83. Jahrgang.
175. Kmts- und Än?eigeblüLt für den Oberamtsbe^irk Lalw.
«escheinun«rta,e: Monta«, Diensta«. Mittwoch, »orirlirrtag, Freitag und Samstag. JnsertionSpreis lg ^sg. pro Zeile für Stadt ii. »ezirkkorte: außer Bezirk 12 Psg.
Mittwoch, den 29. Juli 1908.
Tagesuemgkeiteu.
Stuttgart 28. Juli. (Strafkammer). Wegen schweren Diebstahls hatten stch die noch in jugendlichem Alter stehenden Taglöhner Karl Wolf, Albert Weiß und Hermann Bücheler von Wangen zu verantworten. Weiß erzählte den beiden Mit« angeklagten, daß sein Großvater einen größeren Geldbetrag in seiner Wohnung in einem Schreib, tisch aufbewahrt habe. Die drei verabredeten nun, das Geld zu stehlen. Wolf erklärte sich bereit, den Diebstahl auszuführen; Weiß machte ihn mit den Oertlichksiten betraut. Wolf versteckte sich in einem Stall und wartete, bis der Großvater die Wohnung verließ. Er ging dann in die Wohnnng hinauf und entwendete 540 Weiß und Bücheler waren ihm bei der Ausführung des Diebstahls behilflich. Das Geld verbrauchten sie miteinander. Die Strafkammer verurteilte Weiß und Wolf zu je sechs Monaten Gefängnis, Bücheler zu vier Monaten Gefängnis.
Stuttgart 28. Juli. (Strafkammer). Ein jugendlicher Brandstifter, der 17 Jahre alte Bäcker Karl Fröschle von Plieningen wurde der Strafkammer aus der Untersuchungshaft vorgeführt. Aus Freude an einem großen Feuer zündete er in der Nacht auf 16. April eine Scheuer an, die vollständig niederbrannte. Zehn Tage darauf setzte er eine Doppelscheuer in Brand, die gleichfalls ganz zerstört wurde. Fröschle kam in den Verdacht, die Brandstiftung begangen zu haben, er wurde deshalb am Tag nach dem letzten Brand auf dem Rathaus vernommen» er bestritt aber die Brände gelegt zu haben. Um nun den Verdacht von stch abzulenken, verübte er nun in der folgenden Nacht eine weitere Brandstiftung wobei er planmäßig vorging. Ec dachte sich nämlich aus, daß wenn er Nachweisen könne, daß er in der Brandnacht zu Hause gearbeitet
habe, der Verdacht nicht auf ihn falle. Ec verließ dann auch heimlich die Backstube seines Vaters und ging an eine benachbarte Scheuer an die ein Wohnhaus angebaut ist. Er stieg an einer Leiter zum Dach hinauf, nahm einige Dachplatten weg und zündete Heu an. Sodann ging er wieder in die Backstube und arbeitete ruhig weiter. Das Feuer wurde alsbald entdeckt und gelöscht. In einem Fall beteiligte er sich an der Rettung des Viehs, auch machte er Fsuerlärm. Durch die rasch aufeinander folgenden Brände wurde die Einwohnerschaft in Plieningen sehr beunruhigt. Nach anfänglichem Leugnen legte Fröschle ein umfassendes Geständnis ab. Die Strafkammer verurteilte ihn wegen zwei Verbrechen der vollendeten und eines Verbrechen» der versuchten Brandstiftung unter Ausschluß mildernder Umstände zu 3 Jahren, 3 Monaten Gefängnis, unter Anrechnung von zwei Monaten Untersuchungshaft.
Horb 28. Juli. Auf dem Turnplatz hier war gestern staatliche Rindviehfchau und Prämiierung. Es wurden viele Prachtexemplare vorgesührt und mit der: entsprechenden Preisen bedacht., anscheinend wnrde Fleckvieh bevorzugt. — Unsere Landwirte wünschen wieder ausgiebigen Regen, da die Hitze zu groß geworden ist.
Kirchheim u. T. 28. Juli. Die Eröffnung der Bahnlinie nach Weilheim soll, wie verlautet, hinausgeschoben werden. Es sind aber bereits von interessierter Seite Schritte eingeleitet worden, um die ursprünglich für den 1. August geplante Eröffnung aufrecht zu erhalten.
Müns in gen 28. Juli. In Großengstingen auf der Alb find einige Stromer in den Keller an der Trochtelfinger Straße eine» Bierbrauers eingebrochen, haben ein Füßchen Bier halb ausgetrunken, sich dann hinter den Sekt gemacht, davon gleichfalls einige Flaschen geleert und 10
Lezugspr. I. d. Stadt >/^LHrl. m. TrLgerl. Mk. I.2L. Postbezugsyr. f. d.Orts- u. NachbarortSverk. >/,jührl. Ml. 1.20. im Fernverkehr Ml. 1.30. «-stell«, in Württ. 30 Psz., in Bayern u. R-ich42 Psg.
andere mitgenommen. Al« Bestätigung ließsr die Stromer einen hohnvollen Zettel zurück, der zeigt, wie sehr sie sich gelabt haben.
Ulm 28. Juli. Der Viehtreiber Auguf Stoß in Göppingen führte am 30. März au übliche Weise zusammengekoppelt junge und leb hafte Pferde von Göppingen nach Bartenbach Noch auf Göppinger Markung wurde der an Straßenrand fitzende vierjährige Knabe Wilhelo Wiedemann von dem ständig ausschlagenden Hand pferd an den Kopf geschlagen, wodurch eine Zer trümmerung des Schädeldaches und der am 9 Mai erfolgte Tod des Knaben herbeigeführt wurde Der als Sachverständige vernommene Oekonomie rat Länderer bekundete, daß Stoß nicht die nötig Sorgfalt hatte walten lassen und für den To verantwortlich zu machen sei. Das Gericht sprak unter Einrechnung der Strafe für eine an eine« Maschinenschlosser verübte Körperverletzung ein Gesamtstrafe von zwei Monaten sieben Tag« Gefängnis aus.
Ulm 28. Juli. (Ferienstrafkammer.) Di Zigeunerin Elise Winter hat in einig« hiesigen Läden gebeten, es möchten ihr Geldstück mit dem Münzzeichen ^ gegeben werden, da st dieselben zu Zauberkunststücken auf dem Neu-Ulme Volksfest brauche. Während sie solche Geldstück unter den vorgelegten aursuchte, ließ sie mehrer andere verschwinden. Außerdem erleichterte fi die Ladenkaffe in einem anderen Laden um 12 Sie wurde wegen Diebstahl« im Rückfall zu eine« Jahr Gefängnis verurteilt.
Leutkirch 28. Juli. Eine Bürger Versammlung hat mit 100 gegen 59 Stimm« sich für den Ankauf der Wasserkraft in Altmanns Hofen und für die Errichtung eine» Elektri zitätswerkes ausgesprochen. Er herrscht in der Versammlung eine ziemlich lebhafte Oppo
Das Modell.
Kriminalroman von Edmund Mitchell.
(Fortsetzung.)
Obgleich wir nun dar Geschäft, wegen dessen wir gekommen waren, erledigt hatten, mußte ich doch noch einmal den Schubkasten durchstöbern, und ich hatte zum zweitenmal ein Riesenschwein, als ich das Bündel Bank- noten so bequem zur Hand daliegen sah. Ich hatte sie soeben eingesteckt, als ich unten eine Tür gehen hörte. Ich stieg auf diesen Stuhl hier und konnte beinahe die Hand meines Gespans fassen. Aber ich mußte in die Höhe springen und dummerweise glitt ich aus und fiel hin. Ich hatte keine Zeit, es noch einmal zu versuchen, denn ich hörte jemand die Treppe heraufkommen. So versteckte ich mich denn dort hinten. Dar war alles, was ich tun konnte, bevor Sie beide hereinkamen und hinterdrein die Dame, die solchen Spektakel machte, als sie fortging. Und Sie würden es auch nie erfahren haben, daß ich hier war, wenn nicht die Diele gerade geknarrt hätte, als alles still war.
Und Ihr Gefährte? Was tat der?
O, der hat den Brief ganz richtig aufgefangen und ist jetzt mit ihm aus und davon.
Sterling stand auf und zog aus einer Ecke hinter der Staffelei eine Stehletter hervor, die er unter da» Oberlichtfenster stellte.
Hätte ich nur gewußt, daß dar Ding dastand, so wäre ich schon hinausgekommen, murmelte der Spitzbube in komischer Nachdenklichkeit.
Ich glaube nicht, daß es jetzt noch den geringsten Zweck hat, nachzusehen, bemerkte ich, während ich ein aufmerksames Auge auf unseren kleinen Freund hatte, der zwar in einem Kampfe nicht sonderlich zu fürchten war, aber so flink aursah, daß er in einen Affenkäfig gepaßt haben würde.
Wenn der andere sich nicht schon vorher au» dem Staube gemacht hat, so doch sicher jetzt, sagte ich zu Sterling.
Darauf können Sie Ihren letzten Sou verwetten, Herr Major, pflichtete mir der Kleine überzeugten Tones bei.
Ich möchte mich auf alle Fälle selbst überzeugen, erwiderte Sterling, während er die Leiter emporstieg.
Dabei können Sie mir eigentlich meine Stiefel mit herunterbringen, Herr Leutnant, sagte der Dieb grinsend.
Unser Humorist schien stch in militärischen Titeln zu gefallen, die er unterschiedslos und ohne allzuviel Rücksicht auf ihre Angemessenheit austeilte.
Du hast recht, Hylton, der Bursche ist fort, rief Sterling von obm, während er sich mit der Hälfte seines Körpers zum Fenster hinauslehnte. Hol' ihn der Henker» fügte er hinzu, indem er zurücktrat und da« Ober- lichtfenster hinter sich schloß; ich glaubte bisher, Diebe hätten noch eine gewisse Ehre im Leibe und pflegten einen Kameraden nicht im Stiche zu lassen.
Er hatte wirklich die Stiefel mitgebracht und warf sie nun herunter — zwei abgenutzte Probestücke der Schuhmacherzunft.
Danke bestens, Monsieur, sagte der Dieb mit freundlichem Grinsen. Diese Trittchen würden sich auf einem Bilde gut aus nehmen, nicht? fragte er, nach der Richtung nickend, in der die Staffelei stand.
Ich schnitt seinen Scherz kurz ab.
So hat sich Ihr Gefährte au« dem Staube gemacht? fragte ich mit soviel Strenge in Miene und Ton, als ich annehmen konnte.
Habe ich Ihnen das nicht gleich gesagt? entgegnete der Spitzbube mit einer Gebärde, als verwahrte er sich dagegen, daß seine Worte in Zweifel gezogen würden. Dann fuhr er vertraulich fort: Sie sehen, Leute unseres Gewerbes verstehen einander. Was hätte e« für einen