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mehr Erfahrung vor denen voran«, dis nicht im parlamentarischen Leben stehen. Ob die so leidenschaftlichen und übertriebenen Angriffe berechtigt waren, sei ihm zweifelhaft erschienen. War die Reichrfinanzreform anbetrifft, so können wir uns grundsätzlich der Mitwirkung nicht entziehen.. Wir müssen Mitwirken bei einer gerechten Verteilung der Lasten. Eine Bedingung zur Mitarbeit ist die Geneigtheit der Regierung zur Amortisation der Schulden. Ersparnisse müssen überall gemacht werden auch bei der Heeres- und Marineverwaltung, ohne die Wehrhaftigkeit und Schlagfertigkett zu beeinträchtigen. Wir find im Block, weil wir annehmen, daß den Anschauungen und Forderungen des Liberalismus Rechnung getragen wird. Es ist ehrlich anzusrkennen, daß das auch bereits geschehen sei, wenn auch jetzt die Sachlage eine andere geworden ist Hat der preußische Minister- Präsident nicht soviel Gewalt, daß er die Mal- traitierung der Beamten wegen ihrer politischen Gesinnung verhindern kann, so muß er damit rechnen, daß wir ihn danach beurteilen. Wir beabsichtigen keinerlei sensationelle Kundgebungen und werden uns au« dem Block zurückziehen, wenn unser weiterer Verbleiben nicht mehr nützen, sondern schaden würde. Persönlich hält uns nichts und einen Kontrakt haben wir auch nicht. Die Fraktionrgemeinschaft hat geleistet, was man vernünftigermaßen verlangen kann. Sie ist nicht wie der Block eine vorübergehende Erscheinung, sondern hat dauernden Wert. Sollte dis bisherige Konst« llation schon vorüber sein, so ist dis Fraktionsgemeinschaft erst recht rotwendig. Möchte der Geist der Versöhnlichkeit und zielbewußten Streben« den inneren Frieden rein erhalten und über den Verhandlungen der Fraktionrgemeinschaft schweben. Muser- Offenburg bedauerte die Angriffe gegen Payer und zollte seiner ehrlichen politischen Arbeit Anerkennung. Seine Rede vom 4. April seine eine vorzügliche Leistung gewesen, aber mehr eine nationalliberale als demokratische Rede gewesen. Die rechtsstehenden Parteien hätten ihn zum Festredner erkoren. Redner verurteilte scharf Paycr's Haltung zum Vereinsgesetz. Trotz aller sachlichen Verschiedenheiten wollen wir beieinander bleiben, die guten Beziehungen zur nationalltbsralen Partei weiter pflegen aber auch auf eine Anlehnung an die Sozialdemokratie hinarbsiten. Quidde und Venedey wandten sich ebenfalls gegen Payer's Haltung, Hauß- mann verteidigte sie. Nach längerer Diskussion wurden folgende Resolutionen angenommen: 1. „Der Parteitag bedauert, daß der verantwortliche Staatsmann des Reichs, entgegen den von ihm erweckten Erwartungen nicht einmal die politische Gleichberechtigung liberaler Anschauungen zur Geltung zu bringen vermochte; daß er nicht imstande war, dis politische Verfolgung freisinniger Beamten durch die Verwaltung de» Bundesstaates, dkffen Ministerpräsident er ist, htnanzuhalten, und daß er eine dem deutschen Rechtsbewußtsein entsprechende Reform des preußischen Wahlrechts, ja sogar den Schutz der preußischen Wähler durch Einführung des Wahlgeheim, niffer abgelehnt hat. Der Parteitag ist einmütig der Ueberzeugung, daß die Fortsetzung einer derartigen antiliberalen Regierungrpolitik im Reich und in dem führenden Bundesstaat die Voraus- setzungen der Mitwirkung der deutschen Volkspartei naturgemäß beseitigen muß." 2. Der Parteitag verkennt nicht, daß die gründliche Reform unseres durch langjährige Mißwirtschaft vollständig ver- wirrten Reichsfinanzwesen« nicht länger verschoben werden kann, und daß zu deren Durchführurg, eingrschloffen die allmähliche Abtragung unserer übermäßig angewachsenen Reichrschulden, wettere Steucrmittel in beirächlichem Umfang erforderlich sind, Die deutsche Volks Partei weiß sich frei von Verantwortung für die Mißwirtschaft, vor der sie rechtzeitig gewarnt hat. Sie kann es auch nicht als ihre Aufgabe betrachten poli- tischer oder wirtschaftlicher Reaktion die Mittel zur Herrschaft zu liefern. Dennoch hält es der Parteitag für richtig, wenn die Reichstagsabg. der Partei sich zu ernster Mitarbeit bei der Reform bereit erklären." Nach einer Kritik der Regierungs- Vorschläge heißt es zum Schluß, „ohne eine gründliche Umarbeitung der Reform pläne in diesen Richtungen könnte der Parteitag deren Durchführung von vornherein nur für wirtschaftlich und politisch gefährlich erachten."
Zuffenhausen 3. Okt. Die Marktfrauen sind hier in den Ausstand getreten, da schon den ganzen Sommer über das Interesse der Hausfrauen an der Abhaltung de« Wochenmarktes viel zu wünschen übrig gelassen hatte. Voraus- sichtlich werden die Wochenmärkte nun wieder aufhören.
Heilbronn 3. Okt. Die Zeppelinsammlung ist nun auch hier abgeschlossen. Sie ist einschließlich der bei der Neckarzeitung un- mittelbar eingegangenen Gaben von zusammen 2604 ^ 55 rZ, durch einen Beitrag der Stadt von 979 20 H auf die Summe von 20000
gebracht und an die Allgemeine Rentenanstalt- Stuttgart zur freien Ver fügun g der Grafen Zeppelin abgesandt worden.
Göppingen 3. Okt. In derNachtvom 27. zum 28. Sept. wurde lt. „Göpp. Ztg." im Sichert ein Sittlichkeitsverbrechen an einem sieben Jahre alten Mädchen verübt. Das Kind wurde abends von der Kunstreitervorstellurg auf dem Schillerplatz durch den Täter in den Wald gelockt und dort mißbraucht. Am anderen Morgen fanden es von Heiningen nach Göppingen zur Arbeit gehende Männer im Walde umher- irrend. Bis jitzt ist es noch nicht gelungen, des Täters habhaft zu werden.
Oberurbach 1. Okt. Vorgestern schlich sich in die hiesige Kinderschule abends ein Mann ein und verbarg sich unter dem Bett der Kinderschwester. Vor 12 Uhr erwachte diese an einem Geräusch. Al« sie Licht gemacht hatte, sah sie am Bett einen Mann knieen und, als er sich entdeckt wußte, sich aufrichten. Als er ihre Angst sah, beruhigte er sie, sie habe nichts zu befürchten; sie habe ja schön gebetet, er wäre auch gegangen, wenn die Zimmertür nicht verschlossen gewesen märe. Nachdem sie geöffnet hatte, ging er die Treppe hinab in den Souterrain, wo er seine Stiefel gelassen hatte, und durch ein Fenster kam er ins Freie. Mitgenommen hat er nichts. In derselben Nacht, etwa 1?/r Uhr, wurde in der Kinderschule in PlüderHausen eingebrochen, wo dem Dieb etwas Geld in dis Hände gefallen ist. Ob er sich hier um denselben Dieb handelt, der in diesem Jahr schon viele Kinder schulen heim- gesucht hat?
Tübingen 4. Okt. In der namentlich in Studenterkreisen bekannten Wirtschaft zum „Hader" ist Wirt Carl Schmitt gestern nachmittag tödlich verunglückt. Er und der Bierführer verloren die Gewalt über ein Weinfaß, das in den Keller geschafft werden sollte. Das Faß rollte über den Wirt hinweg und zertrüm. werte ihm die Hirnschale mit solcher Wucht, daß der Tod rach kurzer Zeit eintrat.
Lützenhardt OA. Horb 4. Okt. Forstwart Nhsal hat in Kkschbaumrwasen einenSeeadler mit 190 om Flügelspannweite erlegt.
Dornstetten 4.Okt. Die Kartoffelernte ist beendet und befriedigt an Menge ebenso wie an Güte.. Der Zentner gilt 2.80 —
Gestern hat ein Händler die ersten Zwetschgen, deren er Heuer sehr viele gibt, aufgekauft und mit 3 ^ den Zentner bezchlt. — Beim Lang. Holz ver kauf der städtischen Waldungen wurden 112 Proz. des Revierpreise« erlöst.
Bad Mergentheim 3. Okt. Der Schweinemarkt hatte eine sehr große Zufuhr, aber auch die Preise waren wieder hoch. Es waren zugeführt 663 Mtlchschweine und 6 Läufer. Die ganze Zufuhr wurde flott abgesetzt und für das Paar Mtlchschweine 28—50 ^ und für da» Paar Läufer 76—90 ^ bezahlt. Nächster Schweinemarkt am 15. Oktober.
Onolzheim OA. Crailsheim 3. Okt. Die Rechnung ohne den Wirt gemacht, hat ein hier Übernachtender Herr. Er machte als angeblicher Vertreter der Firma Strauß L EHmert in Crailsheim photographische Aufnahmen von Geschäftshäusern zwecks Herstellung von Bildern und Ansichtskarten, wobei er die Hälfte des Betrags als Anzahlung verlangte, was jedoch die vermeint- lichen Abnehmer stutzig machte. Eine telephonische Anfrage bei der Firma ergab, daß man es mit einem Schwindler zu tun hatte. Der saubere Patron wollte dar Weite suchen, wurde aber vom Polizeidierer urd zwei Personen gefangen und
in Sicherheit gebracht, bis ihn der Landjäger abholte. Es stellte sich heraus, daß in seinem Apparat gar keine Platten waren zur Photograph, ischen Aufnahme, weshalb die Aufnahmen auch so schnell vor sich gingen.
Tuttlingen 3. Sept. DieErhöhung de» Lohntarife« ist von den Schuhfabrikanten bei den Verhandlungen auf dem Rathaus glatt abgelehnt worden. In einigen Beschwerdepunkten sagten die Fabrikanten Abhilfe zu. Es ist den Bemühungen de« Stadtschultheißen Scherer nicht gelungen, eine Einigung zu erzielen, wobei zu beachten ist, daß die Kündigung«, seist heute abend abläuft.
Friedrichrhafen 3. Okt. Hier zechten am Mittwoch in einer Wirtschaft drei Italiener von denen einer im Besitz einer Barschaft von 272 ^ war, mit der er in seine Heimat zurückkehren wollte. Seine beiden Landsleute stahlen ihm jedoch die Summe und machten sich, nachdem sie das Geld geteilt hatten, au« dem Staube. Der eine der Täter konnte jedoch noch hier dingfest gemacht werden, während der anders mit dem Zuge nach Ravensburg zu entkommen suchte, auf der Fahrt dahin aber bei Hasenweiler aus dem Zuge sprang, wobei er kräftig in den Graben kollerte und sich eine Achsel ausrenkte. Jetzt fitzt er hinter Schloß und Riegel.
München 3. Okt. Die Versuche mit dem neuen Sprengstoff des Ingenieurs Gehre in München find jetzt in Gegenwart von Vertretern des Krieg-Ministeriums, der kaiserlichen Marine, von Vertretern der preußischen Verkehrs« truppen, der schweizerischen, italienischen und ruf« fischen Regierung durch eine Generalprobe zum Abschluß gelangt. Man hatte zu diesem Zweck ein kleines Haus errichtet, das auf einer Betonfläche stand, und mit einem Palisadenzaun umgeben war. In die Jnnenräume des selb« legte man eine 10,5 Zentimeter starke Stahl- granate mit IV» Kilogramm neuem Sprengstoff. Bei der Zündung wurde das Haus in einen vollständigen Trümmerhaufen ver- wandelt. Der neue Sprengstoff ist dreimal billiger als alle bisherigen.
New-Dork 3. Okt. Große« Aufsehen macht eine Rede, die Roosevelt« Schwiegersohn, dar Mitglied des Repräsentantenhauses, Nikolas Longworth, vor einer grcßen Volksmenge anläßlich einer öffentlichen Festlichkeit in Rock Irland (Illinois) gehalten hat. Er sagte, Taft solle die nächsten 8 Jahre hindurch Präsident bleiben und dann solle da« Volk Roosevelt wieder- wählen. Man nimmt allgemein an, daß Lang- worth diese Aeußerung nicht ohne die Zustimmung seiner Schwiegervater« getan haben kann und allgemein knüpfen sich an die Rede die lebhaftesten Kommentare im Lager beider Parteien.
Washington 2. Okt. Präsident Roosevelt hat den Vorsitzenden der Landerverficherungronstalt Berlin, Dr. Richard Freund, zum Vortrag über die deutsche Arbeiterversicherung empfangen.
voraussichtliche Witterung:
Fortdauer des bestehenden Witterungs-Charakters.
Bieklameteil.
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