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Amts- und ÄnzeigeblatL für den Obernmtsbezrrk Calw.

83. Iahrgasg.

LrscheinungStage: Montag, Dienstag, MittworH, Donnerstag, Freitag und Samstag. Jnsertionsprers 10 Pfg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.

lontag, den 9. Mar? 1908.

Bezngspr. i. d. Stadt */<jährl. m. Lrägerl. Mk. 1.25. PostbezugSpr. f. d.Orts- u. Nachbarortsverk. V^ährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Beftellg. in Würlt. 30 Pfg., in Bayern u. Reich 42 Pfg.

Amtliche Vekanntmachurrgen

Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft für de« Württ. Schwarzwaldkreis.

Gemäß Art. 25 Abs. 2 des Gesetzes vom 4. März 1888, Reg.-Bl. S. 89, wird hiemit bekannt gemacht, daß der Umlagefaß<- das Jahr 1907 auf 3 Mark 38 Pfg. für das 100 Mark Stenerkapital festgesetzt worden ist.

Reutlingen, 7. März 1908.

Der Vorsitzende des Vorstands:

OberregierungSrat Stam e r.

TagesNerügkeiterr.

):( Unterreichenbach, 6. März. Der 30 Jahre hier ansässige allgemein bekannte frühere Lammwirt Friedrich Graser, wurde gestern in seiner Vaterstadt Sindelfingen beerdigt. Ein Hirnschlag raffte ihn im 61. Lebensjahre uner­wartet rasch hinweg. Ein rastlos tätiger Mann, ein Veterane von 1870, der sich um die Grün­dung des hies. Kriegervereins, dessen Vorstand er mehr denn 20 Jahre war, geht mit ihm dahin. Namentlich auch um die Gründung der so segensreichen Krieg.-Ver.-Bszirkssterbekaffs hat er sich sehr verdient gemacht und viel Geld und Zeit dieser Sache geopfert! Obwohl er bei po­litischen Wahlgängen aus seiner freisinnigen An- schauung nie einen Hehl machte und seinen Mann unentwegt stellte, pflegte er stets über dem Allem in seinem Verein die Liebe zu Vaterland und Reich und hat seine patriotische Begeisterung der Sachs der Kriegervereins ungemein festigend und zusammenhaltend gewirkt. Seine Kameraden und Freunde widmen ihm treues Gedenken.

^ Herrenalb4. März. Heute wurde in Anwesenheit des Amtsgerichts Neuenbürg und einer Vertreters der Staatsanwaltschaft der Keller

einer hiesigen Pension ausgsgraben, da seit Jahren umgehende Gerüchte behaupteten, ein vor 18 Jahren in Herrenalb als Kurgast weilender Ameri­kaner sei spurlos verschwunden und wohl ermordet und in dem Keller verscharrt worden. Durch die vorgenommens Nachgrabung wurde dis gänzliche Haltlosigkeit der Gerüchte dargetan. ^

Zuffenhausen. Am Pfingstmontag, den 8. Juni 1908, findet das 16. Gesangsfest des Strohgäusängerbundes, verbunden mit Preirstngen dahier statt. An dem Preirsingen können sich auch Gastvereine beteiligen. Das Arrangement ist dem MännerchorSängerluk" in Zuffenhausen übertragen. Eine Reihe wertvoller Ehrengaben kommt zur Verteilung.

Tübingen 5. März. (Strafkammer.) Einen teueren Spaß leistete sich am letzten Weihnachtsabend ein 18-jähriger. bisher un- bescholtener Kaufmann aus dem Oberamt Calw im württ. Schwarzwald. In Gesellschaft einiger Kameraden machte er einen Amflug in ver- schiedcne Ortschaften der Umgegend. Auf dem Heimweg kamen dis jungen Leute auch durch das Dorf Schömberg und an einer daselbst befindlichen Heilanstalt für Lungenkranke vorbei. Dort knickte der Angeklagte 2 Tannenbäumchen in dem zu der Anstalt gehörenden Garten die Krone ab und ging dann weiter bis zu der Ortrkirche, in der gerade Gottesdienst und Weihnachtsbescherung für die Kinder gehalten wurde. In seinem Ueber- mut nahm der jmge Mann eine in der Nähe stehende Leiter, stellte sie an die Kirche, stieg hinauf und schlug dreimal wuchtig mit seinem Spazierstock auf das Kirchenfenster ein, sodaß es zerbrach und die Glasscherben zu den Füßen der erschrockenen Gemeinde herabfielen. Die Kirchen­besucher, die der Meinung waren, er werde zum Fenster hereingeschoffen, sprangen von ihren

Plätzen auf und drängten dem Ausgang zu. Die Kirche war gedrängt voll und schon drohte eine Panik auszubrechen, als es dem Geistlichen gelang, die Ruhe wieder herzustellen und den unterbrochenen Gottesdienst fortzusetzen. Der Angeklagte wurde wegen Störung des Gottesdienstes durch Erregung -von Lärm in einer Kirche und wegen Sach- beschädigung zu der Strafe von 8 Tagen Gefängnis verurteilt.

Rottenburg 4. März. Wie sehr unter dem Einfluß der ungünstigen Hopfenpreise der letzten Jahre in unserer Gegend der Hopfenanbau zurückgeht» das zeigt der diesjährige Handel in Hopfenstangen. Während in früheren Jahren um diese Zeit täglich mehrere Wagenladungen Stangen auf dem hiesigen Bahnhof einliefen und umgesetzt wurden, ruht Heuer dieser Handel bis jetzt fast vollständig. Zudem ist ein erheblicher Teil älterer Stangen von den Feldern eingeholt und zu Brennholz verwendet worden.

Reutlingen 8. März. Die Meister. Prüfungen vor der Handwerkskammer des Schwarzwaldkretses erfreuen sich dieses Frühjahr eines außerordentlichen Zuspruchs. Es haben sich aus den verschiedensten Handwerks- zweigen insgesamt 65 Kandidaten gemeldet, die in den Monaten März und April sich der Prüfung am Sitze der Handwerkskammer in Reutlingen unterziehen. Der von der Kammer jeweils ver- anstaltete Vorbereitungskurs in Buchführung, Wechselkunde und Gewerberecht mußte Heuer erst­mals in zwei Abteilungen gegeben werden. Der erste Kurs mit 17 Teilnehmern ging am 29. v. Mts. zu Ende; der zweite Kurs mit 20 Teilnehmern findet gegenwärtig unter der Leitung des Sekretärs der Kammer vom 4. bi« 12. ds. Mts. statt.

Ludwigsburg 8 März. In der Röste- sabrik und Eisengießerei von G. W. Barth

Liner vom Himmel.

Humoristische Novelle von Alwin Römer.

(Fortsetzung.)

Dat rezent all", sagte plötzlich die Stimme einer Jungmagd.

Ja, regnen deiht dat", antwortete darauf, sich verwundert an den Kopf fassend, Jochen Sötebier,äwer Sand."

Büst Du dösig, Jochen?" lachte seine Nachbarin.Wo kann denn dat Sand regnen?" Und offenen Mundes sandte sie einen prüfenden Blick in die Höhe. Dabei aber bekam sie wirklich eine Ladung feinen Sander in ihr heißes schweißtriefendes Antlitz, und spuckend und sprudelnd schrie sie nun:Pfui Düvel, dat iS doch wahrhaftig Sand!"

Eine richtige Wolke der weißen winzigen Körner fegte jetzt hernieder, mitten unter die Arbeitenden, die sprachlos über solch' Naturwunder zum Himmel emporschauten, allerdings mit geschloffenen Lippen und die Hand als Schutz über die Augen gelegt.

Auch Hilde war einen Augenblick lang verdutzt gewesen. Aber ihr Heuwagen war ihr nützlicher als unnütze Himmelsbetrachtungen.

Vorwärts, Leute!" sagte sie. Den Sand bringt der Wind von irgendwo mit, wo sie ihn scheffelweise haben. Jochen, Dein Fuder ist voll. Fahr zu!"

Doch Jochen hatte offenbar eine stärkere Neigung zur Beobachtung seltsamer Naturerscheinungen. Er hing noch immer mit den Blicken an dem unheimlichen Gewitterhimmel, von dem sich der Sandregsn wie aus einem Trichter geschüttet auf die Wiese ergossen hatte. Und jetzt warf er plötzlich die Peitsche von sich, die er sonst in der Hand gehalten und schrie: Kinntngs, lopt, wat ji lopen könnt! Da fällt de Mand dörch de Wolken, grad üp un» tau!"

Mit Riesensätzen sprang er blind über die Wiese weg, über Heuhaufen. Gräben und Strauchwerk fort, ohne sich umzusehen, und die Mägde und Knechte samt den Mähern taten's nach einem kurzen Aufblick ihm schreiend und kreischend nach. Nur ein paar der Erfahreneren unter dem Schwarm blieben zurück, traten aber unwillkürlich näher an ihrFristen" heran, gespannten Blickes da» Ungetüm betrachtend, das sich mitten durch die düstere Wolkenwand durchgearbeitet hatte und nun näher und näher kam.

Das is ja woll 'n Luftballon", sagte einer der Tapferen, die bei Hilde ausgehalten hatten.

Und was für einer", entgegnete Hilde.

Nu kiek bloß Krischan, da finn ook Minschen in!" rief ein zweiter.

so wat!"

Gleich darauf stieß Hilde einen leisen Schrei aus, denn der eins der Gondelinsasien hatte sich unvermutet mit einem kühnen Ruck über den Rand der korbartigen Gondel geschwungen, hing einen Augenblick lang, die Entfernung vom Erdboden messend, und sprang dann sicher und geschickt ab. Dabei kam er allerdings nicht gleich auf seine Füße zu stehen, sondern glitt in einen der kleinen Heuhaufen, aus dem er sich jedoch schnell heraus- arbeitete und nun mit Gesten und Rufen um Beistand warb.

Eine Minute später war das ganze Kontingent von Jasperrhagen um ihn versammelt, dar aus einiger Entfernung beobachtet hatte, wie der mörderischeMond" Jochen Sötebiers sich als das Wunderwerk einer Luftballons erwies, der auf pommerischer Erde Station machen wollte. Hurtig folgten sie den kurzen, klaren Anweisungen de» Luftschiffer», griffen nach den Schleppseilen des in langgezogener schräger Linie heruntertaumelnden Fahrzeuges und zogen schließlich an dem vielfältigen Strick- und Maschinen­werk das Ungetüm langsam auf die gemähte Wiesenhälste hinüber.

Während der Offizier, der aus der Gondel gesprungen war, sich be­mühte, sein Luftschiff transportfähig zu machen, wobei die Jaspershagener