/lus Württemberg
— Bühlerzimmer», Kr. Hall. (Brandstiftung.) Frühmorgens brach in der Scheuer des Bauern Thalacker ein Brand ans, dem das Gebäude samt den landwirtschaftlichen Maschinen zum Opfer fiel. Das Wohnhaus konnte durch die Feuerwehren von Geislingen und Bei'nau gerettet werden. Man schätzt den Schaden auf 10 000 Mark. Mehrere Umstände deuten darauf hin, dag das Feuer auf Brandstiftung zurückzuführen ist.
— Espachweilcr, Kr. Aalen. (Bet einem Erdrutsch um gekommen.) Ein in Wasseralfingen beschäftigter Arbeiter verunglückte bei einem Erdrutsch so schwer, dag er auf dem Weg zum Krankenhaus verschied. Der Verstorbene hinterläg, fünf Kinder.
— Reichenbach, Kr. Göppingen. (Kalk für die Augen gefährlich.) Kürzlich verunglückte Küfermeister Erhard Schur dadurch, dag bei Eipserarbeiten ein mit Kalk gefüllter Kübel auf den Boden stürzte und dabei dem Küfermeister Kalk ins Auge spritzte. Obwohl der Verunglückte noch am gleichen Tage in die Klinik nach Tübingen verbracht wurde, dürfte das Augenlicht nicht mehr zu retten sein. Dieser Fall zeigt wieder die große Gefährlichkeit des Kalkes für die Augen. Ms erste Hilfe kann in solchen Fällen eine Auswaschung der Augen mit sehr reichlichen Wassermengen empfohlen werden, weil dadurch die Schärfe des Kalkes sehr herabgemindeit wird und so eine Erhaltung des Augenlichtes möglich ist. Außerdem muß selbstverständlich sofort der Arzt aukaemckit werden.
— Neufra, Kr. Saulgau. (Der Tod hält Ernte.) Innerhalb 24 Stunden sind in dem kleinen Ort Neufra drei Mütter gestorben. Eine der Frauen wurde von acht Kindern weggerissen. Am tragischsten ist der Unfall, dem Frau Walburga Binder zum Opfer fiel. Sie wurde in der Nähe des Hauses ihrer Tochter von einer wildgewordenen Kuh angefallen und so schrecklich zugerichtet, daß sie sogleich ins Kran- kenhaus gebracht werden mußte, wo die in den 60er Jahren stehende Frau den erlittenen Verletzungen erlag.
— Mössingen, Kr. Tübingen. (Wie geschah der Unfall?) Auf der Straße zwischen Oeschingen und Müs- singen wurde nachts der Schmiedemeister und Landwirt Alexander Straubinger aus Melchingen neben seinem Fahr- rad liegend bewußtlos aufgefunden. Er hatte mehrere Vev- letzungen am Kopf und wurde in die Klinik nach Tübingen verbracht. Da er noch immer nicht das Bewußtsein erlangt hat, konnte der Hergang des Unfalls noch nicht geklärt werden.
— Stetten u. H., Kr. Hschingen. (Ein Pferde- Methusalem.) Dieser Tage verendet« hier das Pferd des Josef Riedinger; es hatte das für ein Pferd hohe Alter von 03 Jahren erreickt.
Württembergische Chronik
Zuchthaus für versuchte Notzucht.
— Heilbronn. Vor der Großen Strafkammer Heilbronn hatte sich der 36 Jahre alte bereits öfters vorbestrafte geschiedene Albert Hauser wegen Diebstahls und versuchter Notzucht zu verantworten. Hauser hatte am 29. August ds. Js- in Frauenzimmern, wo er aushilfsweise in Beschäftigung stand, vor einer Wirtschaft einem Gendarmerieveam- ten das Fahrrad gestohlen und nachts auf dem Wege nach Bönnigheim ein 17jähriges Mädchen angefallen und zu vergewaltigen versucht. Die Uebersallene hatte sich energisch gegen den Wüstling gewehrt und schließlich entfliehen können. Ihr in Cleebronn wohnender Bruder, dem sie von dem Notzuchtsversuch erzählte, verfolgte den Hauser mit seinem Motorrad und veranlaßte seine Festnahme. Der Verbrecher erhielt wegen Diebstahls und versuchter Notzucht zwei Jahre drei Monate Zuchthaus. Außerdem wurden ihm auf drei Jahre die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt. .
Sie wollte ihren Mann mit Gas vergiften.
— Ulm. Die 32 Jahre alte Ehefrau Sofie Noller aus Salach hatte sich vor dem Schwurgericht Ulm wegen versuchten Totschlags zu verantworten. Sie wollte ihren Mann beseitigen, um euren anderen verheirateten Mann, mit dem sie Ehebruch getrieben hatte, zu heiraten. Daß natürlich bei einer solchen Einstellung der Frau die Eheverhältnisse denkbar ungünstig waren, zeigte die Verhandlung eindeutig. Schimpfworte, wie sie hier nicht wiedergegeben werden können, waren an der Taaesordnuna. Der Mann wurde
von ver Angeklagten als Trinker und Grobian hingestellt, was aber in der Verhandlung in keiner Weise festgestellt werden konnte. Die Angeklagte wurde beschuldigt, im Frühjahr 1937 an einem nickn mehr näher zu bestimmenden Tag, kurz nach einem Streit mit ihrem Ehemann und noch in der Erregung über diese Auseinandersetzung den Gashahn geöffnet und das eine Ende des Gasschlauches in das Schlafzimmer geleitet zu haben, wo ihr Mann schlief. Sie erreichte ihre Absicht nicht, da der Mann noch rechtzeitig aufwachte und das Fensti-r öffnen konnte Die Angeklagte leugnete die Absicht der Tötung. Das Ganze sei nur ein Spaß gewesen. Das Gericht glaubte aber angesichts der ganzen Stimmung der Angeklagten gegen ihren Mann nicht an diesen Scherz Nach der Aussage von sieben Zeugen hatte die Angeklagte schon früher geäußert, daß sie ihren Mann beiseite schaffen werde. Ihrem Liebhaber hatte sie gedroht, entweder müsse sie dessen Frau umbringen, oder sie bringe ihn um Die Zeugenaussagen waren für die Angeklagte auch sonst belastend, während dem Ehemann vom Bürgermeister ein gutes Zeugnis ausgestellt wurde. Der Sachverständige erklärte die Angeklagte für ihre Tat vollauf verantwortlich. Der Staatsanwalt beantragte ein Jahr sechs Monate Zuchthaus. Das Gericht verurteilte die Angeklagte zu einem Jahr sechs Monaten Gefängnis und zwei Jahren Ehrverlust. Vier Monate der erlittenen Untersuchungshaft werden angerechnet.
Rechtzeitig gelöschte Brände.
— Tuttlingen. Kurz nach 22 30 Uhr brach in der Trikotfabrik Storz in der Moltkestraße Feuer aus. Es wurde sofort der Tuttlingen Löschzug alarmiert, der auch nach kurzer Zeit an der Brandstelle eintraf. Ein im Fabrikhos in einer Wellblechgarage untergebrachter Kraftwagen war in Brand geraten. Die Innenwände der Garage waren mit Brettern ausgeschlagen, die ebenfalls bereits vom Feuer ergriffen worden waren. Nach kurzer Zeit konnte jedoch das Feuer soweit gelöscht werden, daß ein Uebergreifen auf das Fabrikanwesen nicht mehr zu befürchten war. Ein Glück war es, daß das Feuer noch rechtzeitig entdeckt worden war, da im Fabrikhof viele Kisten aufgestellt waren, so daß ein Uebergreifen des Feuers auf diese und von dort auf das Fabrikanwesen durch den herrschenden Sturm begünstigt worden wäre. Die Brandursache ist noch nicht geklärt.
Von Ser Maul- und Klauenseuche
. Von der Maul- und Klauenseuche werden weitere Ausbrüche gemeldet aus Unterjesingen (Kreis Tübingen): aus Plüderhausen (Kreis Waiblingen); aus Schrozberg, Honhardt und je einem Teilort der Gemeinden Gründelhardt und Lendsiedel (sämtl. Kreis Crailsheim); aus einem Teilort der Stadtgemeinde Gmünd und einem Teilort der Gemeinde Herlikofen (beide Kreis Gmünd); aus Zang und Großküchen (beide Kreis Heidenheim).
Erloschen ist die Seuche in Heimhausen, Hermers- . berg und Unterginsbach (sämtl Kreis Künzelsau), in der Gesamtgemeinde Eglingen, sowie in Demmingen und Dunstelkingen (sämtl. Kreis Heidsnheim).
Verstärkte Ausbeulung von Nakursteinvorkommsn.
Wie dieser Tage mitgeteilt wurde, wird in der Ried- linger Gegend in den letzten Monaten der Abbau von Natursteinen in verstärktem Maße vorgenommen. U. a. hat. so die Firma Adolf Lauster u. Co., Natursteinwerk. Stuttgart-Bad Cannstatt, Untersuchungen am Oesterberg vorgenommen. Die Firma hat die notwendigen Ausbeutungsverträge bereits abgeschlossen; es wird damit gerechnet, Traventin zu finden. — Die Firma Lauster betreibt bekanntlich zurzeit u. a. einen großen Steinbruch in Münster bei Stuttgart. — Im Rahmen des zurzeit außerordentlich großen Bedarfs an Baumaterialien ist die Firma — zum Teil in ^sammenarbeit mit anderen Unternehmen — auch in der näheren Umgebung der Landeshauptstadt bemüht, neue Steinvorkommen zu erschließen.
Neuer Industriebetrieb bei Pfullendorf.
Der Stadtverwaltung in Pfullendorf ist es gelungen, in der Firma Keinath einen neuen Industriebetrieb hier ansässig zu machen. In der Wäschefabrik sollen vorerst bis gegen 30 Mädchen Beschäftigung finden.
Aus ven Nachbargauen
^ / Zuchthausstrafen wegen Rückfalldiebstahls.
T Freiburg. Der 30jährige Arthur Wannenmacher aus Freiburg hat durch ein halbes Dutzend erhebliche Vorstrafen bereits längere Zeit mit dem Gefängnis und mit dem Zuchthaus Bekanntschaft gemacht. Doch nützliche Lehren aus diesen Strafen hat er nie gezogen. Wiederum stand er wegen Diebstahls vor dem Richter. Mit Hilfe eines Nachschlüssels unternahm der Angeklagte Raubzüge in ein Lebensmittelgeschäft in Freiburg, während er die Nahrungsmittel selbst verbrauchte, verkaufte er einen Teil der Tabakwar«n auf seiner Arbeitsstelle. Ter Täter hatte die Frechheit, leergetrunkene Weinflaschen, dis er vorher gestohlen hatte, der bestohlenen Firma gegen Pfandgeld wieder zurückzugeben. Für seine Taten wandert Wannenmacher erneut drei Jahve ins Zuästhaus; außerdem wurden ihm die Ehrenrechte auf fünf Jahre aberkannt. Zwei Monate der Untersuchungshaft werden ungerechnet. — Ter 56jährige Bernhard Brombach aus Bergiich-GIadbach hatte sich wegen Diebstahls von vier Fahrrädern zu verantworten. Brombach hatte die Fahrräder sofort wieder zu Geld zu machen versucht. Unter seinen 17 Vorstrafen befinden sich allein 10 Jahre Zuchthaus, zu denen aufgrund des Urteils des Freiburger Schöffengerichts weitere drei Jahre kommen. Die Ehrenrechte wurden auf fünf Jahre aberkannt. Vier Monate der Untersuchungshaft werden auf die Strafe angerechnet.
Die übersülterken Schweine. — Ein Bekrugsprozeß.
** Frankfurt a. M. Vor der Dritten Strafkammer begann eine mehrtägige Verhandlung, die sich gegen die beiden Geschäftsführer der Frankfurter Filiale einer norddeutschen Zentralgenossenschaft für Viehverwertung richtet. Der eine Geschäftsführer hatte dielen Posten" von 1932 bis September 1935 inne, der andere Angeklagte war fein Nachfolger Den Beschuldigten wird Betrug vorgeworfen. Die Zentralgenossenschaft besitzt in Frankfurt eine besondere Verkaufsstelle, deren Aufgabe es ist. das eintreffende Vieh auszuladen und bis zum Markt in Ställen unterzubringen. Es besteht eine Reihe bestimmter Fütterungsvorschriften die verhindern sollen, daß vor dem Markt Tiere noch besonders herausgefüttert werden und io das Gewicht künstlich Hochgetrieben wird. Die Angeklagten sollen diese Fütterungsvorschriften mißachtet und Schweine über das zulässige Maß gefüttert haben, um erhöhte Verkaufspreise zu erzielen. Nach den geltenden Bestimmungen dürfen die aus dem Schlachtviehmarkt am Tage vor einem Markttag zum Verkauf eingestellten Tiere innerhalb eines Zeitraums von zwöli Stunden vor Marktbeginn bis zum Marktschluß nicht gefüttert werden Die Tagesfuttermenge darf an dem einem Markttag vorhergehenden Tage be! Schweinen nicht mehr als 1.5 Kilo Kraftfutter betragen. Das Futter ist von der Schlachthofverwaltung zu beziehen, das Mitbringen von Futter jeder Art ist verboten. Zwölf Stunden vor Marktbeginn muß das nicht aufgenommene Futter aus den Ställen der Tiere entfernt werden. Das nicht aufgenommene Futter darf zu Streuzwecken nicht verwendet werden. Die Angeklagten sollen sich auf verschiedene Arten zusätzliche Futtermittel beschafft haben Sie sollen bewirkt haben, daß die Tiere mit Stöcken zum Fressen angetrieben wurden Dauernd kamen seitens der Metzger Klagen wegen Ueberfütterung und man nahm zunächst an, daß die Ueberfütterung auf ungleichmäßige Futteraufnahme zurückzuführen lei. Noch !m November 1936 wurden Schweine mit einem Mageninhalt von 4 5 bis 18 Kilo festgestellt. Die Anklage erblickt den Betrug in dieser Ueberfütterung: die Metzger seien um das richtige Gewicht betrogen worden. Den unmittelbaren Vorteil hatten die Vieheinsender da sie einen höheren Kaufpreis erzielten. Die Angeschuldigten hatten keinen unmittelbaren Vorteil, aber sie waren an der guten Verwertung der Schweine interessiert. Der erste Verhandlungstaa beschränkte sich auf die Vernehmung der Angeklagten. Am Donnerstag wird die Verhandlung fortgesetzt.
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— Ertittgen, Kr. Saulgau. (Unfall am Dampfkessel.) Dem in der Preßmarschen Parkettfabrik beschäftigten Heizer Eisele schlug, als er Heizmaterial in den Dampfkessel nachfüllen wollte, eine gewaltige Stichflamme ins Gesicht, sodaß er starke Brandwunden erlitt. Die Augen wurden glücksicherweise nicht in Mitleidenschaft gezogen.
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Urheberrechksschutz durch Verlagsanstalt Manz,München
59. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
„In einer Stunde kannst du tun und lassen, was dir gefällt."
„Was geschieht in dieser Stunde?"
„Ich will erst einen Menschen aus deiner Hand befreien, der deiner Nachsucht nicht ausgeliefert bleiben darf. Vorwärts!"
Sie gingen durch das schlafende Dorf. Hin und wieder schlug ein Hund an. Der Nachtwächter sang im „unteren Ort". Ohne von jemand gesehen zu werden, kamen sie an dar Gittertor mit dem Eberkopf, das unversperrt war, schritten durch den Park, traten durch die kleine Gartentür, die ins Innere des Herrenhauses führte.
„Wo schläft deine Schwester?"
Marei wies auf eine Tür.
„Rufe sie! Sage ihr, sie möge in dein Zimmer kommen!"
„Nein!"
„Nicht? Gut, dann werde ich es selbst besorgen. Aber vorher muß ich dich in Gewahrsam bringen."
„Erpresser! Feigling!"
„Gewalt gegen Gewalt, Marei! Ich habe nicht damit begonnen. Wenn du mir noch einmal widersprichst, sperre ich dich unten ins Jagdzimmer ein und gebe den Schlüssel vor meiner Abreise der Gendarmerie. Dann kannst du morgen erklären, wie du in diese merkwürdige Lage gekommen bist."
Marei warf ihm einen wütenden Blick zu, pochte aber gehorsam an Inges Tür. Eine Weile kam keine Antwort, dann wurde die Klinke niedergedrückt und Inges Kopf tauchte auf.
„Was gibts denn?" murmelte sie verschlafen.
Marei lächelte böse. „Wir haben Besuch," sagte sie leichthin, als ob es sich um einen kleinen Scherz handle. „Ein Herr will dich sprechen."
„Ein Herr? Mich? Jetzt? Wie spät ist es denn?"
„Das wird dir Baron Andermatt sagen. Er hat Sehnsucht nach dir..."
Zu Inges großem Erstaunen trat der wilde Konrad hinter einem Schrank herkkor, hinter dem er sich bisher verborgen gehalten hatte. Sie blickte bald auf ihn, bald auf Marei, suchte nach einer Erklärung.
Da geschah »etwas ganz Unbegreifliches. Der Baron herrschte Marei an: „Du kannst deine giftigen Bemerkungen bei dir behalten! Es hat keinen Sinn, noch länger Komödie zu spielen!" Und sich an Inge wendend, sagte er eindringlich: „Ich bitte, fragen Sie mich jetzt nicht nach Gründen, Fräulein Staud! Sie müssen weg von hier, und zwar sogleich. Kleiden Sie sich an, packen Sie Ihre Koffer. Ich warte hier, bis Sie fertig sind."
„Marei! Was soll denn das heißen?"
Marei lachte auf. „Du siehst doch, daß ich hier nichts zu reden habe, mein Kind," sagte sie. „Herr Baron Andermatt wünscht es so, und es wird gut sein, wenn du dich fügst. Er ist ein Mann, der keinen Spaß versteht."
„Genug jetzt! Geh in dein Zimmer! Ich habe keine Lust, mich länger mit dir zu unterhalten!" Eine Zornader schwoll auf seiner Stirne. „Sie sind Ihres Lebens nicht sicher, solange Sie in diesem gastlichen Hause sind," fuhr er, an Inge gewendet, fort. „Es ist traurig, daß ich Ihnen das sagen muß, aber Sie sehen, Ihre Schwester zwingt mich dazu. Bitte, beeilen Sie sich, ich werde Ihnen später alles erklären."
Inge war blaß geworden. Ein nebelhaftes Begreifen schmerzte hinter ihren hämmernden Schläfen. Sie verstand, daß der Baron die Wahrheit sprach. Ihr Blick ruhte fassungslos auf Marei. Diese lehnte an dem Schrank, ihre Augen waren halb geschlossen; sie lächelte verlegen, höhnisch, während ihre Hände das Umhängetuch über der Brust zusammengekrallt hielten, als hätte sie dort ein furchtbares Geheimnis zu bewahren. Inge wollte etwas sagen, aber
Furcht und Qual verschlossen ihr den Mund. Sie nickte Andermatt zu und drückte die Tür ins Schloß.
„Darf ich jetzt gehen?"
„Bitte!"
„Dann — leb wohl, Konrad? Hoffentlich wirst du mit ihr glücklicher als mit mir. Ich wünsche es dir von Herzen."
„Du verschwendest deinen Hohn umsonst, Marei, wenn du glaubst, ich würde alles liegen und stehen lasten und das Feld räumen. Ich werde nur meine Pflicht tun und deine Schwester in Sicherheit bringen. Denn ein Raubtier wie du ist schon gefährlich, wenn andere noch gar keinen Argwohn hegen. Ich aber komme zurück, verlaß dich darauf. Ich fürchte dich nicht."
Marei blickte auf. Ein bezauberndes Lächeln spielte um ihren Mund.
„Du kommst zurück?" Sie trat ein paar Schritte näher. „Warum kommst du zurück? Du bist doch frei. Du liebst sie doch, die Kleine mit der reinen Kinderseele. Soll ich nicht ganz vergessen sein? Oder willst du dich nur als — Tierbändiger produzieren?"
„Ich will — dich wicht ins Bodenlose stürzen sehen, Marei," sagte er ruhig. „Ich habe dich unendlich geliebt. Was du mir warst, kann mir keine andere Frau mehr sein. Und ich will nicht, daß aus dem Wunder meines Lebens eine Fratze wird, ein Zerrbild, ein Weibsteufel, der Männer frißt wie Rost das Eisen."
Sie stand mit dem verlegenen Eesichtsausdruck eines gescholtenen Kindes vor ihm. Die Augen mit den langen Wimpern gesenkt, feine Röte auf den Wangen, spielte sie mit ihrer Halskette, an der ein brillantenbesetztes Kreuz- chen hing.
„Du gibst mich also nicht ganz und gar verloren?" fragte sie leise.
„Ich werde den Menschen aus dir machen, der du einmal warst. Und wenn ich dich schlagen muß, Marei, wenn ich dich demütigen muß, wie es einem Geschöpf Gottes gegenüber schandbar ist, ich werde es tun!"
(Fortsetzung folgt.)