Mittelgesetz erhoben und das Schöffengericht ver­urteilte sie zu je 10 ^ Geldstrafe. Gegen das Urteil hatten die beiden Berufung eingelegt. Bei der Verhandlung zweiter Instanz wurde festgestellt, daß der Hintere Teil der Pfeifen mit einer leichten Nickellegierung überzogen war, was in der ersten Instanz nicht zur Sprache gekommen war. Der Sachverständige, Medizinalrat vr. Köstlin sprach sich dahin aus, daß bei bestimmungsmäßigem Gebrauch der Pfeifen eine Gesundheitsschädigung ausgeschlossen sei, er sei jedoch die entfernte Möglichkeit zuzugeben, daß bei längerem, zweck­widrigem Gebrauch eine Gesundheitsschädigung eintreten könne, dies sei aber durch den Nickel­überzug noch unwahrscheinlicher. Die Strafkammer hob dar schöffengerichtliche Urteil auf und erkannte auf Freisprechung.

Leonberg 25. Nov. Als mehrere Ar­beiter in dem hiesigen Bahnhof einen auf mehre­ren aufeinander gelegten Schwellen befindlichen Güterwagenkasten mittels Winden herunterheben wollten, kam der Wagenkasten plötzlich ins Rutschen, wobei der Arbeiter Christian Albrecht den Kopf so unglücklich zwischen Kasten und Schwellen brachte, daß ihm der Kopf zerdrückt wurde.

Ludwigsburg 25, Nov. Für dis projektierte Bahn EnzweihingenLudwig: bürg ist die Stadt Ludwigsburg nunmehr bereit, Opfer in Höhe von über 200 000 ^ (einschließlich von privater Seite gezeichneter 50 000 ^i) zu bringen. Aber auch die übrigen beteiligten Gemeinden, die Amtskörpsrschaften u. s. w. greifen tief in dis Säckel, um das Projekt der Württembergischen Eisenbahngeskllschaften nicht - scheitern zu lassen und so einem, vom großen Verkehr etwas abs-'it« liegenden, aussichtsreichen Gebiet neuer Leben zuzuführen. Mögen die Hoffnungen, die man auf das Entgegenkommen von Ständen und Re­gierung setzt und die sich nach der Richtung eines Staatsbeitrags von 25000 ^ für den Bahn­kilometer bewegen, nicht trügen. Die ganze Bahn wird bekanntlich 18 km lang werden. Die Stadt Ludwigsburg hat nunmehr mit der Württem­bergischen Eisenbahngesellschaft einen endgültigen Vertrag abgeschlossen und diese hat auch ihr Kon­zessionsgesuch bereits beim Ministerium eingereicht.

Ludwigsburg 26. Nov. Ueber die Ursache der Typhusepidemie, die im letzten Schuljahr das hiesige Bezirkrkrankenhaus heimsuchte, erfährt man j tzt näheres aus dem vom Chefarzt vr. Bayha an die Amtsversammlung erstatteten Jahresbericht. Nach diesem bildeten sich im Krankenharskanalsistem S'auungen und so gelangten Keime ins Que straffer, die die Krankheit herbeiführten. Die Quellen wurden geschlossen und nur von einer wird da- Wasser noch zum Durchspülen der Kanäle gebraucht. Auch die Gemüsekultur, die in einem Teil des Gartens betrieben wurde, hat man vorsichtigerweise ein­gestellt. Es wurden überhaupt olle zweckmäßig erscheinenden Maßnahmen getroffen, um einer Widerholung vorzubeugen. Im Jahre 1906

wurden im Krankenhaus« 1403 Personen verpflegt und behandelt. Todesfälle waren 68 zu ver- zrichmm, da von 7 an Typhus.

> Heikbronn. Im Herbst v. I. kamen zwei Herren aus Wien zu dem Inhaber eines Baugeschäfts in Eßlingen, boten diesem ein unfehlbares" Mittel zum Trockenlegen feuchter Wände, das sie Bolineum nannten, an, versicherten ihn der Güte, Wirksamkeit und Preiswürdigkeit derselben, versprachen ihm Zeugnisse von Abnehmern, dis alle diese Eigenschaften bestätigen, und ver- anlaßten ihn zu: Bestellung eines Eisenbahn. Wagens des genannnten Mittels für 2180 Gulden. Der Besteller hatte sofort vier Wechsel über diesen Betrag auszustellen; die Ware erhielt er nachträglich. Die Wechsel mußte er bezahlen; die Ware selbst war ein durchaus minderwertiges, zum Trocknen feuchter Wände völlig ungeeignetes, von gewöhnlichem Car! olineum sich in keiner Weise unterscheidendes Mittel, dessen Kaufpreis etwa 8 ^ für 100 Kilo beträgt, während die Wiener Herren 35 ^ hiefür berechnet hatten. Vor kurzer Zeit erschienen dieselben Herren, die sich früher Inhaber der Firma Alfred Preise: u Co. genannt, nunmehr -sich aber eins andere Firma beigelegt hatten, bei dem Inhaber eines Baugeschäfts in Heilbronn und versuchten diesem gegenüber dieselbe Manipulation. Der Inhaber bestellte gleichfalls einen Eisenbahnwagen zahlbar bei Em­pfang, wurde aber noch rechtzeitig aufmerksam gemacht und erstattete Anzeige. Beim Eintreffen wurden die beiden Verkäufer wegen Betrugs verhaftet. Die Untersuchung scheint wegen weiterer Betrügereien große Ausdehnung anzunchmen.

Berlin 27. Nov. (Reichstag.) Ans der Tagesordnung steht die Interpellation Albrecht (Loz), sowie Arendt-Labiau (koris), welche Maßnahmen der Reichskanzler zu dem Miß­stand der hohen Kohlenpreisezu ergreifen gedenkt. Nachdem Minister Delbrück sich bereit erklärt, sofort zu amworten, begründet Abg. Molkenbuhr (Soz) die Interpellation des Kohlen-Kartells und die Enteignung des ebenso schlimmen Preußischen Bergfiskus durch das Reich. Abg. Kanitz (kons) begründet die Jnrerpcllation Arendt. Preußischer Handelsminister Delbrück führt aus: Unsere Kohlenpreise haben zwar die höchste Höhe erreicht, die wir jemals früher gehabt Haien, aber das ist die Hauptsache, sie haben noch nicht erreicht die Preishöhe der englischen Kohle. Der Reichskanzler verfolge auch diese Frage mit Auf­merksamkeit, aber es ist doch nicht so leicht, sie zu lösen, wie man glaubt. Die Preissteigerung ist auch keineswegs eine blose Folge der Profitwut des Kapitals. Die Kohlenpreise sind vielmehr abhängig erstens von den Produktionskosten und zweitens von den Verhältnissen des Marktes. Der Minister legt dann dcv L wie die Produktionskosten gestiegen seien inner Mitwirkung u. a. auch der sozialen Lasten und was den zweiten Faktor anlange, die Nachfrage, so sei diese eine dauernd steigende und zwar hänge dies nicht nur mit der Konjunktur zusammen, sondern es wirkten da vor Allem stabile Faktoren mit, nämlich die wachsende Bevölkerung, die Berbesserung unseres

Verkehrsnetzes, der Bau der Eisenbahnen, Klein- und Straßenbahnen, die Benutzung der Elektrizität im Dienste von Verkehr und Beleuchtung. Die Exportmöglichkeit müsse aufrecht erhalten werden, denn gerade auf der Ausdehnung des Exports be­ruhe erst zum Teil die enorme Entwickelung unseres Kohlenbergbaues. Wenn die Produktion an Kohlen dem Bedarf nicht ganz gefolgt sei, so trage dazu mit bei, daß die durchschnittliche Förderleistung pro Arbeiter geringer geworden ist, und daß es mehr und mehr an geeigneten Arbeitskräften fehlt. Kohlen­ausfuhrverbote werden uns nichts nutzen, denn wir könnten dadurch die gleichen Maßnahmen des Aus­landes veranlassen Nun bleibt noch zu erwägen, die Frage der Eisenbahntarife für Kohle. Diese Frage ist noch im Stadium der Erwägungen. Es wird darüber im Landes-Eisenbühnrat am 6. Dez. Beschluß gefaßt werden. Auf die Kartelle hpt das Reich bis jetzt keinen Einfluß. Redner weist noch verschiedene Behauptungen Molkenbuhrs zurück und legt Verwahrung dagegen ein, als seien die herr­schenden Klaffen und die Regierung geneigt, einer Unterdrückung anderer Klassen Vorschub zu leisten. Das tun wir nicht. Abg. Giesberts (Ztr.) Das Kohlen-Syndikat und das Stahlwerks-Kartell treiben mit ihrer Macht Mißbrauch z»m Schaden der Arbeiter. Sie ziehen immer höhere Verdi nste, ohne daran zu denken, die Lage der Arbeiter sei zu verbessern. Abg. Kämpf (frs Vp) spricht sich gegen jede VerteuerungSpolitik aus. Abg. Strese - mann (natl.) erklärt, wenn wir am Ende der Hoch­konjunktur stehen, müssen sich die hohen Kohlen­preise für die Industrie noch viel drückender fühlbar machen. Es ist die einstimmige Meinung meiner Freunde, daß die Kartelle, wo sie sich auf dem Grund und Boden betätigen, der nicht vermehrt werden kam', sich dem allgemeinen Interesse unierznordnen haben. Die Erklärung des Münsters ist nicht genügend. An der weiteren Debatte beteiligten sich noch die Abgg. Behrens (chr.-soz.), Dr. Süffel (Rp.), Korfanty (Pole) und Gothein (frs. Vg.) worauf Vertagung eintritt.

Berlin. Zum Selbstmord des Kammersängers Bertram. In Bayreuth ist die Leichs Theodor Bertrams nach dem Lsichen- haus gebracht worden, wo heute die Sektion statt­findet. Bertrams Habseligkeiten wurden von der Polizei beschlagnahmt. Der Künstler ist in großem Elend gestorben und war in letzter Zeit auf die Mildtätigkeit anderer angewiesen; er wohnte in Bayreuth im Bahnhofhotel, dessen Besitzer ihn in der letzten Zeit vollständig unterstützt hat. Neben der bitteren Not hat die Angst vor dem Verlust seiner Stimme den Künstler zur Verzweiflung getrieben. Schon beim vorigen Festlpiel in Bayreuth litt er an einem schweren Ohrenieiden, das ihn zwang, während der Aufführung nach Berlin zu reisen und sich dort operieren zu lassen. Noch Samstag abend war Bertram scheinbar ganz he tm; am Morgen fand man ihn in seinem Zimmer erhängt. Die erste Gattin B rtrams war die gleichfalls sehr namhafte Sängerin Moran-Olden; sie verfiel in Geisteskrankheit. Bertram heiratete dann eine junge zweite Frau, die bei dem Schiffs­unglück bei Hoek von Holland ertrank. An ihr soll er sehr gehangen haben.

Wien 25. Nov. Gestern vormittag fand

Die Ringe waren gewechselt, der Segen gesprochen, die letzten Orgelklänge verhallt.

Bis daß der Tod euch scheidet."

Die Worte des Pastors, ihres alten lieben Pastors, der sie schon eingesegnet hatte, hallten in ihren Ohren und gaben sie nicht wehr frei. Sie klangen in die Festmufik, in das fröhliche Schwirren der Stimmen, in die Glückwünsche der Freundinnen. Inge saß wie im Traum und hörte mechanisch aus Reden, Trinksprüche und Glückwünsche. Es war ihr, als wenn das alles gar nicht ihr galt, und als wenn sie es abweisen müßte.

Dann kam aber doch das Erwachen der Abschied von den Eltern ein herzbrechender Abschied. Als sie erst wieder zur Besinnung kam, saß sie bereits in einem Wagenabteil erster Klaffe und fuhr an ihres Gatten Seite ihrem neuen Bestimmungsorte Berlin zu

Ihr trostloses Weh machte sich in einem Tränenstrom Luft.

Der Gatte ließ sie schweigend gewähren. Er hielt das für dar beste. So würde sie sich am besten und schnellsten wieder zurecht finden.

Und sie fand sich zurecht.

Mit stolzer Energie richtete sie sich auf und trocknete ihre Tränen.

Wohl ging sie einer neuen ungewissen Zukunft entgegen, aber sie war fest entschlossen, dem Geschick ihr bischen Glück abzutrotzsn.

11.

Ueber ein Jahr war vergangen.

Inge saß mit ihrer Freundin, der jungen Frau Amtsrichter Volk­mann, gemütlich beim Kaffeettsch und plauderte.

Das war eine Freude gewesen, als sie in der Frau Amtsrichter Volkmonn ihre Penfionsfreundin Sufie Hübner endeckte. Wie viele köstliche

Erinnerungen gab es da auszutauschen, wie viele zusammen erlebte Ereig­nisse von damals gab es durchzusprechen!

Gottlob, daß die Freundin da war und ihr ein Stück Jugend zurück - gab. Die alten Zeiten wo ihr frohes Lachen die Räume erfüllte, kehrten wieder. Die beiden jungen Frauen waren wie zwei Kinder, zu allen lustigen Streichen wie einst aufgelegt, und nicht selten schüttelten die beiden Männer die Köpfe über irgend einen tollen Unsinn, den die beiden aus­geheckt hatten. Aber sie freuten sich doch darüber und ließen ihre Frauen gewähren.

Susi Volkmann war eine sehr glückliche junge Frau; sie hatte ihren Gatten ebenso, wie er sie, aus Liebe geheiratet, und der Himmel ihrer Ehe hing ihr voller Geigen. Von Inge nahm sie Gleiches an. In Grunow hatte sie stets den aufmerksamen, um sein bildschönes Frauchen besorgten Gatten kennen gelernt. Man hielt Inges Ehe auch allgemein für eine äußerst glückliche und sagte, daß der Mann seine Frau auf Händen trage und ihr jeden Wunsch zu erfüllen suche.

Am Anfang ihrer Ehe hatte dieses Urteil auch zugetroffen. Grunow» Leidenschaft für Inge beherrschte ihn vollständig; er überschüttete sie mit Zärtlichkeit und Liebe. Ihre kühle Zurückhaltung jedoch kühlte auch sein Blut überraschend schnell ab. Der Rausch verflog und die alten, ihm in seiner Junggesellenzeit lieb gewordenen Gewohnheiten, die er um ihretwillen ausgegeben hatte, traten bald wieder in ihre Rechte. Dazu kam noch, daß er sich in seinen Erwartungen auf eine reiche Mitgift getäuscht sah. Sein Schwiegervater hatte ihm auseinandergesetzt, daß es unmöglich sei, jetzt ein größeres Kapital flüssig zu machen.

(Fortsetzung folgt).