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und ÄnzeigeMntl für den Bezirk Calw. 82. Jahrgang.
Srscheinnngrtage: Dtengtag, Donnerstag, TamS. tag, Sonntag. Jnsertiongprei« W Pfg. pro Zeile siir ktadt r-nd Dszkktart«; außer Bezirk rr Bsg.
Donnerstag, de« 28. November 1W7
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Amtliche BekamntmachNNgen.
^ De» Ortspolrzelbehörden
gehen unter Bezugnahme auf die Mini sterialverfügung vom 29. April 1907. Reg.-Bl. S. 195, und den Erlaß des K. M nisteriumS des Innern vom 28. Juni 1907 Nro. 8914, Amtsbl. S. 283, betreffend den Radfahrverkehr, die erforderlichen Formulare mit der nächsten Post zu.
UDteselben wollen für ortsübliche Bekanntmachung der neuen Vorschriften Sorge tragen. Calw, 26. November 1907.
K. Oberamt. Amtmann Rippmann.
Den K. Standesämtern
gehen unter Bezugnahme auf den Erlaß des K. Ministeriums des Innern vom 28 Mai 1907 Nro. 8377, Amtsbl. S. 253, mit der nächsten Post die für das Jahr 1908 bestellten Formulare mit dem Auftrag zu, die den Sendungen beiliegenden Bescheinigungen auszufüllen und solche nach der Unterzeichnung des Standesbeamten hiehrr vorzulegen. tzMMCalw, 26. November 1907.
K. Oberamt. Amtmann Rippmann.
TttstLSKrütKleite».
Calw 27. Nov. (Judas Makkabäus). Dieses Oratorium, welches der Kirchengesangverein am nächsten Sonntag hier aufführen wird, komponierte G. F Händel innerhalb 5 Wochen im Sommer 1746 in London, aus Veranlassung des Einzugs, des als Sieger heimkehrenden Herzogs William von Cumberland. Er führte das Werk innerhalb 12 Jahren 38 mal, mit immer größerem Erfolg auf. Noch in den letzten Jahren seines Lebens (ff 1759) begleitete der schon erblindete Meister die Aufführung selbst auf der Orgel.
Unter den zahlreichen Oratorien Händels, welche die Liebe zum Vaterland und zur Freiheit feiern, ist der „Judas" eines der glänzendsten; packendere und schönere Bilder von Mannesmut und Kampfeslust, vom Glück des Sieges werden nicht
leicht sonstwo wiedergefunden. Alle Nummern des Werks bekunden den ungewöhnlichen Schwung mit welchem Händel arbeitete, bald durch Knappheit und Gedrängtheit und dann wieder durch Steigerung der Empfindung und des Aufbaus, gewonnen durch Verbindung von Sologesang und Chor.
Die Musik ist immer sehr volkstümlich und wirkt sofort auf größere Kreise Die Melodien haben häufig eine überraschende Verwandtschaft mit Volksmelodien, darum begeistern sie die Zuhörer leicht. Der gegen Schluß eintretende Siegesgesang: „Seht, er kommt mit Preis gekrönt", ist das erhebendste und gewaltigste Triumvhlted, das ein Volk einem Helden, dem es Sieg und Freiheit verdankt, anzustimmen vermag, und dabet von so packender allgemein verständlicher Melodie, daß es heute noch wie vor 150 Jahren, an Musikfesten bei fast 1000 facher Besetzung der Stimmen die Masse elektrisiert und zu stürmischem Jubel fortreißt.
Herrenberg 23. Nov. Auf den heutigen Schweinemarkt waren zugeführt: 187 Stück Milchschweine; Erlös pro Paar 18—20 76
Stück Läuferschweine; Erlös pro Paar 40—80 Berkas ordentlich.
Stuttgart 25. Nov. Vor dem Krematorium des Pragfrtedhofes versammelten sich heute nachmittag 3'/s Uhr mehrere hundert Personen, um dem unerwartet rasch, im Alter von 51 Jahren, aus dem Leben geschiedenen Dr. Friedrich Hauß- mann, dem langjährigen volksparteilichen Abgeordneten des Gerabronner Bezirks und früheren Reichtrtagsabgeordneten die letzte Ehre zu erweisen. Abgeordnete aus allen Fraktionen, namentlich eine große Anzahl von Anhängern und Freunden der Volkspartei aus dem ganzen Lande, auch viele Frauen und vereinzelt Träger von Offiziers, uniformen hatten sich schweigend versammelt. Dann schreitet durch die mittlere Kolonade eiManger Lsichenzug, voran wird der blumengeschmückte Sarg getragen, der da und dort mit dem schwarz- rot'goldnen und goldverquaketen Scidenband der Volkspartei behängen ist. Gleich hinter dem Sarge schreiten zwei Kinder des Verstorbenen, es folgte
sein Bruder Konrad mit Frau, endlich eine lange Reihe der übrigen Verwandten und Leidtragenden, unter denen sich namenl lich Freunde und Gesinnungsgenossen des Verblichenen befanden. Nachdem der Sarg mit der Leiche Haußmanns auf den Katafalk gesetzt war, leitete ein Choralgesang die eigentliche Trauerfeisr ein. Es folgte eine Anzahl Nachrufe, die das erfolgreiche politische Wrken des Verstorbenen streiften und ebenso seine guten Eigenschaften als Mensch schilderten.
Stuttgart 26. Nov. Zur Vermeidung von Belästigungen der Reisenden und zur Verhütung von Verunreinigungen und Beschädigungen der Sitze in den Personenwagen steht sich die Generaldirektion veranlaßt, in Erinnerung zu bringen, daß das Auflegen der Füße auf die Sitze in sämtlichen Wagenklassen nur unter Benützung einer gegen Beschmutzung schützenden Unterlage und nur unter der Voraussetzung gestattet ist, daß hiedurch keine Be- lästigung der Mitreisenden erfolgt. Die beteiligten Stellen sowie das gesamte Zugpersonal haben auf die Einhaltung dieser Vorschrift hinzuwirken.
Stuttgart 26. Nov. (Strafkammer.) Ein für Spielwarenhändler interessanter Fall beschäftigte die Strafkammer in zweiter Instanz. In dem Laden eines hiesigen Kaufmanns wurden Metallpfeifen, die von Kindern als Spielzeug benützt werden, bei einer Kontrolle beanstandet. Der Hintere Teil der Pfeifen war aus Blei hergestellt und zwar betrug der Bleigehalt 80 °/°, während das Mundstück aus Blech bestand. Nach der Ministerialverfügung vom 10. März 1898 ist jedoch bei solchen Gegenständen höchstens ein Bleigehalt von 10 °/° erlaubt. Die Pfeifen hatte der Kaufmann von einem Spielwaren- fabrikanten in Ruhla bezogen. Gegen den Kaufmann und den Fabrikanten wurde nun Anklage wegen fahrlässtigen Vergehens gegen das Nahrungs-
Der verlorene Sohn.
Roman vonElSbeth Borchart.
(Fortsetzung.)
„Du bist abergläubisch, Inge. Das hätte ich dir niemals zugetraut. Du kränkst mich, wenn du ste nicht anlegk."
„Verzeihe mir Hans — aber ich bitte dich — nur heute nicht —" Sie war ganz fahl geworden und streckte beide Hände wie abwehrend von sich.
Grunow biß sich auf die Lippen vor Unmut, aber ehe er noch etwas erwidern konnte, trat Frau Helmbrecht über die Schwelle.
„Mama, du mußt mir helfen."
Grunow ging ihr einige Schritte entgegen und zeigte ihr die Perlen. „Inge will sie nicht anlegen — die Kleine ist abergläubisch und meint, sie bedeuten Tränen."
-EA. Frau Helmbrecht warf einen langen Blick auf das bleiche Antlitz ihrer Tochter. Dann nahm sie das Halsband aus Grunow's Hand und trat damit zu ihr hin.
„Welche köstlichen Perlen. Komm, Inge, daß ich sie dir umlege."
? ARur den Bruchteil einer Sekunde begegneten sich beider Blicke. Eines hatte das andere verstanden. Dann ließ Inge sich ruhig von der Mutter da» Halsband umlegen.
Sie schauderte leicht zusammen, als die kalten Perlen ihren Hals berührten. Doch verbarg sie es unter einem Lächeln.
„Habe Dank, Hans — vielen Dank."
Er zog ihre Hand an seine Lippen.
In demselben Augenblick meldete der Diener, daß der Wagen, der
die Eltern nach der Kirche bringen sollte, vorgefahren sei, und Frau Helmbrecht verabschiedete sich schnell und ging hinaus.
Wieder war das Brautpaar allein. In wenigen Minuten fuhr auch der Brautwagen vor und Inge sah Buchenau zum letzten Male. Sie waren als die letzten im Hause geblieben.
Da erfaßte sie eine namenlose Angst. Es war ihr, als wenn alle, die ikr teuer waren, von ihr gingen und sie allein auf einsamer Jhrsel zurückblieb.
Aber noch war jemand bei ihr.
„Hans — Hans —"
Sie schrie ks schluchzend auf und barg ihren Kopf, unbeachtet, daß der Schleier dabei zerdrücken mußte, an seiner Brust.
„Inge, mein Lieb — was hast du nur?" Er zog sie in seine Arme und küßte sie.
„Der Brautwagen ist vorgefahren."
Der Diener» der das Brautpaar in der Umarmung gefunden, zog sich schmunzelnd zurück.
Inge richtete sich auf, zupfte den Schleier zurecht und schritt am Arme des Bräutigams hinunter zum Brautwagen.
Unten hatten sich die Arbeiter und Arbeiterfrauen um den Brautwagen geschart. Sie mußten doch „ihr Fräulein Inge" als Braut sehen.
Ein leises Raunen und Flüstern ging durch die Menge, als da» Brautpaar endlich aus der Tür trat.
„Wie schön sie ist — aber, mein Himmel — so blaß — so blaß und ernst unser lieber, lustiges Fräulein Inge." —
Nun war es geschehen. Unverbrüchlich fest war sie an ihn gekettet.
*