wenn der Nicht-Automobilist zu dem Schluffe kommt: solche Fahrten sind nur eine Störung des Verkehrs und womöglich eine Gefahr; man sollte sie daher einfach verbieten.

Diese Ansicht wäre wohl berechtigt, wenn wirklich die Tourensahrten nur ein sinnloses Um­herfahren wären. Aber die Prinz-Heinrich-Fahrt ist ebenso, wie es früher die Herkomer- und andere Fahrten waren, doch mehr als eine bloße Spazier­fahrt durch Deutschlands Gaue; sie ist eine Probe dessen, was die Kraftwagen zu leisten vermögen. Bet allen Verkehrseinrichtungen, ja bet allen Forsch­ungen und Erfindungen ist ein praktisches Aus­probieren der verschiedensten Dinge nötig, und wenn keine Gelegenheit zum Ausprobieren gegeben würde, könnte kein Fortschritt stattfinden. So gut unsere Kinder in den Schulen geprüft und nach dem Er­gebnisse der Wettbewerbe gesetzt werden, ebenso werden auch die Verkehrseinrichtungen danach be­wertet, wie sie sich in den Konkurrenzen gehalten haben. Was wäre wohl aus der Dampfschiffahrt geworden, wenn sich die einzelnen Länder und Ge­sellschaften nicht so scharfe Konkurrenz gemacht hätten? Zu Anfang handelte es sich stets darum, wer am schnellsten zu fahren vermochte, und diesem Streben verdanken wir die großen, schnellen Schiffe, die man nicht mit Unrecht die Ozeanwindhunde ge­nannt hat. Aber dann sah man ein, daß die Wirt­schaftlichkeit doch allzusehr darunter litt, wenn man die Schiffe nur mit Rücksicht auf ihre Schnelligkeit bauen wollte. Und so kam man ganz von selber dazu, die Güte eines großen Dampfers nicht nur von seiner Schnelligkeit, sondern auch von seinem ruhigen Gang, seinem möglichst sparsamen Kohlen­verbrauch, seiner Ladefähigkeit und nicht zuletzt von seiner bequemen Einrichtung abhängig zu machen. Ganz ähnliche Entwicklung zeigen die Eisenbahnen, die Straßenbahnen usw. Man kann nun ohne weiteres verstehen, daß ein so gänzlich neues Fahr­zeug wie das Automobil nur dann Fortschritte auf­weisen kann, wenn genügend Gelegenheit geboten wird, alle Einzelheiten der Konstruktion auszu­probieren. Wie alle diese Dinge: Motore, Räder, Karrosserie, Anordnung der Federung, Betriebsstoff usw. beschaffen sein sollen, muß die Praxis lehren.

Wohl kann man im gewöhnlichen Betrieb der Fahrzeuge viele Erfahrungen sammeln, aber das erfordert Zeit, und die Industrie und auch die Käufer haben doch ein Interesse daran, möglichst bald ein in jeder Beziehung einwandfreies Gefährt herzustellen oder zu kaufen. So richtete man auch für die Automobile Konkurrenzen und Wettbewerbe ein. Aehnlich wie im Schiffsverkehr stand zuerst die Schnelligkeit im Vordergrund des Interesses. Aber diese einseitige Betonung der Geschwindigkeit verleitete die Industrie dazu, besondere Rennwagen zu bauen, die natürlich für die gewöhnlichen Straßen­verhältnisse ohne jede praktische Bedeutung waren. Aber Solidität der Fabrikate, Sicherheit der Motore, Sparsamkeit im Verbrauch des Betriebsstoffes, Be­quemlichkeit in der Anordnung der Sitze usw. find mindestens so wichtig wie die Erlangung einer Ge­schwindigkeit, die über das brauchbare Maß hinaus­geht. Die bei den großen Rennen gesammelten Erfahrungen ließen sich aber nicht schlechthin auf die gewöhnlichen Straßenwagen anwenden. So mußte man also Gelegenheit zur Prüfung von Ge­

brauchswagen schaffen, und diesem Zwecke dienen die Tourenfahrten.

An den Tourenfahrten dürfen sich nur. .Prak­tische Gebrauchswagen beteiligen, die schon längere Zeit im gewöhnlichen Verkehr benutzt worden find. Sie müssen während des Wettbewerbes so gefahren werden, wie man sie alle Aäge fährt. Der Chauffeur darf täglich nur eine Stunde vor der Abfahrt mit der Reinigung und Instandsetzung des Wagens zu­bringen; wer sich aber länger mit dieser Arbeit auf­hält, bekommt Strafpunkte. Auch jede Reparatur unterwegs wird mit Strafpunkten belegt. Sieger bleibt der Wagen, der nach Ablauf der Tourenfahrt die wenigsten schlechten und die meisten guten Punkte aufweist.

Um nun auch einen Wettbewerb dessen, was die einzelnen Wagen über das normale Maß hinaus leisten können, zu ermöglichen, werden an zwei ab­gesperrten kurzen Strecken der Fahrt Schnelligkeits- Prüfungen abgehalten, die eine in der Ebene, die andere in den Bergen. Da nun Wagen der ver­schiedensten Größen vorhanden find, so hat man für jede Größe eine Durchschnittsleistung festgesetzt, die mindestens erreicht oder besser noch überboten werden muß. So kommen große und kleine Wagen zu ihrem Recht. Abgesehen von diesen besonderen Schnelltg- keitsprüfungen auf kurzer abgesperrter Strecke wird die Schnelligkeit nicht bewertet. Im Gegenteil: jeder Wagen ist streng verpflichtet, das von dem ersten Wagen angegebene Tempo innezuhallen, und kein Wagen darf an dem vorausfahrenden vorbeipassieren, wenn dieser nicht durch Reparaturen aufgehalten wird. In diesem Falle muß der verunglückte Wagen durch Aufstecken einer weißen Fahne ein Zeichen geben. Alle Wagen sind mit Geschwindigkeitsmessern versehen, sodaß jeder Fahrer ständig über seine Schnelligkeit unterrichtet bleibt. Die Geschwindigkeit, die der Wagen der Oberleitung angibt, darf das Maß dessen nicht übersteigen, was ein vernünftiger Automobilist in ruhiger Fahrt anwendet.

Diese strengen Bestimmungen zeigen wohl am besten, daß die Prinz-Heinrich-Fahrt niemals in wilde Raserei ausarten kann. ES ist ja bekannt, daß der Bruder unseres Kaisers, der eifrige Förderer des Automobilwesens, nichts so sehr haßt wie diewilden Fahrer" und daß er mit unweigerlicher Strenge gegen alle Auswüchse des Sports vorgeht. So wird die Tourenfahrt, die seinen Namen trägt, ganz be­sonders gegen den Schnelligkeitsteufel gefeit sein. Natürlich wird die Geschicklichkeit des Fahrers sehr viel zum Siege beitragen. Denn durch ungeschicktes und unvorsichtiges Fahren entstehen nur zu oft Un­fälle der Wagen und jeder dadurch verursachte Fehler im Fahren wird mit Strafpunkten oder völligem Ausschluß von der Konkurrenz bestraft. Die Touren- fahrt führt durch die norddeutsche Tiefebene über Stettin, Mecklenburg, Hamburg nach Hannover, und von dort durch die westfälischen und rheinischen Berge nach Frankfurt, dem Endpunkt der Fahrt. Es werden gute und schlechte Wege befahren, krumme und grade, steile und ebene, große Städte und kleine Dörfer werden passiert, vielleicht auf staubigem oder schlüpf­rigem Pflaster. So müssen die Fahrer schon ihre ganze Aufmerksamkeit der Fahrkunst widmen, wenn sie ihren Wagen ohne Strafpunkte durch alle Wege führen wollen. Die Fabrikanten werden aber bei so starker und anhaltender Inanspruchnahme der

Wagen weit mehr Erfahrungen sammeln können als unter den gewöhnlichen Verhältnissen.

Zum Schluß könnte man wohl fragen: ja, ist denn das Automobil eine so wichtige Erfindung, daß eS sich lohnt, solche Opfer an Zät und Kosten zu bringen? Wer ein wenig die Entwicklung des Automobils verfolgt hat, der hat auch gesehen, daß der Kraftwagen bestimmt ist, ein gemeinnütziges

ttel

VerkehrSm Omnibus find, heute erst

zu werden, Und wenn

wie es Postkutsche und auch diese Entwicklung m Anfang steht, so gibt doch die Auto­mobilindustrie schon Hunderttausenden von Arbeitern und Angestellten Brot, und unsere Ausfuhr an Auto­mobilen beläuft sich jährlich schon auf 20 Millionen Mark. Es ist also berechtigt, für die Weiterent­wicklung dieser jungen Industrie Sorge zu tragen, und die Prinz-Heinrich-Fahrt will auch nichts weiter sein als ein Mittel, diese Entwicklung zu fördern.

Vermischtes.

Eine Diebsfalle. Es ist oft schwer, Hausdieben auf die Spur zu kommen, und die Gefahr liegt nahe, einen Unschuldigen zu ver­dächtigen, was für ein einigermaßen feinfühlende« Gemüt peinlicher ist, als der Verlust an Geld usw. In einem Londoner Hospital hat nun kürzlich eine ebenso einfache wie zuverlässige Dieb», falle zur Entdeckung geführt. Verschiedentlich waren den Angestellten Gegenstände abhanden gekommen; als Köder für den Dieb legte man in einen unverschlossenen Wandschrank eine Geld­börse, die mit einer dünnen» für das bloße Auge kaum sichtbaren Schicht von Anilinpulver bestreut war. Dieses Pulver, dar auch zu Tinten benutzt wird, erzeugt auf jedem feuchten Gegen, stände, z. B. der Hand, blaue Flecken. Nachdem die Geldbörse verschwunden war, fand man in dem Handtuche, dem Taschentuchs und an Hand­schuhen einer Wärtertn die verräterischen blauen Flecken; nach einigem Leugnen gestand die Diebin ihre Schuld ein.

Humoristisches.

Eine nette Familie. Verteidiger:

. Dann bitte ich zu berücksichtigen, hoher Gerichtshof, daß der jugendliche Angeklagte bei seiner Erziehung der väterlichen Hand entbehren mußte, denn er hat seinen Vater überhaupt nie gekannt. Am Tage, da er geboren wurde, mußte dieser auf sechzehn Jahre ins Zuchthaus!" Richter:Aber der Angeklagte ist doch schon weit über sechzehn Jahre alt! Wie sollte er da seinen Vater nie gesehen haben?" Verteidiger:Ganz richtig! Aber als der Vater aus dem Zuchthause entlassen wurde, da war der Sohn schon drinnen!"

Aus dem Briefe einer Gattin an ihren auf Reisen befindlichen Mann.Elender Heuchler: die angeblichen Sehnsuchtstränen, womit Dein letzter Brief beschmutzt war, ließ ich chemisch unter- suchen; sie haben sich als Champagnerflecken heraus- gestellt."

Amtliche und prioatanzeigen.

Liebenzell.

Der im vorigen Jahr mit gutem Erfolge eingeführte

Leveusrnittelrnarkt

findet auch Heuer wieder und zwar jede« Freitag Vormittag, erstmals am 8. J««i ds. Js., beim RathauS statt, wobei bemerkt wird, daß ein Standgeld nicht erhoben wird.

Stadtschuttheitzerramt.

Mäulen.

Rötenbach.

ald-Berkauf.

Die Erben des verstorbenen

Johann Michael Lnz, Bauers in Jgelsloch j - und MatthSns Lvj, Bauers in Jgelsloch / valsie bringen am Dienstag, den s. Jnni ds. Js., nachmittags 2 Uhr, in dem Rathaus in Rötenbach nachstehenden Wald im öffentlichen Aufstreich zum Verkauf:

Markavg Rötenbach:

Parz. Nr. 221 1 tis 74 a 79 qm Nadelwald in inneren Mädern, Distritt Oberwürzbach.

Der Wald wird durch Amtsdiener Pfromm er hier vorgezeigt.

Den 29. Mai 1908.

Im Auftrag: Schultheiß Dengler.

Bekanntmachung,

betreffend dir Errichtung einer Schlnchtereiavlage in Ztummhei«.

Carl Roller, Metzger und Bärenwirt in Stammheim, beabsichtigt in seinem seitherigen Back- und Waschhaus Nr. 148 k in Stammheim eine Schlächtereianlage zu errichten.

Dies wird mit der Aufforderung bekannt gegeben, etwaige Einwendungen gegen das Unternehmen binnen 14 Tage« beim K. Oberamt Calw anzubrtngen.

Nach Ablauf der Frist können Einwendungen in dem Verfahren nicht mehr angebracht werden.

Beschreibung und Pläne liegen zur Einsicht in der Oberamtskanzlei auf.

Calw, den 30. Mai 1908.

K. Oberamt.

Amtmann Rippmann.

Bekamtmachuvg,

betreffend die Errichtung einer SchlSchtereiaulage in OberkMnugen.

Johannes Schaible, Metzger in Oberkollwangen, beabsichtigt in seinem Neubau auf Parzelle 35 am Ortsweg Nr. 7 in Oberkollwangen einr Schlächterei­anlage zu errichten.

Dies wird mit der Aufforderung bekannt gegeben, etwaige Einwendungen gegen das Unternehmen binnen 14 Tagen beim K. Oberamt Calw anzubringen.

Nach Ablauf der Frist können Einwendungen in dem Verfahren nicht mehr angebracht werden.

Beschreibung und Pläne liegen zur Einsicht in der OberamtSkanzlei auf. Calw, den 30. Mai 1908.

K. Oberamt.

Amtmann Rippmann.