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Abgebrannten in Donaueschingen 1600 ^ zu überweisen. Ferner wurde beschlossen, einem städtischen Platz den Namen Zeppelin-Platz zu geben.
Aachen 29. Aug. Zum ersten Male seit ihrer Flucht aus der Irrenanstalt bei Dresden befindet sich die Prinzessin Louise vonKoburg wieder auf deutschem Boden. Sie zeigt sich mit ihrem Befreier, dem Oberleutnant Geza Matafich sehr viel in der Oeffentlichkeit. Ueber den Zweck ihres Aufenthalte» in Aachen verlautet, daß sie in der Nähe sein wolle im Falle einer ernstlichen Erkrankung König Leopolds. Ihre Geldmittel sollen sehr zusammen geschrumpft sein. Er ist fraglich, ob die Behörde den weiteren Aufenthalt ruhig dulden wird.
Berlin 29. Aug. Der Parseval- Ballon, der zur Zeit mit Lust ausgepumpt in der Halle liegt, soll Montag eine Reihe von Fahrten beginnen, in deren Verlauf er die ihm gestellten vier Aufgaben zu lösen hat. Von dem Gelingen dieser Fahrten hängt seine Uebernohme als Regierungsballon ab. Am Montag wird er zunächst in einer vierstündigen Fahrt versuchen, die von der Militärbehörde gewünschte Höhe zu erreichen. Nach einem Ruhetag am Dierstag erfolgt Mittwoch die 12-stündige Daue, fahrt. Im Ganzen soll Betriebsstoff für 16 Stunden mitgenommen werden.
Berlin 29. Aug. Nach einer Meldung der „Vossischen Zeitung* aus Paris glaubt der „Matin" feststellen zu können, daß beim Ein» zug des Kaisers in Straßburg die Militärmusik „erdröhnte", die einheimische Bevölkerung aber lautlos war. Der Berichter statter des Blattes hat keinen einzigen Hochruf aus elsässtschen Munde gehört, dagegen in einem entlegenen Seitenaäßchen, wohin die Polizei sich nicht verirrte, eine kleine fr an- zösische Fahne flattern gesehen. — Die „Aurvre" zieht einen Vergleich zwischen den friedlichen Frühstücken des Königs Eduard in Marienbad und Carlrbad und den glänzenden Heerschauen in den Reichrlanden, und meint, der Augenblick scheine für diese eigentümlich gewählt. — Das „Echo de Paris" wirft Ein- gewanderten in Straßburg, die ihr Haus mit dem eisernen Kreuz und der Jahreszahl 1870 schmückten, Taktlosigkeit vor.
Berlin 29. Aug. Der „Lokalanzeiger" meldet au» London: Hier sind Nachrichten aus Washington eingetroffen, daß Orville Wright gestern seinen Aeroplan der amerikanischen Regierung übergeben hat. Die endgültigen Geschwindigkeits- und Dauerproben sollen am Montag stattfinden. Der Aeroplan muß zwei Personen im Gewicht von 360 Pfund und Heizmaterial für 125 englische Meilen tragen, eine Geschwindigkeit von 40 Meilen pro Stunde erreichen und eine Dauerfahrt von einer Stunde machen. Der ausgemachte Preis ist 100000 und 10 000 ^ für jede weitere Meile Geschwindigkeit bis zu 44 Meilen, dagegen 10000 weniger für jede Meile weniger als 40 Meilen bis zu 36 Meilen herab Unter 36 Meilen Geschwindigkeit wird der Apparat nicht abgenommen.
Gmunden 29. Aug. Der Herzog von Cumberland hat 20000Kronen als Zeppelin. Spende an die Rentenbank in Stuttgart ab- gesandt.
Zürich 29. Aug. Bei der Besteigung des Ißtk uoir im Mont-Blanc Gebiet wurde eine französische Bergsteiger-Kolonne von einer Steinlawine erfaßt. Der Führer und ein Pariser Tourist wurden in die Tiefe geschleudert. Die übrigen Mitglieder blieben unversehrt. Eine Bergungskolonne ist zur Auffindung der beiden Abgestürzten aufgebrochen, die unter Lawtnenschutt begraben liegen. — Im Nauvais stürzte gestern Mademoiselle Soubrier, Mitglied der Pariser Großen Oper, zu Tode.
Rom 29. Aug. Der Pabst empfing gestern die deutschen Pilger, die sich auf der Rück- rerse von Palästina befinden. Herr Müller aus Stuttgart stellte dem Papst die Pilger vor und hielt eine Ansprache, auf welche der Pabst er- widerte und den Pilgern seinen Segen erteilte.
Washington 29. Aug. Ein Telegramm aus Puerto Cabello berichtet, daß dis venezolanische Hafenbehörde den amerikanischen Dampfer, welcher die Post mitbrachte, während 48 Stunden im Hafen zurück - behalten habe, indem sie sich weigerte, dem Schiff seine Papiere auszustellen. Dieser neue Zwischenfall dürfte eine Verschärfung der Beziehungen zwischen Venezuela und den Vereinigten Staaten zur Folge haben.
Vermischtes.
Enthüllungen des türkischen Ge- heimpoltzeichefs. Wie JzzetPascha befindet sich jetzt auch Zia Bey, das frühere Oberhaupt der türkischen Geheimpolizei, in London; über seine Flucht äußerte er sich einem Interviewer gegenüber — nach der „Frkf. Zig." — ganz offen folgendermaßen: Am 21. Juli wußte ich, daß mit Tachfin und Jzzet Pascha meine offizielle Laufbahn zu Ende war. Es handelte sich nur noch um Flucht. Wem konnte ich trauen? Wer mich gestern fürchtete, würde mich heute erstochen haben. Ich bezahlte einen Mann, damit er mich zwei Tage in seinem Hause verborgen hielt. Am 24. Juli schickte mir der Sultan einen kurzen Brief: „Fliehe, ohne eine Stunde zu zögern, nach Europa." Ich hatte Vor- kehrungen getroffen, an Bord eines nach Smyrna gehenden deutschen Schiffes zu gehen. Ich wartete bis zur Dunkelheit. Al» ich zu dem kleinen Boote ging, welches mich am Quai erwartete, wurde ich von einem Manne angegriffen, der mich erkannte. Ich schoß ihn glücklicherweise sofort tot und lief, so schnell ich konnte, nach dem Quai, gelangte an Bord der deutschen Schiffes, erreichte in Sicherheit Smyrna und ging dort an Bord einer Postdampferr nach Marseille. An Bord erkannte mich ein russischer Marineoffizier, der mich am Hofs kennen gelernt hatte; er versprach mir, mich keinem an Bord zu verraten. Ich hatte meinen Bart abrafiert und meinen Fez gegen einen Strohhut eingetauscht. Ich nahm den Namen Mr. Gray an, unter dem ich hier wohne." Auf die Frage, ob er sich mit dem neuen Regime aussöhnen werde, antwortete Zia Bey: „Unmöglich. Man kann mir niemals vergeben. Die Türkei hat mich zum letzten Male gesehen. Sie müssen wissen, daß ich während meiner Amtstätigkeit auf Befehl meiner Vorgesetzten Minister, Ossi- ziere und Zivilisten ruiniert habe. 170 Türken, meist den angesehensten Familien des Reiche« angehörig, verschwanden." Hier machte Zia Bey eine Handbewegung, die den Ausdruck „verschwinden" in bedenklichster Weise illustrierte. „Unter meiner Leitung waren 400 gutbezahlte Geheimagenten ununterbrochen tätig. Es waren Türken, aber meistens Arme- nier und Griechen, einige Frauen und zwei Malteser. E» war gleichgültig, wer beseitigt werden sollte. Befehle vom Jildis wurden unweigerlich befolgt. Dem Sultan wurden falsche Berichte vorgelegt und gegen diese gab es keinen Appell. Wen wir denunzierten, der war verloren ... Die Pforte (d. h die Regierung) existierte als Regierungsmaschine seit 25 Jahren nicht mehr. Jildis (d. h. der Sultanrpalast) hatte die ganze Gewalt. Jzzet Pascha soll von seinem Vermögen I V» Millionen türkische Pfund gerettet haben, von denen der größere Teil in den Vereinigten Staaten und durch griechische Finanzier« in Paris untergebracht wurde. Der Sultan selbst hat wenigstens drei Millionen in Deutschland, Oesterreich und Frankreich angelegt. Der Sultan erhielt einen hohen Prozentsatz von den Bestechungsgeldern der Leute, die Kontrakte für Kriegrvorräte und Uniformen machten. Diese Leute gebrauchten mich, weil sie mich geschmeidig fanden." Solche Mitteilungen sind heutzutage eigentlich keine Enthüllungen mehr, sondern nur noch Bestätigungen der Greuelwirtschaft, die einem in Konstantinopel tagtäglich amtlich kundgetan wird.
Von amüsanten Schmugglertrick« wird im „Matin" erzählt: Die alten, von dem Schimmer der Romantik umwobenen Schmugglerkunststücke, die vor einiger Zeit roch insbesondere an der Nordgrenze Frankreichs üblich waren, find beute fast völlig durch moderne Trick« verdrängt,
in denen Gefäße mit Hohlräumen, Koffer mit doppelten Boden und dergl- die Hauptrolle spielen. Früher aber bedienten vie Schmuggler sich vor allem ihrer Hunde, um mit Hilfe der klugen Tiere kostbare Spitzen und teure Labakfabrikate über die Grenze zu bringen. Die Tiere wurden dabei buchstäblich in Spitzen oder Tabak verpackt und eilten dann auf abgelegenen Pfaden zu ihren Herren oder zu deren Helfershelfern, die sie jenseits der Grenze erwarteten und in Empfang nahmen. Die Erziehung der Hundes bildete dabei einen Hauptfaktor, denn er mußte gelernt werden, die Zollwächter zu fürchten und ihnen zu entfliehen. Die Schmuggler bedienten sich zu dieser Dressur alter Zollbeamtenuniformen, mit denen angetan die armen Tiere aufs Gröblichste mißhandelt wurden. Die Zollwächter dagegen trafen ihre Gegen- - maßregeln, indem fie ihrerseits Hunde dressierten, die den vierbeinigen Schmugglern nächst tzten und so gab es damals an der Grenze nicht selten regelrechte Hundeschlachten, in denen Zollhunde und Schmugglerhvnde miteinander kämpften. Heute freilich bedient sich der Schmuggler der modernen Verkehrsmittel und verzichtet auf die nächtlichen Abenteuer in Wald und Feld. Ein amüsanter Zwischenfall ereignete sich kürzlich zwischen Monr und Feignics im Eisenbahnkoupee. Ein Ehepaar hatte darin Platz genommen und später stieg noch ein fremder Herr ein. Als man sich der sran- zöstschen Grenze nähert, zeigt die Dame lebhafte Unruhe und Nervosität, und als der fremde Paffagier sie hilfsbereit fragt, antwortete fie: „Sehen Sie", und dabei zeigte fie den unteren Rand ihre» Jupon, „ich habe hier einen kostbaren Spitzenunterrock, der 6000 Fr«, wert ist. Ich weiß nicht, was ich tun soll, aber deklarieren möchte ich ihn auf keinen Fall." „Ach, ängstigen Sie sich nicht, das wird ganz von selbst gehen." Der Zug fährt in Fekgnier ein. Der Herr verläßt eilig das Koupee und zwei Minuten später ist die Dame von Zollbeamten umringt: der Mitreisende hatte fie denunziert. Die Spitzen werden gewogen, Zoll und Strafe festgesetzt und eine halbe Stunde später fitzen die drei Reisenden wieder im Koup.-e. Das Eh paar überhäuft den Verräter mit den bittersten Vorwürfen. Der aber findet nur die höfliche und einleuchtende Antwort: „Aber ich bitte Sie, ich selbst hatte für 40000 Frs. von diesen Spitzen an mir. Als ich Sie denunzierte, lenkte ich die Aufmerksamkeit auf Sie und konnte so meine Spitzen ungestört hereinschmuggeln..." In den seifigen Klüften der unwegsamen Pyrenäen spielt noch heute der Schmuggel eine große Rolle. Vor allem werden andalufische Pserte nach Frank- reich eingeschmuggelt. Eine Schmugglergesellschaft kam dabei auf einen geistreichen Einfall Die schickt einen Gefährten zur Zollstation und läßt die Beamten warnen: „An dem und dem Tage zu der und der Stunde kommt über den und den Paß ein Schmugglertransport vo^> Pferden." Der Zolloffizi-r mobilisiert seine Leute, am Abend ist eine ganze Schar Zollwächter von allen Nachbarstationen herbetgezogen, am Paffe versammelt und harrt. Endlich, gegen Morgen ertönt Pferdegetrappel, die Beamten springen hervor, und fie erwischen auch richtig drei Schmuggler, die zwölf alte wertlose Mähren am Zügel führen. Zur gleichen Zeit aber führen dis anderen Genoffen den großen Transport feuriger junger Andalufier- Hengste über den benachbarten, von Wächtern entblößten Paß. Der bestellte Denunziant aber erhebt seine hohe Prämie, die den Schmugglern den Verlust der zrö'f wertlosen alten Gäule vollauf ersetzt.
Borantstchtliche Witterung:
Zunächst noch vorwiegend trüb mit Niederschlägen, dann Besserung.
Bekanntmachung.
Auf der Schweinezuchtstation in Sindliugeu sind wieder angekört worden 18 männliche und 21 weibliche Ferkel.
Bestellungen seitens der Mitglieder desland- wirtschaftl. Bezirksvereins nimmt Herr Vereinssekretär Fechter entgegen. Der Preis pro Zwei-Monat- Alter und pro Stück beträgt 36 ^ für die männlichen und 30 ^ für die weiblichen Tiere.
Calw, den 31. August 1908.
Per Ssrftsnd des land«. Kefirkssereing.
Reg.-Rat Voelter.