Heilbronn 4. April. Der Bauschwindler Alfred Preiser, der, wie berichtet, zahlreiche Baugeschäfte in Deutschland durch betrügerischen Verkauf eine« angeblichen Trocknung-mittel« ge- schädigt hat, ist nach dreitägiger Verhandlung von der Strafkammer wegen Betruges in 72 Fällen zu 5 Jahren Gefängnis und dem Verluste der Ehrenrechte auf die gleiche Dauer verurteilt worden. Wegen 25 Fällen wurde er freigesprochen.
Tuttlingen 5. April. Das Schöffengericht hat vier hiesige Bäckermeister zu der verhältnismäßig milden Geldstrafe von je fünf Mark verurteilt, weil sie in ihrem Betriebe statt Butter Margarine verwendet hatten. Der Staatsanwalt hatte 40 ^ beantragt.
Fridingen O.-A. Tuttlingen 4. April Der hiesige Ziegeletbefitzer Gregor Rus wird seit Donnerstag Mittag vermißt. Er wollte sich in dke Mühle nach Bronnen begeben. Man fürchtet, daß er vom Wege abgeirrt und in die Donau geraten ist. Seine 7 Kinder im Alter von 4—17 Jahren, die erst vor zwei Jahren die Mutter verloren haben, find in großer Sorge.
Schomburg OA. Tettnang 4. April. Als de« Sägewerkbesitzer Buchmann der siebente Knabe geboren wurde, hatte der König Patenstelle übernommen. Nun mehr ist als Patengeschenk ei« silberner Becher eingetroffen, der in einer Inschrift den Namen des Königs nebst dem Namen und Geburtstag de« Knaben enthält.
Friedrick>shafen5. April. Durch Ausheben des Fenster flügels wurde in der Nacht zum Samstag im hiesigen evangelischen Pfarrhaus ein Einbruch versucht, der aber, da der Dieb gestört wurde, ergebnislos blieb Die Untersuchung hat bis jetzt noch keine Spur zutage gefördert.
Leutkirch 4. April. Der 50 Jahre alte, oft vorbestrafte und aus Württemberg aurgewiefene Stromer Georg Gietl von Waldmünchen kam gestern in den Laden einer hiesigen Geschäftsfrau um zu betteln, wurde aber kurz abgewiesen und als er zu schimpfen anfing, zur Türe hinaur- gedrängt. Im Aerger hierüber versetzte der Bursche mit seinem Stock der Frau mehrere Schläge über den Kopf, stieß sie zu Boden und gab ihr zum Schluß noch mehrere Fußtritte, worauf er davonsprang. Auf die Hilferufe der Frau wurde der Stromer jedoch von einem beherzten Mann festgehalten und der Polizei übergeben.
Berlin 4. April. (Reichstag.) Die 2. Lesung des Vereinsgesetzes wird fortgesetzt beim 8 7, dem Sprachen-Paragraphen. Die Sozialdemokraten beantragen die Streichung des ganzen Paragraphen. Die Polen haben den freisinnigen
Antrag aus der ersten Lesung der Kommission ausgenommen. BundesratS-Bevollmächtigter, Geheimrat vr. Nieser erklärt, Graf Lerchenfeld sei zu seiner Erklärung auch ausdrücklich von der badischen Regierung autoristrt worden. Abg. Singer (Soz.) zur Geschäftsordnung. Nachdem hier doch die Debatte über 8 (Präsident G"af Stolberg, ihn unterbrechend, weist auf die Geschäftsordnungs- Bestimmung, wonach ein BundeSrats-Bevollmächtigter jederzeit auf Verlangen daS Wort erhalten müsse und erteilt unter lebhafter Unruhe der Sozialdemokraten und des Zentrums sofort zur Tagesordnung das Wort dem Abg. Fürst Radziwill (Pole). Nach einer kurzen Kritik der Blockpolitik bezw. der konservativ-liberalen Paarung, die eine Mißgeburt sei, geht Redner zum 8 7 über. 20 Jahre Frist wolle der Strafparagraph geben. Was jetzt nötig sei solle nach 20 Jahren nicht mehr nötig sein. Das sei einfach unverständlich. Mit welchem Recht dürfe man die polnische Nationalität unterdrücken? Die Rechte werde sich einfach lächerlich machen. (Große Unruhe rechts). Präsident Graf Stolberg erregt, die Glocke schwingend, Herr Abgeordneter, Sie dürfen nicht einer Partei hier nachsagen, daß sie sich lächerlich mache. Abg. Edler zu Putlttz (kons.): Wir werden dem 8 7 zustimmen, obwohl es uns schwer fällt, wir haben große Konzessionen gemacht, aber wir haben nnter allen Umständen die Staatsautorität wahren und von nationalen Gesichtspunkten ausgehen müssen. Wir sind überzeugt, daß der preußische Staat sich den Polen gegenüber im Stande der Notwehr befindet. (Lebhafter Widerspruch in der Mitte.) Wir befürchten, daß in den Kreisen mit 60°/« polnischer Bevölkerung die Versammlungsfreiheit unserer deutschen Stammesbrüder gefährdet wird. Wir glauben, daß eine Einigung zwischen uns und den Liberalen erforderlich ist, aber über das Maß der wechselseitigen Beziehungen gehen, die Ansichten auseinander. Solange das Reich besteht, haben die Einzelstaaten Opfer bringen und dabei doch ihre Eigenart wahren müssen. Diese Aufgabe haben sie bis jetzt glücklich gelöst. An den Angriffen auf Preußen haben sich leider nicht nur die antinationalen Parteien, sondern auch solche Parteien, mit denen wir jetzt Zusammengehen, beteiligt. Darin liegt eine Gefahr. Mögen Diejenigen nicht recht behalten, die befürchten, daß wir unser Deutschtum nicht genügend schützen. (Beifall und Zischen). Abg. Spahn (Ztr.) polemtsirt zunächst gegen den Abgeordneten Hieber speziell und gegen die Liberalen im Allgemeinen, um dann den Sprachen- Paragraphen als ein Unding zu bezeichnen. Das Recht auf den Gebrauch der Muttersprache auch in Versammlungen, sei ein Naturrecht. Erkenne man überhaupt das Recht aus die Muttersprache an, so sei das wichtigste daran, daß man sich in öffentlichen Versammlungen mit einander verständige. (Sehr richtig in der Mitte). Man sage zwar, die Polen wollten sich wieder losreißen von Preußen, aber meine Herren, an eine solche Torheit glaube ich nicht. DaS Ansehen des Reichstages stehe auf dem Spiel. Eine Gesetzgebung wie sie hier geplant ist, sei noch bei keiner Kulturnation vorgekommen. Das Kompromiß sei abgeschlossen und
zwar, so wiederholt Redner, von den liberalen Parteien unter Verletzung aller Grundsätze, zu denen sie sich im vorigen Jahrhundert stets bekannt haben. (Sehr richtig im Zentrum). Wir meine Herren, haben Kompromisse über Prinzipien niemals abgeschlossen. (Lebhafter Beifall in der Mitte). Sie sagen nun freilich, wenn 8 7 hier scheitert, dann würde ihn Preußen auf dem Wege der LandeS- gesetzgebung einführen. Da erlauben Sie mir einen Vergleich. Wenn ein Dieb sich damit entschuldigt, hätte er nicht den Gegenstand gestohlen, so hätte ein anderer es getan (Unruhe links), was würden Sie dazu sagen? (Erneute Unruhe, dazwischen Bravos in der Mitte). Wir, meine Herren, werde« im Interesse des Reiches und auch im Jutereffe des Friedens in der Bevölkerung gegen den ß 7 stimmen. Wir glauben, es ist ein Postulat der Gerechtigkeit, jedem den Gebrauch seiner Muttersprache zu lassen. (Bravos in der Mitte). Abg. Hieber (natl.) betont zunächst in Abwehr eines Spahnschen Vorwurfes, er habe als Vorsitzender der Vereins-Kommission sich stets bemüht, bei den begreiflicher Weise oft sehr erregten Verhandlungen die größte Objektivität walten zu lassen. Redner geht sodann auf die Materie des 8 7 ein. DaS Recht, ihre Eigenart zu pflegen, sei den Polen bisher nicht genommen und solle ihnen auch jetzt nicht genommen werden. Aber die Polen,stellten ihre Muttersprache nicht nur in den Dienst ihrer Nationalität sondern auch in den Dienst des Kampfes gegen den preußischen Staat und deshalb sei zu Ueberwachungr-zwecken der 8 7 unerläßlich. Preußen hält die Wacht an der Ostmark. Es hat sich diese Aufgabe nicht gewählt, sie ist ihm vielmehr durch die Geschichte zugefallen. Preußen hat sich dieser Aufgabe bisher mit Geschick entledigt. (Lebhafter Beifall rechts.) Wäre den süddeutschen Staaten dieselbe Aufgabe zugefallen, so hätten sie nicht besser verfahren können. (Neuer starker Beifall rechts.) Wenn Herr Spahn vorhin sagte, die Polen würden in 8 7 einen Kampf-Paragraphen gegen die katholische Religion erblicken, (Rufe in der Mitte „Sehr richtig/) so weise ich darauf hin, daß Herr Spahn es ist, der überhaupt dieses Schlagwort in die Debatte warf. (Sehr wahr bei den Blockparteien.) Was werden wir, wenn erst die Polen dieses Schlagwort, dieses furchtbar aufreizende Schlagwort des Herrn Spahn vernommen haben, was werden wir dann erst für Dinge von den Polen selbst zu hören bekommen. (Erneute Sehr wahr und Beifallsrufe bei den Blockparteien.) Redner erinnert weiterhin an die analogen Vorgänge in der Paulskirche vor 60 Jahren. Da, so schließt Redner, der 8 7 nicht über das Bedürfnis hinans- geht, so hoffen wir, daß unter der Wirkung dieses Parapraphen auch unsere polnischen Mitbürger noch einmal dazu kommen, sich nicht als Glieder eines großpolnischen Staates der Zukunft, sondern als Bürger des deutschen Reiches zu fühlen. (Lebhafte anhaltende Bravos, ebenso lebhaftes Zischen.) Abg. Legien (Soz), es heißt, den Sprachen-Paragraphen haben die vereinigten westfälischen Groß- Industriellen angeregt. (Hört, Hört, bei Sozialdemokraten und Zentrum.) Redner bezeichnet den Sprachen-Paragraphen als einen Schlag gegen die
Im Salon erwartete der alte Herr Beiert sie ganz gegen seine Gewohnheit. Er schien irritiert und ließ Lore barsch an: „Wo waren Sie? Dreimal waren Kunden hier" —
»Ich" -
„Ich will es nicht wissen", sprach er zwischen den Zähnen. „Wollen Sie leugnen, daß Sie sich eben aus eine Lüge besannen?
Damit verließ er das Zimmer.
„Jetzt habe ich es glücklich mit beiden verdorben", dachte Lore. „So geht er einem, wenn man unparteiisch sein will. Das wird ja nun gemütlich werden."
Und gemütlich wurde es. Beim Abendbrot, das Lore wie alle Mahlzeiten mit der Familie Kornhar etnnahm, herrschte eine drückende Schwüle wie vor einem Gewitter. Ter alte Mann fuhr mit nervösen Händen auf denk Tische hin und her, und Frau Kornha« verfolgte jede seiner Bewegungen mit ängstlichen Augen. Eine unerklärliche Angst bemächtigte sich auch Lore«. Das war ja gerade, als ob das größte Unglück im Anzuge sei.
Da war e» doch schöner gewesen zu Fritz Pfungst Zeiten, dem lagen gottlob alle Existenzkämpfe und sogenannten Lebensfragen noch fern!
Lore stieg in ihr Gemach und lehnte au» dem Fenster. Draußen war ein feuchter, heißer Sommerabend, übersatt von Blüten und daran hängenden Regentropfen.
„Wenn ich es heute noch einmal zu entscheiden hätte, würde ich anders handeln", dachte sie, und die ganze Reue, eine glückliche Stunde verscherzt zu haben, wurde durch die Sommernacht geweckt und durch Duft und Glanz genährt. Sie gehörte sich selbst, wer hätte ein Recht, sie darum zu schelten, wenn sie jung und fröhlich sein wollte?
Ein leise« Klopfen an ihre Tür ließ sie erbeben. Aber es war nur Frau Kornha», die in« Zimmer schlüpfte.
„Ach. Fräulein, ich bin ganz außer mir! Sie werden das Murmeln und Schuhschlürfen gewiß auch hören, da hilft keine Heimlichtuerei."
Lore bot ihr einen Stuhl und warf einen Abschiedsblick in die klare Nacht hinaus.
„Was ist denn geschehen, Frau Kornha«?"
„Michael hat seinen Tag. Es ist nun monatelang ausgeblieben, und ich dachte, er wäre ganz bei Vernunft. Aber heute — die Rückkehr des jungen Herrn hat das gemacht!"
Lore zuckte die Achseln, zum Zeichen, daß alles, was Frau Kornha« sagte, ihr unverständlich blieb.
„Was Hab' ich nicht schon erfunden, um es vor den Leuten zu verstecken ! Denn für den Fall» daß jemand etwas merkte, würde er seinen Posten verlieren. Und dann, liebes Fräulein, hätten wir kaum zu leben, und man kann es einer Frau doch nicht verargen, wenn sie die ganze Wahrheit verbirgt? Um so weniger, als er ja in seinem Geschäft völlig klar und vernünftig ist. Nein, niemand ahnt auch nur, was ich seit Jahren durchmache, mit mir ganz allein, ohne eine Seele, die mir helfen könnte! Als ich Sie zuerst sah und erkannte, daß Sie feiner und gebildeter «raren als die meisten, die vor Ihnen hier waren, da setzte ich meine Hoffnung auf Sie. Und darum kam ich nun zu Ihnen."
„Einstweilen weiß ich noch nicht, um was es sich eigentlich handelt", sagte Lore, die plötzlich ihre Wände fürchterlich blau fand und nun entschieden an den unheimlichen Einfluß dieser infamen Farbe glaubte. „Soweit ich Ihnen in meiner Unerfahrenheit helfen kann, soll es geschehen.
„Nicht helfen, nur hören." flüsterte die Frau, „mit Teilnahme zuhören, ist schon halb geholfen. Also, mein Mann leidet zuweilen an Halluzina- tionen, und das ist die ganze Geschichte. Er krümmt keinem Menschen ein Härchen, nur hat er in diesen Zeiten nachts keine Ruhe und wandert unablässig durch das Haus. Weiter tut er nichts; doch wenn man von der Straße ein einzige« Mal sähe, wie dar Licht die liebe, lanae Nacht von einem Fenster zum anderen huscht, dann wüßte gleich die Stadt Bescheid, daß e!wa« bei uns nicht stimmt. Herr Beiert würde es erfahren, der junge Herr Beiert» der ohnehin alles neu und anders haben will, würde die günstige Gelegenheit benutzen, ihm seine Entlassung zu geben. O, Fräulein, Fräulein! Sehen Sie, dar ist meine Angst, daß er sich um sein Brot nachtwandelt I" (Fortsetzung folgt.)