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zerstörte. Nur der angestrengtesten Tätigkeit der Feuerwehren von Bonfeld, Fürfeld und Kirch- Hausen gelang er, einer weiteren Ausbreitung de« Brande« Einhalt zu tun und insbesondere das gefährdete Rathau» zu reiten. Sehr gute Dienste leistete die vor einigen Jahren erbaute Druck- Wasserleitung. Ohne diese wäre wohl ein größerer Teil de« Ort« dem Feuer zum Opfer gefallen. Der Brand scheint auf eine Fahrlässigkeit zu« rückzuführen zu sein.
Balingen 26. März. Der im Gefecht gegen Simon Köpper gefallene Gefreite Wendel (vom Dragoner-Regiment in Ludwlgrburg) stammt au« Ostdorf hiesigen Oberamt».
Ulm 26. Mär». In Neu-Ulm fiel ein 5' - Jahre altes Mädchen in den Abortschlauch, in dem er stecken blieb. Glücklicherweise war noch ein zweite« Kind anwesend, da« sofort Hilfe herbei« rief. Da« Mädchen konnte aber von oben nicht mehr erreicht werden; man stieß es aus diesem Grunde in die Grube, wo e« aufg-fangen und bewußtlos an« Tageslicht gebracht wurde. Erst nach langen Bemühungen de« Arztes kehrte da« Bewußtsein wieder.
Zürich 23. März Seit einigen Tagen hielt sich im „Hotel National" unter dem Namen Kulenkamp, Advokat au« Hamburg, ein Gast auf, dessen Benehmen zu allerhand Vermutungen Anlaß gab. Er verließ das Zimmer höchsten« am Abend für einen Augenblick und da« Effen mußte ihm vor der Zimmertüre abgestellt werden. Mittlerweile erhielt die Staatranwaltschaft aus Gießen einen Steckbrief, lautend auf den Hofrat, Bankier und Mitglied der großherzoglichen Handelskammer Ludwig Rotschild au« Büdingen, der de« betrügerischen Bankerott« und der Unterschlagung bedeutender Depotgelder an« geklagt ist. Am Samstag Morgen begaben sich zwei Unteroffiziere der Kantonrpolizei in da« Hotel und statteten dem Hamburger Advokaten einen Besuch ab, der sich bet der Vorweisung de« Steckbriefe« sofort a!« den au« Gießen Gefuchten zu erkennen gab. Da er schwer lungenkrank ist, wurde er ins Spital, statt ins Gefängnis gebracht.
Venedig 26. März. Der Kaiser begab sich heute früh 10 Uhr mit dem König von Italien, der ihn an Bord der Hohenzollern abholle, im italienischen Königrboote zu Bestch. tigungen. Die Kaiserin machte eine Gondelfahrt und besichtigte die Paläste Giovanellt und Mar« tinengo. Auch Prinz August Wilhelm und Prinzessin Viktoria Luise unternahmen am Vormittag Besichtigungen. Der Kaiser und der König besuchten heute Vormittag einige Museen. Mittag« folgt der Kaiser einer Einladung der Gräfin Morostne zur Tafel. Dem Generalmajor
Grasen Thombi wurde der Kronenorden 1. Klaffe verliehen.
Venedig 26. März. Vor Einbruch der Dunkelheit erstrahlte gestern Abend die Hohen- zollern in einem Lichtermeer von Tausenden von elektrischen Lampen. Auf Deck konzertierte die Kapelle der Dacht. Tausende von Menschen zogen auf den Straßen umher und übertönten die Musik der Kapelle durch ihre Hochrufe auf Italien und Deutschland.
Madrid 26. März. Der „Heraldo" veröffentlicht den Bericht eine« Offiziers de« Kreuzers „Caffard" über die Befreiung der Besatzung de« Dampfers „Baleine", der von den Marokkanern bei Cap Jubi mit Beschlag belegt worden war. Die Befreiung erfolgte dank einer List de« Lord Morris, der sich nach Cap Juki begeben hatte, um zu versuchen, die Franzosen zu retten. Morris verhandelte mit den Mauren, welche 50000 Pfund Sterling Lösegeld verlangten. Morris nahm diese Forderung sofort an und lud zwei der Hauptnotablen an Bord seiner Dacht: ein, woselbst die Summe ausgezahlt werden sollte. Die betreffenden Notablen kamen auch tatsächlich an Bord, wo ihnen Morris erklärte, daß er sie gefangen nehmen und als Geiseln behalten wolle. Er riet ihnen, unverzüglich den Befehl zu geben, die Gefangenen aus- zuliefern. Die Notablen ließen sich überreden und die Mitglieder der Besatzung der Baleine wurden nach der Kasbah geführt, wo sie bis zum Eintreffen des Kreuzers Caffard in Sicherheit blieben. Die befreiten Gefangenen erzählten, daß sie während der ersten Tage ihrer Gefangenschaft schwer mißhandelt worden seien. Der Caffard ist nach Toulon abgedampft.
Petersburg 26. März. Die Aerzte bezeichnen da» Befinden Stöffels, der an schwerer Neurasthenie leidet, als ein solches, daß eine ernste Wendung zu befürchten sei.
Konstantinopel 26. März. Die kaiserliche Dacht „Jzzedin" trifft Vorbereitungen, am Freitag mit drei Terpedojägern nach Murtoi gegenüber Corfu abzudampfen. Außerdem find einige Transvortschiffe mitJnfanterie und Kavallerie dorthin bestimmt. Mit Turkhan Pascha gehen 5 Flügel-Adjutanten des Sultans» darunter wahrscheinlich zwei Söhne Tefwik Paschas zur Begrüßung Kaiser Wihelms ab.
vermischtes.
(Von dem Stand der Weinberge.) Ueber den Stand der RKen äußert sich Weinbauinspektor Mährlen im „Weinbau" folgendermaßen : „Unsere Weingärtner gehen Heuer froheren Muts an die Frühjahrsarbeiten heran, wie in den letzten Jahren. Die erste Bedingung für einen zufriedenstellenden Herbst ist gutes, reifes Holz in genügender Menge, und das ist fast überall
vorhanden. Nur da, wo die Peronospora i. I. 1906 gar zu arg gehaust hatte und der Wein- gärtner in der Bekämpfung dieser Krankheit zu lässig war, ist's mit dem Holz auch Heuer wieder kläglich bestellt. Wie bitter sich doch solche Unter- laffungen rächen! Von Winterfrost an Reben haben wir in Württemberg noch nichts gesehen und gehört, während von anderen Gegenden Frostschäden bereit« gemeldet werden. Mit dem Heraufnehmen und dem Schneiden der Reben hat man begonnen. Das Holz schneidet sich gut und kernig. Wo man im vorigen Jahr aus Holzmangel nur Zapfen anschnetden konnte, da reicht« Heuer wieder zu der nötigen Anzahl von Bogen. Der schöne Stand der Holzes hat manchen Weingärtner veranlaßt, schon im Lauf der Wintermonate ein Stück Feld zu Neuanlagen herzurichten. Noch im Januar mußte dabei über zu große Trockenheit im Untergrund geklagt werden. Februar und März haben die nötige Feuchtigkeit vollends gebracht; die Feuchtigkeit ist nunmehr auch in dis tieferen Bodenschichten eingedrungen.
Landwirtschaftlicher KeMsvereiu Calw.
Am Freitag, de« 3. April dS. Js., wird nachmittags präzis 2 Uhr in der „Krone" in LiebelSberg eine landwirtschaftliche Versammln«- mit Vortrag von Herrn Rechtsanwalt Rheinwald über Viehprozesse (Gewährschastsniängel) abgehalten, wozu jedermann freundlichst eingeladen wird.
Sodann findet nachmittags 4 Uhr daselbst das PrüfuugSefsen des Kochl«rseS statt. Zur Beteiligung hieran ist jedermann willkommen insbesondere auch die Frauen.
Anmeldungen hiezu wollen rechtzeitig an Herrn Schultheiß Hanselmann in LiebelSberg gerichtet werden.
Calw, 26. März 1908.
Der VereiuSvorstaud.
Reg.-Rat. Voelter.
Voraussichtliche Witterung:
Zunächst keine wesentliche Aenderung.
Gsttesdierrfte.
Koanta« Laetare, 29. März. Vom Turm: 555. Predigtlied - 498. 9V- Uhr: Vormitt.-Predigt, Stadt
pfarrer Schmid. 1 Uhr: Christenlehre für die Töchter. 5 Uhr: Bibelstundr im VereinShauS, Vikar Leube. Das Opfer ist für den Kirchenbau in Entringen und Pfäffingen bestimmt. N»»l««r»jag, 2. April. 8 Uhr abendS: Bibelstundr im VereinShauS, Vikar Leube.
Arcilag, 3. April. 19 Uhr: Stellen der Konfirmanden. DaS Opfer ist für die Konfirmandenhäuser in AltShausen und Bietenhause« bestimmt.
RMamettN.
Allerfeinste Tees find
unbestritten die beiden Sorten Fst Souchong m. Bl. und Kaisertee, welche die bekannte Teeimportfirma Ed. Meßmer, Frankfurt a. M in den Handel bringt. 100 Or.-Pakete (sog. Probepakete) 1.— bezw. 1.25.
Der humpelnde Schritt de« alten Herrn, der dröhnende Stoß seines grauen Schirme» auf dem Trottoir lockte sie ans Fenster, und ste sah ihm nach mit beschwertem Gewissen. Da — jetzt blieb er stehen, hob den Kopf und blickte herauf. Dann ging er weiter, ohne zu grüßen.
„Merkwürdig", dachte Lore und fuhr fort, gedankenvoll die Bilderrahmen abzustkuben und zu ordnen. Sie war doch trotz ihrer zweiund- zwanzig Jahre noch immer dos native Kind, da« morgens um fünf Uhr fremde Leutnant« weckte. —
Ein Wagen hielt vor der Haustür. Gewiß das Brautpaar Altendorf. Ein Offizier in Gala-Uniform sprang zuerst heraus, dann folgte eine lichte Spitzenwolke, rosa Tüll.
Schon auf der Treppe vernahm Lore die Stimme der Braut.
„Stecknadeln hat wohl das Fräulein. Daß ich mir nur immer und immer den Volant abstecken muß. Auch die Friseuse macht mich nervös. Eie brennt mir das Haar viel zu eng — viel zu gedrechselt." —
Lore zog sich diskret zurück, es war ihr peinlich, diese intimen Toiletten, fragen in Gegenwart des Bräutigams mit angchört zu haben. Der drehte halb verlegen, halb verstimmt seinen Schnurrbart und grüßte dann sehr höflich, wohl um die junge Empfangsdame für da« hochmütig kurze Nicken seiner Braut zu entschädigen.
„Ist Herr Beiert nicht selbst hier?" sprach diese in erregtem Tone. „Er hat mich bestellt."
„Bitte, oben," sagte Lore laut und dachte: „Der Himmel lehre mich Geduld." —
„Na, dann- helfen Sie mir doch den Schal abnehmen — aber kommen Eie nicht an meine Frisur."
Der Offizier beeilte sich, Lore beizustehen. Eine höhere Färbung ließ sein Geficht sonderbar fieberhaft erscheinen; seine Finger zitterten und verfingen sich in dem langen Spitzenärmel seiner Braut.
„Ach, Benno — ich sehe ohnehin schon so unvorteilhaft aus heute — gerade immer, wenn ich mich photographieren lasse. Mama nötigte mir noch ein Glas Portwein auf, und das hat mich gräßlich echauffiert."
Das Paar stieg die Wendeltreppe zum Atelier hinauf, und eine Weile später ertönte Herrn Beierts Stimme: „Fräulein Lore, bitte — einen Augenblick."
Sie ging. Da saß die Braut mit einem süßen Lächeln, hinter ihr stand in martialischer Haltung der Bräutigam.
„Fräulein Lore, Ste können das besser, wollen Sie dem gnädigen Fräulein die Schleife am rechten Schuh binden — nicht zu groß — man steht den Schuh" —
Eine heiße Welle schoß Lore zum Herzen. Und während sie kniete, dachte sie: „Wenn jeder am rechten Platze wär'" — war es nicht ein Märchen von Andersen, wo der König in den Schafstall und der Hirte ins Schloß flog, jeder an seinen rechten Platz?
„Au, Sie tun mir weh," wisperte die Braut wütend, ohne ihr Lächeln aufzugeben, „und nun schnell, Herr Beiert, ich kann nicht mehr."
Ihr Lächeln war bereits zur Verzerrung geworden, und der Photograph ließ den kleinen Gummiballon finken.
„Erholen Sie sich zunächst, mein gnädiges Fräulein. So kann ich Sie unmöglich aufnchmen. Nur nicht gezwungen" —
Und die junge Braut bemühte sich, nicht „gezwungen" zu sein — ihre Schultern bewegten sich, die stieren Augen blinzelten heftig, ste hielt den Atem an und dachte krampfhaft an angenehme Dinge — an die Erklärung „Bennos" — Gedichte von Lilien cron — ihren Verlobungsring. Lore konnte es nicht mehr mit ansehen und ergriff die Flucht. Alles das erschien ihr fratzenhaft, beinahe unwürdig. Was mochte der Bräutigam denken ?
(Fortsetzung folgt.)