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S. Mär, 1S44
Gedenktage: 147S: Der italienische Maler und Bildhauer Michel- angelo Buonarroti geb. — 1787: Der Physiker Josef von Fraunhofer geboren. — 1881: Der evangelische Pfarrer und Philanthrop Friedrich von Bodeljchwingh geb. — 18v7: Ler Historienmaler Peter von Cornelius Saft. — 1930: Der Großadmiral Alfred von Tirpitz gsst. — 1931: Grundsteinlegung des Richard - Wagner - Nationaldenkmal, in Leipzig durch Adolf Eitler.
SchneübsoSe tm Nachteinsatz
Die neue Deutsche Wochenschau Aus der Fülle starker Eindrücke, die uns die neue Wochenschau vermittelt, ragen militärische und politische Bilder von be- anderer Ueberzeuguttgskraft heraus. Neben den Aufnahmen aus dem Führerhauptquartier, die uns die Auszeichnung verdienter Offiziere für vorbildlichen Einsatz und tapferes Ausharren bei der dchlacht im Kessel von Tscherkassy miterleben lassen, packen ms vor allem die Bilder der Besatzungen, deutscher Gros, mpf- llugzeuge. die nach London fliegen. Wir sehen die letzten Mgvorbsreitungen kurz vor dem Start und erleben Rückkehr und persönliche Schilderungen der Männer, auf die ganz Deutschland mit Stolz und Bewunderung- blickt. In den harten Gesichtern spiegeln sich Entschlossenheit und Draufgängertum. Trotz aller Schwere der Kampferlebnisses ist in den Augen dieser Männer ein Leuchten.
An einem Abschnitt der Ostfront treten deutsche Panzer bei Sonnenaufgang aus der Bereitstellung zu einem Gegenstoß an. Grenadiere gehen vor und folgen den ausaeschwärmten Panzerwagen. Unter dem vernichtenden Feuer der deutschen Waffen werden die vorgeschobenen Stellungen des Feindes gesäubert, kommen die ersten sowjetischen Ueberläufer an. Auch im Kampfraum Süd- it allen geht das Ringen weiter, das der.britische General Ale-' xander „fürchterlich" genannt hat. Im Brückenkopf von Nettuno gehen Einheiten einer Fallschirmdivision durch das Moletta-Tal nach vorn, gefangene Anglo-Amerikaner marschieren müde aus der Straße, die sie zum Siege führen sollte. Der Druck des deutschen Soldaten und seines Materials ist so stark, daß der dem Gegner zur Verfügung, stehende Raum immer enger wird.
Stalins Bluffmanöver werden mehr und mehr durchschaut — auch in Estland hat man das Gebot der Stunde erkannt: Der estnische Landesdirektor Dr. Mäe verkündet die Generalmobil- machung des Landes, Zehntausend« von neuen Kämpfern gegen den Bolschewismus werden gemustert. ,
Zum Schluß ein neuer Höhepunkt, eine Meisterlsistung unserer Kriegsberichterl Stundenlang liegen deutsche Schnellboote auf nächtlicher Lauerstellung. Prüfend durchmessen die Augen der Wachmannschaft die unendliche scheinbar ausgestorbene Fläche der See, bis endlich das ersehnte Wild in das Blickfeld der Prismengläser rückt. Aeußerste Kraft voraus I Die Aale ziehen ihr« Bahn — eine grelle Stichflamme lodert auf — getroffen! Wieder hat die jüngste Waffe der Kriegsmarine zugeschlagen, wieder hat Albion den kühnen Angriffsgeist unserer Schnellboote zu spüren bekommen. Helmut Hagenried.
Typische Lebenshaltungskosten auch im Krieg keine Werbungs- kosten. Der Reichsfinanzhof hatte sich mit der Beschwerde eins» Behördenangestelltcn zu befassen, der wegen der weiten Entfernung seiner Dienststelle von der Wohnung das Mittagessen nicht zu Hause einnehmen konnte und für das Mittagessen in der Gaststätte die Berücksichtigung erhöhter^-Werbungskosten beantragt hatte. Bei Mitnahme des Essens von zu Hause würde er einen unverhältnismäßig großen Teil der Lebensmittelmarken seiner Familie benötigen. Der Oberfinanzpräsident lehnte den Antrag ab. Er gab zwar zu, daß die gegenüber den normalen Lebenshaltungskosten erwachsenen Mehraufwendungen teilweise auf die Kriegsverhältniffe zurückzufnhren seien. Jedoch dürften die durch den Krieg verursachten Mehraufwendungen nicht ohne weiteres als Werbungskosten abgeletzt werden. Nach der Entscheidung der Reichsfinanzhofs ist grundsätzlich davon auszugehen, daß -der Arbeitgeber überhöhte Unbrrhaltskosten, die durch den Dienst veranlaßt worden sind, durch besondere Bezüge ausgleicht, soweit es aus sozialen Gründen geboten ist. Es könne nicht Aufgabe der Steuerbehörde sein, hier regulierend durch Anerkennung von Lebenshaltungskosten als Werbungskosten einzugreifen. Eine außergewöhnliche Belastung komme gleichfalls nicht in Betracht. Es sei nicht dargetan, daß durch die Mehraufwendungen der Betrag erheblich überschritten werde, den der Steuerpflichtige für seine gesamte Ernährung vor dem Krieg aufgewendet hatte. Die Mehr- aufwendungen beständen hauptsächlich in den Kosten für die Einnahme von Stammgerichten, wobei die Haushaltsersparnis abzurechnen sei. Die Mehrbelastungsgrenze werde durch die verbleibenden Mehraufwendungen keineswegs überschritten.
MitgliederaPjM der NSDAP. Es ist immer wieder etwas Erhebendes für den Parteigenossen und die Parteigenossin, aus dem Munde kundiger Nationalsozialisten Worte der ^Ermutigung, des Kampfes und der inneren Verpflichtung zu vernehmen. So gab auch der Mitgliederappell, verbunden mit einem Sprechabend, am vergangenen Freitagabend im freundlichen Kleinen Kursaal in Wildbad den Parteigenossen und -genossinnen Politische Ausrichtung und Zielsetzung mit auf den Weg. Mit der Leitung des Abends war Zellenleiter Pg. Straffer beanftragt worden. Nach dem Lied „Fm Schwabenland Marschieren wir" sprach die Kassenleiterin der Ortsgruppe, Pgn. Rodenstein, über wichtige Fragen der Kassenführung, des Beitragseinzuges und der Beitragspflicht. Gerade die besonderen Bestimmungen für zur Wehrmacht ein- zogene Mitglieder, für Evakuierte und Bombengeschädigte Fanden vielfaches Interesse. Pg. Amann, der Leiter des hiesigen Postamtes, zeigte Schwierigkeiten im heutigen Post- Verkehr aus, welche durch die Zeitverhältnisse bedingt sind, und gab, die jüngsten Neuerungen im Zustelldienst und Briefverkehr bekannt. Nun richtete sich Ortsgruppenlciter Pg. Friz in einem zündenden Appell an die Parteigenossen und Parteigenossinnen, wobei er besonders herzlich die jüngsten Parteimitglieder begrüßte, welche erstmals nach ihrer Aufnahme in die Partei am vergangenen Sonntag erschienen waren. Der Ortsgruppenleiter rief die Männer und Frauen auf, aktiv zu bleiben und in der heutigen ernsten, aber auch großen Zeit das Höchste und Beste zu geben, dessen der Einzelne fähig ist. Jeder kann dies durch die Tat beweisen, so beim Spenden für das Kricgs-Winterhilfswerk, vor allem aber durch seinen aktivsten Einsatz im täglichen Leben der Arbeit. Jeder Mann und jede Frau muß wissen, daß einstens der Führer und unsere Soldaten der Front von uns Kämpfern der Heimat Rechenschaft fordern werden. Arbeit und kämpfen, das sei unsere Losung, Vertrauen zum Führer unser Glaube! Mit dem Siegheil auf den Führer und den Liedern der Nation schloß Pg. Straffer den sehr gut besuchten Appell. Pf.
Ländliche Notgemeinschaft bewährt sich
Vorbildliche Kameradschaftshilfe i« einer Ortsbauernschaft
NSG. Schon bei dem vorletzten Terrorangriff auf Stuttgart hat sich in den umliegenden Gemeinden die Einsatzbereitschaft und Kameradschaft der ländlichen Bevölkerung bewiesen. Auch beim letzten Fliegerangriff ans Stuttgart, bei dem bedauerlicherweise eine größere Anzahl von Landgemeinden in der Nähe von Stuttgart in Mitleidenschaft gezogen wurden, war die Kameradschaft und gegenseitige Hilfe geradezu vorbildlich. Allein in einer Ortsbauernschaft wurden aus sechs benachbarten Ortsbauernschaften -rund hundert Bauern und Landwirte zu den Aufräumungsarbeiten eingesetzt und die notwendigen Fahrzeuge zur. Verfügung gestellt. Die leicht , beschädigten Gebäude wurden in kürzester Zeit wieder bewohnbar und betriebsfertig gemacht, die obdachlosen Familien mit ihrem Vieh in Nachbarhöfen untergebracht, das Futter für das Vieh beschafft uiid in Selbsthilfearbeit alle Maßnahmen durchgeführt, die erforderlich sind, die geschädigten Betriebe einsatzbereit zu erhalten.
Willkomm und Dank der Heimat
In .Heilbronn entboten General Veiel und Gauleiter Murr den Austauschgefangenen de» Gruß der Heimat
Heilbronn, 1. März. Fm Glück ihrer Heimkehr empfingen ore aus Nordamerika und Kanada zurückgekommenen ver» deutschen Soldaten am Samstag nachmittag in Hellbraun durch den Befehlshaber im Wehrkreis V und im Elsaß, General der Panzertruppe Veiel, und Gauleiter Reichsstatthalter Murr den herzlichen Willkommensgruß der Wehrmacht und der Heimat.
In einer soldatischen Ansprache entbot General Betel den Heimgekehrten den Gruß des Führers, der Wehrmacht sowie des Reichsmarschalls und des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine. In einem Telegramm — das der General verlas — begrüßte der Führer im Namen des deutschen Volkes die Heimgekehrteu, die er der liebevollen Fürsorge l)er Heimat versichert, auf das herzlichste. Der Führer so sagte der General mit Nachdruck, habe niemals das Schicksal der Soldaten vergessen, die das Unglück gehabt haben, in die Hände unserer Feinde zu fallen. Was au Fürsorge für sie möglich war, sei durch die Vermittlung des Deutschen Roten Kreuzes geschehen. „Wir sind", so erklärte der General weiter, „stolz
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erste die Heimgekehrten betreuen zu dürfen und sie Heimat alles tun wird, um sie die fassen" Gefangenschaft so sckmell wie möglich vergessest zu
Gauleiter Reichsstatthalter Murr war der Ueberbringer des herzlichen Willkomms und des Dankes der Heimat. Es erfülle uns Mit Freude, so fagte er, daß unsere Kameraden wieder m die Heimat zurückkehrxn konnten. Diese Heimat sei nun auch zum Kriegsgebiet geworden. „Aber' die Heimkebrcm den können sich überzeugen, daß unser Volk eine Haltung und Moral an den Tag legt die nicht geringer ist als die unserer Soldaten. Und darauf dürfen wir stolz sein. Gemeinsam Mit der Tapferkeit unserer Armeen verbürgt diese Haltung der Heimat den Sieg. „Einem Volk aber, das so heiß und in- bünstig für den Sieg kämpfe und für ihn alles opfere, werde die Vorsehung den Lorbeerkranz des Sieges nicht vorenthalten; das fei unsere heilige Neberzengung. Fn dieser Heimat nun mitznarbeiten am Aufban einer glücklichen und gesicherten Zukunft, dazu seien die heimgekehrnm Soldaten besonders berufen.
Nach diesen mit herltcher Dankbarkeit aufgenommencn Grußworten sprachen Gauleiter Murr und General Veiel zeden -einzelnen der Heimkehrer persönlich an. In knappen Zugen berichteten die Soldaten über ihre Erlebnisse und durften nun die besten Wünsche sür ihre völlige Wiederherstellung entgegennehmen. Der Gruß an den Führer beschloß die Feierstunde, die für die Heimgekehrten zum sichtbarsten Ausdruck der Wiedervereinigung mit der geliebten deutschen Heimat wurde.
Nachrichten vom Standesamt Birkenfeld
in der Zeit vom 1. bis 29. Februar 1944
Geburten: 1. 2.: Jürgen Walter, S. des Walter Höll, Stabswachtmeisters, und Der Gerda, geb. Äluhm; 1. 2.: Karl Karl Heinz, S. des Karl Wolfigger, Metzgermeisters, und der Marianne, geb. Hahn; 4. 2.: Hans Georg, S. des Fritz Ruff. Fassermeisters, und der Berta, geb. Seufer; 8. 2.: Dorothea Maria, T. des Walter Krazer, Fassers, und der Marta, geb. König; 16. 2.: Manfred, S. des Karl Rieth, Goldarbeiters, und der Mina, geb. Klittich; 18. 2.: Dieter Albert, S. des Artur Dcnzinger, Steiuhauers, und der Lilli, geb. Klotz; 23. L: Werner Gerd, S. des Eugen Titelius, Glasers, und der Marta, geb. Karl.
Eheschließungen: 4. 2.: Friedrich Dietrich, Maler, mit Else Emma Volle; 6. 2.: Heinz Kurt Weihe, Student der Rechtswissenschaft, mit Anna Maria Bott; 18 . 2.: Herbert Kusterer, Werkzeugmacher, mit Emilie Luise Negelmann.
Sterbefälle: 8. 2.: Karl Hamann, Bäckermeister, 66 Jahre alt; 13. 2.: Hans Georg Ruff, Sohn des Fritz Ruff, Fassermeisters, 9 Tage alt.
Friedrichshofen. (Diamantene Hochzeit.) Der frühere Ma- . schinenarbeiter Josef Barobier und seine Ehefrau Maria, geb.
. Nothelfer, feierten das Diamantene Ehejubiläum. Frau Äaro- § hier gebar ihrem Gatten 17 Kinder, von denen noch sieben am Leben sind.
Das eigene Kind überfahren
In Ensdorf (Saar) ereignete sich ein -tragischer Uuglücks- fall, als ein zweijähriges Kind auf der Straße einem Lastwagen entgegenlief, der von der Frau eines zur Wehrmacht einberufenev Chauffeurs gesteuert wurde. Die Lenkerin des Wagens war die Mutter des Kleinen, das in einem unbewachten Augenblick auf die Straße gelaufen war. Das Kind geriet unter das Fahrzeug und erlitt so schwere Verletzungen, daß es bald darauf starb.
Schwerkriegsverjehrte werden für den Einzelhandel mu- zeschult. Für Schwerkriegsversehrte, die wegen ihrer Verwundung den früheren Beruf nicht mehr ausüben können, sind vielfältige Umschulungsmöglichkeiten im Zusammenwirken von Wehrmacht, Partei, Staat und Wirtschaft geschaffen worden. Eine besonders enge Verbindung auf diesem Gebiet hat sich zwischen dem Handwerk und dem Handel ergeben. Schwerverwundet« Tischler, Polsterer, Dekorateure, Fleischer, Bäcker, Schmiede, Schlosser usw., die nicht mehr in der Lage sind, ihr Handwerk unmittelbar zu versehen, erhalten aus den Fachschulen der Wirtschaftsgruppe Einzelhandel Gelegenheit, sich auf die verwandten Handelsbranchen umschulen zu lassen. Sie können dabei ihre Fachkenntnisse am besten verwerten und finden gleichzeitig eine befriedigende Arbeit.
März 1944: Alt-Sägewerksbesitzer Wilh. S chö nthaler Felorennach, 81 Jahre alt. >
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Bentinck sprang auf. Er schob das Taburett zur Seite, ohne auf die Gläser zu achten, dann ging er mit großen Schritten in dem engen Raum auf und ab. Verdammt enger Raum' Verdammter alter Kram ringsum! Aber die Zelle, in der jetzt Bert Eött saß, war wohl enger, und es umgaben ihn nicht Barockmöbel und andere kostbare Antiquitäten... Ach, es war so schauerlich und lächerlich zugleich, sich den Freund in einer Zelle zu denken, unter der Anklage eines Mordes. — „Haben Sie Telephon, Viola?"
„Nein."
Natürlich nicht! Hier gab es burgundische Helme und alte Uhren, die nicht gingen, aber ein Telephon gab es nicht! Man durfte die Leute vom Bau nicht sinnlos lange warten lassen. Er hatte doch fest versprochen zu kommen. „Viola, ich werde Sie jetzt auf eine halbe, sagen wir höchstens auf eine ganze Stunde verlassen. Dann komme ich zurück. Sie müssen mir noch sehr viel mehr erzählen. Das alles beweist ja noch gar nichts. Natürlich ist Bert unschuldig. Ich' fliege morgen nach Italien! Ich werde mit Berts Anwalt sprechen und mit dem Untersuchungsrichter, und Sie dürfen sicher fein, daß ich ibn frei bekomme!"
Viola antworte nicht. Sie war an die Tür getreten und bemühte sich, den Rolladen emporzuziehen. Als sie ihn in halber Höhe hatte, ließ sie plötzlich den Gurt los, und der Laden schlug herab wie ein Fallbeil. Sie duldete es nun, daß Bentinck die Rollschnur ergriff. Sie schloß die Tür auf und reichte ihm seinen Hut, der vorhin bei seinem heftigen Aufspringen zu Boden gefallen war. „Es hat ja doch keinen Sinn. Bert ist verloren. Es sei denn, es würde sich jemand für ihn opfern. Ich glaube immer, Celia würde es tun. Es ist leicht, in die Schlinge zu geraten und unmöglich, wieder herauszukommen. '
„Es ist möglich, verlassen Sie sich darauf. Biola!" Er stand bereits auf der dunklen Straße.
«Hier, Sie dürfen die Rosen nicht vergessen", sie reichte ihm die Blumen und Bentinck nahm sie mit einem kurzen Dank. „In einer Stunde!" rief er, erhielt aber keine Antwort. Der Laden rollte herab.
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Er schritt die dunkle Straße entlang, und «s war gut daß die Rosen in seiner Hand waren. Rosen von Alice . . . .Es
war wie ein Trost. Er ging die wenigen Schritt« bis zum Hohen Markt. Dort stand sein Wagen. Er öffnete ihn und legte die Rosen hinein, dann aber warf er die Tür wieder zu, als er die Positionslämpchen eines Taxis sah. Es war viel einfacher, sich fahren zu lassen, als selbst am Steuer sitzen zu müssen.
Fünf Minuten später wurde er mit Jubel begrüßt. Man hatte rn dem großen Hotel am Ring ein Zimmer reservieren lassen. Die Tafel war geschmückt, und auch der Stuhl für Bentinck war mit einer Girlande umrankt. Links von ihm saß der Direktor, und zu seiner Rechten Fräulein Bertram, die Darstellerin der Hilde Mangel. Sie galt als eine der schönsten Schauspielerinnen Wiens, und sie schenkte ihm, als er sie begrüßte, ein Lächeln, das fast wie eine Verheißung war. Bentinck bemühte sich, dieses Lächeln zu erwidern. Ihm gegenüber der Herr mit der Hornbrille, der sich eben erhoben hatte, um eine launige Rede zu halten, das mußte wohl Dr. Beug, der Oberreaisseur des Theaters sein.
„Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt", begann der Doktor, und da dies ein Witz sein sollte, mußte man wohl noch einmal lächeln. Dennoch sah Bentinck alles wie durch Schleier, und auch die Worte, das Lachen und Eläserklirren klangen wie aus unendlicher Ferne.
Bert Eött saß m einer Kerkerzelle und stand unter der Anklage des Mordes! Er sollte die Tat begangen haben um einer Frau willen, deren Haar die Farbe des Bernsteins hatte, wenn ihn die Sonne durchleuchtet!
Obgleich Stefan Bentinck diese Frau nie gesehen hatte, erschien sie ihm wirklicher als die schöne Inge Bertram, die an seiner Seite saß und deren Fuß sich so nahe neben dem seinen befand, daß es schwer war. an einen Zufall zu glauben.
„Bentinck", sagte die Bertram verhalten, „ich habe die Hilde Mangel schon viermal gespielt, aber Sie sind der erste Partner, der mich dabei nicht wirklich geküßt hat. War das nun «ine Frechheit von Ihnen oder eine Huldigung?"
„Natürlich eine Huldigung", lächelte Bentinck. Dabei fiel ihm ein, daß es Fräulein Bertram gewesen war, die ihm das falsche Gerücht, Alice habe sich mit dem Komponisten Korwig verlobt, erzählt hatte.
Nach einer knappen Stunde brach er auf. Man protestiert« und drohte, ihn mit Gewalt festzuhalten.
„Warum denn so eilig, Bentinck?" flüsterte die Bertram, „Sie haben wohl noch eine Verabredung?"
„2a. Fräulein Bertram, ich habe noch eine Verabredung."
„Ach so. Nun, dann leben Sie wohl, Bentinck."
„Leben Sie wohl, Fräulein Bertram."
Der Direktor und Dr. 'Beug begleiteten ihn bis unter das Schutzdach am Hoteleingang. Der Portier winkte einem Taxi.
„Sehen wir uns morgen noch, lieber Herr Bentinck?" fragt« der Direktor.
„Ich sürchte nein, ich reise morgen früh nach Italien."
„Sie Glücklicher!" rief der Mann mit der Hornbrille, und man wechselte einen letzten Händedruck.
Der Wagen bog in die Kärntner Straße ein. Fünf Minuten später stand Bentinck wieder vor dem kleinen Antiquitätenladen, den er vor kaum einer Stund« verlassen hatte.
Er klopfte leise gegen den Rolladen. Als nicht geöfsnet wurde, klopfte er heftiger. Alles blieb still. Er wiederholte das Klopfen in kurzen Abständen, er pfiff auch irgendein Signal, und schließlich rief er ein paarmal Violas Namen.
Irgendwo schlug eine Turmuhr zwei schwere Schläge. Das war wie ein Abschluß. Er gab es auf und ging zu der Stelle zurück, an der sein Wagen stand. .
Als er durch die Nacht fuhr, schnell und sicher wie stets, fühlte er, wie eine große Verlassenheit ihn üherkam. Nur die Rosen, die neben ihm lagen, schenkten ihm ihren Dust und damit di« Gewißheit, daß er auch jetzt nicht allein war.
Mit dem ersten Sonnenstrahl, der keilartig durch das hohe, vergitterte Fenster drang, öffnete Bert Eött die Äugen. Ein paar Sekunden lang verhielt er sich regungslos. Immer hoffte er, er würde eines Morgens in seinem Bett daheim erwachen und alles würde ein Traum gewesen sein. Ein langer und entsetzlicher Traum.
Jeden Morgen war es dasselbe, und jeden Morgen schob er di« Hoffnung auf den Traum mit einem leisen Seufzer fort sprang auf. wusch sich in der kleinen Blechwanne und zog den Anzug an. den er nun schon seit mehr als sünf Monaten Tag für Tag trug. Er bemühte sich, leise zu sein, um den Matrosen Parelli, der sein Zellengenosse war, nicht zu wecken aber bei dem sesten Schlaf Parellis war diese Vorsicht überflüssig. Dann klappte Bert Eött den eisernen Tisch auf und holte sein Reiseschach hervor. Es würde noch eine gut« Weile dauern, ehe man ihm das Frühstück brachte, er konnte noch einmal die Meisterpartie Nachspielen, die er in der Schachzeitung gesunden hatte.
„Nur das falsche Damengambit ist schuld, daß Weiß in diese Situation geriet", murmelte er, wie er denn fast jeden Zug mit einem Satz begleitete, der ein Urteil war. Es war die einzige Möglichkeit, deutsch zu sprechen. Hier hörte und sprach er den ganzen Tag italienisch, und jetzt lernte er durch Par»lli einen genuesischen Hafendialekt, der an Derbheit und Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ.
Fortsetzung folgt