Freitag den 17. Oktober 1941
Der Enztäler
99. Jahrgang Nr. 244
Kurzmeldungen
Nelvhork. Nach einer Meldung der USA-Nachrichten- agentur Associated Preß aus Christobal (Panama-Kanal) be. findet sich der auf Geheiß der Vereinigten Sraaten beseitigte bisherige Präsident der Republik Panama, Arias, nunmehr kl den Händen der Polizei.
Berlin. Der slowakische Innenminister Mach traf in Berlin ein, wo er vom Reichsorganisationsleiter Dr. Leh begrüßt wurde. Der ausländische Gast kommt damit einer Einladung Dr. Leys nach, um in Deutschland die Einrichtungen der Deutschen Arbeitsfront kennenzulernen.
Stockholm. Nach einer Meldung des englischen Nachrichtendienstes ist der Chef der USA-Luftwaffe, Generalmajor
Butt, in Großbritannien eingetroffen. _
Französische Soldaten wie Verbrecher behandelt.
Im französischen Gebiet von Ali Sabich in Somaliland Wurde, wie ans Dschibuti gemeldet wird, eine französische Patrouille in Stärke von drei Mann unter dem Kommando eines Sergeanten von einer britischen Abteilung in einen Hinterhalt gelockt, gefangengenommen und nach Baunenle gebracht. Die Gefangenen wurden hier ins Gefängnis gesteckt und wie gemeine Verbrecher mit auf dem Rücken gebundenen Händen abtransportiert. Proteste des französischen Generalgouverneurs von Dschibuti blieben einfach unbeantwortet. Die Seeblockade ist in den französischen Gewässern verschärft worden. Seit Mitte September besteht keine Verbindung über den Golf von Dschibuti. Selbst kleine Fischerboote können sich nicht mehr in die Gewässer begeben, ohne Gefahr zu laufen, von den britischen Kriegsschiffen aufgebracht zu werden.
Oie Begründer de- Arbeitsdienste-
Ehrenhaftigkeit der körperlichen Arbeit.
Berlin, 16. Okt. Reichsminister des Innern Dr. Frick empfing im Beisein des Reichsarbeitsführers Hierl die Begründer und ersten Angehörigen des Arbeitsdienstes. Er bankte ihnen für die Treue, die sie diesem Dienst seit seiner Errichtung vor zehn Jahren allezeit bewahrt hätten. Der heutige Gedenktag sei für sie ein stolzer Ehrentag, insbeson- ^rr Reichsarbeitsführer selbst, der in unermüdlicher Tätigkeit den Gedanken des Arbeitsdienstes verfolgt habe und m kne ie die Seele dieses Gemeinschaftsdienstes sei.
Am Anfang hatten keine Belohnungen, sondern nur Opfer gestanden. Heute leugne kein vernünftiger Mensch mehr die Bedeutung des Arbeitsdienstes und seine Leistungen. Die Arbeitsdienstpflicht sei jetzt eine nationale Pflicht wie der Wehrdienst. Die günstigen Ergebnisse in Deutschland hätten dem Arbertsdienstgedanken auch in anderen Ländern seine Entfaltung gebracht.
Es habe sich erwiesen, daß der Arbeitsdienst nicht, wie viele am Anfang meinten, eine Maßnahme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder ein Ersatz für die damals nicht gegebene allgemeine Wehrpflicht sei. er verkörpere vielmehr die Ehrenhaftigkeit der körperlichen Arbeit und bedeute eine große weltanschauliche Schulung, die Erziehung zum Gemein- schastsgedanken. Mit Bewunderung blicke jetzt dis ganze Nation auf den Reichsarbeitsdienst, der wertvolle Leistungen für die Verteidigung des Vaterlandes vollbringe.
Lehrabtetlung des RAD für Rumänien.
Bukarest, 16. Okt. Auf Wunsch Marschall Antonescus ist kn Rumänien eine Lehrabteilung des deutschen Reichsarbeitsdienstes eingetroffen, um die künftige Führerschaft der neuerrichteten rumänischen Organisation „Munca Timeretului Roman" in dem Geist und der Gestaltung des Arbeitsdienstes einzuführen. Die Lehrabteilung wurde in Breaza in feierlicher Weise begrüßt. Der Kommandeur der rumänischen Jugendarbeit, Generalintendant Palangeano, richtete eine Ansprache an die deutschen Kameraden, in der er u. a. ausführte: „Ein Teil von uns konnte in Eurem Lande den sinnvollen und vollkommenen Aufbau des deutschen Reichsarbeitsdienstes und den Nutzen, den Euer Land durch Eure Tätigkeit sowohl in der Friedensarbeit als auch durch den Einsatz in den Kriegsgebieten und an der Front schätzen lernen, wo überall durch Euren hervorragenden Opfergeist Glänzendes geleistet Wird. In einigen Tagen fährt eine Gruppe junger Offiziere und Erzieher nach Deutschland, wo sie einige Monate in den Einheiten des Reichsarbeitsdienstes Dienst tun wird. Junge Deutsche! Ihr seid gekommen, wiederaufzubauen, wo andere zerstören mußten, und um allen klarzumachen, daß dieser Dienst, in dem Lande einer Nation, die gedeihen will, nicht fehlen darf. Wir werden die Erfahrungen Eurer Arbeit übernehmen und werden sie auf dem Boden unseres schönen Landes, der mit dem Blut Eurer und unserer Kameraden getränkt ist. verpflanzen."
Mus -en Nachbargauen
Landau. (Ende einer Schwarzfahrt.) In genheim wurden zwei Burschen festgenommen, die mit einem in Frankenthal nachts entwendeten Kraftwagen ans Vergnügungsreise gefahren waren.
Kaiserslautern. (Tödlicher Wirtshaus st reit.) In Schopp gerieten in einer Wirtschaft der Bauunternehmer Otto Maue und der Bahnarbeiter Otto Höbe! m Streit, der durch Einmischung anderer Wirtshausgäste in eine heftige Schlägerei ausartete. Dabei wurde der 35jäh- rige Otto Maue durch einen Schuß, den Höbel aus einem alten Gewehr abgegeben hatte, schwer verletzt. Im Krankenhaus ist Maue bald darauf seinen Verletzungen erlegen. Der Täter wurde verhaftet.
Homburg. (Aus dem Fenster gestürzt.) Beim Fensterputzen in einem Hotel fiel die 27 Jahre alte Hausangestellte Paula Deller aus Mörsbach aus dem Fenster. Mit schweren Verletzungen mußte die Verunglückte ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Worms. (Schlecht beleuchtet.) Grobe Fahrlässigkeit verursachte hier in den Abendstunden einen Verkehrsunfall. Zwei nicht vorschriftsmäßig beleuchtete Fahrzeugs — ein Omnibus und ein Personenauto — stießen in der Nähe der Kaserne zusammen. Die Fahrzeuge wurden schwer beschädigt, ein halbes Dutzend Personen leicht verletzt. Die Fahrer sollen zudem noch unter Alkoholeinwirkuna gestanden haben.
Frankfurt a. M. (Zwei Paddelbootunfälle — Ein Toter.) In den letzten Tagen haben sich auf dem Main im Stadtgebiet Frankfurt wieder zwei Vaddelboot- unfälle zugetragen, bei denen ein Menschenleben zu beklagen war. In dem ersten Fall, bei dem der Paddler umkam, führ dieser in Höhe der Alten Brücke in den Kurs eines in Fahrt befindlichen Personenschiffes. Obwohl rechtzeitig Warnsignale gegeben wurden und schließlich auch das Schiff abgc- stoppt wurde, kam das Paddelboot doch vor den Bug des Schiffes, wobei der. Paddler ertrank. In dem zweiten Falle wollte ein Paddler in Höhe der Wilhelmsbrücke zwischen den Anhangkähnen eines Schleppzuges hindurchfabren. wobei das Paddelboot von dem Schleppstrang erfaßt und zum Umkippen gebracht wurde. Der Paddler konnte im letzten Augenblick von der SÄinsbesatzüng noch vor dem Ertrinken gerettet werden.
Frankfurt a. M. (Großer Schn hdiebsta bl.) In der vergangenen Woche wurde einem Handwerker in einem Frankfurter Vorort aus einem Lager eine erhebliche Menge an Schuhen gestohlen. Es handelte sich um Bent.waren. Das Diebesgut besteht aus schwarzen und braunen Schnürstiefeln jeder gangbaren Größe Außerdem wurden noch zehn Paar Kinderschuhe aus Stofs gestohlen.
— Friedrichshofen. (Unsätle.) Beim Obstpflücker» stürz e in Immenstaad in einem Garten ein Mann vom Baum und mußte mit einem Unterschenkelbrnck, ins Meersburger Krankenhaus gebracht werden. — Zwischen Ober- teuringen und Hefigkofen streme auf der Heimfahrt von der Arbeit ein Motorradfahrer mit der Fußraste den Straßenrand. Der Fahrer mußte mit einer KnLchelvcrstaiichung ins Krankenhaus Markdorf übergeführt werden.
Zrankenihal. (Verurteilung einer unmenschlichen Mutter.) Die 36 Jahre alte Katharina Beller von hier mißhandelte ihr dreijähriges Kind in der rohesten Weise. Das unmenschliche Weib steckte u. a. die Händchen des Kindes ins offene Herdfeuer. Die Strafkammer verurteilte die Beller zu zehn Monaten Gefängnis.
Bensheim. «Erd beeren im Oktober.) Am neuen Weg konnte der Einwohner Möhrer in seinem Garten dieser Tage nahezu ein Pfund feinster Erdbeeren ernten und weitere Früchte stehen noch vor der Reife.
Darmstadt. (Hast st rasen für V e rd u n ke l u n g s- sünder.) Im Schnellverfahren erhielt ein Einwohner, der »nährend des Fliegeralarms ein Fenster nicht verdunkelt und Nachbarn, die ihn darauf aufmerksam machten, soaar noch beleidigt hatte, 2 Wochen Haft. — Zweimal drei Tage Haft bekam eine Frau, die zweimal während des Fliegeralarms ein Fenster erleuchtet halte. Selbst wenn ihr Untermiewr leichlfertigerweise Licht gemacht habe, sei sie. so wurde sie belehrt, für die Verdunkelung in der Wohnung verantwortlich. — Zehn Tage Hast bekam ein Mann, der während eines Alarms mit einer nicht abgeblendeten Taschenlampe im Garten nach Regenwürmern kür sein Angelgerät gesucht hatte.
Frankfurt a. M. (Durch heiße Ftüssigkeiteu verunglückt.) Am Stadtteil Höchst wurde ein 15 Monate alles Kind mit einer schweren Verbrennung der Speiseröhre ins Krankenhaus eingeliefert. das in einem unbewachten Augenblick auf einen Küchentisch kletterte und aus
einer Tafle kochendheißen Kaffee getrunken varie. — In Okriftel ubergoß ein Junge beim llmreißen eines TopseS mit kochender Suppe sein siebenjähriges Schwesterchen mit der heißen Flüssigkeit. Das Kind erlitt so schwere Verbrennungen an beiden Beinen, daß es ins Höchster Krankenhaus eingeliefert werden mußte.
Me isierfchule sür -as deutsche Han dwerl
Am 1. Oktober hat das neue Wintersemester der Slaatl. Meisterschule für das deutsche Handwerk in Straßburg begonnen. Aus diesem Anlaß gab deren Leiter, Direktor Guttmann, der Presse Gelegenheit, eine« Einblick in den Aufbau dieser Schule, die nach der seit der Wiedereröffnung am 4. November 1940 erfolgten ständigen Erweiterung eine der bedeutendsten und umfassendsten Deutschlands geworden ist, zu gewinnen.
NSG. Die Anstalt wurde 1890 als Schule für Kunsthandwerker gegründet. Bis Ausbruch dieses Krieges war sie Städt. Kunstgewerbeschule. Heute zählt sie hundert Schüler, von denen ein Drittel aus dem Altreich kommen. Mit Beginn des neuen Semesters wurde ihr eine Abteilung sür Modegestal. ter angegliedert. Sie umfaßt außerdem Abteilungen sür Bild. Hauer, Steinmetze und SteinmetztHniker, Maler, Theatermaler und Kostümentwerfer, Graphiker, Buchbinder, Kunstschmiede und Keramiker. In Vorbereitung sind Abteilungen sür Fotografen, Architektnrmodellbaiier. Gebrauchswerber und Buchdrucker.
Die Straßburger MeistersaMe ist sich der Verpflichtung, die ihr die große Ueberlieferung Straßbur^ auferlegt, bewußt. Sie ist in der kurzen Zeit seit ihrer Wiedereröffnung schon mit bedeutenden Arbeiten hervorgetreteu. So wurden aus der Straßburger Groß-Ausstellung ihre wunderbaren Schmiedearbeiten viel beachtet. Direktor Gutmann geht von der Ueberzeugung aus, daß im Volkstum noch viel mehr schöpferische Kräfte schlummern, als es nach der Verschüttung der Werte der Vergangenheit in den letzten Jahrzehnten scheinen möchte. Sie wirksam werden zu lassen und die Studierenden instand zu setzen, in materialgerechter Behandlung selbständig Werke zu schassen, die künstlerische Doku- mente unserer Zeit sind, ist das Ziel der Meisterschule. Hier, für stehen bewährte Lehrkräfte, größtenteils Elsässer, zur Verfügung. Auch die elsässischeu Schüler haben, wie Dir. Guttmann betonte, die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt.
Tie Ausbildung dauert 2—3 Semester, eine verhältnismäßig kurze Zeit, die aber umso besser genutzt wird. Sie soll dem jungen Handwerker alle Kenntnisse und Fertigkeiten in fachtechnischer, künstlerischer, betriebswirtschaftlicher und nationalpolitischer Hinsicht vermitteln, die für die Ablegung der Meisterprüsung notwendig sind. Außerdem werden besonders Begabte zu einem ausgereisten Können auch in Berufen geführt, in denen eine Meisterprüfung nicht verlangt wird.
Diejenigen Studierenden, die ihre Meisterprüfung in einem lehrpflichtigen Beruf ablegen wollen, müssen bei der Aufnahme in die Schule eine abgeschlossene handwerkliche Lehre Nachweisen. Für alle übrigen genügt es. wenn sie zur Aufnahmeprüfung eine gute Allgemeinbildung und eine überdurchschnittliche Begabung mitbringen, die sie mit selbst gefertigten Arbeiten belegen können. Außerdem müssen sie das 16. Lebensjahr vollendet haben.
Bei guter Leistung können an Bedürftige vom 2. Semester ab Stipendien oder Erlaß des Schulgeldes und in besonderen Fällen auch Freitische gewährt werden. Ti? Schulgebühren wie die übrigen Studienkosten sind gering. Genaue Auskunft erteilt das Sekretariat der Schule Straßburg. Aka- demiesiraße l.
Das Prager Rudolphiuurn dem deutsche« Kuvstleben zurückgegeben
Prag, 17. Okt. (Eig. Funkmeldung.) An: Donnerstag wurde in Prag in feierlicher Weise ein Staatsakt'vollzogen, der weit über die Grenzen des Protektorats hinaus als ein Markstein in der Entwicklung des deutschen Kulturlebens von bleibender Bedeutung sein wird. Das einst als deutsche Kulturstätte geschaffene, durch das ehemalige tschechische Regime enteignet»? „Rudolphinum", das bis zum Jahre 1938 als Par- lamentsgebände verwendet wurde, ist seiner ursprünglichen Zweckbestimmung zurückgegeben worden.
Zum deutschen Botschafter in Nanking ernannt
Berlin, 16. Okt. Der Führer hat auf Vorschlag des Reichsministers des Auswärtigen von Ribbentrop den Botschafter Stahmer zum deutschen Botschafter in Nanking ernannt.
l.c>pxrigbt dx Kart Köhler L Lo., Beri»n-Schmargeiwor>. 17) (Nachdruck verboten.)
„Etwas Anderes?" wiederholte sie in tiefem Erstaunen. „Was sollte er mir sagen wollen?"
Henner ärgerte sich weidlich. War sie so dumm, oder stellte sie sich nur so? Gut, so wollte er diese Ruhe ein wenig erschüttern.
„Nun, Ludi hätte doch zum Beispiel gebunden sein können?"
„Gebunden? Wieso denn? Daß er keine Freundin hat, weiß ich schon von ihm selbst."
„Eine Freundin nicht, aber vielleicht ein Mädchen, das er liebt?"
Sie sah mit runden Augen in sein Gesicht. Sie war ehrlich, sie hatte ihn wirklich bis jetzt nicht verstanden. Nun erkannte sie grell die nie erahnte Gefahr.
„Ein Mädchen, das er liebt —" murmelte sie vor sich hin. „Warum machst du solche Beispiele?"
Etwas unbehaglich vor ihrem schweren Ernst erwiderte er: „Man sollte Menschen immer sprechen lassen, wenn sie es unbe- oingt möchten. Vielleicht ist es wichtig."
„Er ist hierhergekommen", sagte sie hilflos und so. als sei das ein Beweis für seine Heiratsabsicht.
„Es gibt Dinge, die sich brieflich nicht besprechen lassen."
„Du machst mir angst und bange, Henner-" Sie
versuchte einen Scherz, der kläglich mißlang.
Doch ehe er einienken konnte, trat Ludwig zu ihnen und fragte mit Heller, unbefangener Stimme: „Nun, was gibt's?"
Lydia Hochkemper erhob sich schnell und bat: „Entschuldigt mich eine Weile." Dann legte sie schnell ihre beiden Hände ans Ludwigs Schultern und küßte ihn kurz und jäh au/ den Mund
„Ich habe dich sehr lieb, Ludwig!" sagte sie fast fc'erlich.
Ludwig stand ganz benommen. Fragend starrte er aus Henner. Dieser meirüe. als Lydia »--ar: „Tja, mein
Junge, da wirst du nun kein ganz leichtes Spiel haben. Das ist nicht mehr zu übersehen: sie liebt dich."
„Und mir wird nichts anderes übrig bleiben, als heimzufahren und Agelin zu sprechen, die aus keinen meiner Briese antwortet."
In diesem Augenblick geschah etwas, das jedes Gespräch auslöschte. Hochkemper trat ein und mit ihm ein junges Mädchen, um dessen Schultern er seinen rechten Arm gelegt hatte. Liebevoll und mit fast väterlicher Würde leitete er das schöne Geschöpf ahnungslos in den Raum und den beiden Männern entgegen, von denen der eine fassungslos aufstand und seinem Bruder zuraunte:
„Beim Himmel, wer ist das?"
„Fräulein Julie Schrade. eine Freundin des Hauses, von der Lydia sagt, daß Onkel Hugo sie — heiraten will", gab Ludwig schnell und leise Auskunft, denn schon näherte sich das ungleiche Paar, so sehr, daß jede weitere Unterhaltung darüber unmöglich wurde.
- Hugo Hechkemper begrüßte den seltenen Neffen freudig und ohne jede Spur von Ironie; er hätte Henner manchesmal gern bei sich gesehen, aber, wer nicht wollte, mußte es bleiben lassen. Dagegen gab es kein Kraut. Nun aber freute es ihn doppelt.
„Sind wirklich wir es, die dich Hierherzogen?" fragte er mit angenehmer Heiterkeit. „Oder haben wir das nur deinem Bruder zu verdanken?"
Henner antwortete nicht, sondern schaute nur Julia in das erregte Gesicht. Leicht verwundert schaute Hochkemper von einem zum anderen.
„Richtig, ja, ihr kennt auch noch nicht! Henner ist ein gar seltener Gast bei seinen Verwandten. Also: mein Neffe Henner Hochkemper, Ludwigs Bruder — — Julia Schrade, meine zukünftige Frau."
Julias Blick in Henners Augen erlosch so sehr, daß Henner besinnungslos sagte: „Noch immer soviel zu — Scherzen aufgelegt?"
Der alte Hochkemper horchte mit einem Schrecken auf, wie er es seü Jahren, ja seit Jahrzehnten nicht mehr gekannt. Welch ein Ton war das? Was glomm hinter der Bemerkung, die an sich harmlos klingen konnte? Jedoch: .der Ton macht die Musik'. Und dieser Ton war neu und fremd. Hochkemper entgegnete ruhig und keineswe'gs verändert: „Diesmal nun war es kein Scherz, Junge." Und rersiel dabei leicht in die sächsische Mundart.
„Aber, Onkel Hu", tadelte Julia Schrade selbst mit zarter Stimme N'-m"nd konnte rmss-m m-e war. Ge
währt« sie lächelnd oder versagte sie zürnend? Dieser kleine Satz enthielt alles, was man daraus lesen wollte.
Henner kümmerte sich kaum darum, sondern zog Julia in ein Gespräch, bei dem sich die andern überflüssig vorkamen. Trotzdem zogen sie sich nicht zurück, besonders Hugo Hochkemper wich und wankte nicht, während Ludwig unruhig nach Lydia Ausschau hielt. Was hatte Henner zu ihr gesagt? Ludwig fürchtete fast, daß Lydia erschreckt worden sei.
In der späten Nacht nach diesem seltsam begonnenen Abend, der dann doch noch hübsch und heiter endete, begleitete Ludwig seinen Bruder noch ein Stück des Weges.
„Nun, wie war dein Eindruck?" forschte Ludwig ungeduldig, da Henner nicht sprach und keine Eile zeigte, heimzukommen.
- „Wunderbar", flüsterte Henner, „wirklich wunderbar."
„Wer? Lydia?" Ludwig fühlte sich überrascht.
„Ach, Henner erwachte aus seinem Hindämmern, „wieso Lydia? Ich kann mir gar kein Bild von ihr machen, weil sie mich nicht im geringsten interessiert. Natürlich ist sie sehr nett und auch sicher liebenswert. Aber das mußt du alles selber merken, bade» kann dir keine Seele helfen."
„Wen, in aller Welt, meinst du denn mit deinem „wunderbar"?"
„Alter Esel, bist du denn blind? Julia meine ich, Julia Schrade." Und er fuhr mit erhöhter Stimme fort: „Wenn die kleine Agelin in dir auch nur entfernt die Gefühle auslöste, die Julia beim ersten Sehen in mir erweckte, dann, Junge, bester Junge, halte sie dir fest und kämpfe um sie bis zum letzten Atemzug."
„Juli»? Du sprichst von — Onkel Hugos Braut?" Ludwig zeigte sich sehr bestürzt.
„Braut? Braut? Das kann er doch nicht im Ernst Vorhaben. Ein alter Mann und ein schönes, junges Mädchen? Das ist ja ein Verbrechen."
„Henner, was hast du vor?"
„Gute Nacht, mein ängstlicher Hase! Iedensalls für eins hake Dank: daß du mich überredet hast, die Verwandten wieder einmal, zu besuchen. Es hat sich gelohnt." Henner drängte Lud- wig fast gewaltsam zurück, seine weitere Begleitung ablehnend, und war bald im Dunkel verschwunden.
*
(Fortsetzung folgt.)