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83. Jahrgang.

Amts- und Kn;eigeblatt für den Gberamtsbe;irk Calw

Samstag, den 11. Zull 1908.

»ezugSpr. t. b. Stabt V^LHrl. m. Lrügerl. Mk. 1.2S. Postbizuitpr. d.Orts- u. NachbarortS-erk. >Mhrl. Mk. 1.20. im Fernverkehr sg., in Bayern u. Reich 12 Pfz.

k. I.M. Bestellg. in Württ. i

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Nmlttche Vskamrtmachrmgerr.

Aushebung 1908.

Bezüglich des A«shebtt«gs-Geschäfts wird folgendes bekannt gemacht.

1. Dasselbe findet am Mittwoch, 29. Juli, vorm. 8 Uhr, und am Donnerstag, 30. Juli, norm 8 Uhr, auf dem Rathause in Calw statt.

2. Am ersten Tage kommen die Reklamierten, die für dauernd untauglich erklärten, die zum Land­sturm und znr Ersatzreserve vorgeschlagenen, sowie sämtliche Schneider, am zweiten Tage die tauglichen Militärpflichtigen zur Vorstellung. (Diejenigen, welche bei der Musterung znrückgsftellt worden find, haben nicht zu erscheinen.)

Den Ortsvorstehern werden spezielle Vor­ladungsbogen zugehen.

Z« spätes Erscheine« ohne genügende Ent­schuldigung hat unnachsichtlich Bestrafung zur Folge.

3. Etwaige Gesuche um Zurückstellung oder Befreiung von der Aushebung, soweit der Grund hiezu erst nach der Musterung entstanden ist, wären in aller Bälde schriftlich etuzureichen; nach der Aushebung würden keine mehr angenommen werden, es wäre denn, daß die Gründe für das Gesuch erst nach der Aushebung eingetreten wären.

4. Gesuche um Zuteilung zum Train mit. kurzer Dienstzeit Familienverhältnisse halber dürfe« nicht vorgebracht werden.

5. Die Ortsvorsteher haben darauf hinzuwirken, daß die Militärpflichtigen mit reingewafcheuem Körper und reiner Wäsche erscheinen. Diejenigen, welche an Schwerhörigkeit zu leiden behaupten, haben das Innere der Ohre« gründlich zu reinigen um eine Untersuchung zu ermöglichen.

6. Die Militärpflichtigen find daraus auf­merksam zu machen, daß jeder Versuch zur Täuschung in Beziehung aus geistige und körperliche Gebrechen gerichtlich bestraft wird, daß die Entscheidungen endgiltig sind, und daß jeder in den Grundltsten des Bezirks enthaltene Militärpflichtige berechtigt ist, im Äushebungstermin zu erscheinen und etwaige Anliegen vorzutragen.

7. Ortskundige Fehler der Pflichtigen, wie geistige Beschränktheit, epileptische Anfälle,

«. s. f. müssen ««bedingt vor der AnShebung zur Kenntnis des Oberamts gebracht werden. Bet Schwerhörigen, Nervenleidende», Stotterer«, Geisteskranken oder Taubstumme» verlangt die K. Oberersatzkommisfion Vorlage von ärztlichen Zeugnissen. Dieselben find, soweit noch nicht ge­schehen, mit den Vorladungen hieher «inzuseuden.

8. Militärpflichtige, welche sich auswärts auf­halten. dürfe» nicht von anderen Bezirken hieher zur Aushebung berufen, müssen vielmehr belehrt werden, daß sie sich am Orte ihres Aufenthalts zur Stammrolle anzumelden und zur AnShebung zu stellen haben.

Die Ortsvorsteher werden dafür verantwort­lich gemacht, daß keine Scheiuverziehungeu Vor­kommen. Bet denjenigen, welche vor der Aus­hebung sich wieder nach Hause begeben, ist sich daher zu vergewissern, ob sie nicht in der Absicht ge­kommen sind, um an der Aushebung teilzunehmen und hernach wieder an ihren früheren Ort zurück­zukehren. In AnstaudSfällen ist sofort dem Oberamt Anzeige zu erstatten. Bei jeder einzelnen Anmeldung ist von jetzt ab zu berichten, ob nicht eine Scheinverziehnng vorliegt.

9. Die Ortsvorsteher haben bei der Aus­hebung nicht zu erscheinen.

10. Die Stammrolle« pro 1886/1906, 1887/1907, 1888/1908, sind längstens bis znur 28. Juli d. Z. dem Oberamt einzusenden. Da dieselben von dem Herrn Ztvtlvorsttzenden der K. Oberersatzkommisston einer Durchsicht unterworfen werden, so erwartet das Oberamt, daß diese Liste vollständig geführt, insbesondere sämtliche Beur­kundungen richtig gegeben und -sämtliche Strafe« verzeichnet sind.

Sollten seit der letztmaligen Einsendung der Stammrollen Strafen gegen Militärpflichtige er­kannt worden sein, so wäre dies in einem besonderen Bericht anzuzeigen.

11. Bet der Vorladung find die Militär­pflichtigen auch zu ermahne«, sich bei der Aus­hebung auf der Straße und in den Häusern ruhig z« verhalten.

Calw, 9. Juli 1908.

K. Oberamt.

Voelter.

morsen in unserer AM weilen!

Eine überaus wichtige Versammlung von Beamten und Bediensteten ist es, die unsere schöne Schwarzwaldstadt zu ihrer diesjährigen Landes­versammlung aurersehen hat. Der Eisenbahner- »«- Dampfschiffahrtsverband Württembergs hält heute und morgen seine Hauptversamm­lung hier ab. Au« Nord und Süd, au« West und Ost von Württemberg und auch, aus den Nachbarländern, besonder« aus Baden strömen heute Hunderte, ja Tausende von Beamten herbei, um gemeinsame Interessen wahrzunehmen und gesellschaftlich einander näher zu treten. Eisen­bahn und Dampfschiffahrt, die gewaltigen und unentbehrlichen Verkehrsmittel unserer Zeit, bilden einen der größten Faktoren im Erwerbsleben. Ohne diese beiden Errungenschaften können wir uns den Weltverkehr gar nicht mehr denken. Me Völker find bestrebt, diese nutzbringenden Verkehrs­mittel immer mehr auszubauen und zu vervoll­kommnen. Die Ausübung de» komplizierten Eisen­bahn. und Dampfschiffahrtverkehrs erfordert ein umsichtiges und tüchtige« Beamtenpersonal. Nicht leicht ist der Dienst, den die Eisenbahner versehen müssen. Bei jeder Witterung und zu jeder Tages­zeit müssen sie auf ihrem Posten sein. Außerordentlich verantwortungsvoll ist ihr Beruf» Leben und Gut des Reisenden ist ihnen anvertraut. Jeder muß auf« peinlichste feinen Dienst ausüben, damit der ganze Apparat ineinandergreifen und zur Minute tätig sein kann. Regierung und Volk haben daher alle Ursache, einen schaffensfreudigen und gutgeschulten Eisenbahnerstand zu halten und berechtigte Wünsche dieses Standes tunlichst zu berücksichtigen. Mögen die Verhandlungen des Etsenbahnertage« von frucht­barem Erfolg und von vielfachen und zweckdienlichen Anregungen begleitet sein. Wir wünschen daher dem Verbandstag einen glücklichen Verlauf, den Teilnehmern nach des Tages Arbeit frohe Stunden

Unrecht Gut!

Rovcan von B. Eorony.

(Fortsetzung.)

Ein spöttischer herbes Lächeln glitt um Arsenes Mund.Es war sehr großmütig von Dir, mir und meinem Bruder einige Brosamen von dem für uns reich gedeckten Tisch hinzuwerfen, an welchen Du Dich setzest."

Törin!" fuhr Huber heftig auf.Meinst Du, Dein Vater habe Reichtümsr besessen, und ich nun nichts weiter getan, als im vollen Lebens- genuß gepraßt?"

Du sprachst doch eben von einem unvermutet gefundenen Schatz."

Ja, diesen bedeutete damals Paul« Hinterlassenschaft für mich» der mangels eigenen Kapitals nicht« unternehmen konnte, und völlig brach ge- legt war. Hätte ich aber nichts weiter tun wollen, als das mir zugefallene Geld verbrauchen, so wäre ich bald damit fertig geworden."

Er stand auf und ging zu seinem Schreibtisch.

Seltsam, wie müde und steif diese herkulischen Glieder waren, und wie automatenhaft sie sich vorwärts bewegten. Alls« erschien jetzt gealtert und schwerfällig an dem Kommerzienrat, nur der Geist bot dem langsam, aber unaufhaltsam heranschleichenden Verfall noch Widerstand. Mt unsicher hin- und herfahrenden Fingern zog Huber ein Fach auf und nahm ein alte« Notizbuch heraus, welches er Arsene reichte.

Auf der ersten Sette steht verzeichnet, was Dein Vater bei sich trug. Millionen, wie Du zu glauben scheinst, sind'« nicht gewesen, aber immerhin war's genug, daß ich mich mit mehreren Gefährten an dem An­kauf der alten Kohlengrube beteiligen konnte. Ich schaltete und waltete

mit Pauls Gelds. Alle Unternehmungen, alle, auch die gewagtesten Speku­lationen glückten mir. Da« bescheidene Kapital, welche» ich mir in jener Nacht aneignete, wuchs mit den Jahren zum Reichtum an. Die damals entnommene Summe bettachtete ich, als mir bekannt wurde, mein Bruder habe Kinder hinterlaffen, stets als deren Eigentum. Sie ist für Euch beide, mit Zuschlag der Zinsen deponiert. Das ändert freilich nichts an der Tatsache, daß ich mich einer Unterschlagung schuldig machte, und unrecht Gut in dm Händen hielt. Zu Deiner Genugtuung sollst Du auch wissen, daß mich seit jener Unglücksnacht zwei häßliche Phantome verfolgten: das Bild Deiner sterbenden Vaters, dessen Ende ich vielleicht wenn auch nur au« Notwehr beschleunigte und der Gedanke:Es ist unrecht Gut, war Du zu Deinem Vorteil aurnutzest. Bist Du auch hundertmal entschlossen, es zurückzugeben, so hattest Du doch kein Recht» überhaupt die Hand darnach auszustrecken." So, nun existiert kein Ge­heimnis mehr. Alles liegt offen da. Tue wa, Du willst. Ich habe von Dir weder Schonung zu beanspruchen, noch bitte ich dämm. Ich setzte meine Gewiffenrruhe und meinen Seelenfrieden ein und verlor in letzter Stunde da« Spiel. Nun gut, war geschehen soll, geschieht. Du bist gegen­wärtig Herrin der Situation. Aber so lange noch ein Atemzug mttne Brust hebt, bleibe ich auch Herr meiner Entschließungen und meine« Willen«. Du kannst mir wohl die Pistole in die Hand drücke«, doch nun und nimmermehr mich zur Nachgiebigkttt zwingen. Der Zufall gab Dir gefährliche Waffen, bediene Dich ihrer, wenn Du Deinen Vorteil aurzunutzen gedenkst, aber auf Unterhandlungen und Zugeständnisse lasse ich mich, Paul« Tochter gegen­über, nicht ein."

Pauls Tochter gegenüber. In mir hassest Du immer den Ver­storbenen und hättest doch so leicht mein unschuldige« Kinderherz gewinnen