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und 25. Februar 1908 abtzehalten. Hiemit ver­bunden ist zum zweitenmal eine Lotterie wofür statt 25000 jetzt 30000 Lose L 1 mit 523 Gewinnen im Wert von 15500 ^ vorgesehen find. Ziehungstag ist der 26. Februar 1908.

Bad Mergentheim 22. Nov. Dem gestrigen Schafmarkt wurden in 660 Herden 6660 Stück zugeführt und bei etwas langsamem Handel die Hälfte des Zutriebs abgesetzt. Es kosteten Lämmer 3849 Hämmel 5568 MuttersLase 5565 Göltschase 60 Brak­schafe 2658 ^ per Paar. Der letzte dies- jährige Schafmarkt findet am 19. Dezember statt.

Reutlingen 22. Nov. Der Verein für Feuerbestattung hält heute Abend eine außer­ordentliche Mitgliederversammlung ab. Auf der Tagesordnung steht die Erbauung eines Krema­toriums.

Ulm 22. Nov. Vor 14 Tagen hat die Dierstmagd Lina Müller, wie bekannt, in einem Anfall von Wahnsinn zwei Kinder ihres Bruders getötet. Zu diesem Fall nimmt nun Sanitätsrat Dr. Majer, Oberarzt der Kranken­hauses, das Wort, um darzutun, daß der plötz­liche Ausbruch der Geisteskrankheit nicht voraus­gesehen werden konnte. Er teilt mit, daß die Müller ohne ärztliches Begleitschreiben ins Spital eintrat. Es erfolgten auch keinerlei Mitteilungen aus dem Vorleben der Müller, obgleich vom Ge­richt jetzt erhoben worden sei, daß sie schon einen Selbstmordversuch gemacht habe. Es wurde an der Patientin Blutarmut, Nervosität und ein Unterlcibsleiden konstatiert, trotzdem sei das Mäd­chen durch nichts aufgefallen und deshalb am 21. September, nachdem die vorgeführten Beschwerden gebessert oder beseitigt waren, entlasten worden. Es wird hervorgehoben, daß die Müller sich durch­aus geordnet benahm, eine fleißige Arbeiterin war und nie Anzeichen von beginnender geistiger Störung gab.

Au» dem bayrischen Allgäu 20. Nov. Die wirtschaftliche Lage der Milchproduzenten im bayrischen Allgäu hat gegen den Sommer einen erheblichen Rückgang zu verzeichnen. Es wurden z. B. im vergangenen Sommer von der Fabrik für kondensierte Milch in Rückenbach bei Lindau für 1000 Liter Mich 135 ^ gezahlt, seit 1. Nov. reduzierte die Fabrik den Preis auf 118^, weil sie wohl wußte, daß die Bauern gegenwärtig die Milch nirgends zu höherem Preis absetzen können. Wegen großer Vorräte in Käse haben die Käsereien weniger zu tun und deshalb geringeren Bedarf an Milch. Immer zahlreicher treten die Mahnungen an die Bauern heran, sich mehr mit der Aufzucht von Kälbern und der Mästung von Schweinen zu beschäftigen. Durch rationelle Aufzucht ließe sich wohl die wirtschaftliche Lage angesichts der hohen Viehpreise, die unsere Bauern für das aus Vorarlberg bezogene Anstellvieh und den Zoll zahlen müssen, bessern, aber der Vorschlag ist eben ein Wechsel auf längere Frist und die Milch- lieferungen in die Fabrik find trotz schwankender Preise doch sehr beliebt, weil jeden Monat bares

Geld ins Haus kommt. Diesen regelmäßigen Bargeldbezügen zuliebe wird der letzte Tropfen Milch in die Fabrik geschickt, und dadurch ent­steht noch der weitere Mißstand der mangelhaften Ernährungsweise der Bevölkerung. Es sind deshalb die jetzt immer zahlreicher auftretenden Ratschläge zur Aufzucht von Kälbern und Schweinen be­achtenswert. Dabei käme vielleicht auch die Ver­wendung der Milch irr der Familie, namentlich für die Kinder, wieder in Aufnahme, was im Interesse der körperlichen Tüchtigkeit sehr zu be­grüßen wäre. Von Jahr zu Jahr wird der Prozentsatz der Heerestauglichen geringer und man wird die Gründe hiesür nicht zum geringsten Teil in der gegenwärtigen Ernährungsweise des Volkes zu suchen haben. Außerdem beschäftigt man sich in landwirtschaftlichen Kreisen des ganzen Allgäus gegenwärtig lebhaft mit der Frage der genossen- schaftlichen Viehverwertung, um den Zwischen­handel auszuschalten und das Schlachtvieh direkt in die Großstadt liefern zu können. Der Zu- sammenschluß der Bauern wäre im Allgäu um so lohnender, weil das Allgäuer Schlachtvieh auf großen Plätzen Vorzugspreise genießt.

Berlin 22. Nov. (Reichstag.) Das Hans ist gut besetzt. Präsident Graf Stollberg teilt mit, daß der Etat, das Flottengesetz, Wechselprotest- Vorlage, das Börsemeformgesctz, das R-ichsoereins- gesetz und einige andere kleine Vorlagen eingegangsn sind. Der Etat gelangt heute noch zur Verteilung, bei den übrigen Vorlagen soll die Drucklegung nach Möglichkeit beschleunigt werden. Wetter teilt der Präsident noch mit, daß am Sarge des verstorbenen Großheizogs von Baden im Namen des Reichstags ein Kranz niedergclegt worden ist. Der regierende Großherzog habe dem Reichstage seinen wärmsten Dank aussprechen lassen. Das Haus ehrt sodann in üblicher Weise daS Andenken der verstorbenen Abgeordneten Nißlcr und Dasbach. Auf der Tagesordnung stehen Petitionen, zunächst Eingaben zahlreicher Ortsgruppen des deutsch nationalen Hand­lungsgehilfenverbandes, außerdem Schaffung einer besonderen Standesvertretung (Kammern) für die Handlungsgehilfen Die Kommission beantragt Ueber- weisung zur Berücksichtigung. Der Antrag der Kom­mission gelangt zur Annahme. Eine Petition be­treffend Einführung obligatorischer Arbeitsausschüsse wird debattelos der Regierung zur Ei Wägung über­wiesen. Verschiedene Handlungsgehilfen-Verbände erbitten Anstellung von Handelsinspektoren. Der Antrag der Kommission die Eingabe der Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen, wird angenommen. Eine Petition des allgemeinen Handwerkeivcreins in Dresden verwahrt sich gegen wettere Neubelastnng der Arbeitgeber durch Arbeiter-Witwen- und Waisen-, sowie namentlich durch Arbeitslosen-Versicherung. Entsprechend dem Anträge der Kommission wird die Petition dem Reichskanzler zur Kenntnisnahme über­wiesen. Eine Debatte entwickelt sich bei der Petition des Niederschlesischen Knoppschostvercins um Aen- derung des Jnvalidenversicherungsgesetzes dahin­gehend Gewährung der Rente schon bei Einbuße der Erwerbsunfähigkeit um 50°/o, die nach dem Kom- misstonsbeschluß dem Reichskanzler nur als Material überwiesen werden soll. Der Antrag Sachse wird ab- gelehnt und der Kommisstonantrag angenommen. Eine Petition betr. Aufhebung der Gcmeindeordnung und Gewährung des Koalitionsrechtes an die länd­lichen Arbeiter wird von der Tagesordnung abge­

Langsam und müde schleppte sie sich nach der Villa zurück in ihr Zimmer. Hier verschloß sie die Tür und kramte in ihrem Schreibtisch. Einige verwelkte getrocknete Rosen fielen dabei aus einer Umhüllung von Seidenpapier.

Ihr Anblick löste die Spannung ihrer Nerven. Sie brach in heißes, erschütterndes Schluchzen aus. Doch es währte nickt lange. Hastig stand sie auf, nahm die Rosen und warf sie in den Ofen. Ein Streichholz blitzte auf, und im nächsten Augenblick fingen die getrockneten Blumen Feuer, brannten leise knisternd und ließen nach kurzer Zeit nur ein winziges Häufchen Asche zurück.

Inge schloß die Ofentür und wandte sich ab. Damit hatte sie mit allem abgeschlossen, was ihr die Vergangenheit gewesen war. Mit dem heutigen Tage begann ein neue» Leben.

Die Vorbereitungen zur Hochzeit waren beendet die Einladungen ergangen. Inge selbst hatte den Wunsch geäußert, ihre Hochzeit in recht zahlreichem Kreise zu feiern. Alle ihre Freundinnen, deren Eitern und Geschwister waren geladen, und man hatte deshalb den Saal eines Hotels in der Stadt gemietet.

Grunow war bereit» eingetroffen und hatte im Hotel in der Stadt Wohnung genommen. Seine Tante war nicht mitgekommen. Er ent- schuldigte sie mit einer starken Erkältung, die sie die weite Reise nicht wagen ließ. Ihre Glückwünsche für dieliebe Familie Helmbrecht", ins­besondere für Inge, richtete der Neffe gewissenhaft aus.

So kam der bedeutungsvolle Tag heran.

setzt. Eine Petiton des Bundes deutscher Barbier- und Friseur-Innungen strebt eine Aenierung des 100 der Gewerbe-Ordnung dahin an, daß die nnungen berechtigt sein sollen, für bestimmte Leist­ungen Mindestpreise festzusetzen. Die Kommission beantragt Ueberweisung als Material. Nach längerer Debatte wird ein Antrag Irl (Zentr.) angenommen, der Ueberweisung zur Berücksichtigung empfiehlt. Morgen 1 Uhr Vertrag mit den Niederlanden (betr. Unfall-Versicherung), dann Vorlage betr. Majestäts- Beleidigungen.

Berlin 22. Nov. Das Berl. Tagebl. meldet aus Petersburg: In der vorletzten Nacht wurden in verschiedenen Stadtteilen zahl­reiche Haussuchungen und Verhaftungen vorge­nommen, die der Polizei die ganze, höchst gefährliche revolutionäre Organisation in die Hand gab, die schon für die nächste Zeit einen verbrecherischen Anschlag plante. Die Haussuchungen förderten eine Menge von Waffen, Sprengstoffen und Bombenmaterial zutage.

Hannover 22. Nov. Oberleutnant von Arnim vom Husaren-Regiment Nro. 12, der zum Militär-Reit-Jnstilut kommandiert ist, wurde heute durch ausströmende Gase eines defekten Badeofens getötet.

Brüssel 22. Nov. Die Gattin des belgischen TronfolgerS Elisabeth geborene Herzogin in Bayern soll ihren Gatten verlassen haben und nicht zu ihm zurückgekehrt sein. Offiziell wird Krank- heit als Grund der Abwesenheit angegeben. Tat­sächlich soll aber eine Ehescheidung im Bereich der Möglichkeit liegen, bei der vie Prinzessin nicht als der schuödtge Teil m-zusehen sei. Die Nach­richt ist um so interessanter, als ein Thronwechsel in der Absicht der Negierung liegt.

Mailand 22. Nov. Wegen Nichtwilligung von Lohnerhöhungen sind heute früh sämtliche Angestellte der elektrischen Straßenbahn und auch alle Arbeiter der Elektrizitäts-Gesellschaft Edison, welche den Straßenbahn-Betrieb von der Gemeinde gepachtet hat, in den Aus stand gerret en.

Verwischtes.

900 Millionen Mark Mitgift. Die jüngst erfolgte Verlobung von Gladyr Vanderbitt, der' jüngsten Tochter des vor einigen Jahren ver- storbenen Eisenbahnmagnaten Kornelius Vanderbilt, mit dem Grasen Zechenyi, hat dis amerikanischen Zeitungen wieder einmal zu tiefsinnigen Betrach­tungen über die betrübliche Tatsache veranlaßt, daß durch diese Heiraten zwischen amerikanischen Erbinnen und europäischen Aristokraten Unsummen hart erworbenen Geldes ins Ausland wandern. Man hat berechnet, daß im letzten Vierteljahr­hundert nicht weniger als 208 Millionen Dollar von den amerikanischen Vätern für die Ehre, ihre Töchter weniger unter die Haube als unter die Krone zu bringen, geopfert worden sind. Die zwölf Millionen Dollar, welche Miß Vanderbitt in die Ehe milbringen wird, erhöhen diese Summe auf rund 900 Millionen Mark Mit so viel Geld läßt sich schon eine sehr stark verblaßte Herrlich­keit wieder auffrischen und die schäbig gewordene

Schade, daß Mister Williams dem Ehrentage unserer Tochter nicht beiwohnen kann, sagte Helmbrecht am Hochzeitsmorgen zu seiner Gattin. Gerade ihn hätte ich am liebsten dabei gehabt. Ich hatte mich auch so sehr auf seine Gesellschaft, die ich so lange entbehren mußte, gefreut, und nun erklärte er mir schon am ersten Tage unseres Hierseins, daß er not­wendig verreisen müsse und kaum zur Hochzeit wieder hier sein könne. Er ist nun einmal ein sonderbarer Kauz, der alle seine persönlichen In­teressen um seiner Aufgabe willen opfert."

Du hast recht, Karl," antwortete Frau Helmbrecht langsam.Die Fabrik uvd ihre Interessen gehen ihm über aller. Er schafft und wirkt dafür, als wenn sie sein eigen wäre."

Als wenn sie sein eigen wäre," wiederholte Helmbrecht nachdenklich.

Weißt du, Elisabeth, es kommt mir manchmal wie ein Wunder, wie etwas Unfaßbares vor, dieses selbstlose Interesse für mich und mein Werk. Aber er ist auch kein Mensch wie die anderen, sondern einer, von denen es nur wenige gibt. Wenn er nicht Amerikaner wäre und nicht wieder nach Neuyork zurückkehren müßte, würde ich ihn zu meinem Kom­pagnon wählen. Er müßte dann immer bei uns bleiben und könnte mein Werk auch nach meinem Tode weiterführen."

O, denke nicht daran, nicht so weit in die Zukunft," beschwichtigte die Gattin.

Elisabeth, ich zittre schon bei dem Gedanken, daß er mich über kurz oder lang verlassen wird."

(Fortsetzung folgt)-