159. Amts- und Änzeigeblati für den Oberamtsbesirk Lalw. 83. Ilchyinl-.
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»rscheinungStaze: Monta», Lienltaa, Mittwoch, »onnerlt-L, Freitag und Samstag. JnIertionSpreiS »0 Pfg. pro Feile für Stadt u. »ezirkSorte; außer Bezirk 12 Psg.
Preitag, den 10. Juli 1908.
BezugSpr. i. d. Stadt'/^ilhrl.m. Triigerl. Mk. 1.28. PostbezugSpr.
s. d.OrtS- u. NachbarortSvert. >/<jLhrl, Mk. 1L0, im Fernverkehr Mk. I.W. »estellg. in württ. M Pfg., in Bayern u. Reich42 Pf,.
Tazesrrevigkeiteu.
X. Calw 9. Juli. Am letzten Mittwoch folgte eine größere Abteilung der älteren Schüler der Spöhrer'schen HöherenHandelsschule unter der Führung der Herren Direktoren und Lehrer einer Einladung der Bijouterie. Groß, fabrikanten Gebrüder Daub, Fritz Kämmerer und Kollmar L Jordan, deren Fabrikbetrieb anzusehen. Die wißbegierigen, au» Vertretern aller europäischen Nationen zusammengesetzten jungen Herrn besichtigten mit staunendem Interests die großartigen Fabrikeinrichtungen genannter Firmen und erhielten dabei einen Einblick in die Herstellungsweise der vielbegehrten gleisenden Kleinodien und zugleich aber auch einen Begriff von der Mächtigkeit der Leistungen Pforzheimer Bijouteriefabriken und dem emsigen Fleiß und Erfindungsgetst der Fabrikanten und Arbeiter. Dankerfüllt für die ihnen erwiesene Gunst und mit dem Verlangen, noch andere ähnliche Betriebe sehen zu dürfen, kehrten die Besucher gegen Abend wieder nach Calw zurück.
8.V. Calw 10. Juli. Sin seltenes Schau, spiel gibt» am nächsten Sonntag in unserem Nagoldtal zu sehen, es ist die vom hiesigen Schwarz, waldverein veranstaltete 3. Floßfahrt von Calw nach Liebenzell. Da die lustige Fahrt gleich unterhaltend für Fahrer wie Zuschauer sein wird, möchten wir hiemit jedermann darauf auf« merksam machen. Das Floß wird sich um 1 Uhr (nicht später, wie kürzlich ausgeschrieben, um den Teilnehmern am Eisenbahnerverbandstag auch Gelegenheit zu geben, das ihnen unbekannte Verkehrsmittel zu beschauen und um deren Festzug nicht zu stören) unter Musikklängen in Bewegung setzen. Die Zuschauer können sich von hier bis Liebenzell beliebig einen Standort wählen, die Floßfahrt bietet überall ein interessantes Bild. Am meisten ist natürlich zu sehen und zu spüren,
wenn das Floß mit seinen Fahrgästen eine Floß« falle passiert. Da gibt« wohl wieder köstliche Bilder, die insbesondere für Photographen ein dankbares Objekt darstellen. Möge jedermann, Floßfahrer wie Zuschauer, einen vergnügten Tag haben!
Perouse OA. Leonberg 9. Juli. Dieser Tage kam in eine hiesige Wirtschaft ein junger, etwa zwanzigjähriger Mann, anscheinend ein Rad. fahrer und ließ fich Schinken und Bier kräftig schmecken. Ohne zu bezahlen, suchte er da» Weite in der Richtung Friolrheim—Pforzheim. Ob. wohl sofort sämtliche umliegende Polizeibehörden telefonisch benachrichtigt wurden, konnte der Zech, preller nicht festgenommen werden. Ein ähnlicher Fall kam in der Nacht vorher in Ruterheim vor. Man wird nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß es in beiden Fällen ein und derselbe Gauner war.
Stuttgart 9. Juli. Der Poltzeibericht schreibt: Die am 6. ds. Mt«, au» dem Neckar geländete Leiche ist als diejenige einer 18 Jahre alten Fabrikarbeiterin von hier erkannt. Es liegt Selbstmord vor. — Gestern abend kurz vor 10 Uhr ereignete fich in Untertürkheim ein schwerer Unglücksfall. Ein 28 Jahrs alter Eisendreher von Obertürkheim fuhr mit einem Rad die Eßlingerstraße aufwärts und schob ein zweites Rad neben fich her. Ueber letzteres ver- lor er plötzlich die Herrschaft und kam mit beiden Rädern gegen die andere Straßenseite zu Fall, auf der ein Automobil daherkam. Letzteres konnte nicht mehr halten oder ausweichen, fuhr über den Radfahrer weg und tötete diesen. Weitere Untersuchung ist eingeleitet.
Scharnhausen OA. Stuttgart 9. Juli. Der bei dem Elektrizitäts-Werke in Altbach- Deizisau beschäftigte Arbeiter Berger ist hier bei Montierungsarbetten vom Dache abgestürzt und hat dabei seinen Tod gefunden.
Vom unteren Remstal 7. Juli. Unsere Weinberge stehen prächtig. Sie wurden bereits zum zweitenmal bespritzt. Trotz der anhaltenden Trockenheit war dies notwendig. Die Peronospara lauert nach den kaum sichtbaren Verfärbungen einzelner Blatipartien stet« im Hinterhalt. Da und dort zeigen fich auch die weißen Pilze an der Unterseite der Blätter. Die kühlen Nächte scheinen die Gewttterbildung zu verhindern. Steinobst und Aepfe! beginnen abzufallen. Auch bei den Futter-Gewächsen macht fich die Trockenheit sehr fühlbar. Da» Getreide nimmt bereits eine gelbliche Färbung an. Die Ernteaussichten sind günstig. Die Prestlingbeete lieferten anfangs reichen Ertrag. Schon find auch die Johannisbeeren zeitig. Der Preis der Kirschen geht etwas zurück.
Tübingen 9. Juli. (Auf de schwäbische Eisebahne). Vergangenen Sonntag nachmittag spielte sich aus dem hiesigen Bahnhof eine tragi« komische Szene ab. Ein „alter Herr" der Verbindung „Lichtenstein" wollte fich nach einem kürzeren Besuche zum Zweck der Besichtigung ihre« neuen Verbtndungshause« mit dem 2^ Uhr-Zug wieder nach Stuttgart zurückbegeben. Eine größere Anzahl von Verbindungsangehörigen be- gleitete den Gast auf die Bahn. Der „alte Herr" belegte das Abteil 1 Kl. eine« mehr am Hinteren Teile des Personenzug« befindlichen Waggon». Solange der Zug noch der Abfahrt wartete, unter- hieltm sich der Paffagier und seine begleitenden Verbindungsbrüder. Die Abfahrt de» Zuges ließ aber länger auf fich warten. Zur allgemeinen Ueberraschung fuhr dann der Zug ab und ließ den Wagen unsere« 1. Klaffe-Paffagier« stehen. Der Wagen war unmittelbar an den Zug heran- geschoben oder ohne Rumor abgekuppelt worden. Die Vorstellungen des zurückgelaffenen Herrn beim diensttuenden Schaffner fanden unfreundliche Auf. nähme, ja spöttische Erwiderung. Der Herr ver-
Unrecht Gut!
Roman von B. Corony.
(Fortsetzung.)
19. Kapitel.
Mehrere Stunden verstrichen. Dann wurde Arsens zu dem Oheim gerufen.
Er hatte sich so ziemlich erholt, aber wer ihn genauer betrachtete, mußte doch einen schwerkranken Mann in ihm erblicken.
„Komm her!" sagte er mit seinem alten befehlenden Tone. „Aber erst verschließe die Türe. Wir beide dürfen jetzt nicht gestört werden. Ich habe eine Beichte abzulegen."
„Ich mag sie nicht mehr hören!" erwiderte dar Mädchen, dis Hände abwehrend ausgestreckt.
„Du sollst und mußt!" Seine hageren Finger umklammerten ihr Handgelenk. Er zog sie auf das Sofa neben sich nieder. „Du wirst jetzt erfahren, was niemand weiß. Ich blicke auf keine vorwurfsfreie Vergangenheit zurück, aber für Deiner Vaters Mörders darfst Du mich nicht Hallen. Höre also!"
Da« Antlitz in den Händen verborgen, in fich selbst zusammengesunken, vernahm sie. wie ihn Katharinens Wunsch in jener Nacht zu dem Kranken geführt hatte, und wie er, im Begriff sich mit dem Lumpenbündel zu entfernen, hinterrücks überfallen und halb erdrosselt wurde.
„Wie Feuer sprühte es mir aus den Augen» meine Brust keuchte, in der nächsten Sekunde glaubte ich ersticken zu müssen," fuhr Huber fort. „Da tat ich, war mir der Selbsterhaltungstrieb gebot. Ich führte, da die würgenden Finger de» Angreifer« nicht zu lösen waren, mächtige Stöße
gegen seine Brust. E» war ein entsetzlicher Kampf im Dunkel der Nacht. — Endlich fühlte ich die Eisenklammern, welche meine Kehle zudrückten, schlaff werden. — Dann ließen sie lo», und eine schwere Masse fiel neben mir nieder. — Ich pflegte stets Stearinhölzer bei mir zu tragen; wieder zu Atem gekommen, rieb ich eins an. Der kleinen Flamme schnell ver- löschender Schein zeigte mir ein entsetzliche« Bild. Die skelettartige Ge- stall meines Stiefbruders Paul lag lang aurgestreckt auf den Dielen, purpurrote Tropfen sickerten über die bleichen Lippen. Man hätte ihn für tot halten können, wären seine Augen nicht so furchtbar lebendig gewesen. Sein Blick haftete an dem von mir achtlos beiseite geworfenen Bündel. „Bist wohl toll geworden?" keuchte ich ganz entsetzt, und dar Kerzen, stümpfchen, welche« mir aus der Hand geschlagen war, wieder anzündend. „Wer nahm Dir etwas weg, und konnte Dir was nehmen? Geld, Kleider, Proviant habe ich gebracht. War fielst Du mich an wie ein Wegelagerer? Da wars natürlich, daß ich Dich zu Boden schleuderte wie einen solchen."
Paul vermochte nicht zu antworten, und als er hilflos liegen blieb, hob ich die abgezehrte Gestalt mit meinen kräftigen Armen empor und trug sie auf das Bett. Der Kranke bewegte den Mund, ohne einen Laut hervorzubringen. Seine fleischlose Hand wies nach dem Bündel. „Um diese Fetzen ist e« Dir zu tun?" fragte ich. Na meinetwegen, die kannst Du haben." Ich wollte darnach greifen, aber ein röchelnder Schrei lenkte meine Aufmerksamkeit auf Paul. Dieser richtete sich mit furchtbarer Anstrengung noch einmal empor, sank aber jäh zurück. Ein krampfhafte« Zucken der Glieder, ein dicker schwarzer Blutstrom, der aus dem Munde quoll — dann war aller vorüber, nur die wett geöffneten Augen starrten immer noch nach dm elendm Lumpen. — Ich fühlte Fieberfrost durch meine Adern rinnen und meine Zähne schlugen aufeinander. Mich, der in bester Absicht kam, traf kein Vorwurf. Ich hatte dem Menschen dort, dessen