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ständiger Fahrt gelangten die Wagen, beschützt von Kavallerie, auf dem Domplatz an, von dem Publikum mit Beifall, von den Streikenden mit Pfeifen und Johlen empfangen. Die Garnison ist bedeutend verstärkt, da Zusammenstöße zwischen Arbeitswilligen und Streikenden befürchtet werden.
Flensburg 29. Nov. Wie die Untersuchung des Schulschiffes „Blücher" ergeben hat, find die durch die Exploston hervorgerufenen Schäden so schwerer Art, daß eine Wiederverwendung des Schiffes als Schulschiff ausgeschloffen ist. Der Blücher wird am 30. ds. Mts. nach Kiel geschleppt werden.
Lemberg 29. Nov. Der hiesige Gemeinderat beschloß, Einspruch gegen die preußische Polenpolitik zu erheben, ferner der polnischen Fraktion des deutschen Reichstags sein Beileid und den Wunsch zum Gelingen der Polnischen Selbstverteidigung auszusprechen und gleichzeitig alle polnischen Mitglieder des österreichischen Reichsrates und der Delegationen zu entschiedenem Auftreten gegen die antipolnische Politik des politischen Verbündeten von Oesterreich- Ungarn aufzufordern.
London 29. Nov. Bei den Erweiterungs- arbciten an der Blackfriars-Brücke über die Themse stürzte gestern nachmittag ein 20 1. wiegender eiserner Spitzbogen ein und riß einen großen Teil des Gerüstes mit sich ins Wasser. 12 Arbeiter wurden in den Strom geschleudert, jedoch alle bis auf 2 gerettet. Von den Geretteten haben 8 schwere Verletzungen davongetragen und mußten ins Krankenhaus gebracht werden, wo bereits einer gestorben ist, während mehrere andere in bedenklichem Zästand darniederliegen. Der Unfall ist durch Nachgeben von Stützen verursacht worden.
London 29. Nov. Nachrichten aus Natal zufolge wird dort ein neuer Aufstand der Zulukaffern befürchtet. Es heißt, der Häuptling der Zulukaffern, den die Engländer schon für sich gewonnen zu haben glaubten, habe im Geheimen den Aufruhr vorbereitet. Alle eng- lichen Streitkräfte stehen bereit nach der Grenze von Natal und dem Zululande abzugehen.
Highcliffe 29, Nov. Der Kaiser unternahm gestern nachmittag eine Ausfahrt im Automobil. Das Wetter hat sich gebessert. In Bournemouth gab gestern abend die Kapelle der „Hohenzollern" im Etablissement „Wintergarten" ein volkstümliches Konzert. Der Saal war dicht besetzt. Die Leistungen der Kapelle wurden mit Beifall ausgenommen.
Petersburg 26. Nov. Nach einer Drahtnachricht des „Berliner Tageblattes" hat der Korrespondent der in Taschkent erscheinenden
„Rußkaja Okrajna" den Untergang von Karatag folgendermaßen beschrieben: Es ist schwer, jenes entsetzliche Bild zu schildern. Die einst blühende reiche Stadt ist heute ein gewaltiges Grab von 4000 Toten. Schon wenn man sich der einstigen Stadt nähert, spürt man den starken Leichengeruch. Am Leben gebliebene Bewohner erzählen, daß am Vorabend des Untergangs der Stadt, am 20. Oktober, ein starker Sturm herrschte. Die Hunde heulten. Das Vieh wurde unruhig. Die Pferde versuchten sich loszureißen. Es war» als wenn sie das Unglück vorausahnten. Morgens, als alle schliefen, begann ein leichtes Erdbeben, das keinen weiter beunruhigte, da Erdbeben in jener Gegend eine alltägliche Erscheinung sind. Nur wenige vorsichtige Menschen verließen die Häuser und suchten sich zu retten. Eine Viertelstunde später erfolgte ein furchtbarer Stoß, der von donnerähnlichem Geräusch begleitet war. Die Stadt wurde gleich, sam gehoben und hierauf fallen gelaffen. In einem Augenblick war alles untergegangen. Der Boden erhielt tiefe Riffe, aus denen trübes Wasser drang. Von den Bergen lösten sich Felsstücke. Ganze Erdschollen verschwanden. Die am Leben Gebliebenen retteten sich mit Entsetzen aus der Stadt, die einen Trümmerhaufen dar- stellts. Furchtbare Schreie drangen aus den zu- sammengefallenen Häusern. Aber niemand war da, der Hilfe bringen konnte. Der Sturm begann mit neuer Gewalt sein Heulen und vermischte sich mit dem Geschrei und dem Stöhnen der Menschen und dem Gebrüll der Tiere zum Totenlied der zertrümmerten Stadt. In Karatag sind gegen 4000 Menschen umgekommen, von denen bisher 1827 Leichen geborgen find. Etwa 200 Personen sind gerettet. 1200 Häuser sind eingestürzt. Um Karatag herum sind 12 große Dörfer zerstört, in denen bisher 820 Leichen geborgen worden sind. Der Gesamtverlust wird auf 12000 Menschenleben und 25000 Stück Vieh angegeben. Aber diese von privater Seite gemachten Aufstellungen werden an offizieller Stelle als stark übertrieben bezeichnet.
Odessa 28. Nov. Von 8 Räubern, die gestern abend einen Ueberfall versuchten, wurden auf der Straße 2 Bomben gegen ihre Verfolger geschleudert. 5 Polizeibeamte wurden verwundet. 2 Räuber wurden festgenommen.
Odessa 29. Nov. Nach der vorgestern durch Expropriatoren versuchten Ausräubung des Comptoirs eines Moskauer Arbeiter-Verbandes in Odessa inscenierten die Mitglieder des Verbandes des russischen Volkes große Excesse gegen die Juden. In den Hauptstraßen überfielen Gruppen der Schwarzen Hundert die dort passierenden Juden, mißhandelten sie und verwundeten zahlreiche Personen. 10 Juden sind mit lebensgefährlichen Wunden ins jüdische Krankenhaus gebracht worden. Der jüdischen Bevölkerung
namentlich in den äußeren Stadtteilen hat sich große Panik bemächtigt.
Wieder ein Konkurs in Amerika. Die „American Silk-Company", die mit einem Kapital von 11 Millionen Dollars arbeitet und sehr ausgedehnte Seidenwebereien besitzt, ist infolge Kreditmangels in Konkurs geraten und unter Zwangsverwaltung gestellt worden.
Standesamt Calw.
Geborene.
25. Nov. Bernhard Georg, S. d. Georg Ludwig
Kolb, Kürschners hier.
Gestorbene.
26. Nov. Matihäus Stahl, Bauer von Welten
schwann, Gde. Allburg, 64 Jahre alt.
Reklameteil.
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mit Vollzugsverfügung und Erläuterungen herausgegeben vom Verein württ. Körperschaftsbeamten, geb. 2.— ist vorrätig in der
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teilt gerne und unentgeltlich Herr Christian Bühner jr. in Sigmarswangen (Württ.) mit, wie er auf einfache Weise von seinem langen und qualvollen Magenleiden befreit wurde.
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„Du — unter uns gesagt — ich kann die Alte nicht aurstehen. Hu — wie du mich ansiehst — beging ich etwa ein Staatsverbrechen?"
Inge lachte.
„Nun also, Kind, gib der Wahrheit die Ehre; vor mir brauchst du doch wahrlich nicht deine Gefühle zu verbergen: — dir ist sie ebenfalls unausstehlich."
„Sie ist meines Mannes Tante, Sufi."
„Ach so, und deshalb bist und bleibst du die allezeit rücksichtsvolle Dulderin. Weißt du, was mein Mann neulich sagte? Er wundert sich, daß — aber natürlich wieder nur unter uns gesagt — daß ihr den alten Drachen nicht längst zum Hause hinauskomplimentiert habt."
„Das ist unmöglich."
„So? Na weißt du, Inge, du bist mir eigentlich ein Rätsel. Früher ließest du dir doch nicht die geringste Bevormundung gefallen. Dein Stolz und Trotz gingen immer gleich mit dir durch. Weißt du noch?"
„Freilich weiß ich, aber ich bin kein Kind mehr, Sufi, und man muß sich in die Verhältnisse zu schicken wissen. Ueberdies begegnet mir Tante Beate mit soviel Freundlichkeit, daß ich keinen Grund, mich zu beklagen, habe.
„Wenn die weichen Katzenpfötchen nur nicht einmal ihre Krallen hervorkehren! Das Schicksal hat mir eine Unmenge guter und böser Tanten beschert und die Erfahrungen, die ich machte, ließen mich wohl die beiden Sorten unterscheiden. Deine Tante Beate ist mir geradezu unheimlich: — nimm cs nicht übel, liebes Herz — ich traue ihr nun einmal nicht."
Inge seufzte und man wußte nicht genau, ob das Zustimmung oder Widerspruch bedeuten sollte.
Die junge Frau Amtsrichter Volkmann war bei ihren letzten Worten aufgestanden.
»Ja, Inge, mein Mann kommt nach Hause, und wenn ich nicht da
bin — nun, du weißt ja, wie die Männer find, egoistsch und gewalthaberisch — die Frau soll zu Hause sein, wenn er kommt, und ihn erheitern."
Inge lächelte trübe zu diesen Worten. Hans fragte nicht viel nach ihrer Gesellschaft, sonst würde er sich nicht so oft allein lassen und seine Abende außer dem Hause zubringen.
Sie half der Freundin beim Anziehen und begleitete sie mit herzlichen Abschiedsworten bis an die Treppe.
Darauf kehrte sie in das Zimmer zurück. Das Mädchen hatte den Kaffeettsch abgeräumt und die Garlampe angezündet. Inge setzte sich an den Tisch und nahm eine Handarbeit vor. Doch sie arbeitete nicht, sondern starrte sinnend vor sich hin.
Da wurde draußen die Entreetür geöffnet, Schritte kamen den Korridor entlang.
Erschreckt fuhr Inge empor und warf einen bangen Blick nach der Tür. In demselben Augenblick trat Grunow im Paletot, den Hut in der Hand, ein.
„Guten Abend, Inge."
„Guten Abend, Hans."
Sie warf einen Blick auf seinen Anzug.
„Du hast noch nicht abgelegt. Du willst wohl wieder fort?"
„Ja, heute ist mein Klubtag, wie du weißt."
„Hans." Sie stand auf und machte einige Schritte auf ihn zu.
„Nun?" fragte er.
„Ich habe eine — Bitte."
Ihre Stimme hatte einen so weichen, zärtlichen Klang, wie er ihn noch niemals während seiner Ehe gehört hatte. Er warf einen erstaunt fragenden Blick auf sie.
(Fortsetzung folgt).