irr dem man Mehl kaufen könne, auch nach dem Wege zur Neckarmühle fragte.
Wald fassen 5. April. Einen wohlgelungenen Aprilscherz leistete sich die in der ganzen nordöstlichen Oberpfalz und dem angrenzenden Oberfranken gelesene, hier erscheinende „Grenzzeitung". Sie ließ sich aus Konstanz drahten, daß am 1. April Graf Zeppelin mit seinem Luftschiff nach Berlin segle und dabei die Route Nürnberg-Wiesau-Eger. Chemnitz Berlin einschlage. Nachvem der Witzvogel auch genau die Zeit angegeben hatte, zu welcher das Luftschiff die Orte Wiesau, Mitterteich, Waldsaffen rc. passieren sollte, waren e» nicht Dutzende, sondern Hunderte, die er in den April schickte. Ganze Ortschaften wanderten auf die nahe gelegenen Berge oder hochgelegenen Punkte, um das Nahen des Luftballons zu erwarten. In einigen Orten haben sogar die Lehrer die Schulkinder aus höher gelegene Punkte geführt. — Immerhin ein Zeichen für dis im Volk bereits lebendige Zuversicht, daß die Verwirklichung der Zkppelin'schen Pläne dem Ernst näher steht, als dem Scherz.
Berlin 6. April. (Reichstag). Die Beratung des Versinrgesetzes wird fortge- setzt beim 8 8, der von der Teilnahme der Beauftragten der Polizei an öffentlichen Versammlungen handelt. Abg. Trimborn (Ztr.) beantragt, das Ueberwachungsrecht der Polizei, insoweit es sich um Verhandlungen beruflicher Art „zur Erörterung von Verabredungen und Vereinbarungen zum Behufs der Erlangung günstigerer Lohn- und Arbeitsbedingungen" handelt, zu streichen. Abg. Heine (Soz.) stimmt dem Anträge Trim- bornr zu und beantragt selbst Streichung der Bestimmung, wonach „dem Beauftragten der Polizei ein angemessener Platz eingeräumt werden muß". Unter staatssekretär Wermuth bittet um Ablehnung des Antrages Trimborn. Abg. Köhler (w. Vg.) weist darauf hin, daß man in Hessen das Ueberwachungsrecht nicht kenne. 8 8 wird sodann unter Ablehnung beider Anträge unverändert angenommen, ebenso die 8§ 9 und 9 s.. 8 10 verpflichtet im Falle der Auflösung einer Versammlung die Anwesenden, sich sofort zu entfernen. Die Abgeordneten von Dziembowski (Pole) und Htldenbrand (Soz) befürworten die Streichung des Wortes „sofort". Der Paragraph wird sodann unverändert angenommen. § 10a schließt Jugendliche unter 18 Jahren von der Teilnahme an politischen Vereinen und deren Versammlungen, sofern es sich nicht um gesellschaftliche Veranstaltungen handelt, sowie von öffentlichen politischen Versammlungen aus. Ein Antrag Brandy» (Pole) will diesen 8 ganz streichen, ein Antrag Trimborn (Ztr) will Zulassung der Jugendlichen wenigsten zu Vereinen und Versammlungen, die sich ausschließlich mit
beruflichen oder Standesangelegsnheiten befassen und zwar auch dann, wenn nicht eine Einwirkung auf Gesetzgebung und Verwaltung bezweckt wird. Auch soll das Verbot des 8 10a auf Jugendliche unter 16 statt 18 Jahren beschränkt werden. Abg. Giesberts (Ztr ) befürwortet den Antrag. Wer das praktische Leben kenne, den frühen Eintritt der Arbeiter in das Erwerbt leben, müsse den Antrag nach beiden Richtungen hin für berechtigt erklären. Unbegreiflich sei es, wie die Freisinnigen anders darüber denken können. Geschädigt durch den § 10a werde namentlich der Handwerkerstand, der Mittelstand. Man erschwere ihm die Bildung von Jugend-Vereinigmigm zum Kampf gegen die Sozialdemokratie. Am besten wäre er daher, den ganzen Paragraphen zu streichen. Er sei nichts wert. (Sehr richtig) Eine derartige Bevormundung^ und Bewahrungs-Politik sei ganz erfolglos, sie sei veraltet. Wenn die Rechte nicht so mit Blindheit geschlagen wäre, müßte sie diesen 8 10a fallen lassen. (Lebhafte Bravo im Zen- trum). Abg. Graf Carmer -Zieserwitz (kons.) erklärt, ohne diese Bestimmung wäre der Entwurf für seine Freunds unannehmbar. Politik sei das Vorrecht gereifter Leute, dis ihre Beschlüsse und deren Tragweite zu beurteilen wüßten. (Sehr richtig rechts). Aus der politischen Betätigung unreifer junger Burschen ergeben sich nur Miß- stände. Abg. Hildenbrand (Soz) bemerkt, mit dem § 10 a schaffe man ein Ausnahmegesetz, obwohl der Regierung gar nichts daran liege. Der 8 10a habe den Zweck, die sozialdemokra- kratischen Jvgend-Orgamsationen zu vernichten. Er werde das polnische Leben vergiften. Abg. Eberling (natl.) führt aus» seine Freunde wollten nicht die politische Erziehung der Jugend beschränken, wohl aber ihre zu frühe politische Betätigung. Wenn es bkhsr oft genug vorgekommen sei, daß Versammlungen durch Jugendliche gestört worden seien, so werde die Polizei gegen solche Störungen fortan eine Handhabe haben, an der es bis jetzt fehle. Seine Freunde sehen in diesem Paragraphen keine Handschellen. Ein Ausnahmegesetz sei dieser Paragraph nicht, denn er schaffe gleiche Rechts für Alle unter 18 Jahren. R-.dner schließt: Möge dieser Paragraph zum Segen sein für unser Vaterland und für unsere geliebte Jugend. (Beifall.) Abg. Brejrki (Pole.) bekämpft den 8 10 a und befürwortet entsprechend dem Anträge Brandys seine gänzliche Streichung. Abg. Mugdan (s. Vp.) bemerkt, der 8 10a hat den Fehler, daß er dis Polizei unter Umständen zu einem Einschreiten veranlassen könnte, wo dies nicht in der Absicht der Gesetzes liegt. Es müßten dagegen also eigentliche Kautelsn geschaffen werden. Wenn der überaus größere Teil seiner Freunde tr otzdem für den Paragraph stimmen werde, so geschehe dies wohl, um nicht an einem einzelnen Paragraphen ein Gesetz scheitern zu lassen, von dem man sich im
Verübung von Wechselfälschungen auf dgzn Weg nach Amerika bi« Hamburg kam, wurde von der hiesigen Strafkammer zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.
Plieningen 6. April. Bei einem hier aufgegriffenen Stromer wurden Uhrkctten, Ringe und ein größerer Geldbetrag gefunden. Es handelt sich u« einen 131-mal vorbestraften Menschen au» dem Oberamt Gerabronn, der neuerding» Eivbruchsdiebstähle verübt hat. Er wurde nach Stuttgart ins Gefängnis gebracht.
lllm 6. April. In Lomerdingen starb im Alter von 84 Jahren der Privatier A.Heiland, ein Sonderling bis zum Tode. Obwohl er etwa 80 000 hinterließ, ging er stets wie ein Bettler gekleidet und gönnte sich nichts. Seine Liebhaberei war das Aufkäufen von Pfändern aus Leihhäusern, davon wurde eine Unmenge der verschiedensten Sachen in seinem Nachlaß gefunden. Sein Vermögen hat er testamentarisch Missionen in Afrika vermacht.
Ettenhausen OA. Künzckau 6 April. Der Bäckermeister Joh. Keidel hier hatte sich eine Wunde am Auge zugezogen, die in Krebs ausartete. Trotz operativer Entfernung des Auges trat allgemeine Entkräftung ein, die den Tod des erst 49jährigen Mannes zur Folge hatte. Er ist a« Samstag beerdigt worden.
Pforzheim 6. April. Wegen des Diebstahls von einer Mark, den das 15-jährige Lehrmädchen Lina Walz an einem anderen Mädchen verübt hat und der ihm r.achcewiesen wurde, nahm das Mädchen aus Furcht vor Strafe eine Lyankalilösung, an der es alsbald verstarb. — Auf dem Weg von hier nach Huchenfeld im Walde, wurde ein junger Marn von zwei vagabundierenden Handwerksgesellen überfallen und seines Portemonnaies beraubt. Es gelang, den Schloffergesellen Karl Rau als einen der Täter zu ergreifen, der andere wird noch gesucht.
Wimpfen 6. April. Zu dem Mordversuch einer Mutter an den eigenen Kindern kann heute berichtet werden, daß im Befinden de» schwerverletzten Mädchen« seit 2 Tagen eine wesentliche Besserung eingetreten ist, so daß allmählich die Hoffnung auf Erhaltung seines Leben» immer mehr Raum gewinnt. Die Wunden heilen wider alles Erwarten gut. Der kleine Knabe dagegen ist immer noch nicht zum Bewußtsein gekommen. Von der Mutter der Kinder fehlt «och jede Spur, und man nimmt an. daß sie den Tod im Wasser gesucht hat, da es sicher niemand andere« als sie es war, die am Abend der Tat einen hiestgen 13 jährigen Schulknaben, dem sie nachträglich durch ihre Aufgeregtheit und ihre Hast und durch ihre beschmutzten Kleider und Schuhe ausgefallen ist, außer nach einem Geschäft,
ließ sie fahl erscheinen. Plötzlich wurde es Lore unheimlich mit ihr allein. „Nach dieser Unterredung empfinde ich da« Bedürfnis, mich in der frischen Lust zu erholen", sagte sie scheinbar gleichmütig. „In etwa einer Stunde, also um zehn Uhr, werde ich zurück sein. Wollen Sie dann die Güte haben, mir zu öffnen?"
„Sie wollen noch fort?" fragte Frau Kornhar mißtrauisch und zögernd.
Jetzt riß Lore der Geduldsfaden. „Ja, ich will! Ich habe doch hoffentlich hier keinen Zimmerarrest!"
„Mein Mann wird da» Vergnügen haben, Sie hereinzulaffen," sprach Frau Kornha« ruhig, „er ist wach."
Damit ging sie zur Tür, Lore in ihrer kindischen Furcht dicht hinter ihr, in der fieberhaften Ueberzeugung, das Weib möchte sie hier einschließen.
Auf der Treppe vernahm sie Herrn Kornha»' Murmeln und Schlürfen, aber seltsamerweise jagte er ihr viel weniger Grauen ein als seine Frau. Im Grunde genommen war sie die Gefangene von Frau Kornhar!
Wie, wenn sie Herrn Beterl alle« sagte? Aber da« wäre Verrat und Vertrauensbruch gewesen, und von beidem wandte sich ihre Seele mit Abscheu fort.
Sie rannte »auf die Straße hinaus, die sich zwischen Gärten bi» zur belebten Hauptstraße der Stadt hinzog. Unter den tropfenden Büschen lustwandelten jetzt viele, die Bewohner der inneren Stadt, die sich nach der Tage» Hitze und Mühen an den Gartenvillen fremder Leute erfreuten. Ln den Gittern standen sie, suchten einen Blick in die grüne Tiefe zu tun und wünschten sich ebenfalls „ein ganz bescheidenes Häuschen im Grünen".
Auf der ersten Bank in den Anlagen ließ Lore sich nieder, atemlos und beängstigt. Sie konnte von hier au» gerade in die Korr harschen Fenster sehen. Jetzt tauchte ein Funkeln auf — dann wieder — dann dort — da« war Herr Kornhar mit seiner Kerze. Wie lange sie dort saß und da» Licht verfolgte, sie wußte er nicht. Sie bemerkte ebensowenig,
daß von den Spaziergängern einer nach dem andern verschwand, und daß die Anlagen menschenleer wurden. Allerlei Getier begann sich bemerklich zu machen; Kröten hüpften schwerfällig über den Weg, eine dicke Motte kreiste in der Lust, immer um einen unbestimmten unsichtbaren Mittelpunkt herum. Nur die Vögel waren still.
In dieses nächtliche Verstummen hinein klang ein schallender, unregel- mäßiger Schritt. Vielleicht ein Schutzmann, der hier die Runde machte. Sie sah ohne jede Neugier auf, als eine Gestalt an der Wegbiegung au« dem Schatten tauchte, aber bald bemerkte sie zu ihrem Schrecken, daß der einsame Wanderer direkt aus ihre Bank zusteuerte. Ihr erste» Denken war der törichte und brennende Wunsch, zusammenschrumpfen zu könne« und so rückte sie denn bis an das äußerste Bankende, wo sie wie angenagelt fitzen blieb.
„Wenn mich nicht alle« trügt» ist das Fräulein Lore Freysisen I" sagte die Gestalt. „Zum Donnerwetter, Fräulein, was machen Sie hier zu dieser Stunde?"
„Herr Beiert I" atmete Lore tief auf. „Sie haben mich halb tot geängstigt! Gott sei dank, daß Sie es find!"
Rudi Beiert setzte sich ohne weiteres neben sie, und sie sah in dem gelben Schein der nächsten Laterne, daß er sehr irritiert und sehr nervös war.
„Sie verzeihen, ich will nicht indiskret sein — aber es ist zum mindesten unvorsichtig, daß Sie sich diese Stunde und diesen Platz zum Luftschnappen aussuchen. Ich begreife Kornha» nicht, daß er so wenig acht gibt auf eine so jugendliche Hausgenosstn.
Lore stieg der Zorn schwellend bis an die Kehle. Dar mußte sie sich sagen lassen I Sie, Lore Freyeisen, von einem jungen Menschen, den es absolut nichts anging! Sie mußte sich mühsam beherrschen, um nicht mit der ganzen Wahrheit über ihren Schreckenrabend herauszuplatzen. Weiß Gott, was er von ihr dachte!
(Fortsetzung folgt.)