123. Amis- und Änzeigeblatl für den Gberamtsbezjrk Calw. 83. IahlgMg.
Lrschiinungrtaze: Montaz. Dienstag. Mirtwoch. «srinertt-L, Freitag und Samktag. Jr^ertioaSpreik IL Psg. pro Zeile für Stadt u. BezirkSorte; außer «ezirl 12 Pfg.
TsgeSseviskeite«.
^Amtliches aus dem Staatsanzeiger.) Bei der im April vorgenommenen niederen Eisenbahndienstprüfung ist unter anderen Kandidaten für befähigt erkannt worden und in das Verhältnis von Eisenbahngehilfen eingetreten: Maifenbacher, Christian, von Würzbach, O.A. Calw.
Stuttgart 26. Mai. (Deutsche Land- Wirtschaftsausstellung.) Auf dem Aus- stellungsplatz auf dem Cannstatter Wasen wird eifrig gearbeitet. Ein Teil der Hallen und Stallungen ist bereits fertiggeftellt. Der Haupteingang zur Ausstellung ist bei der Wernerstraße. Neben dem Eingang der Köniz-KarlS.Brücke befinden sich die umfangreichen Verwaltungsgebäude, dazu gehört ein Aurkunftsbureau, sowie je ein Raum für die Presse, Polizei, Feuerwehr und die Sanitätr- wache. An diese Gebäude reiht sich ein Schuppen an, in welchem Neuheiten in landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten ausgestellt werden. Auf der Nsckarseite wird eine 120 ra lange Halle für die Fischereiausstellung errichtet. Auf diese Seite kommen noch weitere Schuppen für Maschinen zu stehen. Der größte Teil derselben wird im Freien aufgestellt. Im ganzen find 8000 Maschinen und Geräte angemeldet. Dem Exerzierplatz zu wird die Halle für die Geflügelausstellung erstellt. Die umfangreichen Bauten für die Pferde, Rinder, Schafe, Schweine und Ziegen werden auf der Stadtseite errichtet. Im ganzen sind es 45 Stallungen. In der Nähe der Rinderausstcllung befindet sich die Molkerei« kosthalle, in welcher die auf dem Ausstellungrplatz gewonnene Milch, nachdem fie gekühlt und ge- reinigt ist, zum Ausschank gelangt. Um die Halle gruppieren sich die Maschinen für die Milchwirtschaft. In der daneben befindlichen Butterhalle
Mittwoch, den 27. Mai 1908.
werden 677 einzelne Butterproben in Kühltischen eingesetzt, vorgeführt werden. Zu erwähnen ist noch die Tribüne mit 3000 Sitzplätzen, die den großen Ring auf einer Seite umsäumt. Im Ring werden täglich preisgekrönte Pferde und Rinder sowie Gestüts-, Soldaten- und Gebrauchspferde vorgeführt. Für das leibliche Wohl sorgen fünf Wirtschaften, die auf dem Ausstellungsplatz verteilt find.
Stuttgart 26. Mai. Von R.A. vr. Eßlinger I wird dem „Schw. Merk." mit Bezug auf die kürzlich dem „St.Anz." entnommene Mitteilung über den wegen Verdachts de» Mords verhaftet gewesenen Finanzpraktikanten Karl Bareiß geschrieben: „Er ist gar keine Rede davon, daß Bareiß auf Grund der gründlich geführten Voruntersuchung auch nur einigermaßen als des Mords an der Frau Fuhr verdächtig erscheinen könnte. Bareiß hätte zweifellos wegen mangelnden Verdachts der Täterschaft außer Verfolgung gesetzt werden müssen, auch wenn dies nicht schon wegen seiner Geisteskrankheit notwendig gewesen'wäre. Da hiernach keine genügenden Anhaltspunkte für sine Mordtat des Bareiß vsrltegen, aber auch au» dem Vorleben des Bareiß keine Anhaltr- punke für eine Gemeingefährlichkeit des gutmütigen Geisteskranken gegeben find, habe ich, als sein Vertreter, sofort die nötigen Schritte getan, um der dauernden Unterbringung des Bareiß in der Irrenanstalt vorzubeugen. Er hat vor seiner Verhaftung seine alte Mutter durch die Erträgnisse seiner Schreibarbeit unterstützt; infolge der langen Freiheitsentziehung hat die Mutter seither große Not gelitten und hat die Unterstützung des Sohnes jetzt nötiger wie vorher."
Kirchheim a. T. 26. Mai. Die Parteim haben nunmehr zur Wahl des Stadtvor
Bezugspr. i. d. Stabt l/,ji!hrl. m. Lritgerl. Mk. 1.LS. Postbezugrpr. f. d.Orts- u. NachbarortSoerk. '/.jährl. Mk. 1.20. im Fernverkehr Mk. 1.30. «estellg. in Württ. MPsg., in Bayern u. Reich 12 Pf,.
standes Stellung genommen. Der Bauernbund tritt für den Verwalter Schönleber ein, der in der Stadt auch sonst noch viel Anhang besitzt. Die Sozialdemokratie, die Volkspartei, die Deutsche Partei und der Gewerbeverein haben den Regierungsassessor Marx auf den Schild gehoben. Bei diesen beiden Kandidaten, deren Chancen keineswegs große Verschiedenheiten aufweifen, wird es voraussichtlich sein Bewenden haben.
Eßlingen 26. Mai. Drei Mctzgergesellen und acht Metzgermeister standen heute vor dem hiesigen Schöffengericht unter der Anklage der Nahrungsmtttelfälschung begangen durch Verwendung von Kartoffelmehl. Hiebei wurden sieben Meister zu je 15 ein weiterer zu 5 und die drei Gesellen zu je 5 ^ Strafe sowie in die Kosten verurteilt.
Reutlingen 26. Mai. Auf der Fruchtschranne betrug der Preis für Alber Dinkel 8.30-8 40 Unterländer 8.30-8.50 Haber 7.80—8.60 Gerste 9 40—10 Kernen 11.80, Mischling 10.50—10.90
Güglingen O.-A. Brackenhelm 26. Mai. In den Obstgärten und Baumäckern tritt der Kaiwurm in den Apfelblüten in erschreckender Zahl auf. Die Wintersaat hat sich infolge des anhaltenden Regenwetters teilweise gelagert. Die Weinberge, die viele Gescheine zeigen, brauchen notwendig Sonne, allein es regnet schon drei Tage fort und ist immer noch keine Aussicht auf gut Wetter. Die Rebleute find deshalb in großer Sorge.
Dü-rrenzimmern O.-A. Brackenheim 26. Mai. Auf der Straße von hier nach Bracken- Hein wurde auf dem Heimwege der Privatier Klein von hier in der Nacht vom 14/15. d. M.
Unrecht Gut!
Roman von B- Corony.
(Fortsetzung.)
Was kümmerte Arsens ob der Vater reich oder arm gestorben war. Wer Guido nahestand» mußte ihr geheiligt sein. Sympathien hegte sie immer noch nicht für den Oheim, aber er war des Geliebten Vater, und niemand sollte einen offenen oder versteckten Angriff auf ihn wagen. Gegenwärtig gab es keinen Raum für bittere Empfindungen und finsteren Verdacht in ihrer Seele, in welche der Lenz selbst mit Sonnengefunkel und Blütenzauber eingezogen schien. Sie wollte gar nicht an all das Häßliche der Vergangenheit, an ihre einstige Verlassenheit erinnert sein, und erwiderte daher ziemlich kurz und schroff:
„Bitte, lassen wir dieses Thema fallen! Sie täuschen sich ohne Zweifel. Mein Onkel ist Ehrenmann durch und durch und wäre sicher der erste gewesen, meine und des Bruders Interesse zu wahren, hätte ihm unser Vater bezüglich eines vorhandenen Vermögens Mitteilung gemacht. In dem Zeitraum eines Jahres — und so lange waren Sie von ihrem Freunde getrennt — kann sich in stürmisch bewegter Zeit viel ereignen und ändern. Ich zweifle keineswegs, daß Sie au» vollster Ueberzeugung und in bester Absicht sprechen, ich bin aber meinerseits eben so fest überzeugt, baß mein Vater als gänzlich verarmter Flüchtling starb. — Es war mir angenehm. Eie kennen zu lernen, Herr Baron."
„Gnädiges Fräulein, ich bitte, was meine wohlgemeinten Mitteilungen betrifft, um Ihre Diskretion, da ich Gründe habe» wenigstens vorläufig, alle einstigen Beziehungen zu meinem in Gott ruhenden Freund zu verschweigen."
„Seien fie unbesorgt, Herr Baron. Nicht» liegt mir ferner, als Ihre Worte zu wiederholen. — Adieu, Madeleine! Tante bittet Dich,
IM" Morgen, am Himmelfahrtsfest
hinzukommen, weil Klaras Vermählung mit dem Baron von Dernburg sehr nahe bevorsteht."
„Und Margot ist auch schon verlobt?"
„Mit dem Grafen von Loschitz."
„Ich spreche so bald als möglich vor."
Die Francois begleitete da» Mädchen hinaus.
„Alberner, hochmütiges Ding!" murmelte Noiseuil, seine wie Achat glänzenden Fingernägel betrachtend. „Dein Bruder leiht mir wohl ein willigeres Ohr."
Eine glückselige, weiche, unbeschreiblich süße Stimmung war über Arsene gekommen. Alle Härten ihres Charakters zerschmolzen jetzt in Hingebung, Demut und wonnigem Dankgefühl, — Guido! — Der Klang diese« Namens war das Zauberwort, welches ihr die goldene Pforte eines Paradieses öffnete und Wunder zeigte, vor denen sie ahnungsvoll und verlangend stand. Guido! So hatte noch kein Mann sie angesehen, mit so bestrickender Stimme zu ihr gesprochen. Er weckte da» Bewußtsein des eigenen Werte» in ihr» lehrte fie ihr Recht auf die Freuden dieser Welt erkennen, war gekommen wie der Märchenprinz, dessen heißer Kuß Dornröschen au« schwerem, traumlosem Schlummer weckte und jetzt harrte die Erwachte täglich seiner. Er war ihr erster Gedanke, wenn der Morgen dämmerte, ihr letzter, wenn fie die Augen schloß. Eine glühende Natur, ging Arsene mit ihrem ganzm Herzen, ihrem ganzen Sinn in dem auf, was fie empfand und wollte, und alles, alles drehte sich um Guido, war auf das innigste mit ihm verwachsen. Noch hatte er ihr nicht mit klaren Worten gesagt: „Ich liebe Dich!" aber sie las das unausgesprochene Geständnis in seinem Blick, hörte es aus dem Ton seiner Stimme heraus, fühlte sich süß durchschauert, wenn er heimlich ihre Hand drückte. An die Zukunft dachte sie nicht und hatte gegenwärtig keinen anderen Wunsch, als daß alle» so bleiben, daß sich nicht« verändern mögen. — Es kam aber doch anders und gar bald. Eine»
, Wird kein Blatt ausgegeben. "WA