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Begeisterte Kämpfer treten auf und rufen nach dem Tag, an dem da endlich der entsetzlichen Verheerung des ehrwürdigen Erbes aus vergangener Zeit Einhalt geboten werden soll. Besonders erfreulich ist eS, das; die Bewegung in warmer und verständiger Weise von den Staatsregierungen unterstützt wird — wenn sie nicht gar durch die Initiative der Regierung selbst, wie es in Württemberg der Fall ist, ins Leben gerufen wird. — Und Württemberg will sich nun in ganz besonderer Weise des Heimatschutzes annehmen, indem neben dem vom Kgl. Kultusministerium eingesetzten Landesausschuß für Natur und Heimatschutz ein eigener Verein für Heimatschutz, in Fühlung mit dem „Bunde Heimatschutz" gebildet werden soll. Gewiß dürfen wir uns schon von der neuen Gründung des Landesausschusses viel Gutes versprechen, doch bedarf es zweifelsohne — soll der Heimat schutzgedanke auch in die weitesten, entlegensten Kr eise unseres Landes dringen — einer großen zusammengehörigen Gemeinde, die den großen idealen Gedanken ausnehmen und verfechten muß.
Zu einer ersten, unverbirdlichen Vorbesprechung betr. die Gründung eines Vereins, fand nun bereits, auf Einladung des Bundes Heimatschutz und des Herrn Wilhelm Meper-Jlschen aus Eßlingen, am 16. März im Hotel Marquardt in Stuttgart eine Zusammenkunft von Männern aus Kreisen der Kunst, der Wissenschaft und des praktischen Lebens statt.
Ein Bericht der Sitzung soll im Interesse der Sache hier folgen:
Herr Wilhelm Mey er-Jlschen, der vom Bund Heimatschutz mit den Vorbereitungen für eine Württembergs! Landesgruppe des Bundes betraut ist, begrüßte die Erschienenen und legte die Notwendigkeit eines Württemberger Heimatschutzvereins dar, zu dessen Verwirklichung diese Vorbesprechung beitragen solle. Hienach übermittelte der Geschäftsführer des Bundes Heimatschutz Herr Fritz Koch aus Meiningen der Versammlung die Grüße des Bundes. Er sprach über die Ziele des Bundes, der die deutsche Heimat in ihrer natürlichen und geschichtlich gewordenen Eigenart schützen will. In organisatorischer Hinsicht Härte sich neben dem festen Zusammenhalt aller Gleichgesinnten, den der Bund in seiner Gesamtheit zu gewährleisten bestrebt sei, die Gründung von Landesgruppen als zweckdienlich erwiesen.
So sei denn der Bund Heimatschutz seit Jahresfrist daraus bedacht gewesen, auch in Württemberg einen Landesverein zu gründen, und es sei erfreulich, daß die Verhältnisse jetzt Aussicht ans die Durchführung des Planes böten.
Herr Land eskon serv ator Prof.Or.Gr a d- mann legte nunmehr dar, welche Maßnahmen der württembergische Staat für den Heimatschutz getroffen habe. Sache eines Heimatschutzvereins sei vor allem, diese in dreifacher Hinsicht zu unterstützen: durch Verbreitung der Heimatschutzgedanken in allen Schichten der Bevölkerung; durch nachdrückliches Eintreten für das so dringend notwendige Denkmalschutzgesetz; und endlich durch Bereitstellung von Geldmitteln. Nach
dem Herr Chefredakteur Fausel, der die Verhandlung auf Ersuchen leitete, zum Thema Denkmalsschutzgesetz ergänzend auf das hessische Gesetz verwiesen und eine wichtige hessische Ministe- rialentscheidung wegen der Erhaltung eines alten Bauwerks mitgeteilt hatte, trat Herr Schickhardt, der Vorsitzende des Vereins zur Erhaltung der Volkstrachten, besonders warm für die Gründung einer württembergischen Landesgruppe des Bundes Heimatschutz ein. Er habe eine solche schon lange erhofft und sehe in ihr keineswegs einen Konkurrenzverein, vielmehr eine große, erfreuliche Unterstützung seines Vereins und aller ähnlichen Vereine. Herr Koch gab seiner Freude über diese Auffassung Ausdruck. Der Heimatschutzverein werde gewiß alles tun, um diese Hoffnungen zu erfüllen. Es läge in der Natur der Sache, daß der Landesverein, der die ganze Kulturbewegung des Heimatschutzes in allen ihren einzelnen Teilen umfasse, für Württemberg eine große Macht bedeuten werde. Diese könne den Vereinen, die einzelne Ziele aus dem Heimatschutzgebiet verfolgen, sicher eine Stärkung gewahrem.
Lebhaft begrüßte Herr Direktor Professor Schmohl eine eigene Organisation als Schutz gegen die hcdenklichen Verwüstungen, denen das Landschafts- und Städtebild ausgesetzt sei. Man müße vor allem zwei Punkte im Auge haben: 1. Das gute Alte zu erhalten, 2. das Alte, Verbrauchte durch neues, aber Gleichwertiges, den Stempel der Zeit tragendes zu ersetzen.
Herr Schriftsteller Krauß, der Geschäftsführer des Vereins für ländl che Wohlfahrtspflege in Württemberg befürwortet nach Lage der Umstände ebenfalls eine eigene Organisation des Heimatschutzes in Württemberg und ist dafür, daß die gleiche Ziele verfolgenden Vereine zum Beitritt in den Heimatschutzverein aufgcfordert würden. Herr Koch bemerkte, daß dies von vornherein beabsichtigt sei. Der Gedanke eines bloßen Zweckverbandes gleichstrebender Vereine, der öfter auftauche, habe sich nicht als praktisch erwiesen: die mannigfachen und schwierigen Heimatschutzaufgaben können nur ein hesonderer Zwcigverein des Bundes Heimaischutz lösen, der sich, unterstützt durch eine große Mit- glicderzahl, mit aller Kraft nur diesen Fragen widmet.—Herr Karl Lotter machte jedoch auch auf die Schwierigkeiten aufmerksam, denen ein solcher neuer Verein vielleicht begegnen würde. Hiernach empfahl Herr Professor vr. Gradmann die Bildung eines württembergischen Heimatschutzvereins vorzubereiten und Herr Akademiedirektor R. von Haug und auch Herr Kunstmaler Laux- mann sprachen sich in gleichem Sinne aus.
So verlief die Versammlung unter den denkbar günstigsten Auspizien. Unter den geladenen Herren, die am Erscheinen verhindert waren, hatte bereits Herr Professor Theodor Fischer seine Sympathie für die Bestrebungen eines Heimaischutz- vereins Württembergs unzweideutig zu erkennen gegeben.
Möge es gelingen einen Verein zu bilden, der da retten will, was noch von den Trümmern einstiger Schönheit übrig blieb, der das Land vor weiterer Verunstaltung behüten uud alles das vor dem Untergang bewahren will, was da wurzelt in bodenständiger, altehrwürdiger Kultur.
Tagesueuigkeite«.
^ Calw 24. März. Am letzten Samstag veranstalteten die Schüler der Sp öhrer'schen Höheren Handelsschule, des und 8. Kurses einen Fackelzug zu Ehren des von hier scheidenden Herrn Rechtslehrer Fischer. Der Zug bewegte sich vom Brühl durch den Bischofs, Bahnhofstraße, neue Brücke, Badstraße, Marktplatz nach dem Hause des Scheidenden. Herr Kreß brachte nach einer zündenden Ansprache ein von den Schülern begeistert aufgenommenes Hoch auf den Lehrer aus. Herr Fischer dankte mit warmen Worten der Anerkennung für die Ehrung. Unter den Klängen der Stadtkapelle zog der Fackelzug auf den Brühl, wo die Fackeln auf einen Hausen zusammengeworfen wurden.
— Se. Majestät der König haben zu verfügen geruht: Böhrin ger, Major z. D. und Kommandeur des Landwehrbezirks Calw, erhält den Charakter als Oberstleutnant.
X Dachtel 23. März. Unter den üblichen militärischen Ehren wurde gestern der 65 Jahre alte Veteran, Akzisor Wied mater, zu Grabs getragen. Die Veteranen-Vereine Gechingen» Deckenpfronn, Deufringen und Dachtel beteiligten sich je mit Fahne an der Trauerfcier. Den Leichengesang hatte der hiesige Liederkranz übernommen. Der Verstorbene machte die Feldzüge von 1866 und 1870/71 mit.
Hutzenbach OA. Freudenstadt 23. März. Der Platzarbeiter Paul Finkbeiner wurde beim Absägen von Stämmen auf dem Holzplatzs von einigen ins Rollen gekommenen Stämmen zu Boden geschlagen. Er erlitt hierdurch einen komplizierten B auch des linken Beines und außerdem Wunden am Kopfs.
Göppingen 23. März. Als gestern abend der Schutzmann Wolz von hier 2 Ruhestörer zur Polizeiwache verbringen wollte, wurde er von ihnen tätlich angegriffen. Der eine der Exzedenten schlug dem Schutzmann mehrmals die Hand ins Gesicht und entsprang sodann; der andere zog sein Messer, stach es dem Schutzmann ins Gesicht und schnitt ihm die Nase vollständig durch, sodaß sie angenäht werden mußte. Beide Radaubrüder sind festgenommen und dem K. Amtsgericht zur Bestrafung übergeben worden.
Ulm 23. März. Der Oeko: om und Gastwirtssohn Georg Jäckle wurde in letzter Woche beim Einspanncn des Handpferdes von diesem an den Kopf geschlagen. Außer einer Gehirnerschütterung mit Verlust des Bewußtseins, wurde noch ein mehrfacher Bruch der rechten Unterkieferhälfte, Wunden im Gesicht, an Schläfe und Stirne festgestellt.
Friedrichshafen 23. März. Zur Bodenseeregatta. Die große Regatta die Heuer auf dem Bodensee stattfinden soll, macht vermöge ihrer Bedeutung, die sie für den gesamten
Was hatte er getan? Die Platten zerstört, die Bilder verbannt aus der Sammlung, waren denn alle die vielen, die Tausende dort auf dem Stückchen Karton besser als er, daß sie bleiben durften, während er aus« gemerzt wurde als ein Schädlicher? Und warum hatte der Großonkel nie von ihm gesprochen?
Leidenschaftlicher Zorn, vermischt mit Scham, durchschüttelten mich. Meine Stimme wollte mir nicht gehorchen, als ich mich von dem Manne verabschiedete, der mir beinahe wie ein Scharfrichter vorkam.
Er aber — ließ mich nicht gehen.
„Ich habe Ihnen wehgetan", sagte er plötzlich ganz väterlich. „Kommen Sie, lassen Sie uns plaudern — sehen Sie, mein Kind, vor unseren Augen entrollen sich viele Schicksale — wenn wir uns die alle so zu Herzen nehmen wollten, wie Sie es zu tun scheinen, so hätten wir keine frohe Stunden mehr. Auch an Totenbetten werden wir gerufen; unsere Hand zittert nicht, obwohl da» Schluchzen der Lebenden uns die Seele bewegt. Am Anfang als blutjunger Lehrling, dachte ich, der photographische Apparat sauge dies schrecklicke Schluchzen auf — ja, er gellte mir in den Ohren nach — tönte gespenstisch und grauenvoll aus der Kassete. Wir haben auch unsere Nerven."
Während er sprach, beruhigte ich mich und schalt mich selber aus.
Allzu gefühlvoll war ich nie gewesen, da niemals jemand Gefühle in mir suchte oder von mir verlangte. Oft empfand ich dies als einen Mangel. —
Was sollte nun diese Sorge um einen Fremden.
Herr Beiert erhob sich und bat mich, ihm zu folgen. Der Himmel weiß, was er plötzlich an mir hatte.
„Wenn er Sie interessiert." sagte er bescheiden und öffnete die Tür zu einem ganz engen, langen Flur. Nach dem Salon mit einer schablonen.
mäßigen Eleganz gab es keinen größeren Kontrast als diesen altmodischen Flur mit seiner veräucherten Decke und Diele, den braunen Schränken und den Balkenwerk an den Wänden.
„Sie sehen, dies ist ein ganz altes Haus," sagte Herr Beiert, „es ist seit Urzeiten im Besitz unserer Familie. Mein Vater fing aus kleinen Verhältnissen an — er gründete da« Geschlecht von Photographen, da» hoffentlich blühen und gedeihen wird und lange bestehen." —
Wir befanden uns nun in einem Kämmerchen, das über und über mit Dutzenden jener kleinen, gelben, glatten Photographien angefüllt war, wie wir sie in den Albums unserer Alten noch finden. Fremdartige Frisuren und Kleider, Vatermörder, die Hände der schlanken Männer im Busen steckend — die Frauen mit gedrehten Locken, spitzen Taillen und Reifcöcken. Alle blaß, vergilbt, Tote — ich dachte an eingesunkene Gräber und umgkstürzte Grabdenkmäler. Im Halbdunkel beschlich mich dar Gefühl, daß ich hier in einem Mausoleum sei — Schauer und Andacht. Ueber der Kommode mit den gedrehten Füßen hing eine große, ovale Photographie, umrahmt von einem getrockneten Eichenkranz.
„Das ist mein Vater", sagte Herr Beiert mit einer Ehrfurcht, die mich fast zu Tränen rührte in ihrer einfachen Selbstverständlichkeit. „Und diese Bilder hat er alle gemacht. Wenn mir die Zeit zu neu wird — zu — zu modern, sagen wir mal, liebe» Fräulein, dann schließe ich mich hier ein, inmitten all dieser Vergangenen, und denke an die Bescheidenheit des Begründers unserer Firma und — an das Obenhinauswollen der — Nachkommen . . . ihre Unersättlichkeit" —
Er seufzte. Hier mußte ein wunder Punkt sein. Beinahe hastig schloß er sein Heiligtum ab und steckte den Schlüssel in die Tasche. Am Ende des Flures tat sich eine breite Flügeltür vor uns auf.
(Fortsetzung folgt.)