestellte erhalten, wurde zugestimmt, dagegen wurde dem Wunsche mehrerer, Vorzugs-