82. Jahrgang
175 .
Amts- und Änzergeblalt für den Bezirk Calw
TrschrinungStage: Dienstag, Donnerstag. Sams» tag, Tonntag. JnsertionSpretS 18 Psg. pro Zeile für Stadt nnd »ezirtsorte; außer Bezirk IS Psg.
ronnLag den 3. November 1997.
Adonn,mrnt«pr.ind.«tadtpr.S!erreIi.Mk.1.l0incl.rr4ger1. Bierteliiihrl. PostdezugSprei« ohne B-itcllg. f. d. Ort». ».Nachbar- ort»-erkthr 1 Mk., f. d. tonst. Bert ehr Mi. l 10, Bestellgeld « Pfg.
TagesnenigkeiLe«.
Calw. (Egsdt.) Am Freitag den 1. d. Mts. sollte im bad. Hof ein öffentl. Vortrag über: Die Feinde unserer Kinderwelt, Masern, Scharlach, Croup, Diphtheritis und deren wirksame Bekämpfung durch den prakt. Vertreter der Naturheilkunde, Herrn G. Pickart, Ludwigsburg, stattfinden. Wegen irrtümlich zu später Bekanntgabe mußte der Vor- trag ausfyllen. Derselbe findet nun nächsten Dienstag, den 5. November abends 8*/* Uhr, statt. Die Bewohner von hier und Umgebung, Damen und Herren, haben freien Zutritt.
Neuenbürg 1. Nov. Bei Loffenau ist in vergangener Nacht in dem Steinbruch eines Gernsbacher Werkmeisters das Magazin abgebrannt. Durch das Feuer war der Staatswald gefährdet, doch blieb er verschont.
Darmsheim 30. Okt- Die Summe der Liebesgaben für die hiesigen Abgebrannten hat jetzt beinahe 100000 ^ erreicht. Beim Hilfskomitee selbst sind über 60000 ^ eingelaufen, die Zentralleitung des Wohltätigkettsvereins hat 31000 ^ ersammelt. Die Bautätigkeit ist rege, es sind etwa 300 Arbeiter im Ort beschäftigt; auch find etwa 10 Herren vom Baufach anwesend. Auf der Brandstätte erheben sich jetzt wieder Gebäude. Die Abgebrannten, die jetzt noch aufbauen, möchten diesen Winter noch einziehen, da sie lieber in den neuen, noch nicht ausgetrockneten Wohnungen Hausen wollen, als in den engen Quartieren, die sie zum Teil innehaben.
Stuttgart. Eine auffallende Erscheinung ist, so berichtet der „Schwäb. M.", daß gegen- wärtig auf dem Wochenmarkt einheimische Trauben kaum zu bekommen sind. Ausländische Trauben sind in Hülle und Fülle vor
handen, aber von einheimischer! Trauben ist die Zufuhr so spärlich, daß man kaum glauben sollte, man befinde sich in einem Weinland und in der Zeit der Weinlese. Wie es scheint, sind die hohen Weinpreise die Ursache, daß die Leute es nicht mehr vorteilhaft finden, Trauben an den Markt zu bringen. Man muß jetzt einheimische Trauben und noch dazu nicht einmal in auserlesener Ware mit 10 zahlen, während man sie in früheren Jahren für 20—25 --Z bekam.
Wendlingen O.-A. Eßlingen 1. Nov. In einer der letzten Nächte drang ein Wolfshund in einen Pferch ein und zerriß drei Schafe, die er übrigens so zurichtete, daß das Fleisch nur noch als Hundefutter verwendet werden konnte. In den Vormittagsstunden des anderen Tages drang das Tier wiederholt ein und zerfleischte zwei weitere Schafe. Der Besitzer des Hundes ist bekannt; er ist in der Haftpflichtversicherung, was ihm in diesem Falle besonders zu statten kommt. Der Schaden wird weit über 100 ^ betragen.
Reutlingen 1. Nov. Eine von hiesigen Bäckermeistern einberufene Versammlung beschäftigte sich gestern mit der Gründung einer Einkaufsgenossenschaft für das Bäckergewerbe. Die Versammlung beschloß einstimmig, eine Einkaufsgenoffenschaft unter der Firma „Erwerbs- und Wirtschaftsgenoffenschaft der Freien Bäcker-Innung Reutlingen, eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung", zu gründen.
Reutlingen 31. Okt. Der Trompeter des Grafen v. Zeppelin. Anläßlich des 50jährigen Militärjubiläums des Grafen Zeppelin sei daran erinnert, daß einer der Begleiter des Grafen auf dessen kühnem Patrouillenritt am 25. Juli 1870 noch lebt: Herr Gottfried Gut — derzeit Buraudiener bei der Elsenbahnbau
sektion Reutlingen. Er diente bei der badischen Reiterei als Trompeter und war zur Begleit- Mannschaft des Grafen kommandiert. Seine Rettung bei dem Ueberfall durch die Franzosen verdankte er seinem guten Reiten und seinem guten Pferds, indem er über einen sehr breiten und tiefen Graben frisch hinwegsetzte, während mehrere ihn verfolgende französische Chasseure hineinstürzten. Herr Gut ist nun 62 Jahre alt, noch rüstig und gesund und erzählt im Freundes- kreise gerne von seinem kühnen Ritt mit dem Grafen Zeppelin.
Heidenheim 1. Nov. Eine dunkle Geschichte hält die Gemüter in Aufregung. Am letzten Kirchweihsonntag soll in Eichwalde bei Steinheim am Aalbuch die Leiche eines Mannes aufgefunden worden sein, der nach seinen bei ihm Vorgefundenen Papieren Eugen Beck von Neudorf OA. Riedlingen gewesen war. Der Kopf war schon vom Körper getrennt, die Kleidung sei mit Blut stark besudelt gewesen. Eine andere Variante spricht von einem Erhängten, der sich au» Lebensüberdruß entleibt hat. Bei dem Toten sollen Uhr und Geldbeutel gefehlt haben.
Heidenheim 1. Nov. Der seit elf Monaten bestehende Rabattsparverein hat bis j-tzt für 26 500 ^ Marken verkauft und 950 Rabattbüchletn ein gelöst. Von dem lieber« schuß der Verwaltung sollen 200 ^ an die Inhaber der bis Ende .dieses Jahres eingelösten Nabattbücher verlost werden, wofür 30 Geldprämien von 10 und 5 festgesetzt sind.
Ulm 1. Nov. (Schwurgericht.) Einer versuchten, räuberischen Erpressung angeklagt, standen gestern der Bauer Anton Braun von Stetten OA. Laupheim, der Bauer Ludwig Wein- buch von Rtßtiffen und der Kreuzwirt Josef
Der verlorene »Sohn.
Roman vonElSbeth Borchart.
(Fortsetzung.)
„Williams, Williams, ist das richtig?" fragte Helmbrecht, ganz bestürzt von dem Vernommenen.
„Ja, Herr Kommerzienrat, cs ist leider so, aber ich kann mir nicht erklären, wie Fräulein Inge zu dieser Kenntnis gelangt sein mag. Außer mir weiß nur noch Seiffert darum, und er wird es gewiß nicht preisgegeben haben-selbst dann nicht, wenn ich ihm auch nicht un
verbrüchliches Schweigen auferlegt hätte."
„Warum zogen Sie den Messerheld nicht sogleich zur Rechenschaft?"
„Weil ich glaubte, daß er sich nur in der augenblicklichen Erregung vergessen habe und weil ich ihn deshalb nicht für sein ganzes Leben unglücklich machen wollte. Ich hatte sogar die Absicht, ihn in der Fabrik zu behalten, bis sein ungebührliches Benehmen mich anderen Sinnes werden ließ."
„Sie sehen, daß Sie ihn zu milde beurteilt haben, aber bei Gott, ich hätte es auch getan. Niemals hätte ich dem Burschen, dem ich stets wohlwollend gesinnt war und den ich stets für treu, rechtschaffen und außerdem noch für begabt und geschickt hielt, ein solches Verbrechen zugetraut. Heute war es ein wohlüberlegter Mordanschlag. Geben Sie schnell Befehl, Mister Williams, daß man den Mörder aufsuche und zum Gendarmen bringe; dieser mag ihn dann zur Stadt führen und der Strafe überliefern.
Jetzt dürfen wir nicht mehr an Schonung denken.-Sie zögern? —
— Fühlen Sie auch jetzt noch Mitleid?"
„Nein", stieß Williams nach einem Blick in Inges Gesicht hervor, „aber trotzdem möchte ich von einer Verfolgung absehen. Es würde nur
ein Aufruhr dadurch entstehen, und-erreichen würde man den Flüchtigen
doch nicht mehr. Lassen wir ihn laufen-er wird sich hier vorderhand
nicht mehr blicken lassen."
„Und wenn er noch hier wäre — —-wenn er in irgend
einem Winkel auf Sie lauerte?" Erschauernd zog Inge den Shawl fester um ihre Schulter, und ihr angstvoller Blick traf Williams.
„Sie würden Ihren einstigen Spielkameraden, für den Ihr Herz stets vor Mitleid überquoll, opfern wollen, um — meinetwillen?" fragte er ganz leise.
„Ja."
Es klang nur wie ein Hauch. William« atmete schwer.
„Inge muß uns noch erzählen, wie sie Kenntnis von Franz Lindens erstem Attentat erlangt hat", sagte jetzt Helmbrecht. Inge nahm sich zu- sammen und erzählte, welches Gespräch sie im Pavillon belauscht hatte.
„Er war unvorsichtig von Seiffert und Koch, laut darüber zu verhandeln", sagte Williams. „Sie messen aber dem damaligen, wie dem heutigen Vorgang zu viel Bedeutung bei. Ich werde mit Seiffert sprechen und ihn veranlassen, keinerlei Gerüchts über Franz Linden aufkommen zu lassen, ebenso wie ich Sie alle hiermit herzlich bitte, tiefstes Schweigen zu beobachten. Wollen Sie mir das versprechen?" fragte Williams und sah alle der Reihe nach an.
„Gewiß, wenn Sie es durchaus wollen," erwiderte Helmbrecht, „obgleich Ihre Beweggründe nicht kenne, erkläre ich mich mitsamt meiner Familie bereit dazu."
„Ich danke Ihnen."
Williams drückte dem Kommerzienrat die Hand, darauf wandte er sich wieder an Inge:
„Sie haben wirklich nichts mehr zu fürchten. Fräulein Inge, Sie können ganz beruhigt sein. Wozu plagen Sie sich unnötig mit schreckhaften Bildern? Denken Sie lieber an morgen — Sie feiern doch morgen Ihren Geburtstag, nicht wahr?"
„Ja." Sie lächelte und merkte wohl seine Absicht, sie abzulenken. „Ich lud meine Freundinnen und deren Brüder zu einem Gartenfest ein