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lichem Leugnen die Tat eingestehen und steht nun seiner Strafe entgegen.

Schramberg 29. Mai. Die hiesige Sozialdemokratie hat den für den Kenner der einschlägigen, insbesondere der persönlichen Ver­hältnisse ganz unverständlichen Beschluß gefaßt, bei der Stadtschultheißenwahl am 4. Juni für den bisherigen Stadtschultheißen Harrer einzutreten.

Schramberg 29. Mai. 4500 Stämme Langholz der Junghans'schen Fabrik, die an der Straße nach Lauterbach lagerten, find ins Rutschen gekommen und nachdem sie eine Anzahl Bäume umgeriffen hatten, dm Abhang hinunter gerollt. Sie haben die Straße versperrt, aber zum Glück niemand verletzt, da sie gerade frei vom Verkehr war.

Ravensburg 29. Mai. Gestern vor­mittag ist in der St. Jodocuskirche während des Gottesdtenstes plötzlich ein Stück Plafond heruntergebrochen, wodurch sich eine dichte Staubwolke bildete und bis Gläubigen in panischen Schrecken versetzt wurden. Viele stürzten trotz der Beruhigungrversuche durch den Geistlichen aus Furcht vor weiteren Brüchen aus der Kirche. Das herabfallende Stück traf einen Mann am Kopfe, der aber keinen Schaden nahm. Die Kirche ist erst vor einigen Jahren renoviert worden.

Frankfurt a. M. 29. Mai. Ein 15- jährigeS Mädchen ließ sich am Mittwoch Abend in einem hiesigen Warenhaus einschließen, kleidete sich am Himmelfahrtrtage aus dem Warenlager von Kopf bi» zu Fuß neu, verbrachte auch die Nacht auf Freitag in den Räumlichkeiten und wollte heute früh unbemerkt als elegante Dame da« Warenhaus verlassen. Da man sich ihres Kommens nicht erinnerte, hielt man sie an. Sie wurde, nachdem sie der freundlichen Bitte, sich wieder umzukleidm, nachgekommen war, der Polizei übergeben.

München 29. Mai. Bekanntlich wurden vor einigen Monaten ein hiesiger Weinwirt und dessen Frau wegen jahrelanger an einem Rechts­anwalt begangener Erpressungen in Höhe von KOO OOO^i mit mehreren Jahren Zuchthaus bezw. Gefängnis bestraft. Nunmehr wurde kürzlich an dem Rechtsanwalt ein neuer Erpressungs­versuch verübt. Die Polizei hat bereit- einige Verhaftungen vorgenommen, mußte diese aber wieder auf heben.

Essen 29. Mai. Der sozialdemokratische Reichstags-Abgeordnete Molkenbuhraus Berlin, der gestern Abend in einer sozialdemokratischen Versammlung sprechen wollte, ist auf der Durch­reise von Berlin kommend in Eberfeld von einem Schlaganfall betroffen worden unb liegt schwer krank darnieder.

Hamburg 29. Mai. In der Acetylen­gasfabrik bei Cuxhaven fand gestern eine Kessel-Explosion statt, unter weithin schal­lender Detonation. Mehrere eiserne Behälter, in welchen stch ein neuer patentierter Stoff zum Zusammenschweißen von Eisen befand, flogen in die Luft. Der Schuppen» in dem die Behälter aufbewahrt wurden, ging in Flammen auf. Einer der Erfinder de» Stoffe», ein französischer Ingenieur, erlitt schwere Brandwunden. Der Sohn de« Gasmeisters wurde leicht verletzt.

v« Domatmm bei Stammheim.

Plattform 635 w über dem Meere.

Bi« vor Kurzem wollte es fast scheinen als ob das ausschließliche Wanderziel aller Naturfreunde der Calwer Gegend in dem Gebiet westlich der Nagold und nördlich der Stuttgarter Bahnlinie zu suchen sei. Und doch zeigt uns schon ein Blick auf das BlattSta nmheim" der vortrefflichen Höhenkurvenkarte 1:25 000 oder auf das Blatt 3 der Schwarzwaldvereinrkarte 1:50000, daß hier zwischen den Orten Stammheim, Gechingen, Deufringen, Dachtel, Deckenpfronn und Holzbronn nicht unbeträchtliche Waldkomplexe liegen, welche teil» malerische Gteilhänge des östlichen Nagold, ufers mit hübschen Einblicken in diese« Tal, teil« Kuppen mit Ausblicken gegen Schönbuch und Alb und muldenförmige Waldtäler in lieblicher Ab­wechslung aufweisen. In diese« Gebiet einzudringen bewog im Vorjahr den Calwer Schwarzwald-

Bezirksverein der Zuspruch und die Führung eine« ortskundigen Mitgliedes und hat die damalige Wanderung einen, auch in diesen Blättern ge­schilderten sehr befriedigenden Verlauf genommen.

Der auf 24. Mai d. I. ebenfalls in ge­nannte Gegend geplante Aurflug hatte leider unter der Ungunst des juppiter pluvius sehr zu leiden. Gleichwohl hat auch dieser Tag wieder einer kleinen Schar sturm- und regenfester Wanderer einen Einblick in die intimen Reize einer noch wenig bekannten Gegend gewährt. DieHaupt- attraktion" aber war der DomaturmDaumen" heißt unser Berg auf der Schwarzwaldvereinrkarte offenbar mit Unrecht. Die amtliche Schreib­weiseDoma" findet sich u. a. in einemPlan über den Herzog!. Kirchenrats-Hirsauischen Klosterwald Doma ausgenommen 1774: äsl xeomstra NüIIsr 8 inuno 62 li 6 iill" und dem Kloster Hirschauer Forst« verwaliungs-Lagerbuch in den Jahren 1717/22 durch Joh. Georg llodn Forstverwalter zu Hirschau verfaßt, wonachder Doma ein lauter Laubholz mehistens von Alchen und Buchen auch etwas von Forchen, theils ein nüzlich Gepüsch an dessen Aus- raum- und Abhauung man in diesem Jahre den Anfang gemachet". Aus dem Jahre 1482 findet sich die Schreibweise Struma, und Duma, 1567 Mioma. Ein längst abgegangene Kaplanei auf dem Berge könnte wohl dem 8t. I'llomas geweiht gewesen sei.

Andererseits paßt die Form des Berges vortrefflich zu der Bedeutung des mittellateinischen äoma^-Kuppel. Auf dem höchsten Punkte findet sich in Mitten eines beträchtlichen Steinhaufens ein kleiner Mauerrest, sei es, daß da jene Kapelle stand oder daß in noch älterer Zeit ein Wart­turm durch Feuer- und andere Zeichen die Ver­bindung aus dem unteren Nagoldtale mit den auf der Höhe de» Gäus gelegenen Gegenden vermittelte.

Kurzum, dieser höchste Punkt schien seit Langem dazu bestimmt, eine hervorragende Aus­sicht zu bieten, wenn er gelang, den Blick über die Kronen des ca. 2022 m hohen Hochwald­bestandes von Buchen mit eingesprengtem Nadel­holz zu erheben, welcher die ganze Kuppe bedeckt.

Der längst geplante Aurflug der Calwer Bczlrksvsreins bot dazu den Anlaß und durch das werktätige Zusammenwirken oller dafür interessier­ter Kräfte, welche sich zum Verschönerungsverein Stammheim zusammenfanden, gelang es, unter der uneigennützigen Leitung des Herrn Oberamls- baumeister Kicfner von Calw ohne jeden Unfall ein 25 m hohes, zwar einfaches, aber doch ganz stabiles Aussicht! gerüst zu erstellen, welcher richtig auf den 24. Mai dem Calwer Verein eröffnet werden konnte.

Bei günstigem Wetter, bietet sich eine Rund, schau von überwältigender Schönheit. Zwar die Stadt Calw verbirgt uns die gegen den Bahnhof vorgeschobene Bergzunge de»Häfle" mit seinen wallförmigen Erdaufwürfen auf der Spitze, aber aus der Tiefe des Tales winkt uns der Hirsauer Eulenturm" von einigen Häusern umgeben und hinter ihm hebt sich vom grünen Bergerhang der rotbraune Turm der Liebenzeller Burgruine ab.

Gegen Westen schweift der Blick über die Gefilde desHecken- und Schlehengäus" mit ihrem Wechsel zwischen Feldgrundstücken und Wald­parzellen, dazwischen malerisch eingebettet die vielen Weiler, die Städte Zavelstein mit seiner stolzen Ruine und das bergbauberühmte Bulach. Dahinter quer vor dem Enztal liegend, die langgezogene dichtbewaldete Meistern» Ebene.

Ueber die Berge der Schopflocher Gegend wandert der Blick gegen Süden und heftet sich staunend auf den gewaltigen Höherzug der Alb von Schafberg und Lochen an, welche über Ober­jettingen weg zu uns Herüberwinken, in ununter­brochenem Zuge, überragt von dem Kaiserberge Hohenzollern, der stch gerade von dieser Seite be­sonder« malerisch abhebt. Wer zählt die Gipfel, nennt die Namen? Wir führen nur den trutzigen Neuffen an, am Ende der Kette die Teck mit ihrem zierlichen Turme. Ganz links aber zeigt sich losgelöst wie eine vorgeschobene Hochwacht der Hohenstaufen und schließt den Reigen in blauer Ferne. Weiter im Vordergründe erscheint da« hochgelegene statt- liche Deckenpfronn, dahinter der Höhenrücken de» Schönbuch» mit dem scharfen Profil de« Herren­berger Schloßbergr.

Weiter gegen Osten liegt Böblingen in

ganzer Breite vor uns, seinen Gewerbefleiß durch himmelanstrebende Kamine bezeugend, deren Opfer dar hellstrahlende Sanatorium zu Hellen verspricht.

Ueber die langgestreckten Höhen der Stutt­garter Berge und *die fernen Hügelzüge des Strombergs kehren unsere Blicke wieder in da» Nagoldtal zurück.

Der Wege zum Doma find gar viele und eine Reihe schönster Spaziergänge von beliebiger Ausdehnung läßt sich an seinen Besuch knüpfen. Von Calw her durch da« romantische Schleiftäle bis an den Seedamm de» früheren 12 Morgen großen Hirsauischen Klostersees leider hat die Zeit die delikaten Karpfen, einst Fastenspetse der leckeren Mönche, in Millionen von Fröschen ver­wandelt» welche die Sommernächte mit melancho­lischem Gequacke durchtönen! Von hier führt uns ein etwas steiler Fahrweg den Berg hinauf zum Turme. Ooer aber überschreiten wir auf der Station Teinach das Geleise und steigen auf dem schattigenSauerbrunnenfußwege" zum Dickemer Schlößle empor.

Am Hang herab zieht sich der uralteToten- weg" auf dem in alten Zeiten von Holzbronn und Gültlingen her die Verstorbenen nach Ksnnt- hsim gebracht werden mußten um dort im tiefen Tale ihre letzte Ruhe zu finden. So hielt sie das uralte romanische Walskirchlein im Banne, um 1075 ,. 8t. 6anäiäum" mit seinen Hink- würdigen Wandmalereien aus der Mitte des 13. Jahrhunderts; es diente wohl auch den im 12. Jahrhundert genannten8oror6s 8t. Oan- äiäum" von denen der Ooäex HirsauAiensis zu berichten weiß, als Stätte der Andacht.

Die Trümmer ihres Klösterchen« birgt auf der Höhe ein Wäldchen bei Lützenhardt.

Wir nähern uns durch fröhliche Tannen- jungwüchss der Spitze der Bergnase und stoßen hier rechts unweit von unserem Fußpfad auf die letzten Reste der Ruine Dicke nach dem Landbuch von 1L24 im alt Burgstall" vormals im Besitz der Stadel- Herren» Waldvögte und Truchsessen von Waldeck, deren Stammburg auf der gegenüberliegenden Seite der Nagold auf halbinselförmiger Bsrgeshöhe noch mit hochragenden Mauern herüberwinkt, im Sommer freilich ganz eingehüllt von des Waldes mitleidigem Schatten.

Mit dieser Burg wurde auch das Dickemer Schlößle im Jahre 1284 von Kaiser Rudolf wegen Landfriedensbruchs der Waldecker Herren durch den Landfriedensrichter Grafen Albrecht von Hohenberg zerstört. Zurück über den tiefen Wallgraben streben wir vollends der Hochfläche zu und treffen in einer Walbecke auf die Fsld- markung des Dickemer Hofs, eines ehemaligen Hirsauer Meierhofr, jetzt Fideikommiß der Familie von Georgii'Georgenau.

Ueber den freundlichen Hof auf demStroh­weg", einem alten Verbindungsweg nach Gechingen, gelangen wir mählich in die Höhe und unter hübschen Ausblicken auf Holzbronn, Bulach und die Kirch­türme von Effringen und Oberjettingen dahinter bei günstigem Wetter die Alb mit der Gegend der Lochen vollends auf die Domakuppe und zum Turme. Fast schien eine Weile dessen Bau an dem Schicksal des babylonischen zu scheitern und der alte Zweifler 8t. Ilioums sich dafür rächen zu wollen, daß sein Kapellchen durch moderne Waller mißachtet werde.

Die Furcht aber zeigt sich unbegründet, daß dar Landschaftsbild durcheinen Kunstbau verunziert werde. Er birgt bescheiden sein hölzernes Gebein im grünen Blätterdach und streckt nur den Kopf heraus, pnd der genügt zum Schauen für ihn und seine Besucher. Noch mancherlei andere Zugangs- wege findet der kartengewandte Wanderer und freut sich wie wir hoffen mit uns, daß durch den Domaturm ein weiterer Punkt geschaffen worden ist, welcher die lieblichen Landschaftrbilder unseres schönen Landes dem Auge erschließt. _

BorauSfichttiche Witterung:

Wechselnde Bewölkung, Süden zeitweise Niederschläge, Temperatur wenig verändert.

Gtarrde-amt Calw.

Gestorbene.

22. Mai. Johann Küblcr, Metallhändler, 62 Jahre alt.

27. Josef Trotter, Steinhauer hier, 57 Jahre

alt.