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rechten Oberschenkel bewußtlos liegen blieb. Der Verletzte wurde mittelst Tragbahre auf die nächste Polizeiwache getragen und nachdem er dort von einem hinzugerufenen Arzt verbunden war, mit- tels Krankenwagen nach dem städtischen Kranken­haus gefahren. Der Unglückliche ist aber schon unterwegs seinen Verletzungen erlegen. Die Beweggründe dürften in mißlicher Vermögens­lage zu suchen sein.

Mannheim 17. Okt. Eine besondere Zugkraft wird es ausüben, daß am Sonntag, 20. Oktober, dem letzten Tage der Mann- heimer Ausstellung, jeder 100. Käufer einer Tageskarte eine und jeder 1000. 3 Flaschen Wein zum Geschenk erhält. Die Verteilung findet an beiden Eingängen statt. Da an diesem Tage Illumination und Feuerwerk zu­sammen stattfindet und auch sonst viel geboten wird, so dürfte eine große Besucherzahl zu er- warten sein. Die Kontursnbeleuchtung wird, da- mit auch die auswärtigen Besucher sie noch sehen können, bereits V-8 Uhr eingeschaltet und der Wasserturm wird bis 12 Uhr brennen. Wenn er erlischt, dann ist die Ausstellung zu Ende.

München 18. Okt- Die jugendliche Kindermörderin Jda Schnell, welche gestand, 6 Kinder mit einer Stricknadel ermordet zu haben, hat wahrscheinlich noch einen siebenten Mord an dem Kinde einer Dienstherrschaft in München verübt. Sie war verwegen schon ein­mal in Untersuchung, aber wegen Mangel an Beweisen freigelassen worden.

Berlin 18. Okt. Die Kaiserin ist mit knapper Not einem folgenschweren Zusammenstoß entgangen; sie fuhr kurz nach 3 Uhr im offenen Wagen mit dem Prinzen Joachim von der Kaiser Wilhelm-Gedächtniskirche die Tauentzin- straße herab. Am zoologischen Damm sauste mit rasender Geschwindigkeit die Automobildroschke No. 9314 dem Wagen entgegen. Die Kaiserin erhob abwehrend beide Hände, Prinz Joachim sprang auf und beugte sich schützend über seine Mutter. Im letzten Augenblick gelang es, dar Auto zum Stehen zu bringen. Nur das Tritt­brett des kaiserlichen Wagens ist beschädigt.

Berlin 18. Okt. Heute vorm. 11 Uhr fand in der Kapelle des K. Schlosses die Ein­segnung des Prinzen Joachim von Preußen statt, der zwischen dem Kaiser und der Kaiserin die Kapelle betrat. Der Kronprinz führte die Herzogin Wer« von Württemberg. Prinz Joachim nahm dem Altar gegenüber Platz. Hinter ihm der Kaiser und die Kaiserin und hinter diesen die Fürstlich, keiten und Prinzessin Viktoria Luise. Die Feier eröffnete der Domchor mit dem Gesang:Gott heiliger Geist, erfülle die Herzen". Dann hielt

Oberhosprediger Dr. Dry and er die Konfir- mationsrede. Nach einem Gesang des Domchors verlas der Prinz dar von ihm verfaßte Glaubens­bekenntnis. Es folgte dann die Einsegnung durch den Oberhosprediger. Mit Gebet, Vaterunser und Segen schloß die Feier. Die kaiserl. Familie blieb zurück und nahm da« hl. Abendmahl.

Breslau 18. Okt. Im Konzerthause sprach gestern Abend vr. Karl Peters über wirtschaftliche Kolonialpolitik. Bevor der Redner zum eigentlichen Thema überging, machte er der Versammlnng die Mitteilung, daß auch Breslau nunmehr seinen Peters-Prozeß bekommen würde. Wie wir erfahren, beabsichtigt vr. Peters gegen den verantwortlichen Redakteur der Breslauer Volksmacht Beleidigungsklage anzustrengen und zwar aus folgendem Grunde: Das genannte Blatt hatte vor Beginn der gestrigen Versammlung am Eingänge zum Konzerthause ihre gestrige Nummer in einer Maffen-Auflags gratis verteilen lassen. Die Volksmacht veröffentlicht in der Nummer einen Leitartikel, der in Sperrdruck mit den Worten beginnt: Karl Peters, der Gatte der gehängten Jagodja, ist heute Abend zum Preise von 1, 2 und 3 ^ im Warenhause der Gebrüder Barrasch-Breslau zu haben. Das ist der auch für Kabarettisten» Dichter und Couplet-Sänger übliche Preis. Die Versammlung selbst nahm einen ungestörten Verlauf, obgleich der Beifall bei Eröffnung der Versammlung mit demonstra­tivem Pfeifen und Johlen vermischt war.

Mailand 17. Okt. Dar anhaltende Regenwetter hat am Lago Maggiore große Wassersnot gebracht. Der See ist nach der M. Allg. Ztg." in einer Nacht um 3 Meter gestiegen; weithin bilden Straßen und Plätze tiefe Seen, aus denen Häuser und Bäume wie Inseln Hervorschauen. Man muß zum Teil mit Kähnen fahren. Die Katastrophe übersteigt das letzte derartige Ereignis vor .40 Jahren an verheerender Wirkung. Kleine Bäche bilden jetzt reißende Ströme. Dis Maggia ist über die Ufer getreten uud wälzt trübe Wassermassen. Bäume und Felsen heran. Auch im DüMo-Doffotale herrscht Unwetter und Wassersnot. Unterhalb der Station Gisella vor dem Eingang des kleinen Simplontunnels erfolgte ein Erdrutsch, der die Gleise bedeckte. Militär und Arbeiter find herangezogen und arbeiten Tag und Nacht, um eine Katastrophe abzuwenden.

Bordeaux 18. Okt. Ein Luftballon, in dem am Dienstag 2 Mitglieder des Aeroklubs aufgestiegen find, ist verschollen. Man be­fürchtet, daß er nach dem Meer getrieben worden und dort verunglückt ist.

Warschau 18. Okt. Die Gräfin Marie Zamojka ist im Petersburger Zuge auf der Fahrt nach Warschau verschwunden. In dem von ihr benutzten Coupe wurden Blut, spuren aufgefunden.

Warschau 18. Okt. Ueber die Er­mordung der Gräfin Zamojka, Gattin des Grasen A. Zamojka, im Eisenbahwagen, wird noch folgendes bekannt: Die dem höchsten Land­adel angehörende Dame (geborene Gräfin Potocka) ist auf der Station Szczepietowo, wohin sie ihr Mann nebst Kindern begleitete, eingestiegen und in Warschau nicht mehr aurgestisgen. In dem Abteil I. Klasse, in dem die Dame allein fuhr, fanden sich Spuren einer heftigen Kampfes. Die Kissen und Gardinen waren mit Blut bespritzt, von der Leiche aber fehlt bisher jede Spur. Die Gräfin hatte eine größere Summe Geld bei sich. Ein Eisenbahnbeamter behauptet, daß auf der Zwischenstation Malkinia eine Dame ausgestiegen und sofort mit einem in entgegengesetzter Richtung fahrenden Zuge abgereist sei. Diese Person war nach der Behauptung des Beamten ein verkleideter Mann, wahrscheinlich einer der Mörder. Das Verbrechen muß ungefähr 5 bis 15 km von Warschau entfernt begangen worden sein.

New-Aork 18. Okt. Die Explosion in der Pulverfabrik in Fontanet hat, wie sich jetzt heraurstellt, in einer benachbarten Glasfabrik ebenfalls eine Explosion hervorgerufen und die Maschinerie zerstört. Die kochende ge­schmolzene Glasmasse floß heraus. 4 5 Per­sonen kamen ums Leben, etwa 1000 erlitten Verletzungen.

Standesamt Calw.

G eborene.

12. Okt. Karl, S. d. Martin Hammann, Fabrik­arbeiter hier.

12. Okt. Willy Gustav, S. d. Christian Gustav Wochele, Lokomotivheizers hier.

10. Okt. Lydia, T. d. Martin Seifried, Schneiders hier.

17. Okt. Emma Luise, T. d. Ernst Gustav Schmerle, Fabrikarbeiters hier.

15. Okt. Marta Gertrud, T. d. Heinrich August Kleindienst, Walkmeisters hier. Getraute.

12. Okt. Anion Deißler, Hilfswärter hier und Jda Wendel von Lippach.

19. Okt. Georg Schneider, Küfer und Berta Maria Sofie Beißer hier.

19. Okt. Josef Kühnle. Schriftsetzer und Elisabeth Amalie Rüdinger hier.

Reklameteil.

Mllgkiilkidkiiden

teilt gerne und unent­geltlich Herr Chri­stian Bühner jr. in Sigmarswangen (Württ.) mit, wie er auf einfache Weise von seinem langen und qualvollen Magenletden befreit wurde.

^ > VoiWllie 3^ LiMe.

»

galt es ihm in dieser Stunde, daß sich die Fabrik wieder zu altem Glanz aufschwang, was galt es ihm, daß der Ruf der Firma Helmbrecht bis in die fernsten Lande und über das Meer drang?

Für wen war das aller?

Der Erbe, der alle Früchte eisernen Fleißes und heißer Sorgen

genießen konnte, fehlte ja-den einzigen Sohn hatte seine Härte

au» dem Vaterhause verstoßen und verbannt!

Helmbrecht barg den ergrauten Kopf aufstöhnend in beide Hände.

Wie es nur gekommen war, da» schleichende Augenübel? Erst die kleinen Anfänge, dann von Jahr zu Jahr stärker werdend, bis es ihn fast ganz des Augenlichtes beraubte! Ein schwacher Schimmer war ihm nur geblieben, der ihn kaum die Umriss« der einzelnen Gegenstände erkennen ließ. Aerzte gaben ihm Hoffnung auf Wiedererlangung der Sehkraft nach erfolgter Operation. Diese Hoffnung allein hatte ihn aufrecht erhalten und vor Verzweiflung bewahrt. Freilich konnte es noch lange dauern, ehe der Star zur Operation reif war; aber ein starker Wille erträgt die Prüfung.

Es gibt schlimmere Leiden als körperliche; die fressen an der Seele und nagen am Herzen, sie schlagen unheilbare Wunden.

Solche unheilbare Wunden trug Helmbrecht mit sich herum seit achtzehn langen Jahren. Seit jenem Tage, als der einzige Sohn für immer aus dem Vaterhauss schied, verbannt von dem eigenen Vater.

Er war ein so hoffnungsvoller, begabter Junge gewesen, mit so glänzenden Geistesgaben, mit so reichem, tiefem Gemüt.

Und da mußte er sich eines Vergehens schuldig machen, das dem Vater so ungeheuerlich und unverzeihlich und wofür ihm keine Strafe zu schwer erschienen war.

Diese Strafe bestand in der Verbannung nach Amerika. Einige Jahre sollte er dort bleiben, und versuchen, wieder ein rechtschaffener ehrlicher Mensch zu werden, dann wollte er ihn wieder zurückholen.

Aber der Sohn hatte seine Pläne durchkreuzt er hatte sich selbst für immer verbannt und vom Vater losgesagt.

Geschah das aus Trotz oder Stolz, der schon in dem Knaben so himmelstürmend gewesen war? War er umgekommen, verdorben und ge- storben in der Fremde?

Diese Ungewißheit, diese nagende Pein!

Da wuchsen die Qualen der Reue, da wurden die Selbstvorwürfe laut.

Warum hatte er ihn fortgeschickt? Konnte er nicht daheim ebensogut, nein, noch besser wieder zum ehrlichen Menschen werden, wenn eine liebende

Hand ihn auf den richtigen Weg geleitet hätte?-Aber sein Zorn

war zu groß gewesen; für Nachsicht und Geduld hatte er damals keinen Raum gehabt, und die Mutter, die treu sorgende, war dem Knaben schon lange gestorben. Sie hätte ihn nimmer hinausgeschickt.

Kummer und Gram beugten Helmbrecht das Haupt. Ec würde sich an den Qualen verzehrt haben, wenn er nicht einen Trost in Elisabeth, seiner späteren zweiten Gattin, gefunden hätte. In ihrem Hause fand er zuerst Erquickung, Ablenkung zum Trost. Und als er sie erst ganz bei sich hatte als seine Gattin, als ihr liebevoller Zuspruch sich wie Balsam auf seine Wunde legte, da hörte sie langsam zu bluten auf. Aber sie heilte und vernarbte nie. Alljährlich an dem Tage, wo er den Sohn nach Ham­burg gebracht hatte, um ihn nach dem fernen Weltteil einzuschiffen, brach sie von neuem auf. Da half kein liebevoller Trösten der Gattin, kein liebkosendes Schmeicheln Inges. Nur bittere Reue nagte an seinem Herzen.

Vater, bei Gott, ich bin unschuldig."

Diese letzten Worte des scheidenden Sohnes wollten nicht aus seinem Gedächtnis. Das Bild des kraftvollen, bis dahin trotzig der Anklage gegen­überstehenden und ihn nun so flehentlich anschauendcn Jungen tauchte deutlich vor ihm auf.

(Fortsetzung folgt).