Amts- und Änzeigeblatt für den Gberamlsbezirk Ealm

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IksiheinunzStage: Montag, Dienstag, Mittwoik, Donnerstag, Freitag und Samstag. JntertionSprelS Iv Mg. pro Zeile für Stadt u. «ezirkSorte; außer Bezirk 12 Pfg.

Samstag, -en 30. Mai 1908.

BezugSpr. i. d. Stadt '/«jihrl.m. Trügerl. Mk. 1.LS. PostbezugSpr. s. d.Orts- u. NachbarortSverk. >/,jührl. Mk. 1.20, ini Fernverkehr Mk. 1.30. B-stellg. in Württ. 30 Pfg., in Bagern u. Reich 42 Pf,.

Amtliche Bekarttttmachrmgerr.

Bekanntmachung.

Unteroffiziere und Mannschaften aller Waffen­gattungen der Reserve und Landwehr I, welche bereit sind, in das Ostasiatische Detachement einzu­treten, können, ohne Anspruch auf Marschgebühren zu haben, sich bis spätestens 7. Juni 1S08 Werk­tags Vormittag um 9 Uhr im Geschäftszimmer des Bezirkskommandos zur ärztlichenUntersuchung melden.

Die Bedingungen können beim Bezirkskom­mando eingesehen werden.

Calw, 29. Mai 1908.

Kgl. Bezirkskommando.

Tagesnenigkeiten.

Calw. Am Himmelfahrtrfest nachmittags wurde hier bas Bezirkr-Missionrfest unter zahlreicher Beteiligung namentlich der Landvolks, gehalten. Dekan Roos eröffnet« die Feier» indem er von der Stelle 1. Kor. 15, 58 ausgehend darauf hinwier» wie man gegenwärtig in der alten Christenheit eher den Eindruck von einem Rück­gang des Christentums haben könnte bei der zunehmenden Sittenlosigksit, Gleichgültigkeit und Feindschaft gegen alle Religion» wie dagegen zu derselben Zeit in der Hsidenwelt ein viel stärkerer Zug zum Christentum sich finde als in den letzten Jahrzehnten. Dis alte Christenheit sollte des- wegen nicht Zurückbleiben, sondern immer zunehmen im Werk des Herrn. Sodann berichtete Missionar Stahl über dis Basler Mission im deutschen Schutzgebiet Kamerun. Von dem schweren Anfang und dem erfreulichen Fortgang de« Werkes auf den Stationen an der Mündung des Kamerun­flusses ausgehend, führte er die Zuhörer weiter ins Innere, in das Bergland der Station Nyasoso, wo die Missionare, unterstützt von der deutschen Regierung, noch einen schweren Kampf bestehen müssen gegen die Losango, jene Kamerun eigen­tümlichen Geheimbünde, Maskeraden unter religiöser Flagge, die in Wahrheit Mord- und Erpressung« - gesellschaften sind. Er führte weiter nach Norden auf die Stationen Bali und Bamum, wo zwei verständige Häupüinge namentlich das Schulwesen der Misston durch ihre Autorität fördern und selbst die Sonntagrfeier angeordnet haben durch Ver- legung der Märkte. Zuletzt wurde noch die Station Sakbayeme am Sannagasluß berührt, wo vor wenigen Jahren ein Europäer sich nicht leicht hinwagte, während jetzt eine von den Eingeborenen gebaute Kirche dort steht und 43 Außenstationen mit Schulen versehen sind. Die Basler Mission in Kamerun hat jetzt über 7000 Getaufte und 9000 Schüler. Der dritte Redner, Missionar Schaible, führte die Zuhörer nach Ostindien, wo die Erfolge langsamer sind, da die Uebertretenden oft ihre ganze Lebensstellung drangeben müssen und aus der Familie ausgestoßen werden. Doch find jetzt in ganz Vorderindien gegen 1 Million Heiden für die evangelische Kirche gewonnen. Der Missionar gab ergreifende Beispiele dafür, wie die christlichen Schulen in Indien doch in einzelnen Schülern eine solche feste Ueberzeugung von der Wahrheit des Christentum« wirken, daß sie den scharfen Drohungen und den flehentlichen Bitten ihrer nächsten Angehörigen widerstehen und nachher durch ihr freundliches Benehmen gegen dieselben, zuwellen fie nach sich ziehm.

Calw 29. Mai. (Rathaurbericht.) Die bürgerlichen Kollegien beschlossen heute auf grund eines Sachverständigengutachtens den Ankauf des Nonnenmacher'schen Mühleammsens um den Preis von 45000 ^ zu ZDecken der Errichtung eines Elektrizitätswerks. Das Anwesen geht am 1. Mai 1909 in den Besitz der Stadt über. Bis dahin wird die Entscheidung über die ver- schiedenen Projekte für das Werk getroffen und die Regierungrgenehmigung für den Wasserbau eingeholt sein, so daß mit dem Frühjahr 1909 spätestens der Bau begonnen und dann rasch durch­geführt werden kann. 62 .

Holzgerlingen OA. Böblingen 29.Mai. In das Dunkel der hiesigen Brandstiftungen scheint nun Licht zu kommen. Während schon längere Zeit ein hiesiger Bürger verhaftet wurde, traf vor einigen Tagen das gleiche Schicksal einen weiteren Bürger. Elfterer soll den Letzteren verraten haben. Beide find verheiratet und haben zahlreiche Familienangehörige. Wie man hört, sollen die Motive der Tat darin liegen» daß einer der Verhafteten seine Häuser habe verkaufen wollen.

Stuttgart 30. Mai. Die Zweite Kammer ist bet der gestern fortgesetzten Beratung der Bauordnung nur ein kleines Stück vorwärts gekommen Einige Artikel, die über die Verhängung der B aus p er r e für bestimmte Teile des Gemeinde­bezirks bei Feststellung oder Abänderung eines Orts- bauplanS oder einzelner Baultnien nähere Be­stimmungen treffen, konnte nach kurzer Debatte erledigt werden, dagegen wurde durch die rechtlich ziemlich verwickelte und in die Privatrechte der Grundeigentümer tief einschneidende Frage der Zwangsenteignung zur Durchführung des OrtsbavplaneS noch die ganze Sitzung ausgefüllt, ohne daß man zu einem Abschluß kam. Nach vier­stündigen Debatten stellte sich vielmehr das Bedürfnis heraus, die Beratung abzubrechen, um den Fraktionen Zeit zur Formulierung eines Kompromißantrages zu geben, der in der heutigen Sitzung den weiteren Verhandlungen zu Grunde gelegt werden soll. Was zunächst die Frage der Bausperre anbelangt, so wurde mit 40 gegen 35 Stimmen ein vom Bericht­erstatter v. Gauß gestellter Antrag angenommen, wonach die Sperre bei Feststellung kleinerer Orts­baupläne oder einzelner Baulinien schon nach Ablauf von 1 Jahr, bei umfassenden Ortsbauplänen oder bei Feststellung ortssatzungsmäßiger Vorschriften da­gegen erst nach Ablauf von 3 Jahren außer Kraft treten soll. Im Entwurf der Regierung war eine einheitliche Sperrfrist von 2 Jahren vorgesehen, und ein An­trag des Zentrums wollte dieselbe, wenigstens bet umfassenderen Ortsbauplänen, auf 2'/, Jahre er­weitert wissen; das Haus entschied sich aber für die vom Abg. v. Gauß vorgeschlagenen Fristen. In der Zwangsenteignungsfrage hat die Kommission, im wesentlichen in Uebereinstimmung mit dem Regierungsentwurf, beschlossen, daß die Ge­meinde vom Tag der rechtsgültigen Feststellung von Ortsbauplänen an das Recht haben soll, die zur Durchführung des Ortsbauplanes erforderliche Grundfläche nach Maßgabe der für die ZwangS- enteignung von Grundstücken geltenden Vorschriften dem Eigentümer in ihrem ganzen Umfang oder zu einem zunächst dem Bedürfnis entsprechenden Teile zu entziehen. Diese Fassung wurde vom Zentrum bekämpft; die Abgg. Gröber, Rembold-Gmünd und R emb 0 l d - Aalen wandten sich entschieden gegen ein solchesvorzeitiges" Enteignungsrecht der Ge­meinde, das zudem die Rechtsverhältnisse zu Gunsten der Gemeinde und zu Ungunsten des Grundeigen­tümers verschieben und unter Umständen, namentlich wenn eine gewalttätige Gemeindevertretung am

Ruder ist, einen schweren Eingriff in das Privat­eigentum bedeuten könnte. Das Zentrum brachte einen Antrag ein, daß die Enteignung erst dann zulässig sein soll, wenn die Gemeinde mit der Durch­führung der Straße beginnt oder ein Bedürfnis für die Anlegung einer Wasserleitung oder Einrichtung der Beleuchtung vorliegt. Die Beratung wird heute auf Grund der neuen Vorschläge fortgesetzt.

Stuttgart 29. Mai. Die Kommission für die Festsetzung der Fleischpreise gibt einen Preisaufschlag des Ochsenfleifche» von 82 auf 85 Pfennig und des Rind- und Schweine- fl eis ches von 70 auf 75 bezw. 75 auf 80 Pfennig bekannt.

Stuttgart 29. Mai. Der Polizeibericht schreibt; Heute früh 2^ Uhr hat sich im Hofs eines Hause« der Reuchlinstraße ein 31 Jahr alter led. Taglöhner erschossen. Er litt seit längerer Zeit an Wassersucht und war erst kürzlich aus dem Spital entlassen worden.

Wangen-Stuttgart 29. Mai. Gestern nachmittag 1 Uhr fing es hier plötzlich an zu hageln. Die Körner fielen in einer Größe von Wallnüffen längere Zeit, so daß die Straßen bald weiß bedeckt waren. Der Hagel hat Schaden in den Gemüse, und Obstgärten, strichweise auch in den Weinbergen angerichtet.

Wie derStaatsanzeiger" mitteilt, hatten sich am 24. Mai in Murrhardt die Angehörigen der Familie Nägele vereinigt (darunter der Landtazsabgeordn. Prof. Nägele« Tübingen),um gemeinschaftlich den 100. Geburt»« tag des Vater« und Großvaters, Schloffermeistsr« Ferdinand Nägele zu begehen, der als Landtags« abgeordneter und Frankfurter Parlamentsmitglied einst im politischen Leben des Lander eine populäre Figur gewesen ist. Gemeinderat und Bürger- aurschuß sandten der versammelten Familie ein Schreiben, in dem der Verdienste de» alten Nägele um das Wohl der Gemeinde (er war auch lang- jähriger Gemeinderat und Stiftungspfleger) dankbar gedacht wurde.

Göppingen 29. Mai. Der Schlacht­hausverwalter Kern, der sich in Nürnberg der Polizei gestellt hat und von dort nach Ulm ein­geliefert worden ist, wird sich vor der Ulmer Strafkammer wegen seiner Verfehlungen zu ver­antworten haben. Er ist lautGöppinger Ztg." durch einen Landjäger nach Göppingen verbracht worden, um hier bei Untersuchungen an Ort und Stelle zugegen zu sein.

Geislingen 29. Mai. Ein Mann, der nach seinen Wiesen im Längental sehen wollte, fand in einem zur Zeit ziemlich angeschwollenen Wassergraben die Leiche eines etwa 45 Jahre alten Mannes. Die Polizei fand bei der Leiche keine Anhaltspunkte für die Persönlichkeit de« Toten. Es ist vermutlich ein Italiener. Der Kopf wies einige Verletzungen auf, die aber auch erst im Wasser entstanden sein können.

Heidenheim 29. Mai. Gestern wurde wegen Brandstiftung ein Dienstmädchen ver- haftet. Er hatte schon am Tage zuvor zu einer Waschfrau geäußert, es sollte doch einmal im Hirsch" brennen, damit fie von ihrer Stelle käme. Bald darauf fand man auf der Bühne de« Gasthofe» brennende Strohfäcke, die freilich rasch gelöscht wurden. Da« 23 Jahre Me Mädchen, das sich sonst gut geführt hat, mußte nach anfäng-