Amts- und Änzeigeblatt für den Bezirk Calw

82. Jahrgang.

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rrschrtnunzrtag«: Dienrtag. Donnerstag. Sams» !az, Sonntag. Jnserttonsprels 10 Psg. pro Zeile für Stadt nav Serirlsorte; außer Bezirk 1L Psg.

Amtliche Bekanntmachungen.

An die Ortsbehörden für die Arbeiter- verstchernng.

Unter Hinweis auf den Erlaß des Vorstands der Versicherungsanstalt Württemberg, betr. die Quittungskarten für die Invalidenversicherung vorn 10. Februar 1900 Nr. 306 (Min.-Amtsblatt S. S7) werden die Ortsbehörden zur Einsendung der im abgelaufenen Vierteljahr an sie abgegebenen alten Quitttungskarten (als portopflichtige Dienstsache) veranlaßt.

Calw, 1. November 1907.

K. Oberamt. Amtmann Rippmann.

An die Ortsbehörden.

Da die Blutlaus in letzter Zeit stark aufge­treten ist, so ergeht der Auftrag, die Baumbesitzer unter Hinweisung auf Art. 33 Z. 2 des Württ. Polizeistrafgesetzes zur Verlilgung dieser äußerst schädlichen Insekten aufzufordern.

Calw, 31. Oktober 1907.

K. Oberamt.

Voelter.

Tagesnenigkeiten.

* Calw 31. Okt. Nach den vorläufigen Ergebnissen der am 12. Juni stattgefundenen Berufs- und Betriebszählung wurden in Würt­temberg gezählt: 518043 Haushaltungslisten, 2336786 ortsanwesende Personen, 316 739 Land- und Forstwirtschaftskarten und 165 983 Gewerbepapiere. Die Volkszählung am 1. Dez. 1905 ergab in Württemberg 2302179 Personen; in der Zeit vom 1. Dez. 1905 bis 12. Juni 1907, also in einem Zeitraum von 1*/r Jahren, beträgt somit die Zunahme der Bevölkerung 22000 Personen; die Zunahme scheint in ähn­lichem Tempo fortzuschreiten wie von 1900 bis

Samstag, de» 2. November 1997.

1905. Die Zählung der Landwirtschaftskarten ergab 7436 Karten mehr als vor 12 Jahren. Damit ist aber noch nicht gesagt, ob und wie die Zahl der wirklichen Landwirte darunter zugenom­men hat. Bemerkenswert ist übrigens schon jetzt, daß die Zunahme nach den 4 Kreisen des Landes ganz ungleichmäßig ist. Der Neckarkreis verzeichnet eine Zunahme von 5 767, der Schwarzwaldkreis von 2435 und der Donaukrets eine solche von 747 Karten, während der Jagstkreis eine Ab­nahme von 1513 Karten aufweist. Die Zahl der Gewerbebetriebe hat um 10208 gegenüber dem Jahr 1895 abzenommen. Die» ist um so auffallender, als der Kreis der Betriebe diesmal durch Einbeziehung auch sogenannter öffentlicher Betriebe in etwas erweitert worden ist. Es ist nach den bisherigen Beobachtungen und Prüfungen nicht nur nicht ausgeschloffen, sondern sicher, daß bei der Prüfung der Listen eine nahmhafte Zahl von ganz kleinen selbständigen Gewerbetreibenden als solche festgestellt worden, welche versehentlich die Ausfüllung derGewerbekarte" unterließen. Auch hier wird lediglich die Einreihung in die verschiedenen Gewerbearten zuverlässige Anhalts­punkte über Maß und Art der Veränderungen in den letzten 12 Jahren bringen können.

Calw. Auf bis jetzt unaufgeklärte Weise verunglückte am letzten Mittwoch der mit seinem Fuhrwerk die Straße von Oberreichenbach nach Hirsau herabfahrende 27 Jahre alte verheiratete Martin Hammann von Rötenbach. H. wurde ins hiesige Krankenhaus verbracht und verstarb, wie festgestellt wurde, infolge Schädelbruchs.

(Amtliches aus dem Staatsanzeiger.j Se. König!. Majestät haben allergnädigst geruht, den Bezirksgeometer Hörz in Calw auf Ansuchen

in den bleibenden Ruhestand, den Finanzamtmann Aich in Hirsau auf die

Sbonnememsgr. in ». Stadt pr. Pirrielj. Mt. 1 .10 lncl.TrSger l. Bierteljährl. PoftbezugspreiS ohne »efiellg. f. d. Ort«-». Nachbar, -rtsuertehr I Mt., s. L. sonst. Berlehr «I l. 10 , Bestellgeld ro Pf,.

Finanzamtmannsstelle beim Kameralamt Biberach,

den Finanzamtmann Dreiß in Backnang auf Ansuchen auf das Kameralamt Hirsau zu versetzen, ferner

dem Forstassessor Lorey in Altensteig die Forst­amtmannsstelle beim Forstamt Liebenzell zu übertragen.

r. Stammheim 29. Okt. Einen seltenen Juwel unter den Dienstboten haben wir heute zu Grabe geleitet. Christine Bock, geb. 1833, von armen Eltern, von ehrwürdigen Geistlichen und Lehrern zur Gottesfurcht angehalten, kam nach ihrer Konfirmation in hiesige und Stuttgarter Familien, wo sie in jahrzehntelangem Dienste durch ihre Freundlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Bescheidenheit und Dankbarkeit, wie durch Unverdrossenheit bei jeder Arbeit alle Herzen gewann, so daß ihr Scheiden von den noch lebenden Gliedern Obiger als ein wahrer Familienverlust betrachtet wird. Als Krank­heit der alten Eltern sie zwang, aus dem Dienst­verhältnis zu scheiden, pflegte sie Erstere treulich bis zu deren Tod, während sie hier in manchen Familien heute noch sehr geschätzte treue Aushilfe gewährte. Nachdem zunehmende Fußleiden ihr auch dies nicht mehr gestatteten, hat sie hier noch Jahre lang wahren Samariterdienst geleistet; wo sie bei Verlassenen, Kranken helfen konnte, war sie in auf­opfernder, uneigennützigster Weise bereit, so lange sie oft sehr leidend kaum noch gehen konnte. Eine Lungenentzündung hat sie aus arbeitsreichem, gesegnetem Leben nach einigen Tagen weggenommen. Stammheim hat eine edle Perle verloren. Ihr An­denken bleibt im Segen.

)( Unterreichenbach 28. Okt. Der heutige Vieh- und Schweinemarkt war von Käufern und Verkäufern stark besucht. Zu­geführt waren: 2 Farren, 65 Stück Großvieh, worunter 6 Ochsen, und 38 Stück Kleinvieh, ferner 5 Körbe Milchschweine und 2 Kisten Läufer. Bei den sich fühlbar machenden rückgängigen Vieh­preisen, war ein lebhafter Handel ausgeschloffen,

Der verlorene Sohn.

Roman vonElsbeth Borchart.

(Fortsetzung.)

Erst allmählich wurde sie wieder ruhiger. Franz Linden war ja so weit fort» in einer Fabrik angestellt. Wie sollte er nach Buchenau kommen?

Unterdeß waren die linden Frühlingslüfte erwacht. Sie strichen durch Gärten und Auen und erweckten die schlafenden Keime zu neuer Lebens­kraft und -lust.

Im Garten von Buchenau blühte und sproß alles. Maiglöckchen und Flieder erfüllten die Luft mit ihren balsamischen Düften.

Es war an einem warmen Maiabend. Die Sonne schwand langsam im Westen hinter den Bäumen des Gartens. Ihr glutvoller Schein blieb noch eine Weile am Himmel, dann wurde es fahler und fahler, bis er in mattgraue Dämmerung versank.

Die Familie Helmbrecht hatte ihr Abendbrot beendet und saß nun im gemütlichen Eßzimmer beisammen. Inge hatte eine Handarbeit in den Händen, aber sie sah träumend darüber hinweg.

Ob er wohl noch kommen mag? Er hatte es versprochen falls er die wichtige Arbeit beendet haben würde. Er hatte jetzt so viel zu tun; er konnte viel seltener als im Winter abkommen. Die Zeichnung zu der neuen Erfindung mußte noch vor Juli beendet sein, damit man dann so­gleich mit dem Bau der Maschine beginnen konnte. So hatte er ihr gesagt.

Vergebliches Warten und Harren wirkt nervenerregend. Al« die Schritte, die Inge alle Augenblicke zu hören meinte, immer wieder vor­übergingen und in der Ferne erstorben, stand sie endlich mit kurzem Ent­schluß auf.

Es ist so heiß hier, Mutti, darf ich ein wenig auf die Veranda gehen? Der Abend ist so herrlich."

Gewiß, Inge, geh nur. Aber vergiß nicht, ein Tuch umzubinden. Maiabende find gefährlich."

Nein, Mutti."

Inge legte gehorsam einen Schal um ihre Schultern und trat auf die Veranda hinaus.

Der Himmel war mit Sternen besäet. Ein sanfter Wind ließ die Blätter der Bäume leise rauschen, sonst herrschte geheimnisvolle Ruhe ring» herum. Inge lehnte sich über die Brüstung und sog mit Behagen den köst­lichen Blumenduft ein. Maiglöckchen und andere Frühlingsblumen standen in der Nähe im dunklen Versteck.

Das Helle junge Grün der Buchen mischte sich mit dem schneeigen Weiß der blütenbedeckten Kirschbäume.

Die Sterne funkelten am Firmament und die schmelzenden Töne einer Nachtigall durchdrangen die Stille.

Es wurde Inge ganz seltsam zu Mut. Sie faltete unwillkürlich die Hände. In ihr Herz zog etwas Wonne- und Sehnsuchtsvolles, eine Ahnung von seligem Glück.

Unten, in der Nähe der Veranda, stand schon seit einigen Minuten ein Mann, von dem Stamm einer Buche gedeckt und blickte unverwandt auf das fesselnde Bild. Seine an die Dämmerung gewöhnten Augen er­kannten die schlanke Gestatt, jeden der Züge des lieblichen Gesichts ganz deutlich. Er wagte nicht, sich zu rühren, aus Furcht, der Zauber würde bei der geringsten Bewegung schwinden.

Plötzlich ein leises Aufatmen-wie ein Seufzen klang es-

und Inge wandte sich zurück.

Diesen Augenblick benutzte der Mann. Mit wenigen Sätzen eilte er die Stufen zur Veranda hinauf und stand «un oben.