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erwartete Anerkennung durch die östreichischs Regierung erfolgt sei. Aus diesem Grund werde der Fürst auch seine Rückkehr nach Sofia verschieben.
Berlin 7. Okt. Nach Privatmeldungen au« Petersburg ist dem dortigen Ministerium de« Autwärtigen die Unabhängigkeitrerklärung nicht unerwartet gekommen. In Ministerium nimmt man an, daß die Unabhängigkeitrerklärung durch den Einfluß Oestreich« herbeigeführt wurde. Rußland werde für den Fall einer Krieg«» erklärung zwischen der Türkei und Bulgarien volle Neutralität beobachten, so daß alle Gerüchte übe: irgendwelche Unterstützungen Rußland« un» wahr seien. Auch die Annexion Bornienr und der Herzegowina komme dem Ministerium nicht unerwartet, allein er herrsche in Rußland sehr große Unzufriedenheit über diesen Schritt Oestreich«, mit dem man sich schwer aus» söhnen werde. Der Brief, den Kaiser Franz Josef an Fälliger richtete, ist auch an alle Monarchen gerichtet worden, die den Berliner Vertrag unterschrieben. Er verlautet, daß das russische Ministerium des Auswärtigen an alle Mächte eine Rundrote über die Einverleibung Bosniens und der Herzegowina verschicken werde. De: Inhalt dieser Note wird vorläufig geheim gehalten.
Berlin 7. Okt. Der bulgarische Vertreter in Berlin erklärte, gemäß dem Auftrags meiner Regierung Habs ich gestern Mittag dem deutschen auswärtigen Amt die Un» abhär.gigkeit? erklärung zur Kenntnis gebracht. Sie wurde entgegen genommen, ohne daß eine Wsußerung gefallen wäre» au» welcher sich Schlüffe auf die künftige Haltung Deutschlands ziehen lassen.
Belgrad 7 Okt. Nach dem Lokal-Anzsiger ist anzunehmen, daß Kaiser Wilhelm über dir Annexion von Bosnien durch Oesterreich. Ungarn bereits während der Katsermaröver in Elsaß- Lothringen durch den Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand unterrichtet worden ist. Die deutsche Regierung dürste daher früher als Frankreich über die Abfichten Kaiser Franz Josefs Kenntnis erhalten haben.
Paris 7. Okt. Der „Matin" meldet aus Konstantinopel: Der griechische Gesandte erklärte dem Großvefir, daß Griechenland bereit sei, die Türkei im Kriegsfalls mit seiner Armes ohne irgendwelche Kompensationen zu unterstützen.
Budapest 7. Okt. Aus Sarajewo wird gemeldet: Die Proklamation des Kaisers Franz Joseph an das bosnische und herzegowinische Volk wird im ganzen Lande durch Maueranschläge ver öffentlicht, und durch Ausrufe verlesen. Ueber - all herrscht große Freude und werden Huldigungen und andere Festlichkeiten geplant. An zahlreichen Orten wird das Gerücht verbreitet, daß Erzherzog Leopold Salvator zum Vizskönig von Bosnien ernannt werden wird. (Erzherzog Leopold Salvator war jahrelang Kommandant in Agram und ist sehr beliebt.) Es verlautet, der Thronfolger Franz Ferdinand werde sofort nach Beendigung der Gesetzervorlage über die Annexion die Reise nach Bosnien antreten.
Paris 7. Okt. Nachrichten aus Kreta berichten, daß heute auf der ganzen Insel die Einverleibung in Griechenland prokla- miert worden ist. In allen Gemeinden wurde die administrative Verwaltung unter griechische Oberhoheit gestellt. Unter der Bevölkerung herrscht großer Jubel und es finden große Demonstrationen statt. Aus der Provinz treffen truppweise die Kretemer ein, um an den Kundgebungen in Canea teilzunehmen.
London 7. Okt. Dar Reutersche Bureau meldet aurKanea, ein Staatsstreich werde dort heute erwartet, wodurch die Vereinigung Kretas mit Griechenland ausgesprochen werde.
Petersburg 7. Okt. Morgen Donnerstag wird Rußland an dieBerliner Signatar- Mächte die offizielle Einladung zur Teilnahme an einem neuen in Petersburg abzuhaltenden Balkan-Kongreß ergehen lassen. England und Frankreich haben vertraulich im Voraus zuge
stimmt. Rußland wird sich bi« nach Beendigung der Kongreffes weigern, die von Bulgarien vollzogene Verletzung de« Berliner Vertrage« anzuerkennen.
Konstantinopel 7. Okt. Nach einer Blättsrmeldung sollen die diplomatischen Beziehungen mit Bulgarien abgebrochen sein. Wie es heißt» habe der gestrige Ministerrat die sofortige Abberufung de« türkischen Kommissär» in Sofia beschlossen. Während sonst dis allgemeine Stimmung der verantwortlichen Personen als friedliebend gekennzeichnet wird, soll der Groß Bester kriegslustig sein. Er soll erklärt haben, daß der Konflikt sich nur mit den Waffen lösen lasse. Die Regierung habe die definitive Entscheidung bis zum Eintreffen weiterer Nachrichten vertagt, doch habe der Großwester durch den Kriegsminister die notwendigen Weisungen für die Grenztruppen ergehen lassen. Viele Offiziers drängen zum Kriege, doch ist von allgemeiner Kriegrbegeisterung noch nicht die Rede. Der Sultan hat gestern Fuad Pascha zu sich berufen. Fuad leistete der Aufforderung Folge und dürfte dem Sultan zum Kriege geraten haben.
Sofia 7. Okt. J-tzt liegt hier dis erste Aeußerung eines auswärtigen Staates auf die Unabhängigkeits-Erklärung vor. Der serbische Minister de« Aeußern erklärte dem bulgarischen Vertreter in Belgrad, Serbien habe die Mitteilung darüber nicht ungünstig ausgenommen. In der Frage der Anerkennung werde sich die serbische Regierung an dis Entscheidung der Großmächte, vornehmlich Rußland halten.
Berlin 7. Okt. Während Deutschlands Stellungnahme zur bulgarischen Unab- hängigkeitsfragö sich durch eine der allgemeinen Lage entsprechende Zurückhaltung kennzeichnet. wird seine Haltung zu der Annexion Bosnien und der Herzegowina durch Oesterreich.Ungarn, wie nicht anders zu erwarten, von den bunderfreundlichen Gefühlen, die es für dis verbündete Donau-Monarchie hegt, diktiert. In leitenden deutschen Kreisen ist man entschlossen, fest zu Oesterreich-Ungarn in Sachen der Einverleibung dieser beiden Provinzen zu stehen und seine Bestrebungen mit allen Klüften zu unterstützen.
Vermischtes.
Aus Afrika. Im Hinterland von Kamerun, in Bali und Bamum, find zwei intelligente Häuptlinge, welche bi« jetzt den von Norden her vordringenden Muhammedanern Widerstand geleistet, die Basler Missionare freundlich aus- genommen und sie mit ihrer Autorität unterstützt haben bei der Errichtung von Schulen. Es ist dort noch niemand getauft, und die Missionare mußten eine neue Sprache lernen um unter diesem Volk zu wirken. Als der König von Bali vor drei Jahren seinen jungen Leuten befahl die Schule zu besuchen, wurden sie auf eine harte Probe gestellt, da gleichzeitig Europäer von der Küste kamen um Arbeiter für dis Kakaopflanzungen anzuwerben, so daß sie ein schönes Stück Geld hätten verdienen können. Für die meisten Schüler war das Anerbieten zu verlockend und die Schule leerte sich. Aber an dem Tage, da die Leute nach der Küste abreisen wollten, ging der König in eigener Person hinaus vor die Stadt und verbarg sich im Gras. Als die Reiselustigen mit großem Geschrei herbeikamen, trat er aus seinem Versteck hervor und den Wanderern in den Weg. Sobald sie den König sahen, sanken sie alle nach Baltsttte auf die Knies, klatschten in die Hände und riefen: „Du übertriffst sie alle!" Der König schritt durch die Schar, ergriff einen um den andern und befahl: „Du gehst in die Schule!" Der Befehl traf ungefähr 50 der jungen Leute. Mit diesen zog der König zurück in die Stadt, stellte sie im königlichen Gehöfte auf, gab jedem ein Stück Zeug, machte ihm mit weißer Erde einen Strich auf die Brust und schärfte ihm ein: „Wenn Du nun trotz dem Verbot wieder weg- gehst, mußt Du sterben." Die guten Früchte des Schulunterricht« zeigen sich bei einzelnen Knaben schon darin, daß sie zur Verwunderung der Eltern nicht mehr stehlen und betrügen wollen wie früher.
Ein schon älterer Jüngling, der die Schule besucht hat, geht freiwillig hinaus auf entferntere Orte um dort Schule und Gottesdienst zu halten, so gut er es selbst versteht. — Der König von Bamum hat ein eigenes Alphabet für seine Sprache erfunden. Es wird freilich keinen praktischen Wert haben, aber es ist gewiß anzu- erkennen, wenn ein afrikanischer Häuptling stch mit solchen Dingen beschäftigt. — Auf der en^ lischen GoIdküste durfte dies Jahr de: 68jährige Missionar Ramseyer eins Kirche einweihen in Kumase, an dem Ort, wo er 1869—73 mit seiner inzwischen verstoi denen Frau in der Gefangenschaft des Asantekönigs die Grausamkeiten diese» schwarzen Despoten mitansehen und von allem Verkehr mit Europa abgeschnitten jederzeit gewärtig sein mußte, ein Opfer der Launen des Königs und seiner Ratgeber zu werden, bi« ein englische« Heer herannahte. und die Gefangenen sreigsgeben wurden. Jetzt zählt die Basler Missionsstation Kumase 365 Gsmsindeglieder und 252 Schüler, und dis Stadt ist durch eins Eisenbahn mit der Küste verbunden.
Tiere im Besitz von Kindern. Die erste Bitte einer Kinder, wenn es sich mit seinem Kreisel, seiner Puppe oder anderen leblosen Spielsachen langweilt, ist die: „Darf ich einen kleinen Hund haben?" — oder: „Bitte, darf ich mir Kaninchen halten?" Anders Bitten betreffen da» Halten einer Katze oder eines Vogel« im Bauer usw Oftmals wird den Kindern ihr Lieblings- wünsch erfüllt. Mögen aber die Eltern danach sehen, daß ihr Kind lebendige» Spielzeug nicht so behandelt, wie cs mit seinen Kreiseln oder Puppen umgeht. Wenn in dieser frühen Zeit die kostbaren Lehren der Güte, Geduld und de« Mitleids in da« junge Herz geflößt werden, so ist dar ein Segen für die ganze spätere Lebenszeit. Aus solchem Kinde wird dann ein guter, edler» gefühlvoller Mensch. Das Gegenteil ist der Fall, wenn dis Eltern sich nicht darum kümmern, wie ihre Kinder die Tiere behandeln. Darm verhärtet das jugendliche Gemüt, und lebenslang wird sich die Gemütskälte und Mitleidslosigkeit nie verleugnen, nicht nur Tieren sondern auch Mitmenschen gegenüber. Man denke an da« Beispiel der Quelle. Eine Quelle gibt nur einerlei Wasser. Man schöpft nicht bitter und süß aus demselben Quell. (Tierschutz-Korresp.)
Man muß sich zu Helsen wissen. Auf der Münchener Trambahn entführte der Wind einem Fahrgast den Hut, und der Schaffner war nicht zu bewegen, den Wagen halten zu lassen. Da riß der Barhäuptige kur, entschlossen dem Schaffner die Mütze herunter und ließ sie seinem Hute nach fliegen. Im Nu hielt die Trambahn und der Schaffner und der Fahrgast holten ihre Kopfbedeckungen. Der Fahrgast freilich verzichtete dann auf die Weitersahrt und der Schaffner konnte nur noch wilde Augen machen.
Herbstnachrichten.
Lauffen a. N. 6. Okt. (Weinvrsise.) Käufe zu 140,142, 145,146,150 und 158 ^ für 3 Hektoliter. Beschaffenheit gut. Nachfragen stark.
Rothenberg OA. Cannstatt 6. Okt. Der erste Kauf von neuem Wein wurde hier abgeschloffen. Schreiner Kurrle verkaufte seinen heurigen Herbfiertrag an den bissigen Kronenwirt zu 180 für 3 Hl.
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Zunächst noch Fortdauer des bestehenden Witterungs- Charakters.
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