850

Stuwpp von Laupheim vor den Geschworenen. Braun hatte am 21. Mai eine Kalbel auf den Laupheimer Markt gebracht und sie an den Händ­ler Bernheim verkauft, der erklärt haben will, daß er das Tier erst in acht Tagen abnehmen könne und dann den Kaufschilling bezahlen wolle. Die 3 Angeklagten, die zum Teil ziemlich stark dem Bier zugesprochen hatten, trafen nachmittags in der Stumpp'schen Wirtschaft mit Bernheim zusammen und sollen dann unter Schimpfen und Drohen mit Stöcken diesem das Geld abverlangt haben. Tie Geschworenen verneinten die an sie gerichteten Schuldfragen, weshalb Freisprechung erfolgte.

BiberaL 1. Nov. Heute früh sieben Uhr vermischte sich das Kirchengeläute und die in letzter Zeit so oft gehörte Sturmglocke zu einem schauerlichen Akkord. Diesmal brachte der Feuer­ruf die heute arbeitsfreie Einwohnerschaft in wenigen Minuten auf die Beine, hieß es doch, daß es in der Metallwarenfabrik der Firma Stotz-Schlee brenne. In der Tat war im Malersaol Feuer ausgebrochen» das wahrscheinlich schon die ganze Nacht geglommen und erst gegen Morgen Luft bekommen hatte. In dem Frühnebel wurde die Rauchentwicklung nicht bald genug wahrgenommen und so brannte denn der ganze Malersaal mit oll den dort befindlichen zum Anstrich bereit­gestellten Waren aus. Der Schaden ist erheblich. Hätte das Feuer Zeit gefunden, den oberen Stock mit seinen angehäuften Packmaterialen zu ergreifen, so hätte der Brand schlimme Folgen haben können, so aber konnte ihn die Feuerwehr in dem massiven Gebäude auf den Entstehungsort lokalisieren. Die Entstehungsursache ist unbekannt, jedenfalls ist nicht daran zu denken, daß bei den vielen Bränden ein und derselbe Täter in Betracht kommen könnte.

Nürnberg 1. Nov. Die Strafkammer verurteilte den Schauspieler Hörschel, den Helfershelfer des verschwundenen Juwelen­diebe« Lütte, wegen Beihilfe zum Betrug und Begünstigung unter Zubilligung mildernder Um­stände zu 6 Monaten Gefängnis, wovon 2 als durch die Untersuchung verbüßt erklärt wurden.

Zittau 1. Nov. Eine furchtbare Panik entstand heute abend bei einem Wohltätigkeits­fest in den Sonnensälen. Als etwa 500 Menschen versammelt waren, brach im reichdekorierten Saale Feuer aus. Alles flüchtete dem einzigen Aus­gange zu, der durch das Andrängen der Mafien rasch verstopft wurde. Nur dem energischen Ein­greifen einiger Männer ist es zu verdanken, daß ein unabsehbare» Unglück verhütet wurde. Die Sonmnsäle stehen in Hellen Flammen und dürften wohl gänzlich vom Feuer zerstört werden. Zwei Feuerwehrleute find beiden Löscharbeiten verunglückt.

Berlin 30. Okt. Reichstags-Abgeordneter Dr. Naumann ist wie die Nationalliberale

Korrespondenz hört, schwer erkrankt. Er befindet sich zur Kur im Weißen Hirsch bei Dresden. Augenblicklich soll es bester um ihn stehen. Alle Gefahr scheint aber noch nicht beseitigt.

Berlin 1. Nov. Der erste Staatsanwalt am königlichen Landgericht I Berlin hat durch Erklärung vom gestrigen Tage die Strafver­folgung in Sachen des Grafen Kuno Moltke wider Maximilian Harden über- nom men. Damit hat das Privatklageverfahren sein Ende gefunden.

Berlin 1. Nov. Zu dem Eingreifen des Staatsanwalts in den Prozeß Moltke-Harden bemerkt die Voffische Zeitung: Aus Opportunitätsrücksichten war die Erhebung der öffentlichen. Klage unterblieben. Da jetzt die Verfolgung der Sache durch die Staatsanwalt­schaft nachträglich übernommen wird, so liegt darin das Zugeständnis, daß der frühere Beschluß ein Fehler war. Hinsichtlich der juristischen Behand­lung der Angelegenheit teilt die von Harden in­spirierte B. Z. am Mittag im Gegensatz zu an­deren Auffassungen folgendes mit: Die Staats­anwaltschaft legt gegen das schöffengerichtliche Urteil ganz einfach Berufung ein. Der Fall Moltke-Harden wird also in zweiter Instanz vor dem Landgericht verhandelt, das mit 3 Richtern besetzt sein wird. Der bisherige Privatkläger Graf Moltke, derVerletzte" im Sinne des Ge­setzes, kann sich als Nebenkläger dem Staatsan­walt anschließen. Der Nebenkläger kann im Gegensatz zum Privatkläger nach einer Entscheidung der Vereinigten Strafsenate als Zeuge vernommen werden.

Berlin 31. Okt. Die Liebig-Kom- pagnie, die Erzeugerin des weltbekannten Fleisch- ixtrakts. deren Hauptbetrieb in Argentinien liegt, hat von der Deutschen Kolonial-Ge­sellschaft für Süd westafrika größere Län­dereien für Anlagen von Viehfarmen gekauft. Sie soll sehr hohe Preise bezahlt haben. Da­mit ist der Viehzucht in Südwestafrika ein neuer Aufschwung gesichert, denn die Liebig Kompagnie wird sicherlich nicht nur da» selbstproduzierte Vieh verwerten, sondern auch eine regelmäßige Absatz­gelegenheit für die anderen Viehzüchter der Kolonie bieten. Auch kann ein solcher Großbetrieb besser als kleine Züchter mit wenig Kapital an der Verbesserung der Viehraffen arbeiten, und dies kommt schließlich der gesamten Viehzucht zugute.

Salzburg 31. Okt. In dem Befinden des Großherzogs von Toskana ist eine Wen­dung zum Bessern eingetreten, die tagsüber anhielt. Der Patient brachte am Nachmittag einige Stunden außerhalb de» Bettes in einem Rollstuhl zu.

Paris 1. Nov. Der bekannte Luftschiffer Graf de la Vaulx erklärt im Echo de Paris, daß zur Zeit auf dem Gebiet der Motor-Lust­

schiffahrt Frankreich von Deutsch­land überflügelt sei. Graf Zeppelin habe den Rekord geschlagen und auch Parsevals Ballon biete durch seine leichte Trans Portfähigkeit große Vorzüge. Die Franzosen, die vor kurzer Zeit unbestrittene Meister auf diesem Gebiete waren, müßten jetzt alle Anstrengungen machen, um dem Ei folge der Deutschen zuvorzukommen.

Madrid 1. Nov. Gestern Abend ging in den Wandelgängen der Kortes das Gerücht, es seien beunruhigende Nachrichten über das Be­finden des Präsidenten Roosevelt eingetroffen.

Warschau 1. Nov. Die Polizei über­raschte heute Mittag 15 auf offener Straße beratschlagende Revolutionäre, welche in die umliegenden Häuser flüchteten. Das Militär beschoß die Verstecke der Revolutionäre. 32 Per­sonen wurden schwer verwundet, ein Revolutionär erschossen. Die andern wurden von den Haus­bewohnern gezwungen, sich zu ergeben. Nach zweistündigem Kampf wurden hundert Personen verhaftet.

Petersburg 1. Nov. Nach den letzten Nachrichten waren an derMeutereiin Wladiwostok außer dem Terpedobootszerstörer Skory, auch die Zerstörer Trewochny und Seditzy teilgenommen. Die Mannschaft ersetzte auf allen drei Schiffen die Marineflagge durch die rote Flagge. Auf den beiden letztgenannten Schiffen wurden die Un­ruhen bald unterdrückt. Durch die Kugeln des Zerstörer Skory wurden die Hafenanlagen und die Stadtbauten nicht unerheblich beschädigt. Viele Stadteinwohner sind verwundet worden. Nach Unterdrückung der Unruhen wurden 82 Matrosen verhaftet. Außerdem wurdenzahlreicheVerhaftungen vorgenommen.

Liverpool 1. Nov. Der Dampfer Heracltde" ist am Samstag in der Nähe der Hottentotten-Bai in Deutsch-Südwest-Afrika gesunken. Die Passagiere und Mannschaft wurden gerettet.

Vermischtes.

Die Ziehung der Großen Stutt­garter Geldlotterie findet unwiderruf­lich am 12. November ds. Js. im Ziehungs­saale der Königl. Stadtdirektion in Stuttgart statt.

Graf Zeppelin hat sich nach Berlin zu Besprechungen über sein Luftschiff begeben; sein Aufenthalt gilt Besprechungen mit hervor­ragenden Persönlichkeiten über sein Luftschiff. Graf Zeppelin, der im Palasthotel wohnt, hat der Dauerfahrt des Militärluftschiffs beigewohnt» und ist auch auf den Tegeler Schießplatz hinaus­gefahren um den Milttärballon und das Parsevalsche Luftschiff zu besichtigen.

Ueber das neue Weingesetz erteilt die Deutsche Wein-Zeitung" folgende Mitteilungen:

und Sie Sie werden doch auch daran teilnehmen?" fragte sie zaghaft, fast schüchtern.

»Ich hoffe, es ermöglichen zu können. Die liebenswürdige Einladung wurde mir ja schon zu teil." Er stand auf und verbeugte sich bei diesen Worten lächelnd vor Frau Helmbrecht; diese reichte ihm die Hand.

Sie find aufgestanden, Mr. Williams. Wollen Sie schon gehen?"

Ja, ich möchte Sie nicht länger stören, es ist spät geworden, und Sie alle bedürfen der Ruhe."

Er küßte ihr die Hand, verabschiedete sich von Helmbrecht und trat darauf zu Inge.

Als er ihre Hand in die seine nahm, fühlte er, daß sie eiskalt war.

Sie frieren, Fräulein Inge."

Gehen Sie nicht allein den dunklen Weg nach dem Fabrikhof nehmen Sie den Diener mit!" preßte sie flehend hervor.

Wozu? Glauben Sie, daß der Diener mich schützen kann? Das "er sprach ganz leisekönnen nur Engel tun."

So werde ich mit Ihnen gehen."

Inge hatte, die Worte auf dem Herzen und auf der Zunge, aber sie blieben ungesprochen. Sie neigte nur leicht den Kopf.So gehen Sie mit Gott."

Kaum vernehmbar hatte Sie es geflüstert.

Williams aber beugte sich plötzlich herab und küßte ihre Hand heiß, zärtlich.

Dann eilte er fort, in die dunkle Nacht hinaus.

Der Weg, der zum Fabrikhof, zu den Häusern der Beamten und somit auch zu seiner Wohnung führte, war jetzt einsam, abgelegen, dunkel.

Wie leicht konnte hier ein Mordanschlag glücken! Der Bursche war töricht gewesen, daß er zur Ausführung seiner schwarzen Tat einen Ort wählte, der für ihn so wenig Sicherheit vor Entdeckung bot. Warum

tat er das? Warum lauerte er ihm gerade hier in unmittelbarer Nähe der Villa auf? Wußte er, daß er heute kommen würde? Allem An­schein nach wußte er schon längere Zeit in der Nähe herumgeschlichen sein, er mußte auch Inge auf der Veranda bemerkt und gesehen haben, wie sie beide zusammen sprachen. Hatte er denn gar nicht überlegt, daß er sie, die so dicht neben ihm stand, mittreffen mußte, oder o Gott be­absichtigte er das vielleicht sie und ihn zusammen?

Der sonst furchtlose Mann zitterte, und Helle Schweißtropfen standen auf seiner Stirn.

Warum Inge? Was hatte Inge ihm getan? Warum wollte er sie unschuldig für seinen Haß opfern? Glaubte er vielleicht daß daß Er dachte nicht weiter. Ein qualvolles Aechzen und Stöhnen entquoll seiner Brust. Er blieb stehen und lehnte sekundenlang den Kopf an den rissigen Stamm einer Buche, die am Wege stand.

Schieße, Mordbube schieße dein Opfer hält still."

Aber nichts regte sich rings umher, als das leise Rauschen de» Nachtwtndes in den Wipfeln. Kein Hahn knackte, kein Feuer blitzte auf. Nur aus der Ferne klang ein Käuzchenschrei herüber.

Schwer atmend schritt Williams endlich weiter, bis er den Fabrik­hof und seine Wohnung erreicht hatte.

Die Umrisse des gewaltigen Fabrikgebäudes mit seinen riesigen Schornsteinen hoben sich gespenstisch au» dem Dunkel hervor

Auch die Wohnungen der Beamten lagen schon im Dunkeln. Der kurze, scharfe Knall der Büchse war von der Villa her auch zu ihnen gedrungen. Da aber alles still blieb und sich kein zweiter Schuß vernehmen ließ, auch niemand einen Unfall meldete, waren sie ruhig zu Bett gegangen.

Mechanisch trat der Amerikaner in sein Zimmer und schloß-die Tür hinter sich ab.

(Fortsetzung folgt).

r-

f-