156. Amts- und ÄMigeblatt für den Oberamtsbe^rrk Calw. 83. Iahrgttß.
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Erscheinun-Staze: Montag, Dienrtaa, Mittwoch, »onnirltag, Freitag und EamStag. Jnlertionipreis 10 Pfr- pro Zeile für Stadt u. vezirttorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Dienstag, den 7. Juli 1908.
BezugSpr. t. b. Stadt >/^SHrl. m. Lrllgerl. Mk. 1.25. Postbezuglpr. f. d.Orts- u. NachbarortSverk. >/^LHrl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Württ. 80 Psg., in Bayern u. Reich 42 Pfg.
TagrSxmigkeite«.
* Calw 6. Juli. Die Heidelbeer- ernte hat begonnen und liefert eine gute Einnahme für unsere Waldorte. In unserer Gegend darf der Ertrag als starke Mittelernte bezächnet werden. Hunderte von Personen steht man im Walde, dis Beeren sammeln und abends mit gefüllten Körben heimziehen. Die Bewohner der nächsten Gäuorte benützen ebenfalls die Ge« legenheit zum Sammeln, sowohl in den Staats- als Gemeindewaldungen. In den letzten Jahren suchen die Gemeinden das Erzeugnis des Waldes für ihre eigenen Angehörigen zu wahren und verbieten daher den Fremden den Eintritt in den Wald zum Heidelbeersammeln. Das „Reffen" ist bis jetzt noch verboten und mit vollem Recht, denn es werden zu viel halb- und unreife Beeren mit abgerissen. Für mit der Hand gesammelte Heidelbeeren wurden am letzten Wochenmarkt 12 pro Liter bezahlt.
8. 6. Teinach 6. Juli. Das Gammeln der in den ausgedehnten Waldungen unserer Umgegend zahlreich vorkommenden Heidelbeeren hat begonnen. Dank der heißen Witterung der letzten Wochen sind sie rasch gereift. Der Ertrag ist sehr gut. Dar Liter wird im Kleinverkauf zu 20 H abgesetzt; später werden die Preise noch finken. Auch die Himbeeren versprechen eine reiche Einte.
Stutttgart 6. Juni. Eine ausregende Szene spielte sich heute mittag im Schalter - raum des Postamt» Nro. 3 (Wilhelmrplatz) ab. Eine Frauensperson im Alter von ca. 30 Jahren lauerte von 2 Uhr ab dem Postsekretär Zatser auf. Al« dieser nun gegen 3 Uhr am Post- anwetsungsschalter erschien und eine Anweisung entgegennahm, gab sie fünf Schaffe auf ihn ab, von denen einer durch die Wange ging, während
ein zweiter ihn in den Rücken traf. Die drei anderen Schüsse gingen fehl. Die Attentäterin namens Rosa Löwenberg wurde sofort, ohne Widerstand von ihrer Seite, festgenommen. Der Grund zur Tat dürfte in Rache und Eifersucht zu sein. Der Postsekretär wurde in» Katharinenhospital verbracht. Von anderer Seite wird zu dem Vorfall noch gemeldet: Die Attentäterin ist Damenschneiderin und Inhaberin einer Pension. Sie machte schon vor mehreren Jahren unliebsam von sich reden, indem sie damals einen Finanzbeamten, mit dem sie ein Liebesverhältnis gehabt hatte, ständig be- lästigte, sodaß dieser sich genötigt sah, behördlichen Schutz in Anspruch zu nehmen. Wie wir hören, soll es sich auch bei dieser Affäre um ein Eifersuchtsdrama handeln. Die Verwundungen der Z. find nicht lebensgefährlich.
Stuttgart 6. Juli. Mit den Arbeiten für den Umbau de» Hauptbahnhofs wird nunmehr begonnen. Die Württ. Eisendahnverwaltung hat bedeutende Erd-, Betonier- und Maurerarbeiten und einen Tunnel von 680 m Länge mit einem Kostenaufwand von mehreren Millionen Mark zur Vergebung ausgeschrieben. Diese Arbeiten sollen binnen 2'/- Jahren aus- geiührt werden. Hieran anschließend kommen im Verlauf der nächsten Jahre weitere größere derartige Arbeiten zur Vergebung.
Stuttgart 6. Juli. Von den Geldpreisen für das auf der Landwirtschaftsausstellung vorgeführte Rindvieh find 12275^ an württembergische Landwirte gefallen.
Heilbronn 6. Juli. Die Traubenblüte ist dank der guten Witterung glücklich vorübergegangen und der Stand der Weinberge so schön, daß die Weingärtner auf einen hin- sichtlich Quantität und Qualität recht guten Herbst hoffen. — Die hiesige Gemetndejagd in
Feld und Wald, etwas über 9 300 Morgen groß, hat Gottlob Schweikert, Privatier, für jährlich 1800 ^ auf 6 Jahre gepachtet. Die hiesige Jagdgesellschaft, die seit 58 Jahren besteht und die letzten 6 Jahre Pächterin für 1500 ^ jährlich war, hat kürzlich bet der Verpachtung ein Angebot von 1750 gemacht. Einer vom Gemeindeamt angebahnten Verständigung zwischen Privatier Schweikert und der Jagdgesellschaft bezüglich der Teilung der Jagd, hat die Jagdgesellschaft die Zustimmung versagt. — Dem Grafen v. Zeppelin hat der hiesige Gemeinderat zu seinen neuesten großen Erfolgen auf dem Gebiete der Luftschiffahrt ein in herzlichen Worten gehaltener Glückwunschtelegramm gesandt.
Künzelsau 4. Juli. Ein eigentümlicher Hanvel kam zwischen dem Kronenwirt in Langenbeutingen und Metzgermeister Fischer in Neuenstadt zu stände. Fischer kaufte von elfterem ein Pferd um 3000 Knackwürste, lieferbar in 3 Jahresraten L 1000 Stück. Das Geschirr gehört dazu.
Tübingen 6. Juli. Al« Apotheker Les sing mit zwei Fischern in einem Kahn auf dem Neckar fuhr, bemerkte er dieser Tage, daß ein 13jähriger Schüler, der au» der städtischen Badeanstalt in den offenen Neckar herausgeschwommen, nahe am Ertrinkm war. Es gelang den vereinten Anstrengungen der drei Männer, den Knaben noch rechtzeitig in den Kahn zu bringen und zu retten.
-s. Oberndorf 6. Juli. In letzter Sitzung der bürgerlichen Kollegien wurde ein- stimmig die Erbauung eines neuen Schlachthauses beschlossen nach den Plänen von Architekt Hennings- Stuttgart mit einem Kostenaufwand von 110000 ^ einschließlich der maschinellen Einrichtung.
Unrecht Gut!
Roman von B- Corony.
(Fortsetzung.) X
18. Kapitel.
Guido kam von jetzt an sehr seltsam und nur wenn er seine Eltern daheim wußte. Arsen konnte sich endlich nicht mehr darüber täuschen daß er ihr auswich, aber wer liebt, sucht zu entschuldigen und wehrt sich gegen die furchtbare Gewißheit, verlassen zu sein. Das tat auch sie. und neigte immer mehr dem Glauben zu, selbst zu viel Härte und Herrschsucht gezeigt und den teuren Mann damit tödlich verletzt zu haben. Jetzt hätte sie ihm wieder zu Füßen liegen und jedes voreilige Wort widerrufen mögen, fand aber keine Gelegenheit, Guido ohne Zeugen zu sprechen. Er ist ihr freilich nicht verschwiegen geblieben, daß er nie unter den Gästen des Grafen Selwitz fehlt, daß man ihn häufig neben der Equipage der Gräfin herreiten und mit dem wachsbleichen Komteßchen lachen und plaudern steht, aber vielleicht hatte ihn gerade Arsenes häßliche», herrisches Wesen dazu getrieben, solchen Trotz hervorzukehren. Da» konnte sie ihm nachfühlen. Im gereizten Zustande wäre e« ihr auch möglich gewesen, alle Welt zu provozieren.
„Nichtchen, Du mußt auf kurze Zeit die Pflichten der Hausfrau übernehmen," sagte Katharina eine» Tages. „Ich und der Onkel, wir konnten eine dringende Einladung nicht ablehnen. Da» Landhaus, welcher Graf von Selwitz bei Wiesbaden erworben hat, soll festlich eingeweiht werden. Wir fahren Sonnabend nachmittag hin und kehren Montag zurück. Du bist unterdessen so gut, die Schlüssel zu verwahren und an meine Stelle zu treten."
„Selbstverständlich! — Ist Guido ebenfalls gebeten?"
„Wahrscheinlich. Gesprochen habe ich ihn ja seit Wochen nicht."
„Er kam sonst häufiger."
„Der Dienst wird ihn abhalten.'"
„Er hält ihn nicht ab, Komtesse Julianen» Begleiter zu sein."
„Lieber Kind
„Ja, ja, ich weiß schon, was Du sagen willst: er kann nicht anders, hat Rückfichten zu nehmen und so weiter — es wird ja auch wohl so sein. — Also um das Hauswesen brauchst Du Dir keine Sorge zu machen. Mein Wort darauf, daß ich es mit Eifer und Treue verwalte."
„Ich erwarte auch nicht weniger von Deinem Pflichtgefühl."
Al» der Sonnabend gekommen war, und Huber« zur Bahn fuhren, konnte Arsens eine immer wachsende Unruhe nicht bestegen. Bis spät in die Nacht hinein wandelte sie rastlos durch die prächtig ausgestattetsn, jetzt vereinsamten Räume der großen Wohnung, verfolgt von bösen Ahnungen. Eine innere Stimme hörte nicht auf, ihr zuzuflüstern: „Heute wird iwer dein Geschick entschieden. Heute nimmt man Dir, woran Du einzig noch hängst auf dieser Welt."
Endlich forderte der müde, erschöpfte Körper sein Recht. Sie ging zur Ruhe. Aber selbst in ihrem Halbschlummer, drängten sich quälende Bilder der erregten Phantasie. Sie meinte immer flüsternde, kosende Worte zu vernehmen, doch diese waren nicht an sie gerichtet, sondern an ein überschlankes, blasses Mädchen mit kastanienbraunem Haar und matten, hellblauen Augen. — Endlich verflossen diese Wahnvorstellungen in graue, immer dichter werdende Nebel. Arfene schlief. Im Hause war bereits alle» totenstill.
Plötzlich fuhr sie empor, mit stockendem Atem und fchweißbedeckter Stirn. Hatte da nicht jemand gepocht? — Nein! — Es mußte Ein- bildung gewesen sein. — Und doch nicht! Das Klopfen wiederholte sich, wenn auch leise.