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Tuttlingen 6. Juli. Wie derGrenz­bote" berichtet, sanken gestern vormittag etwa 11 Uhr die Reste der Schwarzwald-Donau in den bekannten Löchern oberhalb Möhringen mit den betrübenden, oft schon beschriebenen Begleiter­scheinungen. daß tausende von Fischen in ver­schiedener Größe zappelnd ihrem Tode entgegen- gingen. Nachdem der Wiesenrand abgeräumt »ar, ging die Donau sehr schnell in ihren Wasser- stand zurück. Die Zeit einer längeren Trocken­heit des Donaubettes scheint wieder angebrochen zu sein.

Biber ach 6. Juli. Nach einer langen Periode großer Trockenheit schien es, als ob am Samstag ein Gewitter den ersehnten Regen bringen wolle. Der Regen war aber nur ganz unbedeutend, dagegen schlug der Blitz in das Anwesen der Bauern Matthias Beck in Schloltertal, Gde. Ring­schnait, hiesigen Oberamts. Der Strahl fuhr an einer Giebelseite des einsam stehenden Wohn- und Oekoromiegebäude« ein und zündete sofort. Das Gebäude ist vollständig niedergebrannt, es gelang nur mit Mühe, das Vieh zu retten, während das übrige Inventar vernichtet wurde. Der 34jährige Knecht de» Abgebrannten wurde von dem Blitz­strahl in der Scheune getroffen und war sofort tot.

Vom Oberland 6. Juli. Während eines Gewitters fiel nun schon zum drittenmal im Oberamt Waldsee Hagel.

Ulm 6. Juli. Dem Schweinemarkt waren 271 Milchschweine und 5 Läufer zugeführt. Der Handel war etwas gedrückt, weshalb die Preise zurückgingen. Für Milchschweine wurden 1926 ^ und für Läufer 4059 ^ erlöst.

Friedrichshafen 6. Juli. Der Ober- ingenieur Dürr des Grafen Zeppelin wurde am gestrigen Sonntag zum Königlicken Hofe befohlen, woselbst ihm von S. M. dem König eigenhändig die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft am Bande des Friedrichkordens überreicht wurde. Diese Auszeichnung de« noch jugendlichen, un­ermüdlichen und pflichtgetreuen Mitarbeiters des Grafen Zeppelin hat hier große Freude erregt.

Friedrich-Hafen 5. Juli. Gestern abend S Uhr und heute nachmittag 12 Uhr entlud sich über Friedrichshofen und Umgebung ein schweres Gewitter mit starkem Hagelschlag. Die Garten- gewächss find vernicht, der Schaden, den das Un- weiter an den Obstbäumen anrichtete, ist noch nicht zu übersehen. Heute früh trafen etwa 130Mitglieder der Fleischer-Innungen aus Württemberg, Baden und Bayern mit Musik hier ein, um mit dem DampfbootChristoph" nach Lindau und von da nach Kon stanz zum Jnnungsfest zu fahren. In Lindau werden sich etwa 100 Mitglieder an- schließen. Derzweite Stuttgarter Ferienzug kam heute früh mit 400 Passagieren am Hafenbahn­hof an. An der Rundfahrt mit dem Dampfer Württemberg" nahmen 70 Personen teil, der größere Teil fuhr mit dem ExtrabootKönig Karl" nach Bregenz. Die Beteiligung an den

Stuttgarter Ferienzügen wird jedes Jahr eine geringere. Während früher ca. 2200 Personen diese Fahrgelegenheit benützten, fanden sich heute nur einige Hundert ein. Diese Tatsache mag ihren Grund in der Einführung der IV. Wagen- klaffe und deren Billigkeit haben.

Vom Vorbachtale 4. Juli. Infolge des herrlichen Wetters vollzog sich die Trauben, blüte sehr rasch und läßt der gegenwärtige Stand auf einen schönen Ertrag hoffen. Im Laufe dieser Woche wurde auf amtlichen Befehl zum zweiten Mole bespritzt, denn die ksrouosxorn zeigt sich auch in diesem Jahre in verschiedenen Lagen. Durch die gesteigerte Nachfrage nach Heu zogen die Preise etwas an und kostet der Zentner 2.402.70 Unsere meist gut gelegenen Wiesen lieferten ein kräftiges Futter und trocknete vorzüglich. Auch die Sommer- und Winterfrüchte stehen zur Zeit ausnahmslos schön und ver- sprechen eine reiche Ernte, ebenso weisen die Kartoffeln einen prächtigen Stand auf. Treten keine Schaden bringende Naturereignisse ein, so so kann der Landwirt einem segensreichen Jahr entgegensetzen.

München 6. Juli. Gestern nachmittag wurden an der Kampenwar.d mehrere Touristen von einem heftigen Unwetter überrascht. Der Breslauer Student der Medizin, Robert Schulz und der Realschüler Gräbel aus Bayern wurden vom Blitze erschlagen, ein Herr aus Hamburg wurde betäubt. Letzterer konnte mit dem Schnell­zuge dis Rückreise antreten. Die beiden Getöteten wurden von einer Rettungs-Expedition zu Tal gebracht.

Berlin 6. Juli. Der Andrang des Pub­likums zu dem im alten Moabiter Gerichtsgebäude gelegenen großen Schwurgerichtrsaal, in dem der Prozeß gegen den Fürsten Eulenburg statt- findet, ist heute trotz des schlechten Wetter- ungemein stark, so daß dis Polizeimannfchast ver- stärkt werden mußte. Der Fürst sieht heute auffallend schlecht aus. Er hat den gestrigen Sonntag schlecht verbracht und keine Minute ge­schlafen. Die Aerzte glauben nicht, daß der Fürst die ganze Woche hindurch verhandlungsfähkg sein wird und wollen die Einlegung eines Ruhetages beantragen. Bei der Eröffnung der heutigen Verhandlung beantragten die Verteidiger, weitere drei Entlastungszeugen zu laden. Zunächst wird heute Oberhofmarschall Graf August Eulenburg als Zeuge vernommen. Generalleutnant z. D. Graf Kuno von Moltke ist bis Mittwoch beurlaubt. Nach dem Grafen Eulenburg wird Milchhändler Riedel aus München über den Verkehr mit Eulen- bürg vernommen werden. Daran werden sich die Vernehmungen mehrerer unbekannter Leute aus München «»schließen, die angeblich über die Glaub­würdigkeit und den Charakter des Zeugen Riedel und wohl auch über den sr. Zt. stattgefundenen Verkehr mit Riedel Andeutungen machen sollen. Nach einer halbstündigen Pause wird die Ver­

nehmung de« Milchhändler« Riedel fortgesetzt. Riedel hält seine Aussagen, die er in dem Belei- digungsprozsß Harden« gegen den Redakteur Gtädele vor dem Münchener Schöffengericht am 21. April 1908 machte, mit aller Bestimmtheit aufrecht. Er erzählt, er sei als 19jähriger junger Mann Schifferknecht bet seinem Vater gewesen und habe die feinen Herrschaften nach dem Starnberger See gefahren, wobei er den damaligen Grafen Eulen- burg kennen gelernt habe, der sich mit ihm sehr jovial unterhielt und ihm schließlich unsittliche Anträge gemacht habe. Der Graf habe ihm sehr gute Belohnung in Aussicht gestellt, worauf er infolgedessen mit dem Grafen homosexuelle Hand- lungen begangen habe. Durch Vermittelung de« Grafen sei er zum 4. Chevaulegers-Regiment nach Augsburg gekommen, wo er auch mehrfach den Grafen besucht habe. Eines Tages Habs ihm der Graf einen feinen Herrn vorgestellt und sich dann entfernt. Der Herr Habs darauf homo­sexuelle Handlungen mit ihm vorgenommen und ihm 10 gegeben. Der Angeklagte Fürst Eulenburg bestreitet mit großer Entschiedenheit, doß er mit dem Zeugen irgendwelche strafbare Handlungen vorgenommen habe. Der Zeuge müsse von irgend einer feindlichen Partei bestochen worden sein. Zeuge Riedel weist dies mit Ent- rüstung zurück und hält mit großer Entschiedenheit seine Aussage aufrecht. Mit Rücksicht auf dis Krankheit de« Fürsten wird die Vernehmung des Zeugen Riedel und auch die Verhandlung unter­brochen. Riedel soll morgen vormittag 11 Uhr weiter vernommen werden. Medizinalrat vr. Hofmann wurde heute vom Vorsitzenden gefragt, ob die von der Presse so vielfach gerügten Spazier­fahrten des Angeklagten nach Schluß der Ver­handlungen wünschenswert seien, vr. Hofmann bemerkte hierzu, daß die Fahrten nicht nur wünschenswert, sondern im Interesse der Erhaltung der Gesundheit des Fürsten und dessen Vernehmungs- fähigkrit dringend nötig seien. Jeder Gefangene werde spazieren geführt, da der Angeklagte aber nicht gehen könne, müsse er eben gefahren werden.

Berlin 6. Juli. Bei der von der hiesigen amerikanischen Kolonie veranstalteten Feier de« Unabhängigkettstages hat der neue Bot- schaftsr der Union, Hill, am Samstag Abend eine Rede gehalten, die seinen Gesinnungen das beste Zeugnis ausstellt. Der Botschafter forderte u. a. seine in Berlin weilenden Landsleute auf, für eine weiters Befestigung der guten deutsch-ameri­kanischen Beziehungen zu wirken.

Warschau 6. Juli. Am Sonntag abend wurde in Lodz von einer Polizeipatrouille in der Petrikaustraße ein elegant gekleideter junger Mann, der auf dem Trottoir ging und etwas notierte, beobachtet. Nachdem man ihn eine Stunde be­obachtet hatte, befahl der Polizeibeamts dem jungen Mann, er solle dieHände hoch" halten. Als er, wahrscheinlich weil er den Befehl nicht verstand, nicht Folge leistete» erschossen die Schutzleute mit ihren Mauserpistolen

Wer ist da?" rief sie.

Ich der Friedrich, gnädiger Fräulein. Verzeihen Sie die Störung, aber es muß sein."

Ist etwas vorgefallen?"

-»Ja."

»Ich öffne gleich."

Arsens sprang vom Lager auf, schlüpfte in die Pantoffkln, warf den Schlafrock über und schloß auf.

Sind Orkel und Tante heimgekommen? Ist jemand krank ge­worden ?" fragte sie, des alten, totenblassen, mit schotternden Gliedern vor ihr stehenden Dieners ansichtig werdend.

Nein; aber jemand hat sich in da« Arbeitszimmer des gnädigen Herrn geschlichen. Ich vermute, daß es kein anderer als Franz, dem schon wegen Unehrlichkeit gekündigt wmde, sein kann. Ich Habs einen gar leichten Schlaf und vernahm Geräusch, wie wenn einer vorsichtig die Wand ent- lang fchleichen tät! Ich wartete ein wenig, stand dann auf, sah nach und überzeugte mich, doß jemand im Zimmer des Kommerzienrats fein müsse, denn oberhalb der Türschwelle war ein schwacher Lichtschimmer zu bemerken. Lin Greis wie ich, kann sich mit einem kräftigen Burschen nicht messen. Ich ging daher hinab, weckte den Kutscher und den Gärtner und schickte den Hausdiener nach dem hier in der Nähe postierten Polizisten. Aber da der Dieb vermutlich den Sekretär erbrochen hat, müssen gnädiges Fräulein mit uns eintreten, damit, wenn doch etwas fehlen sollte, der Ver­dacht keinen Unschuldigen trifft. Tie vertreten doch jetzt unsere Herrschaft."

Gewiß komme ich mit!"

Der Korridor ist bewacht und Franz gefangen wie ein Dachs in seinem Bau. Daß er und kein anderer da drinnm ein lichtscheue» Werk

verrichtet, weiß ich ganz genau, da seine Kammer leer stand. Wäre ihm alles gelungen, so würde er morgen früh dar Weite gesucht haben, erreicht aber jetzt die Treppe nicht, ohne festgehalten zu werden."

In der Tat wurde Franz vor dem Schreibtisch seines Herrn über­rascht, den cr mittels eine« Nachschlüssels geöffnet hatte. Papiere lagen zerstreut umher. Alle Fächer waren aufgezogen und des Inhalts entleert. Banknoten, Gold und Silber steht man aufeinander gehäuft und darunter ein blitzende«, funkelnder Etwas: das Armband, welches zu dem Flakon gehört. Arsens erkennt sofort die Blumenranke und den Schmetterling. Rasch und unbemerkt entzieht sie das Geschmeide den Blicken der anderen, während der Einbrecher ergriffen wird. Jeder Nerv zittert und vi­briert in ihr. Nun hat sie ja Gewißheit. Da» einzige noch fehlende Glied in der Kette der Beweise ist gefunden. Ein kalter Schauder durchrieselt sie bei dem Gedanken:Der Mann, unter dessen Dache Du lebst, war vielleicht der Mörder Deines Vaters."

Franz setzte sich erst verzweifelt zur Wehre, war aber, als die Polizei erschien, rasch überwältigt, machte keinen Versuch mehr zu entfliehen und gestand, vor Wochen einen Wachsabdruck von dem Türschloß genommen zu haben. Er wurde im Nebenzimmer untersucht, hatte aber noch keine Zeit gefunden, etwa« von den geraubten Wertgegenständen zu sich zu stecken. Alles blieb unberührt liegen. Arsene schloß die Stube ab und übergab den Schlüssel einem der Polizisten.

Auf ihre Entscheidung hin unterließ man es, an den Kommerzienrat zu depeschieren. Der Dieb war ja verhaftet worden, ehe er seine verbre- cherische Absicht ausführen konnte.

(Fortsetzung folgt.)