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Amis- und AnMgeblati für den Oberamtsbezirk Calw.

83. Jahrgang-

Lrschcinmigstage: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und SamStag. JnsertionSprei« t0 Psg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.

Mittwoch, den 25. Mar; 1908.

Bezugspr. i. d. Stadt '/Mhrl. m. Träger!. Mk. 1.25. Postbezugs?!, f. d.Orts-u. Nachbarortsoerk. >/^ihrl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Württ. 30 Psg., in Bagern u. Reich 42 Psg

Amtliche Beka»ntmach««gett.

Die Herren Orlsvorsteher und Verw.-Akt«are

wolle« dafür Sorge tragen, daß die Tagbücher, Ste«erabrechnu«gs- und Hauptbücher für das Rechnungsjahr. 1903 rechtzeitig angelegt und den Rechnern übergeben werden.

Dem Vollzugsbericht wird bis 15. April 1908 entgegengesehen.

Calw, 2t. März 1908.

K. Oberamt. Voelter.

De» Ortsbehörden bezw. den Herr» Berwattungsaktuaren

gehen die Katasternachweifungen für die landw. Berufsgenossenschaft für das Jahr 1907 nebst An­lagen mit der Weisung zu, für die Umlage der Beiträge und Ablieferung des auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Umlagebetrags an den Genossenschafts- Vorstand binnen spätestens 2 Monaten Sorge zu tragen.

Hilfstafeln zur Unterausteilung der Beiträge, sowie Formulare zu Lieferunzsberichten sind für jede Gemeinde angeschlossen.

Calw, 23. März 1908.

K. Oberamt. Voelter.

Tagesnenigkeite».

Unterreichenbach 23. März. (Vieh- und Schweinemarkt.) Zugetrieben waren 71 Stück Großvieh, worunter 4 Paar Ochsen und 17 Stück Kleinvieh. Letztere fanden raschen Ab­satz; auch der Handel von Großvieh gestaltete sich lebhaft und find die bisherigen Preise behauptet morden. — Auf dem Schwetnsmarkt waren 6 Körbe aufgestellt» mit schönen Milchschweinen Meißner-Kreuzung die 26—32 die Läufer dagegen 48—52 ^ pro Paar galten.

Nag old 24 März Am Postschalter wurde ein, von einem Ausländer in Zahlung gegebenes, falsches 20-Markstück ungehalten. Der Besitzer hatte es in Salzburg mit mehreren anderen er­halten.

Stuttgart. Der Neck.-Ztg, wird von hier berichtet: Der Psrsonalreferent bei der K. Generaldirektion der Staatseisenbahnen» Ober­finanzrat von Straßer, tritt am 1. April in den Ruhestand. Sein Nachfolger wird der derzeitige Vorstand der BetrUbrinsprktion Calw, Finanzrat Hindennach» der als Referent in das Kollegium der Gsneraldirektion eintritt.

Stuttgart 24. März. Die Gesamtein­nahme des unter dem Protektorate der Herzogin Robert entstandenen Wohltätigkeitsbazars zugunsten der Marienanstalt in Stuttgart ergab dis runde Summe von 54 000 ^; mit Einschluß der Stiftungen und besonderer Zuwendungen sogar 61000 Die Reineinnahme» die für den ins Auge gefaßten Wohltätigen Zweck abgeführt werden kann» bezifferte sich auf 55000

Stuttgart. (Elektrizitätswerk.) Vor etwa 14 Tagen ist links der Straße Cann- statt.Münster in der Nähe des König Wilhelm- Viadukts der erste Spatenstich zum Bau des neuen Groß-Stuttgarter Elektrizitätswerks geführt worden. Architekt P. I. Manz-Stutt­gart erstellt im Auftrag der Stadt zunächst 2 Hauptteile» von denen einer für das Maschinenhaus, der andere für dar Kesselhaus bestimmt ist. Beide Gebäude sollen bis 1. November die maschinellen Einrichtungen zur Erzeugung von 30 OOO.pferdigem, elektrischem Strom ausgenommen haben. Für eine spätere Erweiterung der Anlage find Vor­kehrungen getroffen. Der Baugrund, Neckarwtesen am Fuße einer kleinen Bergwand» ist nicht be­sonder» geeignet» da er viel sandigen Lehm, eine tiefe Kierschicht und viel Wasser enthält. Gegen 250 Arbeiter und ein halbes Dutzmd Lokomobile

find von früh bis spät tätig, mit Einbruch der Dunkelheit nimmt eine Nachtschicht, 150 Mann stark, die Arbeit auf.

— Für die Landtagsersatzwahl in Nürtingen hat die Volkspartei den früheren Landtazsabgeordneten Gabler aufgestellt, dessen Kandidatur von der Deutschen Partei und dem Liberalen Verein unterstützt wird. Für den Bund der Landwirte kandidiert Kulturmeister Knapp-Reutlingen. Kandidat der Sozial­demokratie ist Kenngott-Eßlingen.

Herbertingen OA Saulgau 24. März. Am vorigen Freitag abend kam ein 53 Jahre alter, vagierender Schneider von Sachsen in betrunkenem Zustand in die Wohnung des hiesigen Landjägers und suchte um Verschaffung eines Obdachs nach, mit dem Bemerken, daß er bloß noch 10 H an Geld habe. Als ihn der Land- jäger visitierte und 75 H bei ihm vorfand, hat der Bursche Skandal angefangen, den Ländjäger tätlich angegriffen und der Frau der letzteren unter groben Beleidigungen einen Hafen an den Kopf zu schlagen versucht. Nur mir Hilfe zweier zu Hilfe gerufener Männer gelang es, den Wüterich zu überwältigen und in den Ortsarrest zu verbringen.

Bad Rippoldsau 23. März. Wie der „Grenzer" berichtet» geht das weltbekannte Mineral» und Moorbad Rippoldsau auf 1. Okt. d. I. an eine Aktiengesellschaft über» wobei der bisherige Besitzer O. Goeringer auf eine längere Reihe von I ihren die Oberleitung betbehält. Mit der Uebergabe an „Goeringer» Mineral- und Moor­bad-Aktiengesellschaft Rippoldsau" wird ein weiterer moderner Neubau erstellt werden und das Kur- etabliffement auch-sonstige bauliche Veränderungen erfahren.

Berlin 24. März. Der Entwurf der Novelle eines Münzgesetzes ist dem Reichstag zu- gegangen. Es wird die Einführung eine« 2i

Lore Freizeisen.

Roman von Margarete von Oertzen.

(Fortsetzung.)

Wieviel Ueberraschungen bot dies seltsame Haus noch?

„Bitte," sprach er etwas scharf» „das Allerheiligste meines Sohnes — er macht soeben Freilichtstudien in Sizilien — der große Reformator der Photographie! Der Impressionist! Der Usberkünstler! Wir alle ge­hören zum alten Eisen — er aber photographiert Sonnenflecken auf einem Baumstamm und nennt es ein Bild. Stimmung ha, ha! Keine Retouche mehr! Unsere weibliche Kundschaft soll künftig ihr teures Geld für alle die Runzeln zahlen, von denen nicht mal ihr Spiegel etwa» wußte! Cha­rakteristisch find sie. Gut! Darum müssen sie bleiben. Ah, verehrtes Fräulein, seien Sie nicht böse, aber wenn die Jungen alle» auf den Kopf stellen, was uns als unverrückbare Wissenschaft überliefert wird" —

Er schwieg und trocknete sich die Stirn, so hatte er sich in Eifer geredet. Ich aber begriff im Nu das Verhältnis zwischen Vater und Sohn. Und da er mir offenbar Vertrauen schenkte, wagte ich auch einen Eiuwurf:

„Mit der von den Alten überlieferten Weisheit ist es wohl wie mit einem kostbaren alten Schmuck, den wir geerbt haben — wenn wir auch die Steine neu fassen lassen, wie es unserer Zeit und unserem Sinn ent­spricht, so werden ste dadurch nicht entwertet — ihr Wert kann vielmehr, gehoben werden" —

„Sie halten es mit den Rebellen", sagte der alte Mann, halb miß­trauisch, halb neckisch. „Wer die Säulen nicht umrennt, läßt ste stehen, bi« ste von selbst fallen — aber nun urteilen Sie selbst."

„Das Allerheiligste" des Herrn Beiert jua. war an allen vier Wänden gleichmäßig mit einfarbigen Stoff von stumpfer Resedafarbe bespannt. Sin Ruhebett mit geschnitzter Rücklehne, ein eingelegter Tisch, Stühle, alles in seltsamen Formen.

„Natürlich selbst gezeichnet", brummte der Vater, „da wird nur von Linien gefaselt . . . Der Teufel auch, als ob wir nicht ohne Linien aus- gekommen wären!"

Und nun die Bilder. Herzkind, ich war einer Ohnmacht nahe. An den Naturalismus in der Photographie muß man sich entschieden gewöhnen. Die Landschaften waren prachtvoll, aber die Menschen! —

Der alte Herr beobachtete mit großer Genugtuung die Wirkung der Bilder aus mich.

„Na?" fragte er erwartungsvoll. „Sagen Sie nicht, daß Sie kein Urteil haben, damit reden sich nur schwache und feige Geister hinaus. Sagen Sie ruhig, daß Sie die Dinger scheußlich finden."

„Ich finde ste nicht scheußlich. Ich finde ste verblüffend, zum Test unheimlich, jene Frau dort in dem langen, gespenstischen Gewand."

„Ei war, das Gewand ist ein Nachthemd," polterte Herr Beiert los. „Ein Nachthemd hat Linien, darum her damit zur höchsten Kunst! Geben wir aber mal einem Kind eine au« gestopfte Laube in die Hand, so ist große» Gezeter über die Süllosigkeit! Muß alles lebendig sein. Mein Sohn wird nächstens für unsere Herren Offiziere lebendige Gäule in» Atelier schaffen lassen."

Ich lachte — er lachte. Als ich nun wirklich gehen wollte, war er ganz erstaunt.

„Was? Glauben Sie, ich Hab' Sie hier in meinem Hause und Herzen herumgeführt, damit wir wieder auseinanderrennen: Adieu! Hat