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der Kohlenbergwerke lehnen wir ab» halten aber eine Beteiligung des Staates für wünschenswert. Hierauf beantragt Abg. Bassermann Schluß der Generaldebatte. Der Antrag wird von der Blockmehrheit angenommen. Dann wird über die Resolutionen abgestimmt. Abgelehnt werden die sozialdemokratischen Resolutionen betr. gesetz­liche Regelung der Arbeit«- und Dienstverhältnisse aller Angestellten» betr. ein Reichsberggesetz und betr. Bauarbeiterschutzgesetz. Ebenso wird in der sszialdemokratischen Resolution betr. die Glashütten der Punkt abgelehnt» der den Achtstundentag und Rachtarbeitverbot fordert. Die anderen drei Punkte dieser Resolution gelangen dagegen zur Annahme, darunter der Passus über Verbot der Sonntags­arbeit mit 123 gegen 104 Stimmen, da Hammel­sprung nötig wurde. Alle übrigen Resolutionen der Parteien zum Staatssekretär.Titel gelangen zur Annahme. Nur die nationalliberale Resolution betr. 8 l00 der Gewerbe-Ordnung, welcheEr­hebungen" fordert» wurde dadurch erledigt, daß die einen bezüglichen Gesetzentwurf fordernde Re- 'sotution Schack angenommen wurde. Bei dem Titel für die drei Direktoren versuchen die Ab­geordneten Hue (Soz.) und nach ihm Stadt- hagen (Soz) auf die allgemeine sozialpolitische Debatte zukückzukommrn, werden aber vom Prä­sidenten an dieser Absicht verhindert. Bei einem weiteren AbschnittAllgemeine Fonds" verbreitet sich Abg. Pfeiffer (Ztr.) über das germanische Museum in Nürnberg. Redner verlangt weiter im längeren Ausführungen Ehrensolde für Schau­spieler und an dere Kür stler, Dichter und Journalisten. Es sei endlich Zeit, die Schauspieler aus der Gesindeordnung heraus zu nehmen. Nach Er­ledigung einiger weiterer Titel und Kapitel erfolgt Hertagung. Morgen 1 Uhr Fortsetzung.

Berlin 11. März. Zu dem Anschlag gegen das augenblicklich unbewohnte kgl. Schloß in Christiania wird im einzelnen noch ge­meldet: Gestern mittag gegen 2 Uhr wurde das spazieren gehende Publikum im Schloßpark durch mehrere Schüsse erschreckt. Diese kamen von einem kleinen Hügel her, welcher dem Schloß gegenüberliegt und etwa 300 m von demselben entfernt ist. Diese Schüsse waren gegen das Schloß und die vor diesem errichtete Karl Joachim- Statue gerichtet. Die Kugeln pfiffen an den sskssanten vorbei; mehrere derselben trafen die Fenster und Wände des Schlosses. Ein zufällig «m einem Fenster stehender Diener bemerkte die verdächtigen Bewegungen des Schützen. Nachdem dieser 10 bis 12 Schüsse abgefeuert hatte, wurde er von zwei hinzuspringenden Herren ergriffen. Gr bedrohte die herbeigeeilten Passanten, bis end- lich Polizei eintraf. Diese stellte fest, daß der gutgekleidete Mann ein schwedischer Mechaniker namens Joh. Green war. Er war in seiner Heimat wegen Diebstahls bestraft und später einer Heilanstalt für Geisteskranke in Kopenhagen über­wiesen worden. In Christiania war er seit einem halben Jahr. Bei seiner Festnahme erklärte er: »Mas brauchen wir einen König hier zu Lande!" Der Attentäter ist entschieden geisteskrank.

Berlin 11. März. In Blieskastel ver­unglückten die Schwestern des Schneidermeisters Amg auf seltsame Weise. Von der Schloß­ruine neben dem Hause löste sich ein Fels, stück, durchschlug das Fenster der Küche und zerschmetterte die Lampe, welche explodierte und ihren brennenden Inhalt über die Mädchen ergoß; diese find schwer verletzt.

Petersburg 11. März. In dem hiesigen Waffen, und Munition-.Depot ist man großen Unregelmäßigkeiten auf die Spur ge- kommen. In einem Magazin befanden sich statt 20 Millionen nur 40,000 Patronen. Eine stpenge Untersuchung wurde eingeleitet.

Vermischtes.

Die Automobiltourenfahrt New- Hork-Paris ist in den letzten Tagen ohne be­merkenswerte Zwischenfälle verlaufen. Am Sonn­tag traten auch der deutsche Protor-Wagen und der französische Motobloc die Weiterreise von Chicago aus an. Am weitesten ist der ameri­kanische Thomas-Wagen vorgedrungen, der im ganzen etwa 3300 Kilometer von New-Aork au« pirückgelegt hat. An zweiter Stelle, aber mehrere

Tagesreisen zurück, folgt der italienische Züst- Wagen, während der französische de Dion wieder einmal infolge einer Panne festliegt.

EinNachspiel" zum Lissaboner Königsmord. In dem portugiesischen Orte Falsas kamen einige Bewohner auf den seltsamen Einfall, den Lissaboner Königsmord als Pantomime zu reproduzieren. Unter den Mitwirkenden fungierte ein Vater mit seinen zwei Söhnen. Der Vater stellte den König dar, ein Sohn den Attentäter Bucia und ein anderer die Königin Amalie. Als Waffe diente ein anscheinend patronenloser Revolver. Die Waffe war aber nicht ganz entladen. Als daher der Wagen durch die Dorsstraße fuhr und der nachgeahmte Königs. Mörder hinaufsprang, gingen zwei scharfe Schüsse los und trafen den Vater und den Bruder: beide wurden sofort getötet.

Ein schlauer Detektiv. Boston« Blätter erzählen folgendes Geschichtchen als Beweis von dem Scharfsinn eines Detektivs: Samuel Webster, ein sehr reicher Seidenhändler, hatte in seinem Testament seine illegitime Tochter, um die er sich zu Lebzeiten nicht gekümmert hatte, zur Universalerbin eingesetzt. Das Nachlaßgericht beauftragte das Pinkerton-Jnstitut mit der Auf­suchung der Erbin, deren Aufenthaltsort unbekannt war. Das Institut betraute einen jungen Detektiv mit der Aufgabe. Nach kaum 6 Wochen stellte er sich seinem Chef wieder vor.Nun", fragte dieser,haben Sie da» Mädchen gefunden?" All right, schon vor einem Monat als Arbeiterin in einem Putzatelier."Wo ist sie jetzt?"Bei wir zu Hause ich habe sie nämlich geheiratet."

Arbeitsunfähigkeit infolge geistiger Neberanstrengrmg.

Immer häufiger werden die Fälle» in denen scheinbar arbeitskräftige Menschen infolge geistiger Ueberanstrengung plötzlich zusammenbrechen und ihrem Beruf für lange Zeit, wenn nicht für immer entzogen werden. Gerade in letzter Zeit brachte die Presse wiederholt Nachrichten, die das öffent­liche Interesse dieser Erscheinung zuwenden.

In den meisten Fällen ist das plötzliche Versagen der geistigen Arbeitsfähigkeit nicht auf die maßlosen Anstrengungen einer kurzen auf­regenden Arbeitszeit, in der Uebermenschliches ge­leistet werden soll, zurückzuführen, sondern auf eine lang zurückreichende dauernde Ermüdung durch geistige Arbeit ohne genügende Erholung.

Was ist Ermüdung? Eine allgemein angenommene, streng erwiesene Erklärung dafür gibt es noch nicht. Aber die Mehrzahl der Sach- verständigen glaubt doch zweierlei Vorgänge darin zu erkennen. Die geistige Arbeit geht völlig Hand in Hand mit einem Zerfall chemischer Verbindungen in den Gehirnzellen. Da» kann man sagen, ohne zu der streitigen Frage sich zu äußern, wie dieser Zusammenhang auf­gefaßt wird, ob es ein Parallelismus der Vor­gänge ist, oder ob eine direkt vom andern abhängt. Man kann diese chemischen, sehr verwickelt auf­gebauten Verbindungen mit den Heizstoffen einer Maschine vergleichen; indem sie verbrennen, hinter- laffen sie Schlacken, und zwar wirken diese Zerfall­stoffe giftig auf andere Teile unseres Körpers. Durch den Blutstrom, der alle Teile unseres Ge­hirn» durcheilt, werden die Zerfallstoffe beständig hinweggespült und wird zugleich neues Kraftmaterial den Gehirnzellen wieder zugeführt, so daß ein beständiger Ersatz für den Verbrauch stattfindet. Bei angestrengter Tätigkeit bleibt der Ersatz offen, bar hinter dem Verbrauch zurück. Das lehren die Ermüdungserscheinungen. Wahrscheinlich können die Ersatzstoffe erst allmählich und während größerer Ruhe des arbeitenden Organs in den Allen auf. genommen werden. Wir können das wohl auch daraus schließen, daß schon das Wachen allein, ohne Tätigkeit, genügt, um am Ende des Tage» Ermüdung deutlich hcrvortreten zu lassen, die nur durch den Schlaf beseitigt werden kann.

Ferner wird dar Ermüdungsgefühl durch die Genußmittel beeinflußt. Am bekanntesten ist in dieser Richtung die Wirkung von Alkohol und von Kaffee und Tee. Der Alkohol ist auch in dieser Richtung ein arger Täuscher. Er ver- ringert die Befangenheit und vor allem auch die Selbstkritik. Aus diesem Grunde kann man

namentlich selbst leicht zu der Meinung vergrößerter Leistung und verringerter Ermüdung kommen, aber bet genauen Beobachtungen zeigt sich ohne Ausnahme, daß die geistigen Leistungen unter Alkoholeinfluß, auch bei geringen Mengen, wesentlich erschwert werden. So erklärt e» sich, daß z. B. Dillettanten, die an einer Aufführung teilnehmen, unter Umständen nach einem Glase Wein besser spielen, d. h. unbefangener und dreister auftreten, daß aber alle geistig frei Schaffenden durch ihre Erfahrung zu der Ansicht kommen» daß sie vor der Arbeit den Alkohol vermeiden müssen. Die Wirkung de« Alkohols auf die geistige Arbeit ist ganz ähnlich wie die der Ermüdung, nur noch stärker verflachend. Dagegen erleichtern Kaffee und Tee tatsächlich die geistige Arbeit. Es ist aber wahrscheinlich, daß damit ein stärkerer Ver­brauch stattfindet, der unter Umständen schwer wieder einzubringen sein dürfte. Wie der Tabak in dieser Hinsicht wirkt, ist noch nicht festgestellt. Das subjektive Gefühl des Rauchers geht ja dahin, daß das Rauchen die geistige Arbeit fördere. Aber vielleicht ist das nnr indirekt der Fall, indem die geliebte Zigarre eine behagliche Stimmung zur Arbeit schafft.

Sehr wertvoll für die Hygiene der Arbeit hat sich die Feststellung erwiesen, daß die geistige Arbeit auch körperlich ermüdet, und daß andererseits die körperliche Arbeit auch den Geist abspannt. Diese Tatsache ist lange verkannt worden, und auch sorgsame Hygieniker haben auf Grund ihrer irrigen Meinung immer gefordert, daß man die geistige Arbeit durch Unter- brechungen mit körperlicher Arbeit in ihrer schäd- lichen Wirkung ausgleiche. Man kann nicht durch den Uebergang von geistiger Arbeit zu körperlicher Ausarbeitung die Ermüdigung beseitigen, ebenso­wenig, wie man es durch den Wechsel des Gegen- stunde» und der Art geistiger Arbeit kann. Eine veränderte Geistesarbeit kann nur dadurch den Anschein der Erholung gewähren, daß sie eine andere Stimmung mit sich bringt, nachdem der zuerst bearbeitete Gegenstand eben unter dem Ein­fluß der Ermüdung langweilig geworden war, oder doch die Spannkraft des Geister in dieser Richtung nachgelassen hatte. Auf die Dauer wird sich auch bei mehrfachem Wechseln der Art der Tätigkeit eine Ermüdung bis zur Unfähigkeit geltend machen.

Die einzige wirkliche Erholung von der Arbeit ist die Ruhe, die beste ist der Schlaf.

Durch die Ruhe, geistige und körperliche Ruhe, wird der Kräfteverbrauch eingeschränkt, die Wegschaffung der Verbrauchrstoffe, die Zufuhr des Eisatzes und die Aufnahme desselben in die Zellen erleichtert. Und zwar hat sich» wie Dorn, blüth in seinem kürzlich erschienenen populären BuchDie Hygiene der geistigen Arbeit" ein. gehend erörtert, bei den Untersuchungen heraus- gestellt, daß nach kurzer Arbeit eine kurze Pause besser wirkt, weil man dabei nicht so sehr aus der Arbeitsanregung, aus der Stimmung und dem Zusammenhangs herauskommt. Nach längerer und anstrengender Arbeit ist dagegen eine längere Pause nötig, um die Ermüdung wirklich zu beseitigen. Im Laufe des Tages tritt das nach anstrengender Arbeit wohl niemals ein, schon weil wie gesagt das Wachsein an sich schon ermüdet und auch ohne eigentliche Tätigkeit mehr Kraft verbraucht wird, als ersetzt wird. Eine wirkliche Herabsetzung des Verbrauches unter den Ersatz findet also nur im Schlaf statt. Ein gesunder, tiefer und hinreichend langer Schlaf be- seitigt auch eine starke Ermüdung vollständig. Reicht der Schlaf in seiner Art und Dauer dazu nicht au», so muß eine chronische Ermüdung, eine nervöse Erschöpfung entstehen, die als Krankheit aufzufassen ist. Die Arbeit allein reicht dazu allerdings nicht aus, weil die Müdigkeit einen starken Zwang zum Ausruhen und zum Schlafen mit sich bringt; wohl aber kommt e» oft dazu, wenn die Arbeit von Gemütsbewegungen, Sorgen, Kummer usw. begleitet wird. Außer dem Schlaf ist auch eine geeignete Ernährung für die Erholung notwendig, weil nur dadurch das nötige Ersatzmaterial beigebracht werden kann. _ (Koriesp f. Volksbhgiene.)

Voraussichtliche Witterung:

Zunächst noch unbeständig, veränderliche Bewölkung, zeitweise Niederschläge, kälter, später besser.