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krräklunsen Mr den sseierabend
Christof und seine Kinder
Von K. il Waggerl
Da treffe ich Christof, den Sägefeiler, bei dem verhalte ich mich gern ein wenig. Wir sitzen nebeneinander auf der Bank und führen ein sparsames Gespräch. In der Jugend nahmen ihn Auswanderer mit, sie dachten, daß er einen geduldigen Arbeiter abgeben werde, weil er so stark und schweigsam und schwerfällig war. Aber da irrten sie, drüben entkam er ihnen und schlug sich allein durch. Viele Jahre lang als Melker auf den Farmen. als Zimmermann bei den Kahnfrächtern. kein Mensch begreift, wie er das fertig brachte. Freilich trug es ihm auch weiter nichts ein. Er kam zurück, wie er gegangen war. nur ein mächtiger Schnurrbart ist ihm in der Fremde zugewachsen. Den Pflegr er nun mit großer Sorgfalt, und beim Kartenspielen hat er seinen Vorteil daran, weil er ihn unmerklich bewegen und seinem Gespan auf diese Weise die Sauen und Trümpfe inzeigen kann. Ein sonderbarer Mensch!
Ich denke an einen Abend im Herbst, um die Zeit der Hirschbrunst. Ich suchte Pilze am Waldrand, eben bückte ich mich, da knackte es plötzlich in einem dichten Busch vor mir. Ich sah unterwärts hin, aber dann nahm ich den Blick schnell wieder weg. denn dort lag ein Büchsenlauf in einer Astgabel.
Nun dämmerte es ja schon, weit und breit .war kein Mensch unterwegs. Und mir ging 'blitzschnell allerlei durch den Kopf.
Mach kein Aufheben, dachte ich. Es kann -ja sein, daß der Mann im Busch zufrieden -ist, wenn du nur ruhig weitergehst.
Weiß Gott, das war ein langer Weg über idie Wiese, mit diesem Büchsenloch hinter 'mir. Erst weit unten nahm ich mir den Mut ,«nd sprang über den Zaun. Im gleichen Augenblick sah ich einen langen Kerl aus lden Stauden lausen, der kam mir bekannt vor.
Ich ging dann ins Dorf, setzte mich vor -Christofs Haus auf die Bank und wartete. Mach einer kleinen Stunde kam er auch ! Wirklich langsam die Gaste herauf.
Christof, sagte ich, wo steckst du? Schau /her. ich bringe dir Pilze mit.
, So, meinte er und sah in meinen Hut. i Diesmal hast du aber Glück gehabt, fügte -er harmlos hinzu.
Christof ist ledig, er kann keine Frau finden. Bräute hatte er genug, es waren ihrer fünf die Jahre her, wenn ich richtig zähle. Jede lief ihm bereitwillig ins Haus und dachte da Ordnung zu machen und sich allmählich einzunisten. Das gelang auch im Anfang. Christof zeigte sich gefügig und um- Igänglich, bis nach der gewissen Zeit das Kind zur Welt kam. Und von Stund an war der Mann wie verwandelt, es half nichts mehr, weder Keifen noch Heulen. Das Kind behielt er. aber die Braut jagte er davon.
Er brauchte sie nicht mehr, oder was sonst «der Grund sein mochte, er hatte sie satt, und 'wenngleich das schändlicher Undank war, man mußte doch zugeben, daß die Kleinen nicht schlecht dabei fuhren, so wie sie der Reihe nach in diesem Sündenhaus aufwuchsen.
Christof hat sie in allen Spielarten um -sich, das ist feine Freude: Blonde und ! braune, behäbige und zartere, aber alle
VValsertälerio tZeichnuns von Alfred Vellmar)
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durchaus wohlgeraten, die Bräute waren ja auch keine Eulen gewesen.
Der Kinder wegen gab er sogar das Zimmern auf und wählte sich ein häuslicheres Gewerbe, er wurde Sägefeiler. So kann er nun in seiner Werkstatt sitzen und findet Kurzweil genug an dem fröhlichen Leben, das ihm um die Beine wimmelt.
Drüben, sagt er manchmal nachdenklich, drüben hätte üb auch noch etliche...
Das Muskoch—
Ich nehme es mit den besten Köchen der Welt aus, was die schwierige Kunst des Muskochens betrifft. Ein Frauenzimmer träfe es überhaupt nie. denn das ist eine Männerkost, keine Windbäckerei. Es hilft nicht, wenn dir einer sagt, nimm so viel Mehl und so viel Schmalz und Wasser und Salz, da muß viel Unwägbares dazukommen, ehe sich diese vier Urelemente des Ge
nusses glücklich vereinigen. Du mußt es verstehen, das Mehl mit der richtigen Hitze und Schnelligkeit abzubrühen, und nebenher, gleichsam mit dem inneren Blick, mußt du das Fett in der Pfanne überwachen und den Zeitpunkt erhaschen, in dem es eben zu rauchen anfangen will. Nicht, daß es etwa schon im geringsten rauchte, das wäre um eine Ewigkeit verfehlt.
Niemals aber brächte eine Frau die Sammlung und Entschlossenheit des Geistes aus, die nunmehr nötig wird. In Zeit von zwei Vaterunsern ist das Mus gar oder es ist rettungslos verdorben. Während du das erste hersagst, bräunt sich der Kuchen unterwärts. beim Amen wendest du ihn blitzschnell mit einem glückhaften Ruck, und bei der siebenten Bitte ziehst du das fertige Mus vom Feuer. Funken schwelen dir auf der Haut, der würzige Rauch treibt dir die Hellen Tränen aus den Augen. Aber das kön
nen auch Freudentränen fein, ein letztes Mal rührst du die krümelige Maste durch, locker und goldgelb fällt sie von der Schaufel, und ein unbeschreiblicher Wohlgeruch steigt dir in die Nase. Mit Mühe hältst du das Wasser deiner Begierde im Munde zurück, wenn du nun gegen den Lössel bläst, um den ersten Bissen zu verkosten.
Sommergäste
Sommergäste sind überhaupt merkwürdige Geschöpfe. Wenn irgendwo ein Bogel auf dem Zaun sitzt, um seine Federn zu putzen, und es kommt ein Sommergast des Wegs, dann schweigt der Vogel und wartet mit seinem Geschäft, bis der Fremde vorbeigegangen ist. Aber der kann nicht schweigen, der muß mit dem Finger auf den Vogel zeigen und einen Schrei ausstoßen: Seht her. ein Kuckuck! Und dann fliegt der Vogel davon und kommt lang nicht mehr. Natürlich, weil ihn das ärgert, er ist gar kein Kuckuck, sondern ein Häher. Andere Sommergäste wieder sind über alles Maß hinaus neugierig, besonders die weiblichen, und es gibt fast nur solche, soweit ich mich entsinne. Wo immer ein Kind am Wege sitzt, das eben erst ein wenig krähen kann, gleich wird es in ein weitläufiges Verhör gezogen, wie es den» hieße und wer sein Vater sei, lauter sehr peinliche Fragen. Das Kind darf ja schweigen und sich sein Teil denken, aber unseremem ist es weniger leicht gemacht. Zum Beispiel habe ich einmal, als mir sonst nichts einfiel, die Fensterläden an meinem Hans blau angestrichen, alle bis auf zwei im Untergeschoß, die sind braun geblieben. Die Dorfleute regt das nicht weiter auf, sie begreifen, daß einem zur Unzeit die Farbe ausgehen kann oder die Geduld, aber die Sommergäste bringt so etwas außer Rand und Band. Sie samnteln sich vor dem Hause an und beraten die Sache unter sich. Etliche ziehen Schlüsse aus meinen Geisteszustand, auf meine Gemütsart, andere meinen, ich müsse auf jeden Fall ein Mensch von Eigenart sein, und wieder andere bezweifeln das, die raten auf eine völlig zerrüttete Ehe. Und wahrhaftig, es fehlt nicht viel daran, daß sie recht behielten, denn auch die Hausgenossen mischen sich in den Streit und wollen die Schande nicht länger dulden. Ich weiß nicht, vielleicht werde ich tun. was Salomon getan hätte. Ich werde noch ein paar Fenster rot und gelb dazumalen. Dann heißt mein Haus das Regenbogen- Haus, und alle sind zufrieden.
Habe ich jemals von etwas anderem als von Gräsern und Käfern zu erzählen gewußt, von den Wiesen und Aeckern im nächsten Umkreis oder von Taglöhnern lind kleinen Kindern? Und der Welt habe ich weisgemacht. was wunder daran sei. als ob die Leute noch gar nicht wüßten, daß das Gras ohne Nachdenken wächst und ein Taglöhner eben auch seine Flausen im Kopf hat. — So sagt Karl Heinrich Waggerl, der feinsinnige österreichische Dichter irgendwo in seinem Wagrainer Tagebuch, Insel-Verlag Leipzig. Jawohl, er macht der Welt weis, was wunder daran sei, und er sieht das Größte, was ein Mensch sehen kann, Wunder über Wunder überall und ein blutvolles warmes Herz in allen Dingen, deren Pulsschlag man verspürt, sobald Waggerl mit seinem Zauberstab daran rührt.
Wenn der Kuckuck schreit...
Von Karl Nurlcert
Es ging aus Mitternacht. Peterl, der junge Sergeant, saß im Unterstand an einem schmalen, rauhen Tisch und schrieb an einem langen Brief.
Der Unterstand war ein Kellerloch, über dem früher einmal ein Bauernhof stand, der auf der Karte den Namen Maison Rouge führte. Von dem Hof war jetzt nichts mehr vorhanden.
Das Kellerloch aber war jetzt Fuchsberg benamst und war die Behausung der Streif, leute. Es war da nicht viel anders als sonst- wo. Halbversaulte Strohsäcke, tropfende Wände, ein winziges eisernes Oefchen. Waffen. Pappschachteln eine Talgfunzel und unrasierte Gesichter.
Der Peterl schrieb trotzdem an einem lan- j gen und schönen Brief. Er war an seinen Schatz gerichtet. Allerhand Sachen standen darinnen über die sich eine junge frische Bauernmagd treuen kann. Unter anderem dies: ..In acht Tagen gibt es Urlaub iür mich. Wenn der Kuckuck schreit, bin ich daheim bei dir!"
Als Peterl mit seinem Brief fertig war. legte er ihn zu dem Kartenhäufchen, das seine Kameraden vor Abend geschrieben hatten, und dann saß er. das Kinn in die Hand gestützt, auf der Holzbank da und schaute in die Kerzenflamme die fortwährend leise hin und hex wehte. Die andern lagen auf ihren Strohsäcken und schliefen.
Schlafen, das lag Peterl jetzt fern. Bor einer Patrouille blieb man nach seiner Mei- mmg am besten munter. Schlafen. daS konnte man Hinterher.
Am Nachmittag hatte der Hauptmann den Peterl rufen lasten. ..Filzhofer', hatte er ge
sagt, „die Division benötigt einen Gefan- genen."
„Wäre nicht das erstemal!' hatte Peterl bei sich gedacht.
Zwischen dem Hauptmann und chm wurde sodann noch das Nötige besprochen. Es handelte sich um ein feindliches Postennest, das Peterl und seine Leute ausheben sollten. Die Sache war klar. Peterl hatte sich zudem schon seit längerer Zeit in Gedanken damit beschäftigt.
Das letzte Wort des Hauptmanns-. „Also, nicht wahr, um 12.30 Uhr verlassen Sie die Stellung. Unsere Posten werden benachrichtigt."
Und nun saß also Peterl. schaute immerzu in die Kerzenflamme und dachte über seinen Auftrag nach. Ganz einfach war die Geschichte ja nicht mußte er sich sagen. Zuerst der verdammte Draht. Bis man da wieder hindurch war? Und dann kam ja erst die Hauptbuch'. Manchmal ging so was dreckig hinaus. Das letztemal hat es ihm zwei Leute gekostet. Aber freilich, da waren sie eben dumm angekommen. Daß sie gerade an einen Unterstand hinrumpeln mußten?
Wär' ihm zuwider, dem Peterl, wenn es am Ende wieder so hinausging. So was kann er jetzt nicht brauchen. In acht Tagen will er wieder einmal auf der Eisenbahn fahren. Die Sephi hat schon dreimal geschrieben. sie könnt' es schier nimmer erwarten. Die wird ja Augen machen, wenn sie das liest, was er ihr heut' geschrieben hal!
Als Peterl eine halbe Stunde hernach mit dem Sixtus, dem Wenzel, dem Ander! und den drei andern zum Bachgrund Hinabstieg, war er nicht recht bei der Sache. Die Sephi! Allweil ging ihm die Sephi im Kopf herum. Wenn er nimmer heimkäm' was wollst die Sephi ohne ihn ansangen?
Hoppla, da hat »r schon wieder einen
Stein-brocken übersehenl Das macht einen Lärm, und die andern verschütteln die Köpfe. Kann der Peterl nicht bester acht geben? Daß dem Peterl so was passieren kann!
Für eine Patrouille war es eine schöne Nacht. Der Himmel leicht überzogen. Ein schwacher Mondschein. Grad so. wie man sich's wünscht.
Hin und wieder stieg eine Leuchtrakete hoch. Aber bis sie ihren Lichtschirm ausspannte. lag man schon längst auf deni Bauch.
Ein Paarmal ließ sich ein Kauz hören. „Huuk, Huuk!" Auch das hatte nichts weiter zu bedeuten. Man kam recht gut dabei vor- wärts.
Dann stieß auf einmal der Wenzel den Peterl ein wenig in die Seite. Der Wenzel wollte was gesehen haben. Also auf alle Fülle hinlegen! Eine Weile lag man da und horchte. Nein, es war nichts. Also weiter!
Man hatte den Bach überschritten, nun war man bald an Ort. Wenn man am Boden hinlag, konnte man bereits das feindliche Drahtverhau erkennen.
Dan» wieder einmal der Kauz. „Huuk!" Diesmal hörte man's von links her. Kurios. Dem Peterl wollte das nicht recht Vorkommen. Er wußte doch, wie so ein Kauz tut. Schon kleinweis hatte er das gewußt. Uber nun dieses? Nein, da war was nicht richtig.
Plötzlich bekamen sie Feuer. Von hinten und von der Flanke zugleich. Der Ander! ließ einen leisen Aechzer hören und fiel auf den Rücken.
„So. jetzt istP gefehlt!' knirschte Peterl. Aber er suchte sich noch zu helfen, so gut es gehen wollte. Ruhig verteilte er seine Leute.
Aber die Sache stand ungleich. Der Franz, mann war im Vorteil. Sie waren ja auch mehr. Dielleicht doppelt so stark.
Der Sixtus fällt.
Der Wenzel liegt da und regt sich nimmer. Zwei andere sind verwundet und stöhnen: „Hilf, Peterl! — Laßt uns nicht liegen!'
Ja, wie soll der Peterl denn helfen? Es hat ihn doch selbst jetzt erwischt! Und sonst ist keiner mehr vorhanden. Ein paar sind in der Dunkelheit entkommen.
Peterl, nachdem er seine letzte Handgranate geworfen hatte, war mit Bauchschuß in einen Granattrichter gekrochen und dort unbemerkt liegen geblieben. Bald schwanden ihm die Sinne.
Die Nacht ging hin. Der Morgen dämmerte. In grauer Frühe lag das Land. Kein Laut.
Peterl schlug die Augen auf. griff um sich. Von nassen Gräsern fiel ihm der Tau ins Gesicht. Allmählich kam ihm die Erinnerung.
Er iühlte einen tödlichen Schmerz. Seine Hand, sein Nock war voll Blut. Ein brennen- der Durst quälte ihn. Trinken!
Mit letzter Kraft raffte er sich auf. und auf allen Vieren schleppte er sich hin zum "^ch. Er tauchte die Hand in das Wasser.
n paar Tropfen konnte er schöpfen. Sein eigenes Blut färbte den kargen Trunk.
Da —? Er horchte. Aus einem Walde rief ein Kuckuck. Der erste in diesem Jahr.
Peterl sank die Hand, die er noch an den Lippen hatte. Langaus legte er sich hin bei den blauen Bachblumen. „Ach —!'
Dann wieder der Kuckuck.
Peterl schlug noch einmal die Augen auf. „Sephi!-O Sephi!'
Der erste Morgenstrahl brach ins Tal. Ein zartes Lüftchen flog daher, sauste leise in den Gräsern.
Peterl sah und hörte das nicht mehr.
Her^uSsea^««
im Auftrag der Ha«S Renbt
RS.-Prelle Maring. Mm a. D.