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«-N 198» Amts-- und AnzeigMütt für den Bezirk Calw.

82. JahrgMg.

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Samstags de« 14. Dezember 1907

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Amtliche BekEAtWachrrrtgcrr.

Bekanntmachung,

betr. -re Kinderarbeit in gewerbl. Betrieben.

AuS den letzten Jahresberichten der Gewerbe- aufstchtsbeamten ist zu entnehmen, daß die Durch­führung des Reichsgesetzes betreffend Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben vom 30. März 1903 (Reichs-Gesetzblatt S. 113 immer noch manches zu wünschen übrig läßt Es werden deshalb die wichtigsten Bestimmungen deS Gesetzes hiemit wieder­holt öffentlich bekannt gemacht:

I. Einleitende Bestimmungen.

§ 2. Kinder im Sinne dieses Gesetzes.

Als Kinder im Sinne dieses Gesetzes gelten Knaben und Mädchen unter dreizehn Jahren sowie solche Knaben und Mädchen über dreizehn Jahre, welche noch zum Besuche der Volksschule ver­pflichtet sind.

8 3. Eigene, fremde Kinder.

Im Sinne dieses Gesetzes gelten als eigene Kinder:

1. Kinder, die mit demjenigen, welcher sie be­schäftig:, oder mit dessen Ehegatten bis zum dritten Grade verwandt sind,

2. Kinder, die von demjenigen, welcher sie be­schäftigt, oder dessen Ehegatten an Kindesstatt angenommen oder bevormundet sind,

3. Kinder, die demjenigen, welcher sie zugleich mit Kindern der unter 1 oder 2 bezeichneten Art beschäftigt, zur gesetzlichen Zwangserziehung (Fürsorgeerziehung) überwiesen sind,

sofern die Kinder zu dem Hausstande desjenigen ge­hören, welcher sie beschäftigt.

Kinder, welche hiernach nicht als eigene Kin­der anzusehen sind, gelten als fremde Kinder.

Die Vorschriften über die Beschäftigung eigener Kinder gelten auch für die Beschäftigung von Kindern, welche in der Wohnung oder Werkstätte einer Per­son, zu der sie in einem der im Abs. 1 bezeichneten Verhältnisse stehen und zu deren Hausstande sie ge­hören, für Dritte beschäftigt werden.

II. Beschäftigung fremder Kinder.

8 4. Verbotene Beschäftigungsarten.

Bei Bauten aller Art, im Betriebe derjenigen Ziegeleien und über Tage betriebenen Brüche und Gruben, auf welche die Bestimmungen der 88 134 bis 139 b der Gewerbeordnung keine Anwendung finden, und derjenigen Werkstätten, welche in einem besonderen, dem obengenannten Reichsgesetz beige­gebenen Verzeichnis aufgeführt sind und zu welchem u. a. gehören die Werkstätten der Steinmetzen, Steinhauer, Töpfer, Maler und Anstreicher, die Kalk- und Gipsbrennereien, die Abdeckereien, Fär­bereien, Lumpenssrtierereien, Gerbereien und Fleischereien, sowie beim Steinklopfen, im Schorn- steinfegergewerbs, in dem mit dem Speditions­geschäfte verbi^^eu Fuhrwerksbetriebe, beim Mischen und Mahlen von Farben, beim Arbeiten in Kellereien dürfen Kinder nicht beschäftigt werden. 8 5. Beschäftigung im Betriebe von Werkstätten,

im Handelsgewerbe und in Verkehrsgewerben.

Im Betriebe von Werkstätten (8 18) in denen die Beschäftigung von Kindern nicht nach 8 4 ver­boten ist, im Handelsgewerbe (8 105 b Abs. 2, 3 der Gewerbeordnung) und tn Verkehrsgewerben (8 105 i Abs. 1 a. a. O.) dürfen Kinder unter 12 Jahren nicht beschäftigt werden.

Die Beschäftigung von Kindern über zwölf Jahren darf nicht in die Zeit zwischen acht Uhr abends und acht Uhr morgens und nicht vor dem Vormittagsunterrichte stattfinden. Sie darf nicht länger als drei Stunden und während der von der

zuständigen Behörde bestimmten Schulferien nicht länger als vier Stunden täglich dauern. Um Mit­tag ist den Kindern eine mindestens zweistündige Pause zu gewähren. Am Nachmittag darf die Be­schäftigung erst eine Stunde nach dem beendeten Unterricht beginnen.

8 7. Beschäftigung im Betriebe von Gast- und von Schankwirtschaften.

Im Betriebe von Gast- und von Schankwirt­schaften dürfen Kinder unter zwölf Jahren über­haupt nicht und Mädchen (8 2) nicht bei der Be­dienung der Gäste beschäftigt werden. Im übrigen finden auf die Beschäftigung von Kindern über 12 Jahre die Bestimmungen des 8 5 Abs. 2 An­wendung.

8 8. Beschäftigung beim Austragen von Waren und bei sonstigen Botengängen.

Auf die Beschäftigung von Kindern beim Aus­tragen von Waren und bei sonstigen Botengängen in den in 88 4 bis 7 bezeichneten und in anderen gewerblichen Betrieben finden die Bestimmungen des 8 5 entsprechende Anwendung.

8 9. Sonntagsruhe.

An Sonn- und Festtagen (8 105 3 Abs. 2 der Gewerbeordnung) dürfen Kinder vorbehaltlich der Bestimmungen in Abs. 2 nicht beschäftigt werden.

Für das Austragen von Waren sowie für sonstige Botengänge bewendet es bei den Bestim­mungen des 8 8. Jedoch darf an Sonn- und Fest­tagen die Beschäftigung die Dauer von 2 Stunden nicht überschreiten und sich nicht über ein Uhr nach­mittags erstrecken; auch darf sie nicht in der letzten halben Stunde vor Beginn des Hauptgottesdienstes und nicht während desselben stattfinden.

8 10. Anzeige.

Sollen Kinder beschäftigt werden, so hat der Arbeitgeber vor dem Beginne der Beschäftigung der Ortspolizeibehörde eine schriftliche Anzeige zu machen. In der Anzeige sind die Betriebsstätte des Arbeit­gebers sowie die Act des Betriebs anzugeben.

Die Bestimmung des Abs. 1 findet keine An­wendung auf eine bloß gelegentliche Beschäftigung mit einzelnen Dienstleistungen.

8 11- Arbeitskarte.

Die Beschäftigung eines Kindes ist nicht gestattet, wenn dem Arbeitgeber nicht zuvor für dasselbe eine Arbeitskarte eingehändigt ist. Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf eine bloß gelegentliche Beschäftigung mit einzelnen Dienst­leistungen.

Die Arbeitskarten werden auf Antrag oder mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters durch die Ortspolizeibehörde desjenigen Ortes, an welchem das Kind zuletzt seinen dauernden Aufenthaltsort gehabt hat, kosten- uud stempelfrei ausgestellt; ist die Erklärung des gesetzlichen Vertreters nicht zu beschaffen so kann die Gemeindebehörde die Zu­stimmung ergänzen. Die Karten haben den Namen, Tag und Jahr der Geburt des Kindes sowie den Namen, Stand und letzten Wohnort des gesetzlichen Vertreters zu enthalten.

Der Arbeitgeber hat die Arbeitskarte zu ver­wahren, auf amtliches Verlangen vorzulegen und nach rechtmäßiger Lösung des Arbeitsverhältnisses dem gesetzlichen Vertreter wieder auszuhändigen. Ist die Wohnung des gesetzlichen Vertreters nicht zu ermitteln, so erfolgt die Aushändigung der Arbeitskarte an die im Abs. 2 bezeichnete Orts­polizeihörde.

Die Bestimmungen des 8 4 des Gewerbe­gerichtsgesetzes vom 29. Sept. 1901 (Reichs-Gesetzbl. S. 353) über die Zuständigkeit der Gewerbegerichte für Streitigkeiten hinsichtlich der Arbeitsbücher finden entsprechende Anwendung.

III. Beschäftigung eigener Kinder.

8 12. Verbotene Beschäftigungsarten.

In Betrieben, in denen gemäß den Bestim­mungen des 8 4 fremde Kinder nicht beschäftigt werden dürfen, sowie in Werkstätten, in welchen durch elementare Kcaft (Dampf, Wind, Wasser, Gas, Luft, Elektrizität usw.) bewegte Triebwerke nicht bloß vorübergehend zur Verwendung kommen, ist auch die Beschäftigung eigener Kinder untersagt. 8 13. Beschäftigung im Betriebe von Werkstätten im Handelsgewerbe und in Verkehrsgewerben.

Im Betriebe von Werkstätten, in denen die Beschäftigung von Kindem nicht nach 8 12 ver­boten ist, im Handelsgewerbe und tn Verkehrs­gewerben dürfen eigene Kinder unter zehn Jahren überhaupt nicht, eigene Kinder über zehn Jahre nicht in der Zeit zwischen acht Uhr abends und acht Uhr morgens und nicht vor dem Vormittagsunterrichte beschäftigt werden. Um Mittag ist den Kindern eine mindestens zweistündige Pause zu gewähren. Am Nachmittage darf die Beschäftigung erst eine Stunde nach beendetem Unterrichte beginnen.

Eigene Kinder unter zwölf Jahren dürfen in der Wohnung oder Werkstätte einer Person, zu der sie in einem der im 8 3 Abs. 1 bezeichneten Verhältnisse stehen, für Dritte nicht beschäftigt werden.

An Sonn- und Festtagen dürfen auch eigene Kinder im Betriebe von Werkstätten und im Handels­gewerbe, sowie im Verkehrsgewerbe nicht beschäftigt werden.

8 16. Beschäftigung im Betriebe von Gast- und von Schankwirtschaftcn.

Im Betriebe von Gast- und Schankwirtschaften dürfen Kinder unter zwölf Jahren überhaupt nicht, und Mädchen (8 2) nicht bei der Bedienung der Gäste beschäftigt werden. Die untere Verwaltungs­behörde ist befugt, nach Anhörung der Schulaufsichts­behörde tn Orten, welche nach der jeweilig letzten Volkszählung weniger als zwanzigtausend Einwohner haben, für Betriebe, in welchen in der Regel aus­schließlich zur Familie des Arbeitgebers gehörige Personen beschäftigt werden, Ausnahmen zuzulassen. Im übrigen finden auf die Beschäftigung von eigenen Kindern die Bestimmungen des 8 13 Abs. 1 An­wendung.

8 17. Beschäftigung beim Austragen von Waren und bei sonstigen Botengängen.

Auf die Beschäftigung beim Austragen von Zeitungen, Milch und Backwaren finden die Be­stimmungen im 8 8, 8 9 Abs. 3 dann Anwendung, wenn die Kinder für Dritte beschäftigt werden.

Im übrigen ist die Beschäftigung von eigenen Kindern beim Austragen von Waren und bei sonstigen Botengängen gestattet. Durch Polizei­verordnungen der zum Erlasse solcher berechtigten Behörden kann die Beschäftigung beschränkt werden.

IV. Gemeinsame Bestimmungen.

8 18. Werkstätten im Sinne dieses Gesetzes.

Als Werkstätten gelten neben den Werkstätten im Sinne des 8 105 b Abs. 1 der Gewerbeordnung auch Räume, die zum Schlafen, Wobuen oder Kochen dienen, wenn darin gewerbliche Arbeit verrichtet wird, sowie im Freien gelegene gewerbliche Arbeits­stellen.

8 20. Besondere polizeiliche Befugnisse.

Die zuständigen Polizeibehörden können im Wege der Verfügung eine nach den vorstehenden Bestimmungen zulässige Beschäftigung, sofern dabei erheblich; Mißstände zu Tage getreten sind, auf Antrag oder nach Anhörung der Schulaufsichtsbe- börde für einzelne Kinder einschränken oder unier- sagen, sowie, wenn für das Kind eine Arbeitskarte erteilt ist (8 11), diese entziehen und die Erteilung einer neuen Arbeitskarte verweigern.

Die zuständigen Polizeibehörden sind ferner