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angefallen, niedergeschlagen und seine« Zuggeldbeutel« mit 126 und der silbernen Taschenuhr beraubt. Der Wegelagerer entkam in der Dämmerung und konnte bi« jetzt noch nicht ermittelt werden. Die Staatranwaltschaft Heil- bron erläßt nunmehr imZaberboten" einen Fahndungraufruf.

Rietenau 24. Mai. Ein ländliche« Volksfest zog heute die Bevölkerung der Umgegend hieher für die Jahresversammlung der Jüng- lingsvereine der Bezirk- Backnang. Es kamen besonders die Gesangrchöre und die Posaunen- bläser zu Ehren. Zartere Wirkungen strebte in der Kirche der Kinderchor Rietenau an unter seinem Dirigenten Lehrer Rieder. Ansprachen richteten an die herbeigeströmten Jünglingsscharen Pfarrer L u p o l d - Rietenau, Etadtvikar Schütz- Backnang, Pfarrer Hinderer-Stuttgart und Pfarrverw. I r i o n in Unterweisiach. Da« Vesper wurde i« Bad genommen, wo auch den Fest­besuchern mancherlei belehrende und unterhaltende Vorträge geboten wurden. Fabrikant Uber- Stuttgart erzählte von einer Reise noch Nord- dcutschland, K l e n k - Stuttgart berichtete in fesselnder Weise über die Behandlung der Blinden in der neuerbauten Stuttgarter Nikolaurpflege und die Festgenoffen gaben ihm klingenden Dank mit nach Hause; der gleichfalls vertretene Lehrer- stand sorgte für gediegene Volksmusik.

Ulm 26. Mai. Im Winter sind aus dem Mohr'schen Tiergarten im Donautal drei Wild- sch weine entkommen, von denen zwei beim Durchschwimmen der Iller umgekommen sein sollen. Das dritte treibt sich gegenwärtig noch immer in der Gegend von Wiblingen und Unterkirchbsrg umher und richtet nicht unbedeutenden Schaden an.

Aus Baden 26. Mai. In Rust bei Ettenheim wurde ein 67 Jahre alter Landwirt von seinen beiden Söhnen in solch bestialischer Weise mißhandelt, daß der Tod alsbald ein trat. Nach ärztlichem Befund hatte der Tote sechs Rippenbrüche. Familienzwistigkeiten sind die Ursache der Tat. Die Söhne, 27 und 24 Jahre alt, sollten das Haus des Vaters von Amtswegen verlassen, da sich der Vater des öfteren wegen Mißhandlung beschwerte. Tie Beiden wurden in« Gefängnis eingeliefert.

Tauberbischofsheim 25. Mai. Ein Hauseinsturz, der an die schreckliche Nagolder Katastrophe erinnert, hat sich, wie bereits erwähnt, am Samstag in dem Orte Heckfeld ereignet. Das dem Landwirt Valentin Klingert gehörige Wohnhaus sollte einer Reparatur unterzogen werden und zwar sollte der untere Teil, bestehend au« Stall und dem ersten Stock, ganz neu und um 60 Zentimeter höher gelegt werden. Zur

Vornahme dieser Reparatur blieb das alte Dach­werk abgesprießt stehen. Am Samstag sollte nun da« Dach mit 18 Winden in die gewünschte Höhe gebracht werden. Vormittags ging die Sache gut und mittags war das Dach bereits um 25 bis 30 ein gehoben. Am Nachmittag, ungefähr °/i3 Uhr, kurz nach Anfang der Arbeit, stürzte plötzlich das Ganze in sich zusammen. Durch Zuruf einer Unbeteiligten konnten sich von den Beschäftigten ungefähr 3540 Mann, fast alle, retten. Tot wurden unter den Trümmern her­vorgezogen der ledige Landwirt August Uehlein und der ledige Schmied Stapf, ferner mehrere schwer Verwundete. Aerztliche Hilfe war von Lauda aus bald zur Stelle. Der schwer verletzte ledige Landwirt Stephan Umminger starb unter den Händen des Arztes. Der im Alter von un­gefähr 60 Jahren stehende Privatier Lorenz Spieß erlitt, als er einen schwer Verwundeten mit Hilfe anderer nach Haus geleitet hatte, infolge Auf­regung einen Herzschlag, an welchem er nach wenigen Minuten starb. Mehrere der schwer Verwundeten liegen nach derBad. Pr." hoff­nungslos darnieder. An der Unglückrstätte spielten sich herzzerreißende Szenen ab. Wären dis Ar­beiter nicht durch den schon erwähnten Zuruf gewarnt worden, so hätten wir hier ein zweites Nagold. Nicht unerwähnt soll bleiben, das mutige Verhalten des Ortrpfarrers Wittmann, der unter Lebensgefahr noch einmal in das eingestürzte Haus eindrang, um seiner Pflicht als Seelsorger zu genügen. Der Unternehmer bei der Hebung des Hauses ist nach einer späteren Meldung ver­haftet worden.

Köln 26. Mai. In der Beleidigungs­sache des Reichrkommissars a. D. vr. Peters gegen den Berliner Mitarbeiter der Kölnischen Zeitung vr. Brüggemann hob dis hiesige Strafkammer heute in der Berufungs-Instanz da» Urteil des Kölner Schöffengerichts auf. Das Verfahren gegen vr. Brüggemann wurde ein­gestellt. Bezüglich Bennigsen wird eine Straf. Verfolgung für unzulässig erklärt. Dis Kosten des Verfahrens wurden dem Privatkläger aus- erlegt. Bennigsen war ln erster Instanz zu einer Geldstrafe von 100 ^ verurteilt worden.

Berlin 26. Mai. Die Norddeutsche All- gemeine Zeitung schreibt offiziös: Ein hiesiger Mittagsblatt behauptet, es sei beabsichtigt, dem Kaiser im Herbst eine Reichs-Dotation von 10 bis 12 Millionen zuzuwenden. Dem zu erwartenden Dementi gegenüber erklärt da» Blatt im Voraus, es werde sich dadurch nicht anfechten lassen. Er gebe Situationen, in denen dementirt werden müsse, auch wenn die Nachricht wahr sei. Wir lassen dahingestellt, ob solche Situationen eintreten können. Im vorliegenden

Falle liegen die Dinge jedenfalls so, daß dis Meldung mit aller Bestimmtheit für unwahr erklärt werden kann. Der Reichstag wird sich nicht mit einer Dotation für den Kaiser zu befassen haben. Damit erledigt sich auch die Annahme, daß der Blockpolitik durch dieser Ge­rücht Verlegenheiten bereitet werden.

Berlin 26. Mai. Am Montag wurde im Kommissionszimmer des Münchener Justizpalaste« von Landgerichtsrat Schmidt in der Meineid«. Affäre Eulenburg die Zeugenverneh- mung fortgesetzt. Als erster Zeuge wurde der Milchhändler Riedel vernommen, dessen Verneh­mung zwei Stunden dauerte. Sie wurde unter- krochen, um in der Zwischenzeit den Verteidiger Maximilian Hardens, Justizrat Bernstein als Zeugen zu hören. Nach Justizrat Bernstein wurde die ehemalige Besitzerin eines Münchener Hotels vernommen. In ihrem Hotel soll Fürst Eulsnburg seiner Zeit mit Männern abgesttegen sein. Doch erklärte die Frau, daß dies wohl einmal vorgekommen sei, ob es aber Fürst Eulen­burg gewesen, könne sie nicht behaupten, da sie den Fürsten auch nicht mehr nach der Photo­graphie erkenne. Sie wisse nur, daß der Gast von damals ein Graf war und daß dieser mitten in der Nacht wegen seines merkwürdigen Be- nehmens auf die Straße gesetzt wurde. Hierauf gaben Frau Forstmeister Fischer aus Starnberg und mehrere Herren aus München, darunter auch Adlige, ihre Kenntnisse zu Protokoll. Heute wurden die früheren Eulenburg'schen Wohnungen in München besichtigt. Zu der Besichtigung wurden der Fischer Ernst und Milchhändler Riedel zugezogen. Von maßgebender ärztlicher Seite wird der Meinung Ausdruck gegeben, daß die ursprünglich für die nächsten Tage in Aussicht genommene Ueberführung des Fürsten Eulsnburg in das Untersuchungsgefängnis vorläufig jedenfalls ausgeschlossen sei.

Berlin 26. Mai. Dis Stereotypeure desLokal-Anzeigers" streiken. Die heutige Abendnummer, die sonst um 4^/s Uhr ausgegeben wird, war bis 5*/s Uhr noch nicht erschienen.

Berlin 26. Mai. Wie demBerliner Tagebl." aus Paris gemeldet wird, hat die französische Regierung beschlossen, die militärischen Aktionen in Marokko ein- zuschränken. General d'Am ade ist angewiesen worden, von jedem weiteren Vordringen abzusehcn und die Operationen so zu führen, daß der all- mähliche Rückzug auf Casablanca ermöglicht wird. Dis Botschafter der Republik im Auslande find angewiesen worden, den Regierungen, bei denen sie beglaubigt sind, von dem Inhalte dieser An- Weisung Mitteilung zu machen.

Tage«, als sie zufällig allein waren, legte Guido den Arm um die schlanke Gestalt, preßte sie stürmisch an sich und flüsterte:

Arsens, mein Glück, mein herrliches Mädchen, kannst Du mir denn ein wenig gut sein?"

Sie rang sich los und stammelte:Dir und Walter Euch allen"

Er lachte spöttisch und seine silbernen Sporen klirrten aneinander. Willst oder kannst Du mich nicht verstehen? Mit dem guten, schwer­fälligen Matter mag ich Deine Zuneigung nicht teilen. Hast Du mir nicht mehr zu geben wie ihm, so ziehe ich schon vor, Dir zuwider unausstehlich, oder meinetwegen verhaßt zu sein. So mar« nicht gemeint und ich hielt Dich für zu stolz und aufrichtig genug, um von Dir ein ehrlichesJa!" oderNein!" erwarten zu dürfen. Also offen heraus gesprochen! Walter ist verschossen in Dich, das weiß ich längst und ein braver, urgemütlicher Bursche nebenbei gesagt tausendmal mehr wert als ich. Wenn Du ihn vorziehst, nehme ich es Dir keineswegs übel, sondern gebe ohne weiteres zu: Deine Wahl war gut und vernünftig. Dann bleibe ich aber auch vor­läufig diesem Hause fern, denn ich habe Dich lieb, Arsene, und wo ich liebe, da drängt es mich, meine Herrenrechte aurzuüben, da betrachte ich jeden freundlichen Blick, jeder warme Wort, das einem anderen zuteil wird, als Raub an meinem Eigentum. Rede frisch und offen, Mädel! An wem liegt Dir mehr, an Walter oder mir?"

Sie stand da, jede Ader wie von geschmolzenem Blei durchströmt, und war doch blaß in die Lippen. Erst al« er die Frage wiederholte, heftig und ungestüm, da war e«, als bräche eine Flamme aus Arsene» Augen und verbreite auch über da« bleiche, schmale Gesicht lodernde Glut.

Ich weiß nicht, wa« ich Dir antworten soll, Guido," sagte das Mädchen.Vielleicht wäre e« besser gewesen für Dich und mich, hättest Du den zarten Schleier de« Schweigen« nicht von unserem Geheimnis gerissen. Ich war glücklich und zufrieden, und würde es jahrelang nein, in alle Ewigkeit geblieben sein. Es gibt Dinge, an die man nicht rühren

darf. Mancher klare Quell fließt ruhig unter der Erdrinde dahin und be­fruchtet Feld und Wiese reiße aber die Erde auf, schaffe ihm einen Ausweg, und er wird sich verheerend über Fruchtgefilde ergießen und Ver­derben statt Segen bringen. Siehst Du, so ist es auch mir. Ich hätte Dich immer still, genügsam mit dem Geringsten zufrieden, lieben können, aber Du durftest dieses halbschlummernde Gefühl nicht wecken, nicht so plötzlich, was ich nur mir selbst gestehen wollte, an« Tageslicht ziehen."

Er lachte etwas leichtfertig.

Warum denn, Kind? Du weißt gar nicht, wie glücklich mich Dein Geständnis macht und wie gut Dir diese Purpurrosen stehen, die jetzt auf Deinen Wangen blühen. Ich hätte Dich auch für keine so leidenschaftliche Natur gehalten, finde es aber entzückend, daß Du'« bist und trotz Deines feurigen Temperamente» so viel Klugheit, Ueberlegung und Selbstbe­herrschung besitzest, wie wenig andere Mädchen. Du bist wert, bewundert zu werden, Arsene!"

Ich will nur geliebt sein, nichts weiter, nur wissen, daß ich Dir unentbehrlich bin, wie Du e« mir bist, daß Du, um Dich glücklich zu fühlen, meiner bedarfst, wie ich Deiner. Diese Ueberzeugung füllt mein Leben aus, ist alles, dessen ich benötige." .

Mehr könnte ich Dir allerdings gegenwärtig auch nicht geben, Arsene. Ein Leutnant ohne Aussicht auf prompte Beförderung Du begreifst und wie Papa nun einmal ist und denkt" ^

Ja, die Verhältnisse und Deines Vaters Ansichten find mir bekannt. Ich bin ein mittelloses Mädchen und Du stehst erst im Beginn Deiner Laufbahn. Wenn ich reich wäre ach Gott! Warum bin ich'« auch nicht!"

Still, Papa kommt!" unterbrach der junge Offizier.Sei guten Mutes, Teure! Die Zukunft ist niemand sicher, aber die Gegenwart gehört uns. Ein Tor, der nicht mit beiden Händen nach ihren holdesten Gaben greift!"

(Fortsetzung folgt.)