W 191.
Rmts- und ÄnzeigeölaLt für den Bezirk Calw.
82. Jahrgang.
Srxttrsvit«; außer Bezirk l! Psg.
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Sonntag, Sen 1 Dezember 1907
«bonnementüpr. in d. Stadt pr.Piertetj. Mk. t.lv incl.rritgeri. Nierteljährl. Postdezur«pritr ohne Bestellz. s. d. Ortt- u. Nachbar- vrUoerlehr l M.. s. d. sonst. B-rkehr Mk. 1.»0, Bestell,«lb 20 M,
TagLsnerrigkeiten.
Calw 30. Nov. Unsern gestrigen Bericht über den Verkauf der Talmühle werden wir ersucht dahin zu ergänzen, daß nur die Wasserkraft nicht aber die Gebäude in den Besitz des Gemeinde- verbandS für Gewinnung von Elektrizität übcrge- gangen find. Der Wirtschaftsbetrieb auf der Talmühle erleidet keine Einbuße.
sAmtliches aus dem Staatsanzeiger, j Se. König!. Majestät haben am 28. d. M. allergnädigst geruht, die Finanzamtmannstelle ber dem Kameralamt Weinsberg dem Finanzassessor Elwert in Hirsau zu übertragen.
Nagold. Auf dem N rchmittagsspaziergang hat sich ein 18jähriger Seminarist im Walde durch 2 Revolverschüffs in den Kopf entleibt.
Nagold 29 Nov. Von der Mäuseplage, wie sie diesen Herbst bestanden hat, kann man sich einen Begriff machen, wenn man erfährt, daß hier vom 5. September bis 16. November 17 433 tote Feldmäuse abgeliefert wurden. Die Stadtkaffs zahlte dafür 174 ^ 33 Fang« lohn aus.
Stuttgart 29. Nov. Wie man hört, soll das durch den Tod des Abgeordneten Friedrich Haußmrnn frei gewordene Landtagrmandat für das Oberamt Gerabronn von der Volks- Partei dem früheren Reichstagsabgeordneten Kupferschmied Augst in Gerabronn angeboren werden. Von bauernbündleris cher Seite scheint wieder der Kandidat von der letzten Landtagswahl, Posthalter Stürmer in Gerabronn, in Ausficht genommen zu sein.
Stuttgart 29. Nov. Mostobstmarkt auf dem Nordbahnhof.) Stand: 24 Wagen, neu zugeführt waren 13 Wagen und zwar: 1 aus Holland (850 ^), 3 aus Oestreich (840 bis
900 ^), 9 aus Italien (830—960 ^). Nach auswärts find abgegangen 7 Wagen. Kleinverkauf 4.40—5 ^ per Ztr.
Heilbronn 28. Nov. Dis schon seit langem gesuchten beiden Schwindler, die es auf Baufirmen abgesehen hatten und an diese unter dem Namen „Bolineum" ein „unfehlbares" Mittel zum Trockenlegen feuchter Wände usw. zu unverhältnismäßig hohen Preisen absetzten, find hier festgenommen worden. Es find dies zwei Wiener namens Max Rosenbaum und Alfred Preißer; der erstere hat sich allen Weiterungen dadurch entzogen, daß er sich im Untersuchungsgefängnis erhängt hat. Dis beiden hatten im vorigen Sommer in Eßlingen, wie bereits ge- meldet, ein Baugeschäft hereingelegt durch den Verkauf ihres völlig minderwertigen Fabrikats. Unbegreiflich bleibt allerdings, wie Geschäfts- und Fachleute Wechsel in ziemlich hohen Beträgen unterschreiben konnten für eine Ware, die sich schon auf den ersten Anblick als eine ziemlich wertlose Karbolineum-Jmitation erkennen ließ.
Heilbronn 29. Nov. In vergangener Nacht hat der 30-jährige Schmiedgeselle Sigle von Wetnsberg, der hier bedienstet ist, seine Geliebte, die 25 jährige Dienstmagd Hähnle von Wilrbach durch einen Revolverschuß sehr schwer verletzt und fich dann selbst durch einen Schuß in den Kopf getötet. Das Mädchen wollte einen anderen heiraten und das Verhältnis lösen.
Flein OA. Heilbronn 29. Dez. Gestern wurde hier während einer Hochzeit ein frecher Einbruch verübt. Der Dieb drang so lange die Hochzeitsgäste in der Kirche waren in die Wohnung der Neuvermählten ein und stahl 9 Mark. Beim Heraustreten aus dem Haus wurde er jedoch erwischt und verhaftet. Es ist ein verheirateter Gipser von hier.
Bönnigheim 28. Nov. Unter dem Vorsitz der beiden Ortsgeistlichen wurde hier ein „Suppenverein" gegründet. Sein Zweck ist, den weniger bemittelten Kranken der Stadt, für unentgeltliches kräftiges Essen zu sorgen. Häufig kam es vor, daß ein Krankes an einem Tag zwei Mahlzeiten erhielt und ein anderes, ebenso bedürftiges, gar nichts. Dem soll nun abgeholfen werden. Die Mitglieder bestimmen den Tag, an dem sie ein Essen stellen; dieses wird dann abgeholt und den, von der Stadtdiakonisse bezeich- neten Kranken gebracht. Wer schon Gelegenheit hatte, hie und da einen Blick in eine Krankenstube zu tun, wird den Segen einer solchen Einrichtung wohl zu schätzen wissen.
Tübingen 29. Nov. Heute nachmittag find der König und die Königin von ihrem Jagdaufenthalt in Bebenhausen wieder hier eingetroffen und nach Stuttgart zurückgekehrt. — Die von der Studentenschaft Tübingen erbaute Bismarcksäule soll am Samstag, den 7. Dezember feierlich eingeweiht werden. Alle studentischen Korporationen werden fich sammeln u. im Fackelzug nach dem hochragenden Turme ziehen. Nach Abschluß des Fackelzug» wird sich ein großer Kommers aller Beteiligten im Museum anschließen.
Tübingen 29. Nov. Einige Schulknaben vermochten der Verlockung aus Auslag. kästen in der Mühlstraße Waren zu stehlen und dabet selbst dicke Glasscheiben einzudrücken nicht zu widerstehen; sie find aber jetzt ermittelt worden und dürften wegen Einbruchdtebstahls empfindliche Bestrafung zu erwarten haben.
Ebingen 28. Nov. In diesen Tagen verläßt unsere Stadt der seitherige Vorstand de» hiesigen Wafferbaubureaus Herr Bauinspektor Kurz» um als Straßenbauinspektor nach Calw überzustedeln. Unter seiner Leitung wurden die
Der verlorene Sohn.
Roman vonElSbrth Borchart.
(Fortsetzung.)
„Dieser Amerikaner mit seinen verrückten Ideen hätte auch lieber in Amerika oder sonstwo bleiben sollen, anstatt deinem Vater das Geld aus der Tasche zu ziehen."
„Hans, ich bitte dich, ihm allein verdankt Papa den Aufschwung der Fabrik", warf sie entrüstet ein.
„So? Meinst du? — Du scheinst es dir zur Pflicht gemacht zu haben, für den noblen Amerikaner stets eine Lanze zu brechen." Er sah sie so scharf an, daß sie unter diesem Blick erbebte. „Du wirst also heute noch an deinen Vater schreiben, Inge", fuhr er fort, als sie schwieg, „und wirst ihm vorstellen, daß ich die Summe notwendig brauche, hörst du? — Adieu."
Damit ging er hinaus und warf die Tür krachend ins Schloß.
Inge fuhr erschauernd zusammen.
Eine solche Szene hatte er ihr noch nie gemacht. Er mußte das Geld notwendig brauchen, daß er fich so in seiner Erregung hatte Hinreißen lassen. Aber gerade das beängstigte sie. Der Zuschuß, den der Vater schickte, war bedeutend. Sie selbst verbrauchte für ihre Person so wenig und die Theaterbesuche waren ja längst eingestellt worden. Wozu hatte er nur da» viele Geld nötig? Und nun sollte sie noch dazu den guten Vater um eine Summe bitten, die ihr schwindelnd hoch vorkam und wo sie wußte, daß es ihm unmöglich war, sie zu geben. Doch Hans hatte er so energisch gefordert, daß sie sich mit schwerem Herzen endlich dazu entschloß. Da ste aber wußte, daß alle Briefe ihm von Mr. Williams vorgelesen wurden, so zog sie es vor, an die Mutter zu schreiben und sie zu bitten, den Vater ihren Wünschen gefügig zu machen.
Heute war die Antwort eingetroffen.
„Mein liebes Kind, schrieb Frau Helmbrecht, „dein Brief hat un» in ernste Trauer und Aufregung versetzt. Wozu braucht ihr nur das viele Geld? Berlin soll zwar ein teures Pflaster sein, aber wie man in so kurzer Zeit eine solche Summe, noch dazu bei der hohen Zulage, die der Vater euch gibt, verbrauchen kann, ist uns ein Rätsel. Ich kenne doch meine Inge nicht als verschwenderisch. Was macht ihr nur? Ihr müßt euch unbedingt mehr einschränken, sonst ruiniert ihr euch und uns in kurzer Zeit.
Schon die früheren Summen, die dein Mann von dem Vater forderte, waren hoch, aber auf Mr. Williams Verwendung wurden ste ihm immer geschickt. Die letzte Forderung aber übersteigt alle Grenzen, und dein Vater ist außer stände, sie zu zahlen. Stundenlang hat er mit Mr. Williams zusammen beraten und gerechnet. Er geht nicht, Inge — wirklich nicht, obgleich Williams jede Möglichkeit erwog, die Summe flüssig zu machen. Es blieb trotzdem doch nur ein Ausweg: Er zahlt euch die am ersten Januar fällige Zulage schon jetzt. Hans mag damit einen Teil seiner Schulden begleichen, aber er darf keine neuen machen, denn der Vater kann nicht mehr helfen. Suche auf deinen Gatten einzuwirken, Inge, be- und berate mit ihm diese Angelegenheit; es kann so nicht weitergehen."
Inge ließ den Brief zu Boden gleiten. Sie war vollständig vernichtet. Die Trostesworte, die die Mutter zum Schluß anknüpfte, verfingen bei ihr nicht mehr,
Hans hatte den Vater also schon öfter ohne ihr Wissen um Geld angegangen, er hatte Summen erhalten, von denen sie nicht» wußte I Diese Nachricht der Mutter, die wohl glauben mußte, daß sie davon unterrichtet gewesen, hatte sie niedergeschmettert. Er hatte ein Geheimnis vor ihr gehabt, ein schwerwiegendes. Doch da» war e» nicht allein. Viel mehr Pein verursachte ihr der Umstand, daß ihres Gatten Briefe alle durch die Hand Mr. Williams gegangen waren. Der Fremde mußte in ihr Elend