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und München, seine vielen Reisen, seine jahrelange Tätigkeit als Copist, die ihn in häufigen Verkehr mit berühmten Malern, wie Menzel, Leib! u. s. w. brachte, seine jetzige Tätigkeit als selbständiger Maler, den Drang noch Verinnerlichung, der ihn in die Einsamkeit getrieben. Möge die selbstgewählte Einsiedelei dem Schaffen des Künstlers dienlich sein.
Pforzheim 23. Nov. (Eine neue Mahnung für Eltern, ihre Kinder nicht allein zu lassen.) Im benachbarten Dorfe Würm ließ die Ehefrau des Goldarbeiters August Ott am Mittwoch nachmittag bei einem Ausgong ihren zwei- jährigen Knaben und ihr vierjähriges Mädchen allein in der Stube. Der Knabe hantierte am Ofen und steckte die Kleider seines Schwesterchens an,dar jämmerlich verbrannte EinBäcker in der Nähe sah Rauch aus der Wohnung kommen, stieg ourchs Fenster ein und rettete wenigstens den kleinen Knaben.
Pforzheim 24. Nov. Anläßlich des jetzigen Krachs in Amerika wird wieder an den noch nicht gar io weit zurückliegenden südafrikanischen Minenkrach erinnert und an die dabei von Deutschland verlorenen Summen. Erst nachträglich kommt es forscht heraus, daß diese verhängnisvollen Minenaktien zu 20 ^ bezw. etwa 40 ^ das Stück bis in die entlegendsien Schwarzwaldorte verbreitet waren. Ein Eingeweihter hat berechnet, daß in Pforzheim allein 80000 solcher Papierchen untergebrocht waren und da sie 60 bis 80 Prozent fielen, im ganzen 2 000000 ^ verloren wurden! Daß der Platz diesen Sturz damals ohne Beschwerden ertrug ist gewiß viel! Seither ist man aber vorsichtiger geworden und spekuliert, wenn es doch sein muß lieber in heimischen Grundstücken, sodaß das Geld wenigstens in der Nähe bleibt.
Karlsruhe 22. Nov Ein schlimmes Mißgeschick hat eine hiesige Arbeiterfamilie betroffen. Die Frau hatte ohne Wissen ihres Mannes in der Kommode einen Koupon über 800 Frcs. aufbewahrt; dar waren ihre Eisparnisse aus ihrer Dienstzeit. Als am Sonntag der Ehemann zu Hause war, hieß ihn die Frau die Kommodschublade aufräumen und dis alten „wertlosen" Papiere verbrennen. Nichts ahnend, machte er sich an die Arbeit und als ihm der die Ersparnisse seiner Frau repräsentierende Koupon in die Finger kam, rechnete er diesen auch zu den wertlosen Papieren und übergab ihn den Flamm«-«. Zu spät erinnerte sich die Frau des Verst cks ihrer sorgsam gehüteten Ersparnisse, als sie ibrem Manne zum erstenmale ihre Heimlichkeit offenbarte, da war es zu spät. Der Koupon war zur Asche geworden.
Weinheim 20. Nov. Eine bedenkliche Spekulation auf die, in neuerer Zeit des
ö'tern bestrittene Großmut de» Wüstenkönig» riskierten heute der Wirt „Zur Bürgerbrauerei", Hermann Zengeler, und dessen 17.jährige Stieftochter, Fräulein Eliss Lang von hier. In der Nähe genannter Wirtschaft gibt z. Zt Adolf Wiesers amerikanische Menagerie Vorstellungen. Fräulein Lang erbot sich aus freiem Antrieb, in Begleitung eines Bändigers und einer Bändigerin den Löwenkäfig zu betreten. In dem Zwinger waren sieben Löwen, teils männliche, teils weibliche Tiere, untergebracht. Die vier Personen, Herr Zeng«ler hatte sich angeschlossen, gruppierten sich um einen Tisch und begannen nun in anscheinend größter Gemütsruhe eine Partie Sechsundsechzig. Dis Tiere verhielten sich im großen und ganzen ziemlich ruh'g. Die ganze Schaustellung dauerte ungefähr '/« Stunde. Beim Verlassen des Zwingers strich ein Löwe hart an dem kühnen Fräulein vorbei, die jedoch, wie wahrend der ganzen Vorstellung auch in diesem Moment ihre Fassung nicht verlor.
Berlin 23.Nov. (Reichstag) Eingegangen sind eine Interpellation über die Lebensmtrtel- Teuerung, sowie zwei Interpellationen Albrecht- und Arendt Labiau über die hohen Kohlenpreise. Auf der Tagesordnung steht: Vertrag mit den Niederlanden betreffend die Unfall-Versicherung. Der Vertrag will mit der Maßgabe der Gegenseitigkeit verhindern, daß deutsche Arbeiter, die für deutsche Unternehmungen vorübergehend in den Niederlanden tätig sind, der Unfall-Versicherung, sei es gar nicht, sei es doppelt (dort und in Deutschland) unterliegen. Abg. Janck (natl.) begrüßt die Vorlage. Abg. Stadthagen (Soz) knüpft an die Vorlage eine eingehende Kritik unserer Unfallverficherungsgcsetz- gebung. Redner schließt mit dem Anträge auf kommissarische Beratung der Vorlage. Ministerialdirektor Caspar bittet, hiervon abzusehen im Interesse eines beschleunigten Zustandekommen des Vertrages. Weiter verteidigt Redner die deutsche Un- fallverficherungsgesetzgebung. Nach weiterer längerer Debatte wird die Vorlage mit großer Mehrheit an die Kommission von 17 Mitgliedern verwiesen' — Es folgt die erste Beratung der MajestätsbeleidigungS- Vorlage. Staatssekretär Nieberding erklärt, der vorliegende Entwurf wolle überleiten zu einem Strafgesetzbuch einer nahen Zukunft, denn er glaube, die Vorarbeiten zu einem Strafgesetzbuch würden schon im Laufe des nächsten Sommers zum Abschluß kommen. Die verbündeten Regierungen hofften, daß dieser vorläufige Entwurf die Gefahr vermeiden werde, daß viele Majestäts-Beleidigungs-Prozesse und die in ihnen ergehenden Urteile im Widerspruch ständen mit dem Volksempfinden. Dieses Gesetz werde hoffentlich nach zwei Richtungen hin wieder einmal, indem es die Gerichte von Vorurteilen entlaste, die dem Volksempfinden widerstreben, in dem Volk das Vertrauen zu den Gerichten stärken und zweitens werde sie auch beitragen zur Stärkung des inneren Friedens. Abg. Gieß (kons.) begrüßt die Vorlage, doch könne ihn dies nicht verhindern Bedenken gegen einen Teil der Vorlage zum Ausdruck zu bringen. Redner beantragt schließlich Ueber- we sung der Vorlage an eine besondere Kommission.
Ag. Träger (freis. Vp.) gibt seiner Freude Ausdruck über die Bemerkung des Staatssekretärs, daß die Vorarbeiten zur allgemeinen Strafrechtsreform schon in nächster Zeit zum Abschluß kommen werden. Was die gegenwärtige Vorlage anlange, so herrsche wohl darüber allgemeine Uebereinstimmung, daß dem Nebel der Ueberhandnahme der Majestätsbeleidtgungs- prozesse abgeholfen werden müsse. Abg. Brunster- mann (Rp.) erklärt, daß mach seine Freunde der der Verweisung der Vorlage an eine Kommission zustimmten. Abg. Osann (natl.) wünscht einige Abänderungen und wendet sich noch gegen die eventuelle Anwendbarkeit des Abschnittes 14 des Strafrechts. Abg. Kirsch (Zentr.) weist in seinen Ausführungen besonders darauf hin, daß da ein ganz neues Moment durch die jetzige Vorlage in die Strafrechtspflege eingeführt werde, wenn man, obwohl für die Majestätsbeleidtgungen eine 6mona!liche Verjährungsfrist eingeführt werde, dennoch nach Ablauf der 6 Monare Strafverfolgung auf Grund des Abschnittes 14 eintreten lassen wolle. Immerhin sehe er mit seinen Freunden in der Vorlage einen Fortschritt. Abg Heine (soz.) erklärt vorweg, daß, wenn der Entwurf nicht sehr erheblich verbessert würde, seine Freunde ihn ablehnen würden. Nachdem Redner noch verschiedene Abänderungsvorschläge gemacht hat, ergreift Staatssekretär Nieberding das Wort, um den Ausführungen des Vorredners entgegen zu treten. Er schließt mit den Worten: Vertrauen gegen Vertrauen. Lehnen sie die Vorlage ganz ab, mir ist es recht, dann bleibt die Sache wie sie ist. Nach weiterer Besprechung geht die Vorlage an eine besondere Kommission. Montag 1. evtl. 2. Beratung der Professor Möller- 'schen Nachlaßstiftung, dann die Jnterpellakionen über Lebensmittelpreise und Kohlenpreiie, fe ner Versicherungs-Vertrag und Bauhandwerker-Forderungcn.
Berlin 23. Nov. Auf Befehl des Kaisers ist gegen den früheren Kommandeur des Regiments der Garde des Corps, späteren Generals und Brigade-Kommandeur, Grafen Hohenau, der außerdem General a In suit« des Kaisers war ein ehrengerichtliches Verfahren unter dem Vorsitz des General-Adjudanten von Löwenfeld eingeleitet worden. Graf Hohenau hat sich sittliche Verfehlungen zu Schulden kommen lassen. In wie weit diese Verfehlungen im Sinne des Gesetzes oder entsprechend der allgemeinen Auffassung gegen den 8 175 des Str. G. B. verstoßen, wird die Untersuchung ergeben. Die Zeugen-Vsrnehmungen haben bereits begonnen.
In Hamburg ist, ein altes angesehenes Haus, die Firma I. F- C Möller, Altonaer Wachsbleiche, in Schwierigkeiten geraten. Die Passiven der Firma belaufen sich aus 9 Mill. Mark, denen Aktiven in der Höhe von 2 Mill. Mark gegenüberstehsn. Die Inhaber der Firma Möller haben große Spekulationen eingegangen, die fehlschlugen. Die Zahlungseinstellung der Firma kommt ganz unerwartet, das Haus wurde allseits als kreditwürdig angesehen. Hierauf ist es auch zurückzuführen, daß eine große Anzahl von Banken der Firma Blankokredite gewährte,
„Inge, mein Lieb, was hast du denn so wichtiges, daß du darüber deinen Bräutigam nicht eintreten hörtest?"
Sie wandte sich hastig um und reichte ihm die Hand mit einem Lächeln, von dem ihr Herz nicht« wußte.
Er aber sah nur ihre schöne Gestalt, da» süße liebreizende Gesicht, das der Schleier halb bedeckte.
„Inge, Inge, ich möchte dich an mich pressen, dich küssen — —
küssen-du bist so schön, doch dein B autstaat — — verbietet es
mir leider — er legt meiner Ungeduld schmerzende Fesseln an."
Inge hörte kaum, was er sprach, Ihre Augen hafteten auf den roten Rosen in der Schachtel. Grunow folgte ih^en Blicken.
„Ein Hochzeitsgeschenk-diese Rosen, Inge?" fragte er.
„Ja, Hans."
„Von wem?"
„Von-dem Fabrikdirektor — — von — Mister Williams."
„Ah-von dem. Wird er dem heutigen Feste beiwohnen?"
„Nein-eine wichtige Angelegenheit rief ihn fort von hier."
Grunow lächelte höflich. „Ich bedaure, die werte Bekanntschaft diese» Herrn nicht machen zu können. Dein Vater hat mir schon so viel von ihm vorgeschwärmt, daß ich ihn gern kennen gelernt hätte. Er muß sehr tüchtig in seinem Fach sein."
„Ja, das ist er", schaltete Inge ein.
„Auch-liebenswürdig?" neckte er.
„Ja-auch das." Sie versuchte zu lächeln, aber sie konnte
es nicht verhindern, daß eine jähe Röte in ihre Wangen stieg.
„Ich finde es nicht gerade sehr liebenswürdig, daß er bei deiner Hochzeit fehlt, Inge. Ich meine, es wäre seine Pflicht gewesen, ihr betzuwohnen."
„Nein, Hans-er mußte unbedingt verreisen," nahm jetzt Frau
Helmbrecht das Wort, um Grunows Aufmerksamkeit von Inge abzulenken und ihr somit Zeit zu lassen, sich zu fassen. Für unsere Fabrik stand viel auf dem Spiele."
„Wenn die Sache so steht, ist es allerdings etwas anderes", erwiderte Grunow und wandte sich nun wieder seiner Braut zu. Er hielt das kostbare Brautbukett ja noch immer in der Hand.
Inge nahm es mit einigen Dankesworten und legte es auf den Tisch
„Mutti, möchtest du nicht dafür sorgen, daß die Rosen in Wasser gesetzt werden? Sie haben alle lange Stile."
„Gewiß mein Kind — ich werde ste sogleich in der Vase ordnen."
Sie nahm die Schachtel und ging damit hinaus.
„Du sorgst dich sehr um die Rosen, Kind", sagte Grunow, als sie allein waren mit scharfem Blick.
„Ja, es wäre schade, wenn ste schnell verwelken müßten —. Wie geht es eigentlich Tante Beate?" lenkte sie ab. „Schade, daß fis nicht mitkommen konnte. Ich hätte sie so gern kennen gelernt."
„Das wirst du in Berlin nachholen. Tante Beate wird ganz in unserer Nähe wohnen und dich oft besuchen."
„Ich freue mich schon darauf, daß sie mir ihren Rat und ihren Beistand leihen wird."
„Das wird ste", gab er mit einem sarkastischen Lächeln, das Inge entging, zur Antwort. „Doch — steh her, mein Lieb — nimm diese Perlen als Brautgeschenk von mir an. Sie müssen dich entzückend kleiden."
Ec hatte bei diesen Worten ein kostbares Perlenhalsband aus einem Etui genommen und wollte es ihr umlegen. Aber sie wich entsetzt zurück.
„Um Himmelrwillen, Hans — Perlen — bedeuten Tränen."
Grunow trat verletzt über die seltsame Aufnahme seines kostbaren Geschenkes zurück.
(Fortsetzung folgt).