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eines Chorals, worauf Stadtpfarrer Vogt eine warm empfundene Ansprache hielt. Im Namen und Auftrag der Stadt legte sodann der Vorstand de» Veteranenvereins einen Lorbeerkranz am Grab nieder. Auch die militärischen Vereine widmeten durch Major von Mauch ihrem tapferen Kameraden einen Lorbeerkranz. Mit einem Lied schloß die patriotische Feier.
Stuttgart 1. Sept. Zu der Ent- führungrgeschichts, die am Sonntag in der Verhaftung der Frau Professor Fertig und ihre» Helfers-Helfer einen raschen Abschluß fand, wird un« noch mitgeteilt: Wer der Frau den Rat zu dem schon lange vorbereiteten Gewalt- streich gegeben hat, ist auf« schärfste zu verurteilen. Zudem war die ganze Räubergefchichte ein fast sinnlose» Wagni«, das nur dadurch überhaupt begreiflich wird, daß der Plan dahin ging, den Knaben in rasender Fahrt über die Grenze zu seiner Großmutter zu bringen. Die Handlung«, weise der Mutter aber ist für den Kenner der traurigen Vorgeschichte dieser Entführung psycho- logisch sehr gut verständlich. Mußte er der be- dauernrwerten Frau doch ein unbegreiflicher Ge- danke sein, ihr Kind in den Händen eines Mannes zu wissen, der wegen kö perlicher Mißhandlungen seiner Gattin schon zweimal mit empfindlichen Geldstrafen gerichtlich belangt werden mußte.
Stuttgart 1. Sept. Ueber dis Kindr- entführung erfährt man weiter, daß der zur Zeit in Buchen im Odenwald weilende Professor Fertig am Sonntag von mehreren bewaffneten Männern in Begleitung seiner geschiedenen Frau überfallen, niedergeworfen und seines, ihm bei der Scheidung zugesprochenen, achtjährigen Sohnes beraubt wurde. Die Räuber jagten mit dem schreienden Kinde im Automobil davon, bis fie am Sonntag in Stuttgart festgehalten wurden. Der eine Attentäter der den Professor tätlich mißhandelte, wurde hier zunächst verhaftet. Als ein Bürger von Buchen sich der Abfahrt des Automobils entgegenwarf, wurde ihm der Revolver auf die Brust gesetzt. Die drei Männer, die den Kindsraub aursührlen, sollen einem Mannheimer Detektivbureau angehören.
Stuttgart 1. Sept. Der Polizeibericht schreibt: Gestern nachmittag kurz nach 3 Uhr fiel ein in Zuffenhausen wohnhafter, 39 Jahre alter Anstreicher vom Balkon des 4. Stockwerks einer Hauses der Schwabstraße auf die Straße herunter und trug so schwere Verletzungen davon, daß er kurz nach Ueberführung ins Katharinenhospital gestorben ist.
Stuttgart 1. Sept. (Strafkammer.) Der schon öfters vorbestrafte Heizer Karl Häbich wurde wegen einer in Botnang verübten Zechprellerei in Höhe von 20 -g als rückfälliger Betrüger zu der gesetzlichen Mindeststrafe von drei Monaten Gefängnis verurteilt. — Die gleiche
Strafe erhielt der Schreiner Johann Heilig von Nattheim ebenfalls wegen Zechbärugs. — Der schon vielfach vorbestrafte Taglöhner Friedrich Gaiffert von Möttlingen wurde wegen Wider stand« gegen die Staatsgewalt und Beamtenbeleidigung zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte einem Schutzmann Widerstand geleistet und den ihn vernehmenden Amtsrichter beschimpft.
Kayh OA. Herrenberg 1. Sept. In einem hiesigen Hause hat gestern nachmittag während kurzer Abwesenheit der Bewohner ein fremder Handwsrkrbursche zwei Taschenuhren nebst Ketten gestohlen. Der Täter ist verhaftet.
Brackenheim 1. Sept. Graf Zeppelin wird am 14. September an der goldenen Hochzeit der Pfarrers Moser in Meimsheim, seines früheren Lehrers, tsilnehmen.
Heilbronn 1. Sept. (Strafkammer.) Die GoldarbeiterrehefrauMagdalene Jeuter von Enzberg ist vom Schöffengericht Maulbronn wegen zweier Vergehen der Körperverletzung zu vier Wochen Gefängnis und zur Kostentragung verurteilt worden. Sie soll wiederholt ihre beiden Stiefsöhne (geboren 1896 und 1901) unter Ueberschreitung des Züchtigungsrechts körperlich mißhandelt haben, indem fie den einen der Knaben je mit dem Stock, Holzscheit, Kchrwisch u. a. auf den Kopf, Rücken u. s. w. schlug, auch mit einem Stiefel an den Fuß; dem andern ging es nicht viel besser. Ec erhielt 11 Zentimeter lange und 4 5 Zentimeter breite Blutmals und Krätze auf dem Rücken. Die Angeklagte hat da» schöffen- gerichtliche Urteil angcfochten. Die Strafkammer hob dar schöffengerichtliche Urteil auf und er- mäßigte die Strafe auf zwei Wochen Gefängnis.
Marbach 1. Sept. Einen gelungenen Streich führte lout „Postillon" in den letzten Wochen ein Schwindler im Bottwartal aus. Hier entlehnte er sich eine Bahnwärterdisnstmütze und eine Meßstange; er gab an, er müsse die Bahn von Marbach bis Heilbronn vermessen, da dis letztere normalspurig umgebaut werde. Mit Hilfe der Eiserbahnwärtcrsmützs und der Meß- stange bestellte der Schwindler in mehreren Wirtschaften in Großbottwar Mittagessen für sich und einen weiteren Kollegen und zechte außerdem noch stark, ohne etwa» zu bezahlen, indem er überall vorschützte, sein Geld vergessen zu haben, er werde die Schuld aber bereinigen. In Hof erschwindelte er auf gleiche Weise in einigen Fällen Geld und ließ sich Essen und Trinken in dortigen Wirt- schüft recht gut schmecken. Außerdem kaufte der geriebene Gauner roch zwei Gänse. Das Geld hiezu erhielt er ohne Anstand, da niemand an der Echtheit dieses Hilfrwärter« zweifelte, da er ja eine Dienstmütze trug. Hier in Marbach soll der Schwindler die Gänse wieder verkauft haben. Seitdem wird immer auf das Wiederkommen dieses
Hilft Wärters, der sich angeblich Maier nannte, gewartet.
Urach 1. Sept. Die Gesamtvsrkaufsumme auf der letzten Fruchtschranne belief sich auf 2001 Die Getreidearten waren durchweg mittlerer Qualität. Der Roggen kostete 8.90 bis 9.10 Gerste ebenfalls 8 90—9.10 Haber (insgesamt 108 Ztr.) 880-9.20 Dinkel (116 Ztr.) 8.20-8.30
Reutlingen 1. Sept. Auf dem Fruchtmarkt am Samstag kosteten die Gerste 9 bi» 9,30 Haber 7,30-9 Unterländer Dinkel
7 20-8.50 Alber Dinkel 8.30
Pfullingen 1. Sept. Auch von dem Stand der hies. Weinberge kann nur günstige» gemeldet werden. Ueberall, wo ein sorgfältige« Beschwefeln und Bespritzen stattsand, ist ein schöner und gutentwickelter Traubenbehang zu konstatieren. Reife Frühtrauben konnten schon vor ca. 8 Tagen abgeschnitten werden. Wenn die Witterung günstig bleibt, so dürfen die hiesigen Weingärtner Heuer einem befriedigenden Herbste entgegen.fi Herr.
Tübingen 1. Sept. Ein größerer Diebstahl wurde auf dem Bahnhof zu Dußlingen am 28. August nachmittags verübt. Es verschwand daselbst ein Geldbeutel samt Inhalt. Er enthielt ca. 240 ^ und mehrere Schmuck- fachen. Von dem Dieb fehlt jede Spur.
Balingen 1. Sept. Der am Sonntag von Stuttgart hierher geleitete Sonderzug war wegen der schlechten Witterung nur schwach besetzt. Er brachte etliche dreißig Personen, und in Hechingen sollen nicht viel mehr aus- gestiegen sein.
Friedrichshafen 31. Aug. Ein seit einigen Monaten auf dem hiesigen Ralhaus beschäftigter Hilfrschreiber, der als Stellvertreter für den beurlaubten Stadipfleger tätig war, erschien heute morgen zur festgesetzten Dienststunde nicht auf dem Amt. Da über dessen Aufenthalt nichts bekannt war, öffneten Stadtschultheiß Mayer und RatssLreiber Schnitzler mit Reserveschlüffeln den K^ffenschrank und machten dabei die Entdeckung, daß etwa 9000 ^ fehlten. Der Hilfsschreiber wird bereits von der Staatsanwaltschaft verfolgt.
Aus dem Allgäu 31. Aug. Während gestern im Flachland fast ununterbrochen ein starker, wolkenbruchartiger Regen niederging, herrschte in den Allgäuer Bergen starker Schneefall. Heute morgen trugen dis Berge bi« auf 1700 m herab eine ziemlich hohe Schneedecke.
Aus Baden 1. Sept. Die Begnadigung des Raubmörders Ebner, der wegen Ermordung des schweizerischen Kantonpolizisten Staub von Zug im Frühjahr vom Konstanzer Schwurgericht zum Tode verurteilt worden ist, wurde vom
zu Hunderten bei seinen Kollegen gesehen. Er schilderte, wie sehr ihn des jungen Mädchen» Schmerz ergriffen hätte und wie gern er zu jeder Genug« tuung bereit wäre, er sagte auch, daß ihm dieser Moment auch erst sein eigener Herz gezeigt hätte und wie sehr er bereuen und büßen wollte.
Und unter seinen milden, edlen Worten, die sein warmes Herz und redlichen Willen bekundeten, da schmolz Irmgard'» Bitternis und Träne uni Träne tropfte aus ihren Augen auf ihre weißen schlanken Hände.
„Vergeben ist süß," sagte fie endlich langsam und legte wie zum Segen ihre Hände auf sein Haupt, indes die Dämmerung ihre Schatten webte, „gehen Sie in Frieden und nehmen Tie auf Ihren Lebensweg meine Freundschaft mit. Die Liebe starb in ihrem ersten süßen Traum und nicht«, nichts kann sie erwecken!"
Heiß preßten sich des Malers Livpen auf die weiße Hand und fast schluchzend kam es au» feinem Munde: „In Freundschaft!" Dann stürzte er aus dem Zimmer, um die aufsteigen.den Tränen zu verbergen und Irmgard barg ihr Antlitz wie müde in der Mutter Schoß.
Draußen war es Nacht geworden.
Und dann — dann war Irmgard bald ganz allein, denn dis Mutter ging den Pfad, von dem es keine Wiederkehr gibt. Und die Jahre waren gegangen und gekommen. Der Frühlingsreif, der in zarter Jugend auf Irmgard'» Herz gefallen, hatte nicht vermocht alle Blüten ganz zu knicken. Zu jung, zu flüchtig war diese erste Regung ihres Herzen« gewesen, die ihr nur Leid gebracht. Nur indirekt hörte fie später von dem Maler, Lessen Werke überall Ruhm und Ehren ernteten und dann hatte fie seiner fast ganz vergessen. Das Leben stellte zu ernste Anforderungen an fie. Da blieb keine Zeit zum Grübeln und nun war fie schon seit zwei Jahren die Braut eine« anderen — ohne Liebe — Irmgard schauderte — von dem fie doch nicht frei werden konnte- trotz tausendfacher Kämpfe und Seelenpein. Wie kam ihr aber nur jetzt beim Anblick des Einsamen im
kleinen Kahn auf den Rheinerwellen die Erinnerung an ihre erste kurze traumhafte Liebe, der sie im Laufe der zehn verflossenen Jahre kaum gedacht? Warum überflutete sie da» ganze Weh von damals heute wieder mit ganzer Macht und warum stöhnte ihr von tausend Schmerzen gequältes Herz: „Schenk' mir Gott, der alles gibt,
Doch eine Seele die mich liebt."
Lange stand Irmgard am Fenster und starrte in die leuchtende Monden- nacht hinaus auf den schimmernden Rhein und erst, als der erste Purpurstreifen dämmernd im Osten Heraufstieg, schloß fie die müden Augen zu kmzem, traumhaften Schlummer.
Still lag das seltsame Haus am Rhein. Wie ein dunkler Geheimnis ragte es noch in den sonnigen Tag hinein, als die Morgenglocken schon über den Rhein bebten und die Schläfer und Träumer zu neuem Tagewerks riefen. -
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Er war den zweiten Tag nach Irmgards Ankunft, als diese Vormittag» einsam auf ihrem Zimmer saß und schrieb. Die Morgenpost hatte ihr einen Brief aus Frankfurt gebracht, von ihm — vor dem fie hätte fliehen können, bis ans Ende der Welt und von dem es doch keine Trennung gab. Irmgard sann und sann. Lar goldflimmernde Köpfchen in die weiße Hand gestützt, im lichten Morgengewande glich fie einem verkörperten Märchenbrlde. Endlich schien fie einen Ausweg gefunden zu haben, denn unablässig flog nun wieder die Feder über die weiße Papier fläche, bis der Brief beendet war. Hastig schloß fie denselben, als sie aber darauf hernieder blickte, da rollte Träne um Träne aus ihren verdunkelten Augen. Er überkam fie wieder plötzlich in diesem vornehmen eleganten Hause wie eine grenzenlose Verlassenheit.
(Fortsetzung folgt.)