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lungen erst am 1. Olt. zu schließen, doch wurde darauf hingewiesen, daß Nachzüglern später auch noch Gelegenheit geboten sei, sich zu betätigen. Dem Grafen Zeppelin sollte möglichst bald ein größerer Betrag aus gefolgt werden können. Da» Ergebnis der Sammlungen in Württemberg wird dem Grafen Zeppelin vom Vorsitzenden in einem Schreiben mitgeteilt. Luch soll dem Reichskomitee eine vollständige Liste der in Württemberg ein. gegangenen Gaben übermittelt werden. Beim letzten Punkt der Tagesordnung wurde von Geh. Hofrat von Jobst die Bildung eine» Reserve« fand» angeregt; ein diesbezüglicher Antrag wurde aber nicht gestellt. Direktor Pf aff von der Rentenanstalt betonte, daß in den meisten Begleit« schreiben der cingegangenen Spenden darauf hin. gewiesen sei, daß die Beiträge zur freien Verfügung de» Grafen Zeppelin gestellt würden. Graf von Linden sprach dem Vorfitzerden den Dank de» Komitees für seine aufopfernde Tätigkeit aus. Zum Schluffe gedachte der Vorfitzende noch der württembergischen Presse in ehrenden Worten.
S tuttgart 29. Aug. (Eine praktische Neuerung.) Wie in allen größeren Städten Deutschland« so soll auch hier von einer Gesell, schüft eine neue Einrichtung, die insbesondere in den von den Postämtern entfernt gelegenen Stadt, teilen warm begrüßt werden wird, demrächst mit Genehmigung der Generaldirektion der Posten und Telegraphen und der städtischen Behörden zur Einführung gelangen. Sie betrifft die Auf- stellung von Automaten zur Abgabe von staatlichen Briefmarken urd Postkarten. Die Automaten werden meist in der Nähe der Postbrieskästen angebracht und werden zweifellos vom Publikum al» praktisch erkannt und stark benützt werden. Dem Unternehmen unter der Direktion des Herrn G. H. Kissel ist weitgeHerste Unterstützung zu wünschen.
Cannstatt 29. Aug. Der Grand Prix. Sieger Lautenschlager hat fich laut Cavn- statter Zeiturg entschlrffen, einen Antrag des Multimillionär» Vanderbilt orzurrhmen und dauerrd al» Chauffeur bei ihm tätig zu sein. Lautenschlaxer fiedelt demnächst noch Amerika über.
Vaihingen 29. Aug. In der g> strigen Gemeinderaisfitzung gab der Vorsitzende den genauen Erlös aus dem städtischen Obstertrag bekannt. Mit dem Erlö« von 15 Ztr. Nusleseobst — 1 50
pro Zentner — waren e« 3807.70. E« ist die« seit Jahrzehnten der höchste Erlö» und wurde nur mit 3300 »4t im Jahre 1903 annähernd erreicht. Im dierjährigen Etat wurden als eiweiger Ertrag für Obsterlör »4t 1900 eingestellt.
Reutlingen 29. Aug. Die stetige Frequenz.Zunahme des Technikums für Textilindustrie, besonders der Abteilung „Spinnerei", hat die Zentralst, lle für Gewerbe und Handel veranlaßt, fich zwecks sofortiger In. angriffnahme der Erweiterung der Etebliffemer tr der Lehranstalt an die hiesigen lürgerl. Kollegien
zu wenden. Der Bürgerausschuß hat in der letzten Sitzung der Kollegien zu dem erforderlichen Kostenaufwand seine Zustimmung gegeben.
Reutlingen 29. Aug. Die Arbeiten zur Erstellung eine» Verbrennungsofens auf dem Friedhof find entgegen dem anfänglichen Beschlüsse noch nicht ausgenommen worden. Die Arbeiten find vielmehr bis zum Herbst ds. I«. zurückgrstellt. Der Grund hiezu liegt darin, daß man die Erprobung der Oefen neuester Konstruktion abwarten will.
Tübingen 29. Aug. In vergangener Nacht ist da» große Ziegeleigebäude von Klemenz L Decker hinter der psychiatrischen Klinik niedergebrannt. Dos mächtige Feuer blieb auf seinen Herd beschränkt. Das Verwaltung«, gebäude wurde gerettet und bald war auch jegliche Gefahr für die Klinik ausgeschlossen.
Horb 29. Aug. Die Zeppelin, begeisterung ist bei uns noch lange nicht im Abflauen begriffen. Saßen da dieser Tage in einer Wirtschaft bierfeste Männer beisammen und deputierten über alle möglichen Systeme der modernen Luftfahrzeuge. Auch der Fallschirm kam zur Sprache und um seine Kenntnisse auf diesem Gebiete der animierten Tischgesellschaft praktisch vor Augen zu führen, ließ fich einer, der das große Wort führte, von seinen Kollegen auf Len fast drei Meter hohen Ofen lupfen und wollte mit einem Regenschirm Fallversuche vor« nehmen. Doch der Abstieg ging leider nicht so programmäßig vor fich. Der Luftschiffer blieb mit seinem Rucke am Ofcnkranze hängen. Der Ofen fiel um und das Opfer der Wissenschaft trug -roch eine blutende Wunde am Hinterkopfe davon.
Winterlingen 29. Aug. (Mahnung zur Vorsicht.) Der Wirt zum „Saalbau", Tr. Maag, aß gestern mittag Beeren. Dabei kom ihm eine Wespe in den Hals, die ihn stach. An der raschen Anschwellung Infolge dieses Stiches ist der gesunde, kräftige Monn im Alter von 56 Jahren erstickt.
Ulm 29. Aug. Vor der Strafkammer hatte fich der 24 Jahre alte Maschinentechniker Karl Bog er von hier unter der Anklage des Bar kerott« mit Betrug, Untreue und Unterschlagung zu verantworten. Boger trat im Januar 1907 als Geschäftsführer in die Maschinenfabrik Weilheim u. T. G. m. b. H.; und hatte hauptsächlich die Buchführung zukesorgen, von der er allerdings nicht viel verstand. Der Geschäftsgang war ein sehr schlechter und er kamen zohlreiche Geldschiebungen unter den Gesellschaftern vor. Nach der Anklage scll Boger die rechtzeitige Anmeldung des Konkurses versäumt, einen erheblichen Aufwand durch Haltung einer Automobils und Verkehr in den feinsten Hotels getrieben und fich zu Unrecht 260 »4t angeeignet haben. Das Gericht erkannte ihn ur ter Freisprechung von allen anderen Anklage- punkten lediglich eine» Vergehens gegen das
Gesetz betreffend die Gesellschafter: mit beschränkter Haftpflicht für schuldig, verurteilte ihn zu 6 Wochen Gefängnis, sowie 100 »4t Geldstrafe, erklärte aber die gesamte Strafe al« durch die Unter- suchurrgshaft getilgt.
Friedrichshafen 29. Aug. Der deutsche Kronprinz und Gemahlin haben zu dem Zep« pelin-Fonds 5000 »4t beigesteuert. Mit den Grabarbeiten für die neuen Anlagen des Grafen Zeppelin ist begonnen worden, obgleich die Ver- Handlungen mit den drei bekannten Besitzern, die noch auf ihren horrenden Forderungen bestehen, bis jetzt noch der Abschlusses harren.
Straß bürg 30. Aug. Auf dem Polygon fand gestern die große Kaiserparade statt. Sie war trotz des Regens von einem zahlreichen Publikum aus Straßburg und der näheren und weiteren Umgebung besucht. Der Kaiser trug die Uniform eine» Generalfeldmarschalls mit Mantel. Mit dem Kaiser ritten der Kronprinz, der die Uniform seiner Pasewalker Kürassier-Regt«, angelegt halte und dessen drei Brüder. Die Kaiserin hatte mit der Kronprinzessin und der Prinzessin Eitel Friedrich in einem 6spännigen offenen Wagen Platz genommen. Der Kaiser übergab zunächst die neuen Fahnen in der Mitte des Paradefeldr mit einer Ansprache an die Obersten der betreffenden Regimenter und begrüßte dann die Kriegervereine des Korps, bezirks, deren Fronten er in langsamem Schritt ablitt, wobei er viele alte Krieger ins Gespräch zog Nach der Begrüßung der Reserve, und Landwehrosfiziere ritt der Kaiser an der großen Tribüne vorüber, wo das Publikum ihm und der Kaiserin stürmische Huldigungen darbrachte. An der Parade nahmen der König von Sachsen, der Großherzog von Baden, der Herzog von Sachsen-Koburg und Gotha und der Herzog Albrecht von Württemberg teil. Auf allerhöchste Einladung nahm auch der württ. Kriegsminister, General der Infanterie von Marchtaler teil. Die Parade stand unter dem Kommando des Generals der Infanterie Ritter Hentschel v. Gilgenheimb. Der König von Sachsen führte sein 105. Infanterie-Regiment König von Württemberg, der Großherzog von Baden sein württembergisches Jnfanterie-Regiment Großherzog Friedrich von Baden Nr. 126, der Herzog von Sachsen-Koburg und Gotha die 9. Husaren. Generalfeldmarschall Graf Häseler zog mit den anwesenden Schwadronen der 11. Ulanen vorbei. Ein Teil der Kavallerie konnte wegen Krankheit der Pferde nicht an der Parade teil, nehmen. Nach der Kritik und nach der Entgegen« nähme der militärischen Meldungen setzte fich der Kaiser mit den vier Prinzen an dis Spitze der Fahnenkompagnie und führte fie unter dem Jubel der Bevölkerung nach der Stadt zurück.
Wiesbaden 29. Aug. Die Stadtverordneten- versamwlung beschloß gestern, der Nationalspende für den Grafen Zeppelin 4000 »4t und den
einfache, ruhige Sprache ev Pfunden hatte, mit der er ihr seine Anfichten über Kurst und Menschen zu erkennen gcb und wie schnell ihr die Zeit an seiner Seite geschwunden, er, mit dem fie La hinein gewanLert war, in die sonnige Pracht. Und dann — wie sckön war der Heimweg gewesen mit den lieblichen Schwestern ihr zur Seire — wie war olle« Weh und aller Leid ihrer Seele gewittert und süß, gar süß war es ihr fast zur Gewiß« heit geworden:
„Hier, hier bei diesen herrlichen Menschen kannst Du genesen."
Freilich war ihr der Mut schon wieder gesunken, als fie mit den Mädchen in Los ölte düstere Hau» eintrat und sie der Herrin des Hauses urd ihres Gatten gekochte, aber fie wollte mutig sein, wollte das Angstgefühl bannen, da« wieder heiß in ihrem Herzen aussticg und mit diesen guten Vorsätzen betrat fie denn auch ein klein wenig später den großen Speisesaal, wo die anderen bereit« versammelt waren. Lilly mit etwas verweinten Augen und einem allerliebsten Zug von Trotz um den Mund, Fräulein Berger schmachtend wie immer und Herr von Gleichrnburg noch trüber und einsilbiger al« am Mittag» Nur Lore und Renate blieben fich gleich in dem Bestreben, ihrem jungen Cast über die peinliche Abendmahlzeit hinweg zu helfen. Herr von Gleichrnburg zog sich mit einer stummen Verbeugung gegen Irmgard urd mit einem einsilbigen „Gute Nacht" zu den Töchtern bald nachher auf sein Zimmer zurück — die Erzieherin hatte er vollständig ignorirt — und dann fliegen die Damen wieder in da» obere Stockwerk hinauf, um den Rest de« Abends im Salon der Frau von Gleichenburg zu verbringen. Tort war e« ganz hübsch und anregend unter, haltend gewesen. Frau Helene hotte in ihrem Lehnstuhl fitzend in einem Andochitbuch gelesen oder fich im leisen Flüsterton mit Fräulein Clariffa
unterhalten, die für ihre Herrin sogenannte „Krankenbriefe" sortierte, und Irmgard hatte fich mit ven jungen Mädchen um das Klavier geschart, um mit ihnen zu fingen und zu spielen. O, wie war das köstlich gewesen, der leisen, süßen Stimme Renatens zu lauschen, die durch den prächtigen Alt Leonorens so wirksam unterstützt wurde, daß es Irmgard war, als töne Engels gesang an ihr Ohr. Nur Lilly war still gewesen — fie halte wohl die ihr wtederfahrere Kränkung noch nicht verschmerzt. — Da« alle» sann und sann Irmgard am Fenster gelehnt, über die schillernde Wasserfläche schauend.
Ein kleines Boot kam daher. Ein Mann saß darin und führte leicht und gewandt die Ruder mit sicherer Hand.
Und wie Irmgard auf den Einsamen im kleinen Schifflein blickte, Listen Geflchtkzüge fie in der Entfernung nicht unterscheiden konnte, da kom ihr plötzlich eine andere Erinnerung — eine Erinnerung so traumhaft süß und doch so weh, so unsagbar weh! Und wie kam er, daß fitzt nach langer, langer Zeit, diese Gedanken fie übe. fluteten? Sie wußte es selbst nicht. Waren fie ihr doch im Laufe der Zeit in allem Schmerz und in der steten Sorge ihres jungen Leben« abhanden gekommen, b.r sie ihr hier die traumhaft stille Mondennacht am Rhein wiederbrachte.
Mehr als zehn Jahre mochten verflossen sein, al» fie auch ein so junge«, heiterer Ding war, wie oben Lilly. Wenn auch nicht ganz so au«, gelassen, denn der Verlust ihrer kleinen Vermögens hatte Irmgard'« Vater in ein frühes Grab gekracht und einen trüben Schatten in ihr junges Dasein geworfen, aber doch von echter, rechter Herzen»fröhlichkeit.
(Fortsetzung folgt.)