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Telephonistin erwiderte, sie werde sich wegen der Beleidigung beschweren, antwortete ihr liebenswürdiger Partner: „Da haben Sie ganz recht; ich kann e« Ihnen noch einmal sagen, wenn Sie es hören wollen, daß Sie ein altes Rindvieh find." Diese Bezeichnung war in jeder Hinsicht unangebracht, denn die betreffende Telephonistin ist, wie der „Mannh. Generalanz." bemerkt, gar nicht alt, sondern jung und hübsch, wie fich das Schöffengericht überzeugen konnte, das die Be- leidigung zu sühnen hatte. Der Metzgermeister leugnete, der Missetäter gewesen zu sein, ein anderer müsse seinen Namen mißbraucht haben; es half ihm jedoch nichts; er mußte berappen, und das von Rechts wegen.
Mannheim 21. März. Beim Ausgeben falscher 5-Mark-Stücke wurde gestern in einem Laden die Ehefrau eines Schneidermeisters von Neckarau ertappt. Man brachte sie zur Polizeiwache, wo fich bei ihrer Visitation ergab, daß sie im Korsett noch ein kleines Depot falscher 5.Mark>Stücke hatte. Bei einer Durchsuchung der Wchnung der Schneidersehsleute in Neckarau fand man eine komplette Falschmünzerwerkstätte und noch einen Vorrat geprägter 5-Mark-Stücke. Schon seit längerer Zeit sollen solche falschen Geldstücke im Umlauf sein.
Berlin 21. März. Die Vertreter der ReiLstagspresse traten heute bei Beginn der Plenarsitzung wieder im Lese-Saale der Journalisten-Tribüne zusammen. Mit großer Befriedigung wurde die vollkommene Solidarität der gesammten Presse festgestellt. Die gestern zur Kenntnis der Versammlung gelangte Kundgebung der Redaktionen und der Vertreter der in- und ausländischen Presse wurde heute durch eine Reihe weiterer Telegramme und Erklärungen ergänzt. Sympathie und Solidaritäts-Telegramme liefen in ganzen Stößen ein. Auch die Redaktion der Berliner Kreuzzeilung, die infolge unzuläng. ltcher Information fich gestern dem Vorgehen der Reichstags-Journalisten noch nicht angeschloffen hatte, erklärte heute ihre Teilnahme am Streik. Auch das Louis Hirsch'sche Telegraphen-Bureau und das Depeschen-Bureau Herold haben gestern sofort die Verbreitung des Reichstagsberichter eingestellt. Ebenso erklärten die großen französischen Telegraphen-Agenturen, die Agence Havas und die Agence Fournier, sowie die Petersburger Telegraphen-Agentur ihre Teilnahme Die Pariser und Londoner Blätter haben beschlossen, daß sie von der Rede des Reichskanzlers am Montag kein Wort bringen würden» falls der Streit bis dahin nicht im Sinne der deutschen Journalisten geregelt sein würde. Zustimmungs-Kundgebungen liefen u. a. ein, von den Kammer-Journalisten des bayrischen und hessischen Landtages von der Preß-Association in Marseille, sowie vom Senioren. Konvent der Vereinigung der Parlaments-Bericht
erstatter des österreichischen Abgeordnetenhauses. — Im Laufe der heutigen Reichstags-Sitzung wurde dm versammelten Tribünen-Journalisten die Mitteilung gemacht, daß Präsident Graf Stolberg, der den Vertretern der Presse volle Genugtuung zu geben wünscht, den Wunsch nach neuen Besprechungen ausgedrückt hat. Es wurde seitens der Presse eine Abordnung von drei Herren gewählt, die, ohne ein Spezial-Mandat zu besitzen, mit dem Präsidenten verhandeln sollen.
Berlin 21. März. Die Einigungs- Verhandlungen, die heute zur Beilegung des Journalisten.Streiks im Reichstag ge- führt wurden, find resultatlos verlaufen. Nachdem Präsident Graf Stolberg das Präsidium an den Vizepräsidenten vr. Paasche abgegeben hat!e, traten die von der Versammlung der Preffe-Vertreter beauftragten Herren mit ihm in Unterhandlungen. Diese fanden in Gegenwart des Zentrumsabgeordneten Freiherrn v. Hertling und des konservativen Abgeordneten v. Normann statt. Ter Präsident erklärte nach Rücksprache, die er inzwischen gehabt hätte, den Vorschlag, den die Pressevertreter am Vormittag hätten übermitteln lassen und in dem sie volle Befriedigung verlangten, nicht mehr aufrecht erhalten zu können. Die Abordnung ließ alsdann der Versammlung der Pressevertreter folgenden von Frhr. v Hertling formulierten Vorschlag unterbreiten: Die Jour- nalistsn sollten zunächst Herrn Gröber gegenüber ihr Bedauern über die auf der Tribüne vorge- kommene Störung ausdrücken und in dieser chrono- logischen Reihenfolge würde Herr Gröber erklären, er ziehe mit dem Ausdruck de« Bedauerns seine Beleidigung zurück. In der Vertreter-Versammlung der Preffe-Vertreter wurde dieser Vorschlag zur Abstimmung gebracht. Die Versammlung an der 86 Herren sämtlicher Partetrichtungen ein- schließlich des Zentrums teilnahmen, lehnte ihn mit 84 gegen 2 Stimmen ab und beauftragte ein Mitglied der Abordnung, diesen Beschluß dem Reichstags-Prästdenten mitzuteilen. Dieser Beschluß wurde gefaßt in Gegenwart de» Abgeordneten v. Hertling und Normann. Ein weitere« Ergebnis wurde nicht erzielt. Darauf wurde von der Versammlung beschlossen am Montag 11V- Uhr wieder zusammenzutreten.
Berlin 21. März. Weitere Sympathie, kundgebungen gingen den Reichstagsjournalisten von vielen Tageszeitungen zu, sowie vom Verein der niedersächfiichen Presse in Hannover,vom Journalisten-Verein Karlsruhe, vom Landesverband hessischer Zeitungsredakteure in Darmstadt, den Journalisten des hessischen Landtags, den Kammerjournalisten, mit Ausnahme de» Zentrum«, in München, der vereinigten Königs- berger Presse, der Vereinigung der Parlaments- berichterstatter in Wien und dem Verein der Tagespresse in Marseille.
Darlehen, in Geschäften Uhren, Fahrrad und Waren erschwindelt und ist schließlich in die Schweiz entwichen. Die schweizerischen Behörden lieferten den sauberen Patron jedoch aus und heute hielt es da« Gericht für angemessen, ihn für 18 Monate unschädlich zu machen.
Lorch 19, März. Die in der hiesigen Gegend und im Welzheimer Walde im letzten Winter beobachteten Wildschweine sind noch immer anzutreffen; in der letzten Nacht haben sie auf der Markung Mezelhof einen Getreideacker durchwühlt und dabei nicht unbedeutenden Schaden angerichtet. Die Versuche, die Tiere abzuschießen, waren bisher vergeblich.
Weilheim OA.Balingen 21.März, Al« vorgestern abend Polizeidiener und Farrenfütterer Ludwig Merz hier den Gemetndefarren zur Tränke führen wollte, wurde Merz von diesem derart gestoßen und getreten, daß er nach qualvollem Leiden, infolge schwerer, innerer Verletz, ringen gestern im Alter von 60 Jahren gestorben ist.
Ai bera» 22. Mä« Gestern nachmittag wurde unterhalb der nächst Biberach gelegenen Station Ummendorf auf den um 3 Uhr hier abgehenden Schnellzug Friedrichshafen-Stuttgart ein scharfer Schuß abgegeben. Verletzt wurde niemand. Da« in dem Fenster des Abteil« 3. Klaffe befindliche runde, scharf abgegrenzte Loch weist auf ein Geschoß kleineren Kalibers hin. Da« Geschoß selbst konnte in dem Wagenabteil nicht aufgesunden werden. Der Täter ist noch nicht ermittelt. — In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ist in der Wohnung eines hiesigen Pri- vatiers ein Schadenfeuer ausgrbrochen. Durch die Zerstörung und Beschädigung einiger Betten ist ein ziemlich erheblicher Schaden entstanden. Die Entstehungrursache ist unbekannt. — Die Zertrümmerer der Fensterscheiben im alten Mädchen- schulgebäude find ermittelt. Es find fünf schul- pflichtige Knaben im Alter bis zu 13 Jahren. Bei ihrer Vernehmung redeten sich die Jungen dahin au», daß sie geglaubt haben, die Fensterscheiben dürfe man Einwerfen, weil da» jetzt außer Benützung stehende Schulgebäude ja doch für den Abbruch bestimmt sei.
Vom Hegau 21. März. Jagdpächter Eck von Singen fand in einem Walde bei Jmmen- dingen den seit längerer Zeit von Talmühle abwesend gewesenen Obstbaumzüchter F. Eiselein tot auf. Eiselein verübte Selbstmord, wie er s. Zt. in einem Briefe an die Behörde ankündigte. Sr wohnte früher in Stuttgart.
Mannheim 20. März. Wegen Beleidigung einer Telephonistin zu 15 ^ Geldstrafe verurteilt wurde ein hiesiger Metzgermeister. Er hatte die da» Telephon bedienende Dame, da ihm die Verbindung nicht schnell genug erfolgte, eine „alte Kuh" genannt. Als die
zu erfahren» was sie eigentlich in meiner Lage täten. Du kennst mich ja
— ich fragte — ich sammelte die Antworten. Zwei Drittel würden an die Riviera reisen, ein Drittel heiraten. Eine neue Idee hatte keine.
Ich für mein Teil möchte den Beruf wählen, in welchem man die «eisten Menschen kennen lernt, wo man sie am wahrsten, unverfälschtesten sieht — Arzt oder Pastor müßte ich werden. ... Ich studiere den An. noncenteil der Zeitungen, er ist voll Lockungen für arme, junge Mädchen
— was bietet sich ihnen nicht alles: Reisen, Heirat, Glück, Geld — es gäbe kein Elend auf der Welt, wenn die Welt halten wollte, was die Zeitung verspricht.
An den „Stützen" gleite ich schnell vorüber, ebenso an den durchweg stattlichen Herren mit syw patischem Aeußeren und so musterhaftem Charakter, daß er meist fett gedruckt ist. . .
Oh wäre ich Direktrice eines Modemagazins mit dem Gehalt eine» Amtsrichter»!
Halt — da — eine winzige Annonce — adieu, adieu, bald mehr!
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Unter dem Glasdach zwischen den Glaswänden, die in der Maisonne knistern, als wollten sie bersten, prangen die Felsblöcke von Papiermache untz die Blumen von Stoff, die ausgestopften Tauben, die man Kindern in die Hand gibt — grauer Staub drückt diese falsche Herrlichkeit in der Welt der Retouche — unter dem Spiegel in dem vergoldeten Gipsrahmen warten der Zelluloidkamm und der Handspiegel auf kleine, eitle Frauen, finger und frischgebrannte Löckchen. Wie Kulissen schieben fich die bemalten Leinwandwände ineinander. Meeresküste mit Palmen, schattenhaft wesenlos, das Innere eine« Bauernhauses, ein Wasserfall. Der Wasserfall wird von Damen in Balltoilette bevorzugt» weil „er ihnen so gut steht", r
Du hast wohl schon erraten, daß wir uns im Tempel menschlicher
Eitelkeit befinden — in einem photographischen Atelier. Dorthin führte mich die unscheinbare kleine Annonce, die eine gebildete, junge Dame sucht. —
Sie verlangte sehr viel, die kleine Annonce, und es gehörte ein gut Teil Selbstbewußtsein dazu, fich daraufhin zu melden. „Gebildet, hübsch, mit leichten, gefälligen Umgangrformen, von vornehmem Auftreten."
Neroi Lu xsu, sagt der Franzose.
Ich dachte: Sucht hier eine Fürstin eine Kammerfrau, ein Bankier eine Reisebegleiterin für seine erwachsenen Töchter oder das Warenhaus Tietz eine Verkäuferin? Nichts von alledem; ein Photograph von Ruf sucht eine Empfangsdame für seinen Salon.
Er ist ein jovialer, älterer Herr mit jenem feinen, markanten Zug um die Lippen, der die Schwächen seiner Mitmenschen entschuldigt, weil er von ihnen lebt. Er ist gewohnt, den Schleier der Milde über diese Schwächen zu decken. Seine Diskretion ist so unantastbar, so unbestechlich, daß sie eine Tugend geworden ist. Da» Schloß seine« Mundes ist ein Vexierschloß, dessen Geheimnisse nur der Eingeweihte kennt — und er sieht ungeheuer geheimnisvoll aus, der Tausende von Menschengefichtern daraufhin studiert hat, wie sie fich am vorteilhaftesten ausnehmen.
Er empfing mich in dem — natürlich — roten Salon inmitten seiner unzähligen Bilder, über denen in ernster Herrlichkeit die Porträte des Landesfürsten und der Landesmutter tronten. Ihnen verdankt er das Prädikat „Hoflieferant". Ein Rahmen mit einem Dutzend Riesenmedaillen hinter Glas lugte kokett und verstohlen hinter einer — natürlich — roten Plüschgardine hervor.
Bei meinem Eintritt verbeugte sich Herr Rudolf Beiert sen. galant und leicht schelmisch und sagte sofort mit einem Zucken der feinen Mund- Winkel: „Kabinett oder Mignon? Gnädiges Fräulein haben ein Gesicht für dies zierlichste aller Formale." — (Fortsetzung folgt.)